09. Fantômas – Cape Fear
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Director’s Cut │ 2001]
Es handelt sich, wie du sehr richtig bemerkt hast, tatsächlich um einen Auszug aus einem Filmsoundtrack, einmal durch den Fleischwolf gedreht, der Mike Pattons Gehirn ist. Natürlich werkelten bei Fantômas auch noch Dave Lombardo und King Buzzo (und der Mr. Bungle-Bassist), aber für mich ist Mike Patton der Regisseur, der hier bedrohlich die Klappe hebt und dabei den Schatten eines Axtmörders wirft. Insofern der Track hier als Überleitung und Vorbereitung auf den zweiten Teil des Samplers dient, hätten da auch andere Songs vom Horrorsoundtrack-Album der vier Phantome stehen können, aber die kurze „Cape Fear“-Sequenz passte am besten und glänzt natürlich besonders durch die irre Stimmperformance.
10. Taist of Iron – Ouija
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Resurrection │ 1984]
Der zweite Teil des Samplers ist nicht wirklich ein zweiter Akt, er ist eigentlich „more of the same“, aber sagen wir einfach, dass wir nach und nach bestimmte Viertel der Stadt kennenlernen.
Resurrection, das bis vor kurzem einzige Album dieser Amis, habe ich vor ein paar Jahren in Vorbereitung auf den KIT-Auftritt der Truppe- nein, Moment, das stimmt nicht. Es war vielmehr noch ein paar Jahre
davor, als Fenriz vonnen Darkthrones nebenan in seiner ersten oder zweiten Podcast-Folge „Cult Metal for all you Darkthrone fans“ den (selbstverständlich total unbekannten) Taist of Iron-Hit „The Gates“ spielte. Jedenfalls war ich in den einzigartigen Gesang von Lorraine Gill sofort verliebt, und das Album insgesamt ist wirklich etwas Besonderes, sehr atmosphärisch und vergleichsweise ruhig für ein US-Metal-Album aus der Zeit, dunkel und ja, sehr okkulte Vibes versprühend. Das hat mich nicht davon abgehalten, den vorliegenden Abschlusstrack des Albums den „Knight Rider-Song“ zu taufen (wegen dem Gitarrengefitzel). Weil wir uns einem Abschnitt des Samplers nähern, der ein bisschen 80er B-Movie-mässig ist, passt das auch nicht so schlecht.
11. Sentinel Beast – Mourir
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Dephts of Death │ 1986]
„Mourir“ ist dankenswerterweise kein weiterer französischsprachiger Track, was aber nicht bedeutet, dass ich den Lyrics deswegen mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätte. Es ist nämlich so: Streetfighting Debbie Gunn schreit
„I walk through the alley
Making my way on through the night
A dark shattered figure
Cries from the loss of the fight, fight, fight!”
und ich kann zum Rest nichts mehr sagen, weil ich ab diesem Zeitpunkt damit beschäftigt bin, Sitzmöbel durch den Raum zu werfen. Speziell dieser Song vom einzigen Sentinel Beast-Album wirkt eigentlich wie der Versuch, das, was Maiden auf ihren ersten beiden Alben gemacht haben, in schneller-härter-Debbie zu wiederholen. Der Vergleich sitzt für mich nicht nur musikalisch, wenn man denkt, wie bedrohlich Eddie da im Zwielicht irgendwelcher Straßenlaternen auf den Covern stand, hat man genau die Stimmung zusammen, die auch dieser Song ausstrahlt. Mean Streets! Debbie wird nächstes Jahr 60, aber ich würde immer noch gerne mit ihr, du weisst schon, schick essen gehen, danach die Straßen unsicher machen, Mülltonnenfeuer, Klappmesser ins Auge, und so weiter.
12. Nasty Savage – Fear Beyond the Vision
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Nasty Savage │ 1985]
Wir sind nun in etwas Mad Max-artigen, postapokalyptischen Gefilden angelangt, die sich über die nächsten drei Tracks ausbreiten. Soll heißen, wir sind etwas weniger auf Düsternis und Verfall gepolt, und etwas mehr auf die eigentümlichen Gestalten fokussiert, die diese Welt bevölkern. Bei Nasty Savage ist, vom Gesang über die Musik bis zu den Texten, alles etwas „over the top“, aber das ist sozusagen das Ding dieser und der folgenden beiden US-Bands. Das Tripel, von dem „Fear Beyond the Vision“ den Anfang bildet, ist, nach dem erwähnten Infernäl Mäjesty-Helstar-Moment, mein zweitliebster Teil des Samplers. Das sind tatsächlich Tracks, wo ich das Gefühl habe, ein Kommentar zur Musik nimmt vielleicht mehr weg, als er hinzufügt. Einfach Musik an, Film ab!
13. Max Plänck – Fucked Up
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Kill the Pain Demo │ 1985]
Die frischeste Entdeckung auf dem Sampler, die ich erst mit dem jüngsten Stormspell-Sale gemacht habe. Wenn
Apocalyptic City eine Kneipe hat, sind wir mit Track Nr. 13 dort angelangt, und finden dementsprechende Zustände vor. Es geht erstmal nur um Exzess,
„Slamming the drinks, smoke cigarettes …I wanna get blitzed … smoke killer weed“, das Ziel:
„I break the chains of sanity – how could I kill the pain?” Auch geil, aus einer cineastischen Perspektive, ist der Chaosteil am Ende, der nur aus Bar-Noise und beunruhigenden Geräuschen besteht, bevor der asoziale Bassgroove nochmal einsetzt. Komplett eigenständig und in punkto Einfühlsamkeit der Kopfstoß unter den mir bekannten US-Metal-Bands.
14. Slauter Xstroyes – Mother, Mother Fucker
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Winter Kill │ 1985]
Es ist nicht abschließend geklärt, was in diesem Track passiert, aber es wäre selbst unter den anarchischen Zuständen einer zerfallenden Gesellschaft etwas für das geheime Hinterzimmer der oben genannten Bar.
Winter Kill ist ein absurdes Meisterwerk, das Leute wie ich aber nie besitzen werden, wenn es nicht doch nochmal aufgelegt wird. „Mother, Motherfucker“ ist das, was passiert, wenn man es so drauf hat, dass man es selbst nicht fassen kann, und schlussendlich über der eigenen Geilheit den Verstand verliert. Man beachte die Stimmübungen, die der Sänger am Ende des Tracks macht, während der Rest der Band versucht, den Song zu beenden.
15. Praying Mantis – Lovers to the Grave
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Time Tells No Lies │ 1981]
Praying Mantis sind der strahlende Leuchtturm am kuschligen Ende der NWOBHM, und wer das anders sieht ist ein
Schnulli und ein Poser. „Lovers to the Grave“ ist nicht nur die quasi-Ballade und mein Lieblingssong eines vor Hits nur so strotzenden Debuts, es bietet auch gewisse heimelige Blue Öyster-Untertöne und funkelstrahlende Gitarrensoli. Ein Liebeslied gab es ja bisher noch gar nicht, dabei wissen wir ja, dass es Liebe unter allen Umständen gibt (vgl.
Liebe in Zeiten der Cholera). Daher habe ich eines ausgesucht, das auch passt:
Lovers to the grave
They give their lives if there's no other way
Lovers to the grave
They've had their games and now it's time to pay
Dancing in the midnight sun
Children of the dark
Players in a game of death
Lovers with no heart
…
16. Mystic Force – Awakened by the Dawn
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Take Command│ 1989]
Habe ich schon erwähnt, dass es in
Apocalyptic City immer Nacht ist? Das Cover des Samplers und die bisherigen Beschreibungen sollten das verdeutlicht haben. Aber jede Nacht hat ein Ende, oder wie man hierzulande nach Mitternacht grölt: Wenn die Nacht am Tiefsten ist, ist der Tag am Nächsten. Von Mystic Force (die ich je nach Tagesverfassung auch mal Mystic Circle, Mystic Prophecy, Mystic-Dingens oder Shipwrecked-Mystic nenne) konnte ich mich nicht mehr lösen, seit ich dahingehend von
@feanor missioniert wurde. Der Sänger ist, oder besser und leider: war, ein richtiger Junge und hat mich mit seiner überirdischen Stimme sofort verzaubert, was auf die lange Sicht nicht ausgereicht hätte, wenn das Songwriting nicht auch so wahnsinnig knackig, spannend und atmosphärisch wäre. „Take Command“ selbst mag der Über-Überhit sein, aber „Awakened by the Dawn“ war der Song, den ich brauchte, um die lange Nacht langsam enden zu lassen.
17. Blasphéme – Vivre Libre
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Désir de Vampyr │ 1985]
Man greife zu Hip-Hop für harte Alltagsgeschichten, einer Big Band für Casinoeröffnungen und einem emotionalen Singer-Songwriter für die Hochzeitsfeier, aber wenn man eine Hymne auf die Freiheit haben und richtig in die Vollen gehen will, dann muss man 0100-HEAVY METAL wählen, denn besser geht es einfach nicht. Müsste man eine "Deshalb Heavy Metal"-Brandrede halten und als abschließendes Argument noch eine Mix-CD abgeben, sollte "Vivre Libre" auf jeden Fall draufstehen. Pathos – ja bitte, Kitsch: null, Faust: himmelwärts. Frankreich auch eine naheliegende Wahl, denn die verstehen was davon – haben die Freiheit ja erfunden, oder so.
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Dies von mir zu
Apocalyptic City, es hat mich sehr gefreut, deiner Besprechung zu folgen. Ich schließe noch den Bogen von der Planungsphase zur Bonus-CD
Mondfeuer: obwohl ich ja „düsteren Heavy Metal“ als Hauptthema hatte, hatten es ausnahmslos alle Tracks, die auf
Mondfeuer stehen, auch in die letzte Auswahl geschafft, aus der ich den eigentlichen Sampler gebaut habe – trotzdem es sich um Black, Death und diversen anderen Kram handelte. Soviel also zu meiner Konsequenz bei der Auswahl und dem eingangs angesprochenen Zufall. Der Titel stammt nicht unbedingt, wie vielleicht anzunehmen, (nur) von Totenmond, sondern vom
Apocalyptic City-Cover. Ich dachte, jetzt ist fast durchgehend Nacht in A. C., und ich habe schon 17 Tracks zusammen, und trotzdem kam der Mond auf dem Cover in der Musik gar nicht richtig zur Geltung ...