Kurze Nachlese zum gestrigen Konzert im Kölner Luxor:
Nachdem Scott Reagers mit einem riesigen Pott Tee in der Hand auf die Bühne geschlufft kam, machte sich leider direkt Ernüchterung breit, da von seinem Gesang kaum etwas zu hören war. Lautstarke Unmutsbekundungen veranlassten die Band nach zwei Songs dazu, Scott's Monitorboxen einfach in Richtung Publikum umzudrehen (Reagers: "I don't need these things anyway. I know what I sound like.") - und siehe da: schon waren die Worte des Meisters zu vernehmen!
Mit hörbarem Gesang nahm die Angelegenheit dann ordentlich Fahrt auf: Unter den insgesamt 14 Songs der Setlist (juhuu - ich habe eine zerknüllte Setlist gefangen!) waren sage und schreibe sechs neue Songs vertreten, von denen bislang ja nur einer ("12 Years in the Tomb") veröffentlicht wurde. Aber das scheint auch zu zeigen, wie sehr die Band von der Stärke der neuen Sachen überzeugt ist - und das völlig zu recht. Die neuen Stücke empfand ich als sehr abwechlungsreich und durch die Bank richtig stark. Alleine mit so einem Ding wie dem abschließenden "Useless" hätte ich an diesem Punkt in der Bandkarriere niemals mehr gerechnet - was für ein Brecher! Wer hätte gedacht, dass sich die Band 40 Jahre nach ihrer Gründung nochmal auf ihre Punk-Einflüsse besinnt und so eine runtergerotzte Verbeugung vor Black Flag raushaut?
Mal ehrlich: Wenn eine Band mit solch einer makellosen Diskographie beschließt, 24 Jahre (in Worten: vierundzwanzig) nach
Die Healing nochmal ein Album mit Scott Reagers herauszubringen, schwingt als Fan neben einer riesigen Vorfreude auch immer latent die Befürchtung mit, dass die Band auf ihre alten Tage jetzt auch mal Grütze veröffentlichen könnte. Hatte ich mich bislang auf's neue Album lediglich gefreut, bin ich jetzt nach dem Konzert richtig heiß darauf.
Keine Ahnung zudem, ob die Band jemals so offensiv heavy geklungen hat, wie in der aktuellen Besetzung. Das liegt natürlich in erster Linie an der "neuen" Rhythmusfraktion. Bezüglich des Schlagzeugspiels von Henry Vasquez tendiere ich da in Richtung
@kylie. Der Mann drischt halt gerne viel und hart auf sein Drumkit ein - nimmt dabei aber gerade den langsam-kriechenden Songs etwas von ihrem Zauber. Sein unnachahmlicher Vorgänger Armando Acosta hat nunmal gezeigt wie man mit weitaus einfacheren Mitteln und einem Spiel leicht neben der Spur (ich nenne es gerne den "V-Beat") den Songs nochmal mehr Magie verleihen kann. Andererseits war es auch mal eine interessante Erfahrung, das auf Platte ja schon sehr flotte "Hallow's Victim" als lupenreinen Speed Metal zu hören.
Und da es sonst einfach viel zu selten passiert, noch eine kurze Lobhudelei auf Dave Chandler: Auch nach all der Zeit ist sein Gitarrenspiel schlichtweg unvergleichlich. Ich meine: Welchen anderen Gitarristen würde man nach wenigen Sekunden einfach so an seinem Sound erkennen? Na bitte. Und wie der Mann die Band in all den Jahren am Leben erhalten und durch wenige Höhen und viele Tiefen manövriert hat, verdient einfach Respekt und Anerkennung. Auch der Mann hätte es (mindestens so sehr wie Wino) verdient, einmal im Rahmen einer DF-Titelstory gewürdigt zu werden.
tl;dr: Konzert war ganz gut.