Guthrie hat mit drei angefangen Gitarre zu spielen und dann fast nix anderes mehr gemacht. Petrucci so recht "erst" mit zwölf. Yngwie so mit acht, glaube ich, weil Hendrix gerade gestorben und im schwed. Fernsehen zu sehen war. Bei Vai vaiß ich´s nicht. Das hört sich blöd an, aber diesen Vorsprung, deine gesamte Kindheit an den Schnüren verbracht zu haben, den holt keiner mehr auf, der erst knapp vor der Pubertät dazukam.
Das Geile an Guthrie ist aber nicht nur sein extrem flüssiges Spiel, sondern daß er durch seine Gitarre wirklich
sprechen könnte, wenn er wollte. Musik ist für ihn etwas, das für uns die deutsche Sprache ist. Sie war immer da und er kennt ihre verstecktesten Winkel und Ausdrucksmöglichkeiten. Bei den "Aristocrats" kann er das ja auch stark ausleben und seine vielen Geräusche, die er mit den Fingern und dem Jammerhaken erzeugt, die sind ja fast schon so etwas wie Sprechen (und Guthrie macht das natürlicher als Vai, finde ich, der ja auch dafür bekannt ist - z.B. "The audience is listening") und das sogar aus der Taufe gehoben hat, diese Art mit dem Vibratohebel stimmenähnliche Töne zu erzeugen).
Ich hatte beinahe Tränen in den Augen, als ich Guthrie in dem ganzen Hans-Zimmer-Zinnober vorletztes Jahr mit zweihundert anderen Musikern gesehen habe, wie er drei Akkorde schrömmelt und dabei noch lächeln muß. Aber damit verdient er immerhin mal Geld, das sei ihm natürlich höchlich gegönnt.
Ich bin auch ein großer Fan der "Aristocrats". Von den mittlerweile vier Alben gefallen mir allerdings die beiden ersten noch immer am besten. "I want a parrot" (von der ersten) ist vielleicht mein Lieblingstrack. Als gesamte LP ist die zweite mein Favorit, "Culture Clash", das war auch die erste, auf der Guthrie nicht mehr Suhr, sondern seine neuentwickelte Charvel gespielt hat. Das Coverpainting ist genial, ich habe mir auch die LP gekauft.
Kennt hier im Forum jemand das neue Album, das im letzten Sommer rauskam? "You know what...?" heißt das. Wieder ein irrer Stilmix, wieder manchmal diese spanischen Anleihen, ohne die Guthrie zur Zeit nicht auskommen zu können scheint. Die spanischen Skalen haben mir das vorletzte Album, "Tres Caballeros", ziemlich verleidet. Aber im Grunde ist es nur eine Skala, die phrygische, teilweise leicht abgeändert. Und die sog. "spanische Kadenz", für Hobbyklampfer: Das wären quasi a-moll, G-Dur, F-Dur und E-Dur. Haben wir alle schon zwanzigtausendmal gespielt, u.a. "Babe I´m gonna leave you" von Led Zep beruht auf dieser spanischen Kadenz.
Das neue Album finde ich aber sehr schön, ziemlich durchgeknallt (auch wieder die kranken Songtitel, die Ihr schon erwähnt hattet)! Ich war erstaunt, als Guthrie in einem Interview erwähnte, daß Marco (Minneman, der Drummer) alle Gitarren- und Bass-Parts in seinen jeweiligen drei Songs selbst schreibt und dann den anderen präsentiert. Jeder der drei hat ja je drei Tracks auf jedem Album, aber neu war für mich, daß die Musik nicht in Jams entsteht, sondern fast fertig ausgearbeitet von jedem einzelnen mit in das Studio gebracht wird.
Marco Minnemann hat surreal viele Soloalben gemacht, ich glaube, es sind über 30 oder sogar 40 Stück! Und dafür alle Instrumente selbst gespielt!! So hat er also auch die meisten Gitarrenparts in "When we all come together" fabriziert und das ist der absolute Wahnsinn für einen gelernten Schlagwerker! Mein ohnehinniger Respekt vor Marco ist dadurch ins Unermeßliche gewachsen...