Rammstein

Ich glaube jeder der nicht checkt, dass Lindemann und die Leute von Rammstein Kunstfiguren sind hätte auch Ziggy Stardust für nen Außerirdischen gehalten.
https://i.ytimg.com/vi/khM3NIh85xg/maxresdefault.jpg
maxresdefault.jpg
Weisst Du wie viele der eher bildungsbenachteiligten Jugendliche in Deutschland glauben, dass Berlin Tag und Nacht echt ist?
 
Und deswegen ist das egal, ob es um eine Kunstfigur geht oder um das lyrische Ich:

Um das Verherrlichen von Vergewaltigungen als reine Provokation hinzunehmen, dafür ist die Problematik zu real. Allein in Deutschland erfährt jede siebte Frau im Laufe ihres Lebens strafrechtlich relevante sexualisierte Gewalt. Und laut der Eurobarometer-Umfrage von 2016 fanden 27 Prozent der befragten Europäer*innen, dass „nicht einvernehmlicher Geschlechtsverkehr in bestimmten Situationen vertretbar ist“.

https://taz.de/Gedicht-von-Rammsteins-Till-Lindemann/!5676267/
 
Würde behaupten diese Jugendlichen gucken kein analoges Fernsehen.
Doch doch, weniger, aber sie schauen noch hin und lassen sich emotional fangen.
Die Quote ist in den letzten fünf Jahren gefallen, das Beispiel hinkt also etwas, zumindest wenn es um die Aktualität geht, nicht aber wenn es um die eigentliche Aussage geht: Medienkompetenz ist unter den bundesdeutschen Jugendlichen oft eine Frage des finanziellen und sozialen Status der Herkunftsfamilie. Ein provokantes Gedicht einer Kunstfigur wie Lindemann von einem rassistischen Lied von einem verschwörungstheoretisch dahinschwafelnden Horst wie Naidoo zu unterscheiden gelingt nicht einfach jedem.
 
Doch doch, weniger, aber sie schauen noch hin und lassen sich emotional fangen.
Die Quote ist in den letzten fünf Jahren gefallen, das Beispiel hinkt also etwas, zumindest wenn es um die Aktualität geht, nicht aber wenn es um die eigentliche Aussage geht: Medienkompetenz ist unter den bundesdeutschen Jugendlichen oft eine Frage des finanziellen und sozialen Status der Herkunftsfamilie. Ein provokantes Gedicht einer Kunstfigur wie Lindemann von einem rassistischen Lied von einem verschwörungstheoretisch dahinschwafelnden Horst wie Naidoo zu unterscheiden gelingt nicht einfach jedem.

Natürlich nicht, aber das ist nun wirklich nicht die Verantwortung von Lindemann oder Cannibal Corpse oder KIZ. Verstehe deinen Punkt also nicht ganz. Ich bin sofort bei dir, wenn es darum geht, dass Kinder zu dem Kram keinen Zugang haben sollten (was sich ja aber eh erledigt), aber noch viel mehr dann, wenn es darum geht die Medienkompetenz durch Unterricht zu stärken. Tatsächlich glaube ich aber, dass Rammsteine durch diese authentizitätsfreise Iszenierung diverser -ismen eigentlich eine ganz gute Grundlage dafür ist solche Kompetenz zu trainieren.

Um das Verherrlichen von Vergewaltigungen als reine Provokation hinzunehmen, dafür ist die Problematik zu real. Allein in Deutschland erfährt jede siebte Frau im Laufe ihres Lebens strafrechtlich relevante sexualisierte Gewalt. Und laut der Eurobarometer-Umfrage von 2016 fanden 27 Prozent der befragten Europäer*innen, dass „nicht einvernehmlicher Geschlechtsverkehr in bestimmten Situationen vertretbar ist“.
Ich habe mir echt Mühe gegeben, aber das ist doch kein valides Argument. Was heißt "als reine Provokation hinnehmen" bzw. was ist denn die Alternative? Wer setzt die Grenze dafür, was "zu real" ist um als Provokation hinnehmbar zu sein? Sollen sich die Ärzte für den Song über Schumacher entschuldigen? Muss ich meine Maniac-DVDs jetzt wegschmeißen? Soll meine Mutter ihr Falco-Poster von der Wand reißen? Höre ich nicht strukturell die gleichen Argumente, wie von Christa Jenal anno dazumal?
 
Und deswegen ist das egal, ob es um eine Kunstfigur geht oder um das lyrische Ich:

Um das Verherrlichen von Vergewaltigungen als reine Provokation hinzunehmen, dafür ist die Problematik zu real. Allein in Deutschland erfährt jede siebte Frau im Laufe ihres Lebens strafrechtlich relevante sexualisierte Gewalt. Und laut der Eurobarometer-Umfrage von 2016 fanden 27 Prozent der befragten Europäer*innen, dass „nicht einvernehmlicher Geschlechtsverkehr in bestimmten Situationen vertretbar ist“.

https://taz.de/Gedicht-von-Rammsteins-Till-Lindemann/!5676267/
Das lässt sich allerdings auch drehen und sagen: um nicht mit aller Gewalt der Gesellschaft diesen Spiegel vorzuhalten, ist das Thema zu wichtig. Gerade in einer Gesellschaft die die Schuld für sexualsierte Gewalt zunehmend im generalisierten Anderen sucht um eine eigene maskuline Dominanz einzufordern, ist der Hinweis auf das Thema wichtiger denn je, denn Vergewaltigung geht meist von bekannten und vertrauen Personen aus.
-->
Und jetzt reden wir über ein Thema, das vor einer Woche medial keines war.

Leider ist das dann aber doch nur Aktionismus aus dem skandalisierten Aufreger des Tages der Corona-Zeit im Dauer-Online-Modus. In einer Woche ist das wieder kein Thema - Ein Punkt mehr der mich daran nervt, es bleibt nur der Werbeeffekt und ich habe das schale Gefühl, dass das Lindemann genügt. Da verpufft das Kunstargument, das ein Thema anzusprechen, das der Kunstfreiheit in der kulturindustriellen Selbstvermarktung ... Katsching.
 
die Verantwortung von Lindemann oder Cannibal Corpse oder KIZ
Ja:
Ist das jetzt nur Produkt, ist die Verantwortung des Künstlers die Kunst, und die des kommerziellen Künstlers der Markt? Wenn dem so ist hat Lindemann vielleicht alles richtig gemacht und wir als Gesellschaft alles falsch?
Aber ... Ein Künstler darf sich durchaus seines Publikums bewusst sein, er muss es aber nicht.
----
Natürlich lässt sich hervorragend an Rammstein arbeiten. Ich hab Mal n Seminareinstieg mit x Plattencovern gemacht. Jeder Teilnehmer sollte sich eins nehmen das er mochte (musikalisch oder visuell). Es waren alles Skandalalben die mit dem Gefühl von Männlichkeit spielten und wir diskutierten wie Männlichkeit in der Popkultur stetig verhandelt wird (um dann die Brücke zum deutschen Battle- und Gangsterrap zu schlagen). Rammsteins Debüt ist als hochüberstilisierte Karikatur eines teutonischen Männlichkeitsideals eines der Beispiele gewesen.
 
Was heißt "als reine Provokation hinnehmen" bzw. was ist denn die Alternative?

Es angemessen zu thematisieren und zu kritisieren, statt es salop als Provokation legitimiert in Anbetracht tatsächlich lebensweltlicher Probleme abzulegen, schlimmstenfalls zu verharmlosen. Eigentlich die offensichtliche Alternative. Keiner redet von Verboten oder was auch immer Du da so lautstark überzogen mit allerlei Verweisen auf einen ehemaligen 131er oder auf - gähn! - Jenal implizieren willst. Dass es aber sexuelle Gewalt gibt, ist feststellbar und somit mir auch gewichtiger als dieser vermutete bildende Wert der Rammstein'schen Provokationsinszenierungen.

Und jetzt reden wir über ein Thema, das vor einer Woche medial keines war.

Eigentlich schon. Weinstein war die letzten Wochen ziemlich oft in der Presse.
 
Eigentlich schon. Weinstein war die letzten Wochen ziemlich oft in der Presse.
Ja, aber da wo Lindemann diskutiert wird, diskutiert werden kann und damit wohlmöglich Bewusstsein schaffen könnte, wird Weinstein doch kaum wahrgenommen. Und leider wird das genau da bald auch kein Thema mehr sein und vermutlich jenseits des kurzen Aufregers nicht als Diskussionsgrundlage für das Thema genutzt.
 
Ja, aber da wo Lindemann diskutiert wird, diskutiert werden kann und damit wohlmöglich Bewusstsein schaffen könnte, wird Weinstein doch kaum wahrgenommen. Und leider wird das genau da bald auch kein Thema mehr sein und vermutlich jenseits des kurzen Aufregers nicht als Diskussionsgrundlage für das Thema genutzt.
Ich muss doch stark bezweifeln, dass unter Anhängern, zumindest beim überwiegenden Anteil, dieses Pamphlet in irgendeiner Art und Weise angemessen kontrovers und in die Lebenswelt abstrahiert diskutiert werden wird. Vor allem lässt sich im Moment einmal mehr beobachten, wie Fans reflexhaft in eine Verteidigungsstellung übergehen und versuchen, Kritik, wie oben angerissen, weg zu reden oder zu delegitimieren. Manchen scheint unbegreiflich, dass auch die Freiheit der Kunst nicht vor Kritik schützt.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich muss doch stark bezweifeln, dass unter Anhängern, zumindest beim überwiegenden Anteil, dieses Pamphlet in irgendeiner Art und Weise angemessen kontrovers und in die Lebenswelt abstrahiert diskutiert werden wird.
Absolut:
Was schätzt ihr eigentlich, wie groß der Anteil der Lindemann/Rammstein-Verfolger bis -Fans ist, die hier keine intellektuelle Überlegung ansetzten und solche Provokation allein ob ihrer Provokation und Härte befürworten? Was das angeht bin ich durchaus bei @Lobi und sehe Lindemann als Popstar in einer Form von Verantwortung die sich vom Avant-Äquivalent Laibach oder den frühen Industrial-Sachen (I hatte you little Girls <3) abhebt.
 
Es angemessen zu thematisieren und zu kritisieren, statt es salop als Provokation legitimiert in Anbetracht tatsächlich lebensweltlicher Probleme abzulegen, schlimmstenfalls zu verharmlosen
Niemand hat hier irgendwas verharmlost und als jemand der Opfer sexueller Gewalt im engsten Umfeld hat verbitte ich mir das Implikat.
Was schwerer zu belegen ist als sexuelle Gewalt ist der genaue Zusammenhang zwischen Gedichten, die sie thematisieren und der Existenz dieser Gewalt. Dieser wird hier ebenso behauptet, wie dass es sich um "reine Provokation" handelt. Und hier greift eben CJ, die behauptet(e) Gewalt und Verrohung seien eindeutiges Ergebnis bestimmter Bilder und Gewalt; egal was empirisch feststellbar ist.
Ich interpretierte das Gedicht außerdem anders, nicht als reine Provokation und im Kontext des Schaffens der Gruppe und Lindemanns eigenen Texten: Eigentlich so, wie es sich gehört und so wie es Journalist_innen gelernt haben, die nicht rein angefeuert vom Twittertempo asap ein take raushausen müssen in dem bestimmte feststehende Phrasen abgespult werden müssen (wie in der TAZ). Auch dieses Muster war bei "Deutschland" gut zu beobachten, denn die Artikel, die ein paar Tage später kamen, hatten beinahe durchgängig einen anderen Ton als die ersten panisch getippen 3000 Zeichen.
 
Niemand hat hier irgendwas verharmlost und als jemand der Opfer sexueller Gewalt im engsten Umfeld hat verbitte ich mir das Implikat.

Dieses Implikat redest Du dir ein. Ich finde diese Unterstellung - ehrlich gesagt - total daneben.

Was schwerer zu belegen ist als sexuelle Gewalt ist der genaue Zusammenhang zwischen Gedichten, die sie thematisieren und der Existenz dieser Gewalt. Dieser wird hier ebenso behauptet, wie dass es sich um "reine Provokation" handelt. Und hier greift eben CJ, die behauptet(e) Gewalt und Verrohung seien eindeutiges Ergebnis bestimmter Bilder und Gewalt; egal was empirisch feststellbar ist.

"Nur hat ja in der Debatte niemand Till Lindemann vorgeworfen, er würde gerne Frauen vergewaltigen. Kritisiert wird die Darstellung der Vergewaltigung in seiner Poesie. Auch ein Lyrisches Ich kann die Täterperspektive feiern, Gewalt verharmlosen oder rechtfertigen und mögliche reale Täter animieren – dafür muss es nicht deckungsgleich mit einer realen Person sein. Auch die Gedanken eines Lyrischen Ichs können Betroffene sexualisierter Gewalt triggern."

Richtig. Full blown Jenal. Du überziehst hier gnadenlos.

Und es wird nicht behauptet, dass es sich um reine Provokation handeln würde ("Lindemann provoziert gerne und liebt es Grenzen zu überschreiten. Das weiß, wer die Texte der Band Rammstein kennt. [...] Um das Verherrlichen von Vergewaltigungen als reine Provokation hinzunehmen, dafür ist die Problematik zu real."). Das Argument der Provokation ist dagegen das Standardargument seiner Advokaten. Ist aber, glaube ich, sowieso egal.

Eigentlich so, wie es sich gehört und so wie es Journalist_innen gelernt haben, die nicht rein angefeuert vom Twittertempo asap ein take raushausen müssen in dem bestimmte feststehende Phrasen abgespult werden müssen (wie in der TAZ). Auch dieses Muster war bei "Deutschland" gut zu beobachten, denn die Artikel, die ein paar Tage später kamen, hatten beinahe durchgängig einen anderen Ton als die ersten panisch getippen 3000 Zeichen.

Wow. #mitfansreden. Auf sowas habe ich keine Lust.
 
Es angemessen zu thematisieren und zu kritisieren, statt es salop als Provokation legitimiert in Anbetracht tatsächlich lebensweltlicher Probleme abzulegen, schlimmstenfalls zu verharmlosen.
Dieses Implikat redest Du dir ein. Ich finde diese Unterstellung - ehrlich gesagt - total daneben.
huh, ich sitze hier eigentlich und lese yugoslavische Fanzines auf den frühen 90ern und trinke Flens, aber okay.
Wow. #mitfansreden. Auf sowas habe ich keine Lust.
Bin weder Rammstein, noch Lindemann-Fan. Habe auch dies in diesem Thread und dieser Debatte kundgetan. Ich habe der Band und TL in meinem Leben auch nicht einen Cent zukommen lassen. #TeamLaibach Der Grund, warum ich den Gedichtband schon vor langer Zeit hatte, war eine Rezension in der ich ihn getrasht habe. Insofern unterstellst du mir hier (erneut?) anhaltlos etwas anstatt meine Argumente ernstzunehmen und die von dir präsentierten (wie die aus dem schrecklichen TAZ-Text) auf ihre Prämissen hin zu untersuchen.
Beim Rest müsst ich mich wiederholen. Leuten zu sagen, sie sollen sich beruhigen ist quasi immer ein von-oben-herab reden, deswegen fällt das hier aus. Aber da ich Parley mit dir eigentlich immer genossen habe und würde ich dich darum bitten aufzuhören an mir Dinge anzunehmen. Warum auch immer du das tust. Stattdessen könntest du auf die präsentierten Argumente – ohne Zwischenrufe wie "gähn" – eingehen.
 
Bin weder Rammstein, noch Lindemann-Fan.

Okay, dann nicht #mitfansreden. Sorry. Habe dennoch keine Lust auf derartige Rants, zumal der Inhalt davon keine Rolle spielt.

Auf den Rest bin ich bereits eingegangen. Ich kann aus der Replik auf das Verlagsstatement weder Verbotsforderungen noch etwas vom Gehalt und der Konsequenz der Behauptungen Jenals herauslesen. Das oben Zitierte ist meiner Ansicht nach ziemlich eindeutig (der letzte Satz ist meiner Meinung nach zentral; das Triggern). Da macht es auch keinen großen Sinn, deiner Feststellung zu widersprechen, die sicher richtig ist, hier aber nichts zur Sache tut, wenn man diesen einen Teil der Replik herausgepickt nicht überbewerten will.
 
Ich hab mir den besagten Artikel und das Gedicht nun durchgelesen und muss sagen, dass es mich, ehrlich gesagt, ziemlich kalt lässt. Ich hab nun die Beiträge hier dazu gelesen, und ein wenig über etliche Punkte nachgedacht, und wollte meine Gedanken hier ein wenig teilen. Ob sie was zur Diskussion beitragen sei nun dahingestellt, aber darum geht es ja auch nicht immer ;) (Ein wenig geht es mir auch darum was zu tun, während ich hier in der Nacht sitze... so what?)

Herr Lindemann geht nun mittlerweile stramm auf die 60 zu, kann das? Irgendwie ist mir das immer nie so richtig klar. Von jugendlichem Leichtsinn kann da nicht mehr die Rede sein. Klingt natürlich schon toll, wenn man sich Dichter oder Lyriker nennen kann. Klingt besser wie "Sänger einer Rockband". Ich frage mich tatsächlich, wer denn nun mit diesen Gedichtbänden angesprochen werden soll. Sind die für Rammsteinfans gemacht? Für Menschen, die die Texte von Rammstein kennen und sich mehr Texte erhoffen, die in eine entsprechende Richtung gehen? Oder möchte Herr Lindemann damit Menschen ansprechen, die regelmäßig Gedichtbände kaufen? Wer tut denn sowas? Butter bei die Fische: Der durchschnittliche Rammstein-Hörer weiß worauf er sich einlässt und wird, denke ich, nicht aus allen Wolken fallen, wenn er/sie so einen Text liest. Till Lindemann und Rammstein, sind, meiner Meinung nach, mittlerweile selbst Kunstfiguren, wie es hier auch schon erwähnt wurde. ein interessanter Gedanke ist dann nun also, wer schreibt diese Gedichte... Herr Lindemann selbst oder die Kunstfigur Till Lindemann? Wie ist das, kann man auch in so einer Kunstfigur gefangen sein? Nicht mehr da raus kommen? Wäre auch scheiße...

Zurück zu dem Gedicht, wie gesagt, es hat mich kalt gelassen. Der Aufschrei, die Schlagzeilen, ich habe irgendwie "mehr" erwartet. Stimmt nun etwas mit mir nicht deswegen? Es sind, im Grunde, harmlose Worte die benutzt werden, um einen widerlichen Vorgang zu beschreiben. Das Erschreckende passiert im Kopf, es wird nicht explizit beschrieben. Diese paar Zeilen schaffen es, dass ein Film im Kopf abläuft, sie erschaffen eine komplette Geschichte: Davon wie eine, womöglich, junge Frau, mit ein paar Tropfen im Glas gefügig gemacht wird, vergewaltigt wird... Man könnte jeden Schritt explizit beschreiben, wirklich widerlich und widerwärtig werden. Aber das tut der Autor nicht. Das ist nicht nötig. denn jeder weiß sofort worum es geht und wie so etwas wohl abläuft. Diese paar, objektiv betrachtet, harmlosen Worte, schaffen es, dass man sich einfühlen kann in das Opfer. Mag sein, dass sich der ein oder andere auch in den Täter einfühlen kann...sogar Spaß daran hat... Aber objektiv betrachtet sind die Worte, nahezu, harmlos. Ich finde es schlimmer, dass jeder sofort ein Bild davon im Kopf hat, sich vorstellen kann was dort passiert. Dass man sich direkt in eine solche Situation einfinden kann. Wenn man mit einer kindlichen Unschuld an das Gedicht herangeht stellen sich 2 Fragen:
"Warum überall anfassen?" und "Was ist Rohypnol?" Aber diese Unschuld existiert nicht mehr...

Das ist, für mich, dann auch der Grund, warum ich dieses Gedicht nicht als so verachtenswert erachte, wie es manch einer dargestellt hat. Sollte ein Autor zu sehr ins Detail gehen, keine Frage, weg mit dem Schund. Sowas braucht kein Mensch. Aber hier passiert, das meiste im Kopf, es passiert zwischen den Zeilen, davor und danach. Das Gedicht triggert, keine Frage, aber an sich ist es, wie gesagt, beinahe harmlos. Der Autor kann nichts für das was in unseren Köpfen passiert. Für mich ist das ein bisschen so wie mit nem Horrorfilm, in dem angedeutet wird was passiert... aber bevor es kritisch und explizit wird kommt ein Schnitt... Am Ende ist der Film maximal FSK 16, vielleicht kommt er sogar mit ner FSK 12 raus, wenn nicht wirklich gezeigt wird was passiert. Ganz ehrlich, wenn in irgendnem Thriller sich ein Typ für den Discoabend fertig macht, vorm Spiegel steht und das vor sich hinreden würde... Es würde kein Hahn danach krähen. Man nähme es zur Kenntnis, und würde es als Unterstüzung zur Charakterentwicklung hinnehmen. Ganz ehrlich, das würd, wahrscheinlich ohne irgendwelche Bedenken, zur Prime-Time laufen, wer weiß, wahrscheinlich auch schon nachmittags am frühen Abend in irgendner Soap oder so...

Was nun bleibt ist die Frage, worum geht es dem Autor wirklich? Ich hab keinen Schimmer ob Herr Lindemann so weit denkt... Eigentlich hab ich immer das Gefühl, dass der Mann nicht blöd ist, und würde ihm, denke ich, sowas schon zutrauen. aber ganz ehrlich... Wenn man selbst mal was schreibt, manchmal schreibt man einfach... ohne sich da groß Gedanken drüber zu machen, ohne große Intention oder sonstwas. Einfach des Schreiben wegens. Manchmal erkundet man die andere Perspektive, versucht sich einzudenken, einzufühlen in jemand anderen, eine hypothetische Person, das lyrische Ich. ich kann mir bis heute nicht vorstellen, dass sich diverse Schriftsteller und Autoren soviel Gedanken über das gemacht haben was sie schreiben, wie es mir manch Deutschlehrer vormachen will. Ich glaube nicht daran, dass jemand Alliterationen bewusst benutzt, um irgendwas zu verstärken, sondern einfach weil sie gut klingen... Vielleicht mag ich mich auch irren...

Und am Ende bleiben für mich folgende Fragen: Was wäre, wenn diese Zeilen NICHT von Herrn Lindemann kämen, sondern, wie gesagt, ganz beiläufig, so in irgendnem Thriller aufgetaucht wären? Es hätte niemanden interessiert. bekommen diese Zeilen nun ihre Bedeutung dadurch, dass sie eben von Herrn Lindemann stammen? Bekommen sie ihre Wirkung dadurch, dass sie in einem Lyrikband stehen? Was wäre, wenn es ein Songtext von Rammstein wäre, oder ein Track auf dem aktuellen Lindemann Album?
Was wäre wenn ich die gleichen Gedichte, keine Ahnung, bei Amazon als meinen Lyrikband rausgehauen hätte? Wahrscheinlich hätte die Zeilen niemand gelesen, und es wäre egal. Da würd niemand drüber reden, es gäbe keine hunderte Schlagzeilen, es würde nicht die Runde machen... Es würde niemanden interessieren. Die Zeilen bekommen erst Gewicht dadurch, dass sie eben von Herrn Lindemann kommen, und erst dadurch wird darüber diskutiert.
 
Zurück
Oben Unten