Nicht mehr als 15.000 Zeichen.... pfff..... langweilig....
Auf die heute im Gegenteil praktizierten Förderungen von Dialekten und Regionalsprachen habe ich beiläufig hingewiesen. Keine Ahnung, ob das viel ist oder wenig ist, was da z.B. im Sinne der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen getan wird. Dafür fehlt mir die Kompetenz.
Dialektförderung findet statt und ist natürlich begrüßenswert. Um ein sanftes Aussterben zu verhindern, sollte die Minderheitensprache jedoch regional nicht die "gnädig geförderte Schrulle" sein, sondern der Normalzustand. Ein Dialektsprecher sollte zur Meidung einer Diskriminierung einen Anspruch darauf haben, dass die Behörden mit ihm im Dialekt kommunizieren und es akzeptieren, dass er im Dialekt mit ihnen kommuniziert.
Jetzt wird es interessant. Das klingt tatsächlich nach Gewalt und vorauseilendem Gehorsam. Mir sind von meinem westfälischen Dorf solche Fälle vollständig unbekannt. Ich wüsste durchaus gerne mehr darüber, wie häufig und wie schwerwiegend so etwas ist und vor allem wer so etwas tut.
Aus solchen Übegriffen die Forderung abzuleiten, dass darum (!) z.B. Matheunterricht in Dialekt zu unterrichten sei, hätte durchaus etwas Identitätspolitisches - mit dem ganzen Rattenschwanz Chancen und Problemen dran.
Nur ein paar Beispiele:
- Die Stieftochter eines Verwandten wurde in der Schule mehrfach von Lehrern auch auf dem Pausenhof angehalten, Schriftsprache zu sprechen. Der Stiefvater wollte sich deswegen bei der Schulleitung beschweren. Die Mutter, die sich an dem Vorgang ebenfalls störte, hat ihn indes gebeten, es zu unterlassen, weil sie dann Nachteile für die Tochter befürchtete.
- Mehrere befreundete Paare sprechen mit mir und allen Leuten im Freundeskreis Dialekt, mit den eigenen Kindern jedoch Schriftdeutsch, aus denselben Gründen wie unter Spiegelstrich 1.
- Bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen einer Ringvorlesung zum Jubiläum der juristischen Fakultät Augsburg nahm ein Student mit deutlicher dialektaler Färbung seiner Sprache teil, was der direkt vor mir in Reihe 1 sitzende Rechtsgeschichteprofessor mir dem seinem Kollegen zugeflüsterten "Was ist denn das für ein Bauer." quittierte.
- Unsere Musiklehrerin vergab "Dummheitspunkt" (wörtlich!), die sie in ihr Notenheft eintrug, wenn jemand beim Vergleichen von Musikstücken sagte: "das ist lauter
wie" (im Schwäbischen und Alemannischen ist dies korrekt, da "als" in dieser Form nicht existiert). Die Eltern eines betroffenen Schülers beschwerten sich seinerzeit, woraufhin die Musiklehrerin (Ehre sei ihr!) tatsächlich entschuldigte, weil sie dies nicht gewusst hätte (sie war aus dem Norden). Diese Entschuldigung hab ich ihr in der Tat hoch angerechnet.
- Von Hänseleien der Stadt- und Vorstadtkinder zu Lasten der "Bauern" vom Land müssen wir nicht anfangen, oder? Die sind natürlich da, weil Kinder und Jugendliche immer gerne mal Gründe suchen, die anderen zu mobben.
Derartige Probleme hätten wir in deutlich geringerem Umfang, wenn die Lehrer selbst (auch) Dialekt sprächen oder zumindest der Verwendung des Dialekts durch Schüler positiv oder neutral gegenüber stünden.
Wir hatten natürlich auch Lehrer, die Schwäbisch sprachen. Am Gymnasium war das Problem erstaunlicherweise weniger präsent als an der Hauptschule. Hängt wohl damit zusammen, dass die Lehrer am Gymnasium tendenziell ihren Schülern zutrauten, auch als Dialektsprecher dennoch vernünftig "Hochdeutsch" lernen und sprechen zu können, während die Lehrer an der Hauptschule in vielen Fällen primär darum bemüht waren, zumindest einigen Schülern überhaupt erst mal richtig Deutsch beizubringen.
Dennoch, die "Forderung" nach einem rein dialektsprachlichen Unterricht ist natürlich eine schöne kleine Utopie meinerseits, die wir dann in Angriff nehmen, wenn das Wachstum endet und wir wieder bei autarken, schollentreuen Agrargesellschaften sind. Eine ernsthafte politische Forderung, die sich bereits aus dem Grundgesetz zwingend ergibt, indes ist, dass kein Schüler benachteiligt werden darf, wenn er sich in schulischen Zusammenhängen im Dialekt äußert, soweit es sich nicht explizit um die Bewertung seiner Leistungen im Fach "Deutsch" oder einer Fremdsprache handelt.
die Sprache der Ahnen ist für mich allerdings ein Großteil dessen, was den Menschen ausmacht.
Sorry, den Satz verstehe ich nicht. Ich habe den Eindruck, dass er sehr wichtig ist.
Das mag dir für realpolitische "Forderungen" vielleicht zu metaphysisch oder quasireligiös klingen, aber ich empfinde es so, dass die Sprache der Kanal ist, auf welchem die Seele funkt. Damit will ich sagen, dass durch die Art wie wir sprechen, der Gedanke, den wir haben, den Weg zum Gegenüber findet. Und nur über seinen Ausdruck macht der Mensch sich dem Mitmenschen verständlich. Nun kann natürlich jeder von uns, so mit einer gewissen Begabung gesegnet, neue Sprachen lernen und versuchen, sich in allerlei fremden Sprachen zu artikulieren. Gleichwohl empfinde ich es persönlich so, und ich gehe davon aus, dass es für viele so ist, dass sie ihre Gefühle, ihr Sosein, ihre Wünsche, ihre Ziele am besten in der Sprache artikulieren und transportieren können, die ihre Mutter- und/oder Vatersprache ist, mit der sie seit dem ersten Tage ihres Lebens aufgewachsen sind, in der sie denken, träumen, fühlen. Wie man aus meinen Beiträgen vielleicht erahnen kann, beherrsche ich das Schriftdeutsche ein kleines bisschen. Wenn ich mich krampfhaft dazu zwinge, kann ich es auch sprechen. Aber ich fühle mich nicht, als wäre es ich, der spricht, wenn ich Schriftdeutsch spreche. Es klingt für mich selbst, als spräche ich durch eine Maske. Ich bin mir selbst fremd, wenn ich Schriftdeutsch spreche. Dies haben viele Menschen mit mir gemein. Andere nicht. Das sieht man ja auch bei Musikern. Manche können sich in ihrer Muttersprache besser ausdrücken und texten Deutsch oder Dialekt, andere zieren sich in ihrer Muttersprache und wählen Englisch. Vielleicht zieren sie sich auch, weil die Muttersprache zu persönlich ist, für einen Song, den sie der Öffentlichkeit präsentieren. Wir werden nicht darüber diskutieren müssen, dass die Sprache des Individuums ein wichtiger Teil seiner Persönlichkeit ist oder zumindest einen wichtigen Teil dieser Persönlichkeit für sein Gegenüber dechiffriert. Spricht er Dialekt - oder auch Schriftsprache, wenn dies denn wirklich seine Muttersprache ist - dann sagt dies aber eben noch mehr über ihn aus, über seine Eltern, über seine Herkunft, über den Ort, an dem er aufwuchs usw... Die Sprache des Menschen ist sein soziokultureller Fingerabdruck, und ich finde es wünschenswert, dass dieser so individuell, vielseitig und divers sein soll wie irgendwie möglich, da das für mich ein wesentlicher Teil der kulturellen Vielfalt dieser Welt ist, der diese Welt so spannend und begeisternd macht. Sterbende Sprachen machen mich traurig, da sie die menschliche Zivilisation grauer, einförmiger, monotoner machen. Natürlich wären die Menschen an sich als Individuen auch wertvoll, wenn sie alle nur noch Esperanto sprächen. Aber die Welt wäre doch so viel ärmer. Die Fähigkeit, das anders sehen zu können, geht mir ab.
Ich habe Deinen Beitrag mehrfach ausgiebig gelesen, aber an Begründungen für Deine Thesen finde ich lediglich zwei (die letzten beiden Zitate). Der eine gibt m.E. durchaus Diskussionsgrundlage her. Den zweiten verstehe ich nicht.
.
Ich weiß gar nicht, ob ich Thesen habe. Es gibt ja keine Wahrheit, ob eine globale Sprache besser ist als 6500 oder umgekehrt. Daher habe ich primär Wünsche und keine Thesen.
Ob die Welt eine bessere ist, wenn es auch in 100 Jahren noch die 6500 Sprachen gibt, die es heute gibt, das weiß ich nicht. Für mich wäre es eine schönere, interessantere, spannendere, lebens- und liebenswertere. Andere sagen vielleicht, dass es toll wäre, wenn es nur noch eine Sprache gäbe, da viel praktischer. Die alte Glaubensfrage der Vereinheitlichung vs. Diversität. Beides hat vor und Nachteile. Ich wünsche mir von Herzen dass die Politik, soweit es irgendwie möglich ist, den Erhalt sprachlicher (und sonstiger kultureller) Vielfalt fördert, da diese das Leben zwar nicht immer einfacher macht, aber doch kulturell ungemein bereichert.
Ich hoffe ich habe mich nun begreifbar gemacht.