Berühmte Gitarren der Rockgeschichte

Ich habe keine Ahnung, ob auch nur eine Seele im Forum dieses Thema interessiert, aber ich wage den Versuch. Es soll hier nicht um Nerd-Talk gehen, das ist ja schließlich kein Gitarristen-Forum. Die Idee ist einfach Geschichten zu erzählen. Geschichten, die vielleicht den einen oder die andere darauf bringen, mal wieder diese oder jene Band mit Aufmerksamkeit zu bedenken. Oder eines der Alben aufzulegen, von denen die Rede war.

In einer Zeit, in der wir uns alle physisch voneinander weitgehend entfernt halten müssen, möge dieser Thread auch einen Schuß Haptik in den Alltag bringen.

Jeder, der oder die eine interessante Geschichte zu erzählen hat, ist herzlich eingeladen, ja beinahe genötigt dies hier zu tun! Ich hatte im Sinn, in jedem Beitrag immer eine berühmte Gitarre mit einer Geschichte vorzustellen und gleichsam noch ein schönes Gitarrenalbum als Beigabe mit in den Koffer zu legen. :)

Und ich möchte mit dem imo schönsten E-Gitarrenmodell anfangen, das diese Welt jemals hervorgebracht hat: Der Gibson Les Paul. Nur ganz rasch ein paar Eckdaten zur Historie dieses Modells. 1952 als Gibsons Antwort auf Fenders Telecaster-Modell entstanden, war sie in den gesamten 50er Jahren ein Verkaufserfolg. Zunächst gab es sie in Gold und Schwarz, ab 1958 dann auch in einer sog. Sunburst-Lackierung. Die ist außen rot und innen gelb und so dünn aufgetragen, daß man die Maserung des Holzes durchscheinen sehen kann.

Der Korpus einer Les Paul besteht aus Mahagoni mit einer aufgeleimten Ahorndecke, die gewölbt ist. Das gibt der Gitarre die Aura eines Streichinstruments aus der Klassischen Musik. Der Hals besteht ebenfalls aus Mahagoni, zumindest bei den berühmten Modellen der 50er.

Die Les Pauls, die bei Gibson von 1958-1960 gefertigt wurden, hießen Les Paul Standard. In diesen drei Jahren 1958, 1959 und 1960 wurden schätzungsweise 1400-1700 Stück produziert. Die Absatzzahlen sanken innerhalb dieser drei Jahre beträchtlich, auch weil Konkurrent Fender den damaligen Zeitgeist besser traf, so daß Gibson 1961 zunächst die Fertigung des Les-Paul-Modells einstellte. Heute sind Exemplare der Les Paul aus den Jahren 1958-60 die gesuchtesten und teuersten E-Gitarren aller Zeiten.

Richtig berühmt wurde die Les Paul erst Mitte der 60er Jahre. Vor allem die Bluesrock-Gitarristen haben sie plötzlich für sich entdeckt, allen voran Eric Clapton, der auf dem sog. Beano-Album von John Mayall´s Bluesbreakers die Kombination von Gibson Les Paul und Marshall-Verstärker unsterblich machte.

Viele andere bekannte Gitarristen mußten deshalb unbedingt auch so eine Les Paul haben, am besten in der Standard-Version mit der hübschen Sunburst-Lackierung aus den Jahren 1958-60. Spätestens Jimmy Page hat die Les Paul Standard dann Ende der 60er neben der Fender Stratocaster zu dem Hardrock-Werkzeug Nummer eins gemacht. Und in den 70ern wollte auch ein Gitarrist names Joe Perry unbedingt so eine Paula (wie die Les Paul in Gitarristenkreisen bloß genannt wird). Die Aerosmith-Klassiker "Toys In The Attic" und "Rocks" spielte er fast zur Gänze mit seiner Les Paul Standard aus dem Jahr 1959 ein und blieb seiner Lieblingsklampfe auch danach weiterhin treu - bis er aus drogentechnischen oder sonstigen Gründen Anfang der 80er Jahre die Band verlassen und bald danach seine geliebte Gitarre verkaufen mußte.

Mitte/Ende der 80er gab es für Aerosmith dann einen zweiten Frühling und Perry war wieder in der Band. Nur eben ohne seine Les Paul Standard. Er vermisste das Teil offensichtlich so sehr, daß er seinem Gitarrentechniker den Auftrag gab, nach dem Ding zu suchen. Was in einer Zeit Pre-Internet vermutlich gar nicht einfach war. Und wirklich kam der Techniker irgendwann mit einem Gitarrenmagazin angelaufen, in dem auf einer Doppelseite Slash mit einigen seiner wertvollsten Gibson Les Pauls abgebildet war. In der Mitte der doppelseitigen Fotografie erkannte Perry seine heißgeliebte alte Paula.

Sogleich nahm er Kontakt zu Slash auf, der bekanntermaßen ein großer Fan von Perry war und schon als kleiner Junge Luftgitarre zu Aerosmith-Songs gespielt hatte. Perry bat dringend darum, Slash seine alte Paula abkaufen zu können, er solle jeden Betrag nennen, der ihm lieb sei, Perry würde ihn bezahlen. Denn Geld war wieder reichlich da nach dem großen Erfolg von Aerosmith Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre.

Slash entschuldigte sich jedesmal, wenn Perry wieder anrief, und meinte verlegen: "Mann, frag mich etwas anderes!" Er wollte die Gitarre nicht herausrücken. Irgendwann, nach vielen Anrufen und Bitten, sagte Perry Slash, er würde nun nicht weiter in ihn dringen, Slash solle einfach in sich gehen und wenn er sich einmal tatsächlich von dieser ganz speziellen Klampfe trennen könne, möchte er bitte nur ihn, Joe Perry, anrufen, denn er würde sie mehr haben wollen als irgendjemand sonst auf dieser Welt.

Die Les Paul, von der hier die Rede ist, ist im Video von "November Rain" zu sehen, wenn Slash vor die Kirche tritt und zu seinem berühmten Solo anhebt. Es handelt sich, wie erwähnt, um eine 1959er Les Paul (den besten Jahrgang von den dreien), die Lackierung war durch den Lichteinfluß der Jahrzehnte zu einem sog. Tobacco Sunburst geworden, also am Rand nachgedunkelt.

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Diese Les Pauls aus dem Jahr 1959 erzielen von allen Paulas gewöhnlich die höchsten Preise am Markt. Wir reden von etlichen hunderttausend Dollar. Mit prominenten Vorbesitzern steigt der Preis nochmal gewaltig, den ein Sammler blechen müßte, wenn ihm überhaupt noch eine solche Gitarre angeboten wird.

Joe Perry hat bei Conan O´Brien die Geschichte wie folgt weitererzählt. Es gab eine Feier zu seinem 50. Geburtstag und befreundete Bands spielten für ihn. Auf einmal kam Perrys Gitarrentechniker mit einer Gitarre zu ihm und meinte, Slash wolle Joe Perry seine alte Les Paul gern zum Geburtstag schenken.


Ich finde, das ist wirklich eine der schönsten Geschichten aus dem gesamten Rockzirkus, Slash schenkt seinem großen Vorbild Joe Perry "ihre gemeinsame" Gitarre, die er ihm für über eine halbe Million Dollar genausogut hätte verkaufen können. Man muß zusätzlich bedenken, daß diese Les Paul inzwischen natürlich auch für Slash einen sentimentalen Wert bekommen hatte. Aber er hatte sich wohl zu der Einsicht durchgerungen, daß die "November-Rain-Les-Paul" letzlich Perry noch mehr als ihm, Slash, zugehörte.

Wohl dem, der solche Fans hat, Joe Perry! :top:

Als Gitarrenalbum möchte ich nach diesem ersten Beitrag gerne eines in den Gitarren-Koffer legen, das NICHT auf einer Les Paul eingespielt wurde, sondern vor allen Dingen auf einer Gibson ES-335 (nämlich "Cliffs of Dover") und einer selbst sehr berühmten Fender Stratocaster:

Eric Johnson - "Ah Via Musicom"

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Diesmal geht es nicht um ein besonderes Exemplar, sondern um ein sehr besonderes Gitarren-Modell. Die vermutlich inexistenteste Gitarre der gesamten Musikgeschichte, die Gibson Moderne.

In der zweiten Hälfte der 50er Jahre hat Gibson-Chef Ted McCarty gemeint, jetzt müsse endlich mal Schluß sein damit, daß alle Musiker und Gitarrenverkäufer die Modernität der Fender-Modelle priesen und die Gibson-Klampfen als altbacken und überholt ansähen. Er gab in Auftrag, wirklich radikale E-Gitarren zu kreieren, und seine Designer kamen dann tatsächlich auch mit drei Entwürfen, die so futuristisch wirkten, daß die Welt wieder mal ein bißchen Zeit benötigte, um sich darauf einzustellen.

Die drei Science-Fiction-Gitarren, die McCarty und seine Mitarbeiter 1957 nach längerem Hick-Hack zum Patent anmeldeten, hießen schließlich "Flying V", "Explorer" und "Moderne". Die Flying V kennt jeder hier im Forum mindestens durch Michael Schenker und auch Jimi Hendrix ("Red House"), die Explorer von The Edge und James Hetfield, der allerdings keine Gibson spielt, sondern einen Nachbau der japanischen Edelschmiede ESP. Aber diese beiden Korpus-Formen, die Flying V und die Explorer, sind jedem Metal-Fan vertraut wie die Bierpreise an der nächsten Tanke, beide Shapings weisen diese berühmten Zacken auf, die die Gitarren aussehen lassen, als seien sie recht unbequem zu spielen.

Das war wohl auch ein Grund, daß der Verkauf so schleppend lief, daß beide Modelle, die Gibson 1958 auf den Markt warf, nach zwei Jahren wieder eingestellt wurden. Dave Davies von den Kinks und Albert King waren die ersten, die Mitte der 60er eine Flying V im Fernsehen spielten, doch richtig berühmt und durch die Decke gingen beide Modelle erst in den 70ern, als harter Hardrock resp. Proto-Metal sie für sich entdeckten. Denn das Auge hört bekanntlich auch mit.

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Von der Flying V und der Explorer kennt man die verzweifelt niedrigen Stückzahlen, die Ende der 50er gefertigt und weltweit verkauft wurden (96 bzw. 22 Stück). Aber was ist mit der dritten Axt im Bunde, der Moderne? Tja, und da gehen die Meinungen halt... etwas auseinander. Vorsichtig gesagt. ;)

Es gibt eine Patentzeichnung von ihr und Joe Bonamassa ist der Meinung, daß, um so ein Patent zu erlangen, der Bau mindestens eines Prototyps notwendig gewesen sein muß. Andere sehen das anders und so ist mit den Jahren dieser Mythos um die Moderne entstanden, der in letzter Zeit beträchtlich an Fahrt aufgenommen hat, denn es gibt neben einigen Fachbüchern über die Moderne seit wenigen Jahren auch einen Roman, der sich mit ihr beschäftigt und eine interessante Kreuzung aus Krimi und Musikhistorie um die Moderne herum gestrickt hat.

Ich bin weder der Autor, noch arbeite ich beim Verlag (das fehlte auch), deswegen darf ich vielleicht dieses Buch an dieser Stelle sehr empfehlen. Ich war selbst ganz positiv überrascht, daß es so spannend und informativ geraten ist. Ein junger, aber ziemlich erfolgloser frz. Musiker arbeitet vorübergehend im angesehensten Gitarrenladen von Paris. Er muß im Auftrag seines Chefs nach Schottland fliegen, wo ein exzentrischer Lord ihm den seltsamen Auftrag gibt, eine Gibson Moderne für ihn zu finden. Und zwar nicht eine aus dem Jahr 1982, denn da hatte Gibson die Gitarre nachweislich zum ersten Mal in Serie gebaut (wenn auch in kleinr Stückzahl), sondern einen jener Prototypen aus dem Jahre 1958, von denen man nicht weiß, ob es sie jemals gab.

Der steinreiche Lord behauptet, er habe bis vor Kurzem so ein Exemplar besessen, das sei ihm nun gestohlen worden und um die 10 Millionen (!) an Versicherungssumme kassieren zu können, brauche er einen unwiderlegbaren Beweis der Existenz dieser sagenumwobenen Gibson Moderne. Der junge, weitgehend unbeleckte Gitarrenverkäufer gerät natürlich in ein Abenteuer der musikgesättigteren Art, in dem das schottische Anwesen von Jimmy Page mit seinem Aleister-Crowley-Vibe eine Rolle spielen, ein durchgeknallter japanischer Gitarren-Sammler, ein angeranzter Elvis-Imitator, eine hübsche dunkelhäutige Musikologin und jede Menge amerikanisches Blues-und Rock´n´Roll-Lokalkolorit. Der Großteil des Buches spielt im Mississippi-Delta und man erfährt unendlich vieles über die Entstehung der Bluesmusik und in welchen Umständen diese Musiker und ihre Leute seinerzeit gelebt haben.

Und dann ist da natürlich auch noch Li Grand Zombi Robertson, eine gespenstische Gestalt, der Bluesmusiker im Delta war und auf einer Single 1958 im visionären Alleingang den Heavy Metal erfunden hat (!). Auf eben einer Gibson Moderne, wie´s scheint. Vielleicht. Möglicherweise. Hört sich jedenfalls ganz danach an. :D

Es gibt Leichen, Friedhöfe und Sümpfe in Florida. Das Beste aber ist, daß dieser ganze Stoff wirklich verdammt kompetent zusammengenäht wurde und von der Beale Street in Memphis bis zu den Tonstudios der Soul-Label wird man voll in die Musik des schwarzen Amerikas hineingezogen.

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Als Gitarrenalbum kommt heute selbstverständlich eines in den Koffer, das wie kaum ein anderes die Atmosphäre des "Vintage"-Romans wiederzugeben weiß und das auch selbst Bestandteil dieses Buches ist:

Robert Johnson - King Of The Delta Blues Singers, Vol. II

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Gibson hat ja schon immer eine furchtbare Saitenführung an der Kopfplatte gehabt. Das Prinzip des möglichst geraden Saitenzugs zu den Mechaniken scheint sie nie sonderlich interessiert zu haben.

Aber die Modern topt sie alle. Die Les Paul ist ja schon nicht sonderlich stimmstabil, aber diese Saitenführung erforderte doch bestimmt ein ständiges Nachstimmen. Und ein Meisterwerk der Ästhetik ist die Kopfplatte auch nicht um sagen zu können dass sie dafür wenigstens wunderschön ist.
 
Nein, das ist nicht "Greeny" auf dem Bild mit Gary Moore, sondern irgendeine nagelneue Gibson Les Paul, die die Firma Moore vermutlich in die Hand gedrückt hat. Aber Gary hat ja auch live fast nur neue Gitarren gespielt, zumindest seit den 90ern.

@The Metallian hat es schon erwähnt, diese wahrscheinlich berühmteste und auch teuerste Les Paul aller Zeiten ist nach dem Spieler benannt, der sie bekannt gemacht hat: Peter Green. Green hatte zunächst Bass gespielt, dann aber im Jahr 1965 häufig Eric Clapton mit John Mayall´s Bluesbreakers live in Clubs gesehen und sich entschlossen, die Saitenanzahl aufzustocken und von da an selbst Gitarre zu spielen. Natürlich mußte es auch für ihn eine Les Paul sein und er hat in der Denmark Street in London im berühmten Musikgeschäft Selmer´s eine gebrauchte Les Paul für wenig mehr als hundert Pfund ergattert. Damals steckte der Hype um die Les Paul noch in den Kinderschuhen, Mike Bloomfield hatte sich in den USA zwar auch schon eine zugelegt (auch er wegen Eric Clapton), aber so richtig legendär wurde die Les Paul nicht in ihrem Geburtsland USA, sondern in England.

Urigerweise war der spätere abonnierte Telecasterspieler Keith Richards der allererste, den man im Fernsehen mit einer Les Paul Sunburst sehen konnte. Jimmy Page hatte sich eine Les Paul Custom zugelegt, das war die schwarze Paula, von der oben schon die Rede war und die mit drei statt zweier Tonabnehmer ausgestattet war. Mit dieser schwarzen Les Paul Custom spielte Jimmy Page einen Großteil seiner Studio-Gigs, und er hatte Mitte der 60er so viele davon, daß man heute schätzt, auf ca. 60% aller seinerzeit gemachten Platten sei Jimmy Page an der Gitarre zu hören. Dann hatte er die Nase voll von Studioarbeit im Verborgenen und trat den jungen, aber bereits legendären Yardbirds bei. Die schwarze Les Paul Custom übrigens wurde Page im Jahr 1970 gestohlen und ist erst vor wenigen Jahren an ihn zurückgegeben worden.

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Die beiden erwähnten Bands, John Mayall´s Bluesbreakers und The Yardbirds, waren im London Mitte der 60er Jahre sicherlich die mit den aufsehenerregendsten Gitarristen-Lineups. In jeder der beiden gab es eine unmittelbare Folge von drei Gitarrenspielern, die später Weltruhm erlangen sollten. Bei den Yardbirds waren das Eric Clapton, Jeff Beck und Jimmy Page; bei Mayall ebenfalls Eric Clapton (der genug hatte von den Popsongs der Yardbirds und wieder unverfälschten Blues spielen wollte), Peter Green und Mick Taylor.

Während man bei Mayall grundsätzlich Les Pauls spielte, gab es bei den Yardbirds diese blonde Fender Telecaster, die Beck von einem Freund bekommen hatte und die er schließlich seinem Schulkumpel Jimmy Page in die Hand drückte, als beide für recht kurze Zeit bei den Yardbirds spielten. Beck und Page kannten sich durch Vermittlung von Becks Schwester schon seit ihren frühen Kunsthochschultagen und sind gitarrenmäßig sozusagen gemeinsam aufgewachsen. Sie spielten im Haus von Becks Eltern, indem sie eine ihrer Gitarren (es passte jeweils nur eine rein) an das Radio der Eltern anschlossen, an welches eine selbstgebaute Lautsprecher-Box gehängt wurde, die Beck kreiert hatte. Dann wurden Songs gecovert und Licks ausgetauscht.

Die blonde Telecaster aber ist nicht nur in Antonionis Kultfilm "Blow Up" zu sehen, in der berühmten Szene, als die Yardbirds live auftreten (mit Beck und Page als Gitarrenduo) und Beck seinen Amp wie seine halbakustische Gitarre zerlegt (die Tele spielte glücklicherweise gerade Jimmy), sondern diese Gitarre ist maßgeblich daran beteiligt gewesen, den Härtegrad der Rockmusik um etliche Einheiten zu erhöhen, nämlich auf Led Zeppelins erstem Album, wo sie fast durchgängig zu hören ist.

(Antonioni "Blow Up", Yardbirds-Scene)

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Meines Wissens hat Page für das Stairway-Solo genau diese Gitarre noch einmal hervorgekramt, obwohl er da schon länger fast ausschließlich zur Les Paul gewechselt war.

Doch zurück nach London in die Denmark Street (ich hatte ja gedroht, hier würden Geschichten erzählt werden). :acute: Selmer war der wichtigste Musikladen damals, Clapton hatte seine Les Paul hier gekauft, Peter Green seine, Jeff Beck und Jimmy Page auch und viele andere namhafte Gitarristen die ihren. Bei Selmer hat Ende der 60er auch ein Junge namens Paul Kossoff gearbeitet und seinem großen Idol Jimi Hendrix eine Gitarre verkaufen können. Wenige Jahre später sollte Kossoff, der mit seiner Gruppe Free gerade den ersten Welthit "All right now" gehabt hatte, von Jimis Tod so sehr aus der Bahn geworfen werden, daß er zunächst in den Drogensumpf und schließlich nin den Tod gerissen wurde.

Der Kreis der großen Les Paul-Spieler der 60er Jahre schloß sich in gewisser Weise, als Paul Kossoff dem Urheber der Les-Paul-Mania, Eric Clapton, vor einem gemeisamen Konzert in den USA sein aufsehenerregendes Fingervibrato erklären mußte. Clapton war da frisch zur Fender Stratocaster gewechselt, der er sein gesamtes wieteres Wirken lang bis auf wenige Ausnahmen treu bleiben sollte. Die Les Paul aber war sicherlich das Bindeglied innerhalb der härteren Rockmusik im England der zweiten Hälfte der 60er Jahre und vermutlich hat ihr voller, satter Sound erheblich dazu beigetragen, sowohl den Verzerrungsgrad erhöhen zu können als auch das Sustain zu verlängern, denn einzelne Töne oder Power-Akkorde konnte man mit einer Les Paul viel länger klingen lassen als mit den Fender-Instrumenten.

Erst Jimi Hendrix, der seine Strats nicht lassen mochte, bat seinen Effektgeräteguru Roger Mayer darum, ihm kleine Helfer zu entwickeln, um den Sound auf diese Weise aufzudicken - gleichsam als Verlängerung des Instruments Gitarre.

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Was Peter Green und seine Les Paul anbelangt, er spielte sie vor allen Dingen dann bei Fleetwood Mac, als diese Gruppe noch nicht flockigen Americana-Pop gemacht hat, sondern eine erdige und echte Bluesrock-Combo war. Angeblich war es in München, als irgendwelche deutschen Hardcore-Hippies Peter Green entweder schlechten Stoff oder zuviel vom mittelmäßigen verabreicht haben, danach jedenfalls brach beim Jahrhundertgenie an der Gitarre eine schizophrene Erkrankung aus, von der er nie wieder genesen sollte.

Möglicherweise war Green auch nicht ganz auf der Höhe, als er einem jungen irischen Nachwuchsgitarristen namens Gary Moore, den damals noch niemand kannte, seine kostbare Les Paul im Tausch gegen Moores Gibson SG vermachte, bzw. gegen die paar hundert Pfund, die Moore durch den Verkauf dieser Gitarre einheimste.

In Gary Moores Händen hat "Greeny", wie diese Les Paul von ihm nur liebevoll genannt wurde, dann alle ihre harten Zeiten mitgemacht: Mindestens ein Halsbruch (der professionell geleimt wurde) durch einen Autounfall und ungezählte Macken sowie Lackabschürfungen waren das Resultat von Moores intensivem Spiel gewesen. Joe Bonamassa, der sich zu so etwas wie dem Vintage-Gitarren-Freak emporgespielt hat, hat "Greeny" Ende der Nullerjahre mal gespielt und meinte, dieses Ding sei tot, da sei kein Ton und gar nichts mehr darin. Dann wurde "Greeny", nachdem Moore sie aus Geldnot verkaufen mußte, überholt und restauriert und wieder spielte Bonamassa dieses Ding (denn ihm leihen alle Sammler ihre Preziosen, damit sie wieder zu musikalischen Ehren gelangen und nicht im Tresor verstauben), und Boß Bonamassa gab nunmehr sein Wohlwollen zum Ausdruck, "Greeny" sei wieder am Leben und einsatzbereit.

Heute besitzt, wie erwähnt, Kirk Hammett "Greeny". Experten schätzen, daß er ca. zwei Million Dollar hingeblättert haben dürfte. Wer sich nun fragt, was ausgerechnet ein Kirk Hammett damit möchte, der möge dessen Soli auf den letzten Metallica-Alben noch einmal nachhören. Im Grunde nur noch Blues-Pentatonik mit ein bißchen Wah-Pedal. Live spielt man solche Instrumente sowieso nicht (viel zu hoch ist die Gefahr, daß irgendetwas drankommt), doch ob "Greeny" schon eine Metallica-Platte veredelt hat, das ist mir nicht bekannt. Ich glaube aber, das würde man wohl hören.

Denn "Greeny" hat eine Besonderheit. Noch in den 60ern hat Peter Green einmal den Hals-Tonabnehmer rausgenommen und später wieder eingesetzt und neu verlötet. Dabei muß ihm ein Fehler unterlaufen sein, denn er verkabelte den Pick-Up falsch und das Ergebnis war ein fahler, seltsam jenseitiger Gitarrensound, wenn man beide Tonabnehmer gleichzeitig benutzte. Diese klangliche Besonderheit hat sicherlich zu "Greenys" Ruhm sehr beigetragen, wenngleich sie immer vor allem nach dem Gitarristen klang, der sie gerade spielte.
 
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Legendär sind auch die Explorernachbildungen ESP MX-220 "EET FUK" und " FUK EM UP" von James Hetfield. Beide kamen unter anderem beim ebenso berühmten Konzert von Seattle '89 zum Einsatz.
Ja, sie haben die aktiven Pick-Ups, die so gut taugen für die gedämpften Power-Chords, von denen Metallica zu 80% lebt. Da hat man dann halt ein Batteriefach in der Gitarre. o_O Demnächst kann man mit seiner Gitarre wahrscheinlich auch noch Fotos machen und telefonieren. :acute:
 
Mal ein großes Lob von mir für diesen Thread.
Ich bin normalerweise nicht sonderlich Gear-affin und verstehe auch zu wenig davon.
Aber dadurch, dass du schöne Geschichten der Musikhistorie mit diesen Gitarren verwebst, kommt richtig Leben in die Bude.
Macht wirklich Spaß zu lesen und ich hoffe, du hast noch einige solcher Gitarrengestories auf Lager.
 
Danke für die nette Rückmeldung, lieber pirate, das ist mir in der Tat sehr wichtig, daß das hier allgemeinverständlich und musikalisch relevant bleibt. Alles andere wäre reine Selbstdarstellung. Als nächstes habe ich vor über die Frankenstein-Gitarre von Eddie van Halen zu reden. Der Mann war nämlich nicht nur musikalisch ein Erfinder (oder jedenfalls doch ein großer Erneuerer), sondern auch handwerklich recht geschickt. ;)

Dank an alle, die hier likes verteilt haben, an wen auch immer! So hat dieser kleine, unscheinbare Thread auch seine Existenzberechtigung bekommen. :top::feierei:
 
Generell fällt mir dazu immer ein: Brian May's "Red Special", gebaut von klein Brian gemeinsam mit seinem Vater aus altem Kaminholz, gespielt mit einem Geldstück. So weit mir bekannt würde das Ding heute horrende Summen einfahren, wenn es denn verkäuflich wäre, ich denke allerdings, der gute Brian wird davon sicherlich Abstand nehmen...
 
So, dieser Beitrag wird durchtränkt sein von Fanboy-Gequassel. Denn nach Biber (Heinrich Ignaz Franz natürlich, nicht der Justin) und Eric Dolphy ist er der dritte Musiker, der meine Welt so tüchtig auf den Kopf gestellt hat, daß danach nichts mehr war wie vorher. Wenn ich in beruflichem Zusammenhang schonmal gefragt werde, bei wem ich "gelernt" hätte, dann sage ich immer, obwohl das sicher nicht das ist, was der Fragesteller wissen wollte: "Der einzige, bei dem ich wirklich was gelernt habe, war Eddie van Halen".

Und das stimmt auch in einem gewissen Sinne. Eddie war mein Ein-und-alles, als ich so 16,17,18 war. Mit 14 erst habe ich begonnen, den Tennisschläger, der zuletzt zwei Funktionen zu erfüllen hatte ;), gegen die runtergerockte Höfner meiner Mutter einzutauschen. Ein Verwandter schenkte mir dann, als ich 15 war, meine erste richtige E-Gitarre, ein herrliches Stück Sperrmüll mit einer Saitenlage so hoch, daß bequem ein Rettungshubschrauber hätte drunter durchfliegen können. Aber genauso lernt man. Ich habe dieses Teil geliebt. :)

Zunächst saß ich damit im meinem dunklen Zimmer und spielte Soli von B.B. King und Eric Clapton nach. So gut es eben mein ungeschultes Gehör zuließ. Dann haben wir die Band gegründet und vor allem Stones und Free gecovert. Für mich war damals alles, was sich nach Led Zeppelin in der Musikwelt zugetragen hatte, neumodischer Kram, den ich nicht brauchte. Tjaja, ich war ein fortschrittliches kleines Kerlchen. Durch Gitarren-Zeitschriften wurde ich dann allerdings mit einem Namen dauerbombardiert, der auch fünfzehn Jahre nach dem Debutalbum seiner Band noch nichts von seiner Strahlkraft eingebüßt hatte: Eddie van Halen.

Und irgendwann war ich so wagemutig mir mal eine Platte von besagten Leuten zuzulegen. Es war natürlich auch "Van Halen I" und ich saß da und dachte nur: "Okaaaaayyyy...". Natürlich war mir klar, daß man zu dieser Zeit Gitarre nicht mehr spielte wie einst Jimmy Page, doch das, was ich hier hörte, war anders als fucking alles, was ich je zuvor gehört hatte. Dabei war die Musik als ganze im Grunde eher etwas für Zahnarzthelferinnen von der Westküste, mich störten immer schon die Glam-Effekte, die vor allem durch die beiden Sänger und die Keyboards mit hinein kamen. Auch glitzerten die meisten Songs der ganzen Produktion nach viel zu sehr.

Aber was scherte mich dieser kleine Coolnessverlust, wenn dafür Onkel Eddie fiedelte? Da ich Gitarre nicht nach Noten spielen kann, mußte also auch dieses nach Gehör erkundet werden, und das war verdammtnochmal der beste Trip, auf den ich mich jemals begeben habe. Natürlich wußte ich von Bildern und aus Magazinartikeln, daß er dieses sog. Tapping spielte, also mit beiden Händen auf dem Griffbrett, doch wie sowas im einzelnen wohl geht und was man dafür tun muß, das habe ich mir ganz allein erschliessen müssen, denn ich hatte niemals Unterricht auf diesem Instrument. Ein Live-Video hat mir dann später noch geholfen, die Feinheiten herauszulesen.

Sagen wir es klipp und klar, wie´s is: Für mich ist Eddie van Halen das größte Genie, das jemals eine E-Gitarre in die Hand genommen hat. Die meisten sagen, Hendrix sei die Nummer eins als Innovator, Musiker und Visionär. Das sehe ich für mich nicht so, ich finde, Eddie hat spieltechnisch, also von den genuin gitarristischen Möglichkeiten, die er uns erschlossen hat, die Nase vorn. Hendrix war eher ein Soundartist und ein Gesamtkünstler, wenn man so möchte. Doch Onkel Eddie war derjenige, der eine völlig neue Welt gezeigt hat. Eine, die zuerst in seinem Kopf entstanden war, bevor sie dann in Klang und Tönen Wirklichkeit geworden ist.

Die meisten hier im Forum werden seine Geschichte kennen, wie er und Alex als recht kleine Jungs von Nijmegen in die einschüchternd riesige USA gezogen sind und mit ihrem Vater, der ein Profimusiker gewesen ist, auf dem Schiff spielten, um so die Überfahrt zahlen zu können. Ein Klavier war beinahe alles, was die Familie aus den Niederlanden mitgenommen hatte. Beide Brüder waren offenbar sehr gut als Nachwuchspianisten, denn sie gewannen etliche Wettbewerbe, und das, obwohl sie keine Noten lesen konnten, wie Eddie spitzbübisch gerne erzählt. Selbst sein Klavierlehrer war schlicht bestürzt, als Eddie ihm nach einigen Jahren des Unterrichts eröffnete, er schaue zwar aufs Notenblatt, doch spiele immer nur aus dem Gedächtnis, was der Lehrer ihm zuvor gezeigt hatte. Er schummle sich so durch, und das tat er wohl ziemlich gut. :D

Mit dieser typisch niederländischen Idiosynkrasie erschuf sich Eddie auch nach Aufgabe des Pianospielens im Alter von ungefähr elf Jahren weiterhin seine höchsteigene Musik-Welt, merkwürdig abgekapselt von dem, was sonst um ihn herum passierte. Er lernte alles nur by trial and error, das Gitarrespielen, das Songschreiben und sogar, wie man aus seinem Equipment weitaus mehr herausholt, als irgendjemand jemals reingelegt hätte.

Wenige wissen, daß Eddie anfangs auch gesungen hat, als sich die Vorform von Mammoth formierte. Das hat er dann gelassen und wer die "Van Halen III" kennt, weiß, daß das die richtige Entscheidung war. ;) Die beiden van Halen-Brüder hatten anfangs auf dem Instrument des jeweils anderen gespielt. Eddie versuchte sich am Schlagzeug, Alex an der Gitarre, doch weil Eddie oft Zeitungen austragen war, setzte sich Alex immer häufiger hinter die Schießbude, und als er Eddie dann einmal was vortrommelte, mußte dieser zähneknirschend eingestehen, daß Brüderchen inzwischen sehr viel besser war als er und schweren Herzens selber die Gitarre nehmen und versuchen, etwas daraus machen. :)

Es folgten Jahre der beinahe kompletten Isolierung, Eddie saß fast immer nur in seinem Zimmer und spielte diese vermaledeite Klampfe. Ohne Anleitung, zum Glück. Denn als er sozusagen wieder Kontakt zur Außenwelt aufnahm, war da plötzlich nicht mehr ein Naturtalent, sondern ein ausgewachsenes Genie im Teeniealter, das nach Taten lechzte.

Doch auch für Van Halen war die kalifornische Musiklandschaft kein Siegeszug ohne Verluste, man spielte jahrelang in kleinem Rahmen auf jeder Party und in jedem noch so kleinen Club, die einen haben wollten. Doch früh schon präsentierte Eddie seine Tapping-Orgien mit dem Rücken zum Publikum, damit ihm niemand wegnehmen konnte, was er zwar nicht erfunden hatte, aber zu einer solchen künstlerischen Höhe aufgepeppt, daß man getrost behaupten kann, er habe jene Tapping-Technik, wie er sie inkarnierte mit solcher Geschwindigkeit und technischen Sauberkeit, erst höchstselbst kreiert.

Doch Eddies neuer Sound war nicht nur Tapping. Er spielte schneller als die meisten anderen und baute dabei oft tonleiterfremde Töne ein, was reichlich abgefahren, neu und krass gewirkt hat. Man muß sich wirklich vor Augen halten, daß Eddie nicht bloß von anderen Rockmusikern von Anfang an auf ein Podest gestellt wurde, sondern auch von Jazz-Größen wie Pat Metheny, Fusion-Institutionen wie Allan Holdsworth und auch Musikern, die selbst gar keine Gitarre spielten. Eddie van Halen war im Jahr 1977/78 DER Knall im erweiterten Rock-Universum und zwar ein Knall, den damals niemand nicht gehört hatte. Bis in die Popmusik hinein, von der Van Halen ja stets selbst ein Teil gewesen sind, kannte man ihn und wußte, was er tat und daß das anders war als alles, was zuvor gewesen ist.

Eddie hatte allerdings noch mehr als "nur" seine gitarristischen Fähigkeiten aus sich selbst geschöpft. Er hat sich sogar sein eigenes Equipment hergestellt, das nötig war, um diesen Wumms zu kriegen, mit dem er dann seine spielerischen Fähigkeiten einsetzte.

Eddie spielte zunächst auf einer Fender Stratocaster, weil sie bequemer zu beackern war als viele Gibson-Modelle, denn die Fender haben mehr Platz zwischen den Bundstäbchen und damit eine etwas längere Mensur (so nennt man den Teil einer Gitarrensaite, der frei schwingen kann, also alles zwischen Sattel und Bridge, den beiden Punkten, wo die Saite aufliegt). Doch seiner Band gefiel der dünne Sound der Single-Coil-Pickups nicht so gut und Eddie, nicht faul, schlachtete eine Gibson ES-335, entnahm ihr einen ihrer dicken Humbucker (die fetter klingen als die Singlecoils der Fender-Gitarren), meißelte die Stratocaster auf und lötete den Humbucker hinein. Das war schonmal eine Verbesserung.

Doch ihm gefiel die Stratocaster bald nicht mehr so wirklich und er kaufte im Gitarrenteile-Shop von Wayne Charvel einen Stratocaster-Korpus, den nicht Fender hergestellt hatte, und einen Gitarren-Hals als Einzelteile, angeblich sogar verbilligt, weil sie leichte Holzfehler aufwiesen. Die schraubte er zusammen und vergrößerte wiederum die Vertiefung, in die der Tonabnehmer kam. Bald merkte er, daß er ohnedies eigentlich nur den hinteren der drei Stratocaster-Pickups brauchte, so daß die anderen kurzerhand rausgenommen wurden. Es war jetzt eine fenderähnliche Gitarre mit einem Gibson-Tonabnehmer und zwei häßlichen Löchern (später einem Dummy in der Halsposition). Also so richtig DIY-Metal.

Als letzte Amtshandlung mußten die unlackierten Teile nun noch etwas Farbe abbekommen, Eddie nahm also ein bißchen Klebeband und Fahrradlack, den er großzüging auf den Korpus sprühte. Fertig war die frühe Form der sog. Frankenstrat, der Frankenstein-Stratocaster, die ikonisch werden sollte in der Welt der E-Gitarren.

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Das letzte, was ihn störte, war das Vibrato-System, also die bewegliche Bridge, die man mit einem kleinen Hebel (liebevoll im Volksmund auch Jammerhaken genannt) auf- und abbewegen und damit die Tonhöre leicht modulieren konnte. Stärker ging nur schlecht, denn dann verstimmte sich der ganze Laden wie von Geisterhand. Das nervte unsern schnellen Eddie nun so sehr, daß er auch da auf neue Schandtaten sann und an dem Ding herumfriemelte, soviel er konnte, daneben überall nach einem besseren System fahndete.

Hier spaltet sich die Geschichte in wenigstens zwei Überlieferungsstränge auf. Klar ist, daß Eddie in den USA auf einen gewissen Floyd Rose traf, der Gitarrenbauer war und selbst an einem stimmstabileren Vibrato dokterte. Auch spielt ein gewisser Dieter Gölsdorf aus Deutschland eine große Rolle, der die kultige Firma Duesenberg gründete und wohl der erste war, der nicht nur an so einem stimmstabilen Dingens werkelte, sondern tatsächlich eins zuwege brachte.

Wer immer auch die wichtigen Details ersonnen hat, die ein belastbares Vibrato letztlich möglich machten, mit dem man bedenkenlos nach Herzenslust herumfuhrwerken konnte, Eddie bekam so eins auf seine Frankenstrat und einem wie ihm mußte man nicht zweimal sagen, daß er auch damit Neuland auftun könnte, wenn er wollte. Sein Einsatz des Jammerhakens, besonders in den sog. Dive-Bombs, die jedem Metal-Fan vertraut sind wie Muttis leckere Tomatensauce, war ebenso wegweisend wie der des Tappings. Zusammen mit seinem ultraschnellen Skalenspiel, seinen knallharten, extrem sauber ausgeführten Arpeggios (legendär natürl. das Lick von "Ain´t talking ´bout love") und seinem kindlichen Humor waren die Hauptzutaten des in meinen Augen größten Innovators der elektrischen Gitarre fertig angerührt. Der Rest ist Musikgeschichte.

Dies ist dieselbe Gitarre wie auf dem vorigen Bild, nur neu lackiert und (noch) weiter runtergewirtschaftet:

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Es würde zu weit führen, auch noch die Modifikationen anzuführen, die Eddie seinen Marshall-Verstärkern angedeihen ließ (er hat sozusagen auch den Power-Soak erfunden). Onkel Eddie ist so oder so eine Singularität im All des Rockgitarrespielens. Les Paul, der große Bastler und Erfinder nicht bloß einer der ersten echten E-Gitarren dieser Welt, sondern auch des mehrspurigen Aufnahmeverfahrens, hat einmal zu Eddie gesagt: "Weißt du, Eddie, vom Gitarrebauen verstehen eigentlich nur du, ich und Leo Fender etwas". :cool:

Das ist ein würdiges Schlußwort für die heutige Geschichte. Wie immer kam alles aus meinem Gedächtnis und etwaige Fehler soll der Teufel holen.

Als Gitarrenalbum kommt nun eins in den Koffer, das zwar von einem in Eddies Tradition stehenden Shredder eingespielt wurde, das aber vollkommen ohne Technik-Gepose auskommt und mit all´ seiner herzzerreissenden Melodik mein allerliebstes Gitarrenalbum überhaupt ist, übrigens ohne Gesang:

Marty Friedman - Scenes

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Man muß natürlich noch hinzufügen, daß Eddies Gitarrenspiel heute nicht mehr state of the art ist. Schon Yngwie Malmsteen hatte es einige Jahre später beträchtlich weiterentwickelt und Eddies Klamotten, die Ende der 70er ein Erdbeben ausgelöst haben, werden heute von den meisten Shred-Kids schon nach wenigen Jahren mühelos bewältigt.

Gitarrespielen ist akademischer geworden, durchtrainierter, man bolzt in aller Regel von Anfang an schon Kondition und Technik, anstatt erstmal nur zu daddeln und daraus etwas wirklich Eigenes zu gestalten. Ein Hintergrund, vor dem Eddies damalige Self-taught-Show eigentlich nur noch sympathischer erscheint. :feierei:
 
Sehr schön geschrieben @GrafWettervomStrahl .

Man muß natürlich noch hinzufügen, daß Eddies Gitarrenspiel heute nicht mehr state of the art ist. Schon Yngwie Malmsteen hatte es einige Jahre später beträchtlich weiterentwickelt und Eddies Klamotten, die Ende der 70er ein Erdbeben ausgelöst haben, werden heute von den meisten Shred-Kids schon nach wenigen Jahren mühelos bewältigt.

Gitarrespielen ist akademischer geworden, durchtrainierter, man bolzt in aller Regel von Anfang an schon Kondition und Technik, anstatt erstmal nur zu daddeln und daraus etwas wirklich Eigenes zu gestalten. Ein Hintergrund, vor dem Eddies damalige Self-taught-Show eigentlich nur noch sympathischer erscheint. :feierei:
Da braucht man nur auf YouTube schauen. Da spielen Kids mit atemberaubender Technik. Leider wird der künstlerische Aspekt dadurch ein wenig in den Hintergrund gerückt und die ganze Plackerei des Übens wird wenig gewürdigt. Man klickt es kurz an, nickt anerkennend und klickt dann zum nächsten. Viele Gitarrenkiddies gähnen nur gelangweilt bei Hendrix, aber sein Feeling und seine Improvisationskunst kriegen sie im Leben nicht hin.
 
Ich bin ja bis heute der Meinung, dass Eddie Van Halens Magie weniger in seiner Virtuosität, als vielmehr in seiner Phrasierung, seiner Songdienlichkeit und vor allem in seinem oft leicht verschleppten oder angezogenen, mitunter fast vom Metrum losgelösten Timing liegt...!
 
Ich bin ja bis heute der Meinung, dass Eddie Van Halens Magie weniger in seiner Virtuosität, als vielmehr in seiner Phrasierung, seiner Songdienlichkeit und vor allem in seinem oft leicht verschleppten oder angezogenen, mitunter fast vom Metrum losgelösten Timing liegt...!
Besser kann man´s nicht zusammenfassen. Er war in diesem Sinne vor allem der beste "Rhythmus"-Gitarrist der Rockmusik, falls diese Bezeichnung bei ihm überhaupt noch Sinn ergibt. Und ja, sein Timing war... intuitiv. ;) Und deshalb so geil. Und so einzig. Der hat sicher nie mit nem Metronom dagehockt und ein Lehrbuch auf den Knien gehabt.

Hendrix hatte das natürlich in ebenso einzigartiger Ausprägung, @Zerum! Eddie hat mal gesagt, ein Solo von ihm sei wie wenn einer die Treppe runterfällt und dennoch auf den Füßen landet.
 
Dieser Beitrag wird erheblich kürzer werden als die anderen von mir in diesem Thread. Das bedeutet aber nicht, daß mir der Musiker, um den es geht, weniger ans Herz gewachsen wäre als die anderen. Das Gegenteil ist der Fall, Criss Oliva ist einer meiner absoluten Lieblingsgitarristen aller Zeiten. Und er ist der einzige, dessen Klampfe ich in meinem Musikzimmer als kleines Modell aus Holz stehen habe. :)

Es ist genau diese:

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Viel zu früh verstorben, viel zu wenig gewürdigt. Seine vielleicht besten Arbeiten sind auf den Savatage-Alben "Gutter Ballet" und "Edge Of Thorns" zu finden. Zumindest denke ich das immer, wenn ich diese Platten höre. Criss war ein Meister des geschmackvollen Solierens, unverdächtig jeder überzogenen Poserei oder jeglichen Herumalberns zulasten der Musik.

Er hat immer genau geschaut "Was braucht der Song?" und hat es ihm gegeben. Hätte Criss noch zehn Jahre länger gelebt, sein Einfluß auf Zeitgenossen und Nachgeborene wäre vermutlich sehr viel größer ausgefallen und er hätte womöglich sogar so etwas wie eine eigene Gitarristen-Schule hervorbringen können. Doch leider blieb ein exakter Blick für die basalen Bedürfnisse des musikalischen Materials im Metal-Gitarren-Bereich bis heute eher die Ausnahme.

Sehr früh schon hat Criss Oliva sich auf Gitarren der Marke "Eddie´s Frankenstrat" kapriziert, also die sog. Super-Strats mit Floyd-Rose-Vibrato, Humbuckern und einem möglichst flachen Griffbrett, auf daß dem Gott des Shreddings angelegentlich geopfert werden könne. :feierei:

Ich habe Criss auch mit Jackson- oder Kramer-Äxten rumlaufen sehen, der Hersteller, der mehr als alle anderen mit ihm verbunden werden dürfte, ist hingegen Charvel (derselbe Stall wie Jackson allerdings). Die berühmte Klampfe auf dem Backcover der "Streets"-LP (s.u.) ist eine Charvel ebenso wie diejenige, die auf der "Gutter Ballet"-Hülle in die Mülltonne gesteckt wurde. Beide sind weiß lackiert und beide haben einen sog. pointed-headstock, also die spitz zulaufende Kopfplattenform, die einer Haifischflosse nachempfunden ist und die Grover Jackson, der Gründer der Charvel/Jackson-Company, nach dessen Idee für Randy Rhoads entworfen hatte.

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Criss, du fehlst! :hmmja:

Und ausnahmsweise hier mal ein paar links für alle, die seinen unglaublichen Ton vielleicht nicht mehr so in Erinnerung haben oder die Band Savatage sogar noch gar nicht kennen sollten (was eine Minderheit sein sollte hier im Forum):

(Silk and steel)

https://www.youtube.com/watch?v=TT4gqFty5ok (Follow me)

https://www.youtube.com/watch?v=fr8O5B2S8Kc (Hounds)

...sowie natürlich der Farewell-Song, den ihm Bruder Jon nach Criss Tod bei einem fremdverschuldeten Verkehrsunfall im Oktober 1993 sozusagen hinterhergeschrieben hat:

https://www.youtube.com/watch?v=u4_WVFWaLsQ (Alone you breathe)

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