Aufgelegt!

Gut Ding will Weile haben:

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Eine neue Maiden, so ein wenig aus dem Nichts. Viel ist hier und auch andernorts geschrieben worden, das Maiden-Forum habe ich als Dauergast immer und immer wieder besucht - einfach, um zu genießen, wie es dort abgeht. Allein das "Vorspiel", noch vor der Veröffentlichung des Albums, hat mich derart angefixt, dass ich mir auch dieses Maiden-Werk schlicht und ergreifend zum Erscheinungsdatum ins Regal stellen musste.

Wie die meisten Maiden-Alben des neuen Jahrtausends ist auch "Senjutsu" mit einer Komplexität gesegnet, die sich definitiv nicht nach 2, 3maligem Hören erschließen kann. Somit bin ich spät dran mit meiner Sichtweise zum wohl wichtigsten Metal-Album dieses Jahres.

"Senjutsu": Ich mag dieses Drumming....großartig. In Summe löst dieser Song in mir eine seltsame Mischung aus "genial" und "zu verschachtelt" aus. Wie auch schon auf "BoS" hat man das Album nicht mit einem schnellen Song eröffnet, sondern mit einem getragenen Monster. Anders als so ab und an in der Vergangenheit verdudelt man den Titeltrack nicht, Bruce' Gesang ist nicht über die komplette Dauer zu angestrengt, der Chorus hat etwas regelrecht Erhabenes, das Riffing ist an einigen Stellen regelrecht böse, schlicht, aber absolut effektiv, die Wendung zum Ende des Songs (so ab 6:40) finde ich phantastisch und eben Maiden-typisch: wie auch schon "If Eternity should fail" ist "Senjutsu" weder ein typischer Opener, noch ein "klassicher" Maiden-Song - und genau das macht ihn aus und zeigt, dass in dieser Band noch eine Menge Kreativität steckt. Man mag darüber streiten, ob man das Grundkonzept noch düsterer, noch schwerer, noch tiefgründiger hätte umsetzen können - who cares? Eine solide Eröffnung, für sich an manchen Tagen für mich großartig, an anderen durchaus ein wenig anstrengend.

Bei "Stratego" haben wir den maiden-typischen Galopper - und nicht selten habe ich da so meine gedankliche Parallele zu "Run to the Hills" - nur langsamer. Ich denke, in den 80ern hätte die Band (oder Martin Birch) hier einen Tritt in den (eigenen) Allerwertesten verpasst, um das Teil noch mal ein wenig zu beschleunigen. Auch hier ist auffällig, dass die Drums im aktuellen Maiden-Sound ganz augenscheinlich eine neue Rolle übernommen haben: Nicko baut hier gerade um den Chorus herum so einige Finessen ein, die schlicht effektiv an den richtigen Stellen platziert sind und dem eher so vor sich hin galoppierenden, rhytmischen Grundgerüst noch eine ordentliche Portion Würze verpassen, die Soli zum Ende des 5minüters sind wundervoll, das eher so an die 80er gemahnende Keyboard passt an dieser Stelle sehr gut. Tatsächlich ist "Stratego" am Ehesten "klassischer" Maiden-Stoff, wie man ihn vielleicht erwartet hätte. Solides Stück Musik.

Die erste Single haut mich immer noch vom Hocker: unglaublich toller Songaufbau, hardrockig statt metallisch (was so in Summe überhaupt auf die "modernen" Maiden zutrifft und mich keinen Deut stört), dieser Refrain, dieses regelrecht staubige Feeling - ich liebe das Ding, definitiv einer der Songs des Jahres für mich. Bruce Vocals sind hier nie am Limit, die Gitarrensoli ganz genau an der richtigen Stelle, das ganze Stück hat etwas wunderbar Getragenes, Leichtes und gleichermaßen unterschwellig "Bedrohliches", bockstark. Der Chorus ist ein Ohrwurm alleroberster Kajüte und entlehnt sich so recht nicht wirklich dem üblichen Maiden-Universum.

"Lost in a lost World" - Mann oh Mann! Maiden mit regelrecht floydeskem Einschlag, kleine Brücken Richtung Canterbury-Sound, ein wenig Heep-Feeling, sowas von geil und absolut unerwartet. Das Abbiegen in diesen dann Maiden-typischen Part (ich fühle mich immer ein wenig an "Afraid to shoot Strangers" erinnert so ab Minute 2) ist mehr als gelungen, ich liebe dieses abgehackte Riffing und den dieses Mal nicht ganz so in den Vordergrund gemischten Klackerbass von Harris. Bruce bekommt genug Raum für die Entfaltung seiner Gesangslinien, der Chorus ist dann tatächlich "No more Lies" in ruhigerer Form - und es hat ein klein wenig gedauert, bis ich mich daran gewöhnt hatte, ebenso wie an den typischen Dudelpart im direkten Anschluss des Refrains. Die wahre Überraschung ist dann der regelrecht klassisch-progressive Part, den Maiden mit ihrem ureigenen Gitarrensound vermischen: in den Ohren eines Progfans ist das genau das, was ich gerne hören mag. Ob das nun "Prog" ist oder nicht: im Sinne der Musikrichtung durchaus. Der Song endet, wie er begonnen hat: ruhig. Ich gebe zu, gerade hier hätte so ein Abgehpart à la "Hallowed be thy Name - Finale" noch mal einen draufgesetzt, aber auch so kann man schlicht festhalten: ein ebenso schöner wie auch homogen aufbereiteter Song mit vielen Maiden-Zutaten, aber auch vielen Überraschungen.

Ich liebe diese kurzen Maiden-Rocker - und dieses mehr simpel-rockige Riff nach dem Mini-Intro von "Days of Future Past": zigfach in leicht abgewandelter Form auch von zig anderen Bands schon verarbeitet behält es für mich wohl für die Ewigkeit einen ganz speziellen Reiz, der meinen Fuß wippen lässt. Rund 4 Minuten edelster Hardrock im Maiden Gewand, man kann mäkeln, dass man so in Sachen Chorus mittlerweile eine Art Rezept auf "Senjutsu" finden kann: Tempo raus vorher, dann den Chorus möglichst prägnant und deutlich halten. Bruce ist hier so knapp an seiner derzeiten Höhengrenze, aber trotzdem wirkt es nicht so angestrengt wie auf einigen Tracks er Vorgängeralben. Auch bei "Days..." schleicht sich bei mir immer wieder so der Gedankengang ein, dass man dieses Ding garantiert in "alten Zeiten" auch gern noch mit ein wenig mehr Geschwindigkeit ausgestattet hätte.

"The Time Machine" war eine echte Herausforderung: eingangs habe ich mich ein klein wenig schwer getan mit diesem Song, es gab sogar die Zeit des Skippens - allerdings war diese nicht von langer Dauer. Bruce' nahezu beschwörender Gesang zu Beginn, der hat mir schon einiges abverlangt und wirkte tatsächlich ein wenig bemüht auf mich. Der Dreh, den das Ganze dann aber nimmt, hin zu einer fast folkigen Melodieführung, gepaart mit diesem wunderbaren Chorus....eine Wohltat. Das ganze Stück. Wie konnte ich das skippen? Allein diese permanent marginal variierenden Gitarren, die sich so zunächst gar nicht in den Vordergrund drängen, aber den Anstrich des ganzen Songs ausmachen, brillant dabei, die Akustische sogar in den Vorderrgund zu stellen - einfach schön. So ab 3:15 dann der Maidengalopper, ein wenig "zahm", aber im Grunde ist das ein Trademark der Band, das ich nicht und niemals missen möchte - zumal es bislang auf "Senjtusu" in Summe nicht überpräsent war und es viel "Neue Maiden" zu entdecken gab. Des Weiteren verzichtet man auch darauf, innerhalb eines Songs zu sehr auf das "Galopper"-Motiv zu setzen, ab 4:40 linsen die Kollegen von Dream Theater sehr (!) offensichtlich um die Ecke, vom Break bis hin zum hochmelodisch-verfrickelten Solo, das dann wieder in den Galopp wechselt. "Time Machine" ist ein echter "Grower", der Chorus ist ein ganz besonderer Leckerbissen.

Knall auf Fall: "Darkest Hour" ist die beste (!) Maiden-Ballade ever! Dagegen nimmt sich ein eher peinliches "Blood Brothers" oder ein schon ambitionierteres "Wasting Love" wie Ausschussware aus. Das Stück wirkt auf mich eher wie ein Überbleibsel aus den Chemical-Wedding/Tyranny-Sessions von Mr. Dickinson, was primär an den Verses liegt. Der Chorus weckt im Ansatz schon Assoziationen an das bereits erwähnte "Wasting Love" ist aber "mehr zu Ende gedacht", gleiches gilt für den Übergang in Hauptthema. Die Keys "streicheln" ein wenig, der Gesang von Bruce...der ist hier derart großartig, dass es einem eine Gänsehaut verpasst.

Tja, das vielgescholtene "Death of the Celts" - ich denke, es sollte eigentlich die Erwartungshaltung eines jeden Bandjüngers erfüllen und ist doch der scheinbar am kontroversesten diskutierte Song des Albums. Mit einer Länge von über 10 Minuten ist es mir ein wenig zu ausufernd geraten, Harris versucht, alle seine Lieblingselemente des Songwritings zu verarbeiten. Ab von der Länge allerdings finde ich keinen Grund, mit dem Song wirklich zu hadern. Man kann gern argumentieren, dass es in dieser Bauart mit "Where the Wild Wind Blows" oder dem grandiosen "Paschendale" größere Werke gibt - und doch sehe ich weit und breit keine Band in klassisch-metallischer Ausrichtung, die überhaupt derartig detaillierte Epen raushaut - von daher ist das völlig in Ordnung so. Das Keyboard allerdings so ab 6:30...das tut mir ein klein wenig weh und bringt einen in meiner Welt überflüssigen "Billigepiktouch" ein.

Ich hatte mich eigentlich auf den nächsten "Death of the Celts" eingestellt - aber "The Parchment" ist irgendwie anders: die Openingsequenz hat irgendwie eher was von Dio als von Maiden, obgleich mir auch "Alexander..." und der Mariner in den Kopf kommen - und doch wird das Bild nicht rund. Maiden arbeiten hier ganz offensichtlich mit eher ungewöhnlichen Instrumentarien, auch, wenn der Grundaufbau bis zum Abgehpart (mit Golden-Earring-Gedächtnispart!) durchaus keine andere Band vermuten lässt als die Irons. "The Parchment" setzt einen tollen Spannungsbogen, "leider" habe ich ohnehin ein Faible für diese "orientalischen" Sounds, das Verfrickelte (Zerfahrene) in der Gitarrenarbeit läuft mir super rein und ist - ja, tatsächlich mutig, denn im Grunde hätte Mr. Harris seinen Baukasten ja auch ohne Wenn- und Aber komplett ausräumen können. Ein spannendes Stück, ein großartiges Stück. Und: für mich trotz der Länge nicht überzogen.

Die Hölle auf Erden beginnt eben so, wie gefühlt 200 Maiden aus der Harris-Feder beginnen und setzt sich auch in ähnlicher Form fort: da ist er wieder, der Galopper, die Gitarren, die sich zwischen harmonisch und leicht widerborstig präsentieren, der Gesang von Bruce...."Hell on Earth" aber brettert derart charmant-klassisch um die Ecke, dass man es locker in meine (persönliche) Lieblingsecke neuerer Harris-Großtaten einsortieren kann. Erneut fällt auf, dass Maiden dem Drum(sound) einen neuen Stellenwert verpassen, irgendwie fällt es mir gerade hier noch einmal in ganz besonderem Maße auf. Den Chorus kann man sich im Übrigen sofort aus tausenden von Kehlen gegrölt live vorstellen....Womöglich wird das nun kein zweites "Fear of the Dark" oder "Hallowed be thy Name" (dafür fehlt ein wenig der Biss), aber mal im Ernst: kann man solch ein Stück überhaupt noch besser in Szene setzen....? Ein Melodiefeuerwerk par Excellence.

Strich drunter: "Senjutsu" macht mir unglaublich viel Spaß - Spaß, der in Teilen ein wenig von den doch sehr sterilen und vor allem eintönig gesetzten Keys ein klein wenig getrübt wird, zumal sie in jedem (!) Song in mehr als ähnlicher Form verwendet, gottlob allerdings nicht überstrapaziert, werden - freundlich ausgedrückt. Da wäre mehr drin gewesen - oder man hätte sie einfach weggelassen. Ein Keyboard erlaubt weit mehr als nur atmosphärische Tupfer aus dem Baukasten, das wirkt bisweilen gar ein wenig uninspiriert.

Maiden sind zahmer geworden, nicht selten wünscht man sich ein wenig mehr Tempo, ein wenig mehr Treibendes - aber, hey, wir sind im Jahr 2021 und haben es mit "alten Männern" zu tun, deren Anspruch offenbar primär darin zu bestehen scheint, großartige Songs zu schreiben, die einem gewissen Anspruch aus eigener Sicht zu genügen. Unter diesem Gesichtspunkt unterstreicht "Senjutsu" mehr als eindrucksvoll, welch großartige Songschreiber und Musiker in dieser Band stecken. Man mag die Rezpetur seit spätestens "AMOLAD" gerne bemängeln, mal besser, mal schlechter finden, was man den Jungs aber nie wird absprechen können ist schlicht ein Händchen für großartige Songaufbauten und Melodien.

Harris & Co. haben sich niemals verbogen, man erkennt diese Band sofort - und trotzdem gelingen Wundertüten wie "The Parchment", "The Time Machine", "Darkest Hour" oder "Lost in a Lost World". Keine Ahnung, wie sich das Album für mich als nicht absolutem Maiden-Die-Hard-Maniac entwicklen wird, derzeit ist es die Momentaufnahme einer Band, die sich im Hier und Jetzt verortet - und ein in sich absolut homogenes Werk erschaffen hat, das eine Ausnahmestellung einnimmt - zu zwingend ist das Songmaterial auf Album Nr. 17.
 
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Mal traditionell:

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Ich würde mich definitiv nicht als "klassischen" Kürbisfan bezeichnen: schon immer hatten Helloween teils zu zuckersüße Melodien - macht es für mich, der ich eher in Richtung Melancholie und Düsternis tendiere, ein wenig knifflig. Heutzutage ist es eher selten, dass ich mir "klassischen" Power-Metal anhöre (so man diese Richtung noch so bezeichnen darf), aber nun, das ist ja rein subjektiv und darin begründet, dass sich Vieles einfach in Summe zu gleichförmig darstellt für meine Lauscher.

Dann haben wir eben dieses Werk: zum Einen klassisch Helloween, nach einem kurzen Intro namens "Beyond the Portal" brettert es mit neoklassischer Untermalung übergangslos in "Mr. Torture". Songaufbau und Strophen sind hervorragend, der Chorus fräst sich unmittelbar in die Gehörgänge - viel besser kann man es nicht machen. Helloween zeigen hier allen möglichen Nachahmern klar, wie es zu klingen hat, dazu kommt, dass der Gesang von Andi - vom Refrain abgesehen - tatsächlich fies und mal nicht in Eierkneiflagen angesiedelt ist. Abgehpart und Solo sind über jeden Zweifel erhaben, genau richtig platziert - somit: der eigentliche Opener ist keine Überraschung, wohl aber ein hervorragendes Genrestück, das durch die "Geigentupfer" noch mal ein kleines Extra erhält. Prima, noch heute gut für meine Ohren bei entsprechender Stimmung.

"All over the Nation" ist einfach Helloween, wie Helloween klingen sollten, der Gesang wirkt ein wenig schräg und schief, gerade so zu Beginn. Doublebass-Schlagzeug durchlaufend, kaum Zeit zum Luft holen. Der Chorus ist stadiontauglich - durchaus gut. So ab Strophe 2 wird es mir persönlich dann doch ein wenig zu anstrengend in Sachen Gesang....kann man nach wie vor gut hören, ein klein wenig Pathos darf es auch sein in diesem Fall.

"Escalation 666" ist definitiv Futter für meine Ohren: tief gestimmte Gitarren, atmospährisch eingesetzte Keys mit dunkler Klangfarbe. Der Chorus ist erneut unwiderstehlich, passt aber gerade in diesen düsteren Kontext hervorragend. Gerade dieses Ding hat mich schon bei Erscheinen des Albums umgehauen - und ja, ist für mich heute noch groß und einfach wunderbar ungewöhnlich für Helloween. Das Solo ist im Positiven unerwartet, kein Highspeed-Gegniedel, einfach passend für den Song gesetzt, zum Finale hin kommt noch mal eine Schippe an Dramatik drauf - geiles Stück Musik. Düster steht den Weenies doch auch mal hervorragend.

Der eher düstere Anstrich bleibt auch bei "Mirror, Mirror" erhalten: war die 666 Eskalation noch eher ein wenig episch, so ist es hier ein für Helloween-Verhältnisse eher schon rockig. Erneut unerwartet, Ablauf Strophe-Refrain mustergültig, bleibt im Ohr. Seltsam, aber: es tut gut, mal 2 x hintereinander eher wenig gute Laune auf einem Helloween-Album zu vernehmen.

"If I could fly" war seinerzeit die erste Singlauskopplung aus dem Album: statt auf Nummer sicher zu gehen geben sich die Kürbisse hier erstaunlich experimentiell und erneut läuft man nicht Gefahr, im Powermetaldschungel zu versanden. Das Solo ist ein Knaller, einfach geil, eher rockig-bluesig denn mit Highspeed rausgehauen, das Pianothema, das sich durch den kompletten Track zieht ist erzeugt einerseits eine gewisse Disharmonie, ist aber ein perfektes Beispiel dafür, wie man einem Song eine bestimmte Richtung verpassen kann, der ansonsten vielleicht eher vor sich hin geplätschert wäre. In Summe bis heute eine meiner liebsten Helloween-Singles, vielleicht einfach, weil sie so unerwartet ist.

Zunächst tönt "Salvation" dann wieder sehr typsich "helloweenig" - so ein wenig ein Abziehbild von "All over the Nation", wenn auch mit einem netteren Haken im Refrain. Aufgrund der Tatsache, dass mit den 3 Vorgängerstücken eher Ungewöhnliches zu vernehmen war passt diese Hymne an dieser Stelle hervorragend - und wenn man mal so ganz ehrlich ist kommt einem da schon der freifliegende Adler in den Sinn, allerdings mal nicht im Negativen: die eigene Signatur einfach modernisiert, nicht überzogen oder zu flach kopiert - starkes Powermetalstück (ach ja....Powermetal....).

"The Departed" ist der großartigste Helloween-Song, der je geschrieben wurde, Punkt. Etwas mehr als viereinhalb Minuten mit einem markanten, dunklen Riff gefüllt, der Refrain hat immens 70's Feeling, so in Summe ist das fast kompakter Krautrock der 90er. Andi kann hier seine Qualtität als Sänger voll ausspielen und muss nicht in die Quiekecke, dazu aber Feeling und Leidenschaft in die Strophen gepackt, das Solo hebt nicht in den Orbit ab, Gleichförmigkeit kann sich unglaublich geil anhören - so, wie bei "The Departed" halt. Dazu diese kleinen, feinen Percussion/Schlagzeugspielereien - hat bis heute seinen Reiz, naja, halt der großartigste Helloween-Song überhaupt.

Eher dunkel und vor allem mit Bass (!) geht es weiter in "I live for your Pain": nochmal tief gestimmte Klampfen, hat wenig mit Metal zu tun, dafür aber ein immens gelungener Hardrocksong und erneut steht Andi einfach dieser eher dunklere Gesang um Längen besser als die astronomischen Höhen. Hut ab, so ein schneidiges Ding, die Soli sitzen, die Stimmung, die der Song transportiert - Hardrock der feinsten und fiesesten Sorte und ein neuer Klangtupfer auf einem bislang ebenso ungewöhnlichen, wie auch abwechslungsreichen Helloween-Werk.

Mit "We damn the Night" ist man wieder fix unterwegs: ein weitere bandtypische Hymne? Speziell der Beginn des Songs läuft mir gut rein und auch die Keys im Mittelteil nebst Stratovarius-Gedächtniskeyboard sitzen, dazu fast schon progressives Gegniedel - wäre man am Ende nicht unnötigerweise dieser typische "Wohohhohoooo"-Part reingebastelt worden, es wäre eine Referenz als die "etwas andere" Powermetalhymne.

Bei "Immortal" ist dann mal wieder Fehlanzeige in Sachen Metal - gut so, gut für das Album. Man darf das Ding gern "angepoppt" nennen, schadet das? Ein klein wenig zu dominant wirken die Keys, wenn man den Song 2, 3 x hintereinander hört, ansonsten hat das schon Anlehnung an Queen, irritierenderweise mit Accept-Chören im späteren Verlauf - doch selbst die passen da irgendwie prima rein, zumal das Gitarrensolo prima reingeht. Dazu der erneut absolut beseelte Gesang, die kleineren neuen Akzente in jeder neuen Strophe - well done. Kann an manchen Tagen Gänsehaut verursachen. Ein großer Song, fürwahr.

Der Titeltrack fungiert als Rausschmeißer und kratzt an der 9 Minuten-Grenze: auffällig, dass man streckenweise wieder auf die Spoken-Word-Zutaten von "The Departed" zurückgreift. Ich gebe zu: wenn der Refrain nicht wieder so obertypisch Helloween wäre, ich glaube, das Ding würde mir um Längen besser munden. Innerhalb der Laufzeit aber passiert nämlich ansonsten so Einiges: erneut Keys, die Spannungen unterstreichen, dazu der Maiden-Gedächtnispart, der so ab Minute 4:30 zunächst eine Überleitung in den Mittelteil des Songs bastelt und recht schnell von der Akustischen abgelöst wird, ehe dann der allseits bekannte Baukasten für leicht symphonischen Power-Metal geöffnet wird: virtuoses Solo, Abgehpart, übergang in ruhiges Outro mit epischem Gesangschor als Unterbau und dann der Fade-Out. Doch, das Teil macht schon Spaß.

Kurzum: in Summe ist "The Dark Ride" wahrscheinlich mein Helloween-Lieblingsalbum. Das liegt in erster Linie daran, dass man hier Wagnisse eingegangen ist und zwar solche, die in meinen Ohren überaus gelungen sind. Die Tatsache, dass nicht ein wirklicher Ausfall zu verzeichnen ist unterstreicht indes die songwritischeren Qualitäten des deutschen Metal-Flaggschiffs. Mir hätten ein paar Alben mehr mit derartigen Wagnissen gut gefallen - auch auf dem diesjährigen Reunionwerk.
 
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Tja, als "Savage Amusement" erschien war ich im Grunde noch kein "Metaller". Natürlich gab es so vereinzelte Sachen wie die ersten drei Metallica-Alben oder auch die Standardwerke von Maiden, die mir in Gänze ein Begriff waren, wohl aber auch manchmal eher "Krach" für meine Ohren (so unverständlich mir das auch aus heutiger Sicht erscheinen mag....) darstellten.

Von den Scorps erbte ich seinerzeit über einen Freund meines Bruders sowohl die "Blackout", als auch die "Love at first Sting". Natürlich waren aus dem Radio die Überballaden "Holiday" und "Still loving you" ebenfalls geläufig, gerade aber "Blackout" empfand ich seinerzeit in Sachen Härtegrand schon eher grenzwertig (was mir aus heutiger Sicht nur noch unverständlicher ist).

Seinerzeit gab es die SWR3-Hitparade - und die stellte "The Rhythm of Love" vom dann "neuen" Scorpions-Album vor - und ich besorgte mir das Ding auf Tape. Machte die Sache für mich in Summe einfacher, da ich für Cassetten nicht den Plattenspieler meines Vaters (auf der stets eine James-Last-Platte zu finden war...) oder meines Bruders (meist blockiert durch irgendeine 12" Compilation aus den 80's, Modern Talking inclusive) bemühen musste. Ich selbst hatte damals einen klassischen Ghetto-Blaster, frisch vom Weihnachtsmann bekommen.

Kurz: Cassette im hiesigen Supermarkt (!) gekauft - und daheim direkt aufgelegt. Eigentlich wollte ich ja direkt zur angesprochenen Hitsingle, nur - oh je - da hätte ich j a spulen müssen! Also laufen lassen - und bis heute ist der Opener in Form von "Don't stop at the Top" einfach ein absoluter Motivations- und Gute-Laune-Song. Knapp 4 Minuten Melodie ohne große Schnörkel, Bridge und Chorus wandern ohne Umwege ins Ohr - was will man mehr? Und so hatte ich nach nur einmaligen Hören direkt einen neuen Fave auf "Savage Amusement".

Der Rhytmus der Liebe folgte auf dem Fuße und setzt die Formel des Openers fort, wobei ich - wie schon angesprochen - durchaus der Meinung bin, dass eben Jener letztlich in meinem persönlichen Universum die Nase vorn hat. Heute muss ich sowohl über den Song als auch den Text (nuja....) ein wenig schmunzlen und doch unterstrichen die Scorps mit eben diesem Ding ihre Vormachtsstellung als internationale Hardrockmacht (auch, wenn ich das früher glatt noch unter "Metal" einsortiert hätte...)

Wenn mich mein Gedächtnis nun nicht all zu sehr trügt war Song Nr. 3, "Passion rules the Game", auch die 2. Singlauskopplung: nochmal Scorpions im Stadionrockgewand (in den sie sich ja zumeist in dieser Phase kleideten), gut gelungen, die Soli aus heutiger Sicht vielleicht nicht mehr ganz so formidabel wie seinerzeit aufgefasst und doch: gleich 3 Treffer hintereinander auf einem Album. Kurzweil pur.

"Media Overkill" hat so ein klein wenig "Zoo"-Attitüde, ohne natürlich die Atmospähre des gleichnamigen Bandklassikers zu erreichen, auch geht es ein wenig flotter zur Sache. Nach dem eher seltsamen Beginn finde ich bis heute das Eingangsriff einfach perfekt für einen Hardrocksong - und erneut sind Meine, Schenker & Co. auf Kurs, was das Songwriting angeht: ich behaupte einfach mal, diese 4 Songs liegen auf einer einzigartig-großartigen Songwritinglinie, sie wirken gleichermaßen frisch wie hungrig und sind bis heute unverbraucht. Starkes Teil.

Die breite Masse nimmt die Hannoveraner ja eher ihrer Balladen wegen wahr (wobei ich ausdrücklich darauf verweise, dass für mich das unsägliche "Wind of Change", seiner textlich mehr als positiven Message zum Trotz, schon bei der Veröffentlichung von "Crazy World" ein absoluter Schwachpunkt auf dem Album war) - und hier ist dann auch "Walking on the Edge" (gleichermaßen der letzte Song auf der A-Seite des Tapes) schon solide Kost - nur bin ich eben kein Freund der eher standardisierten Balladen. Sind sowohl "Holiday" als auch "Still...." große Ausnahmen in dieser "Mainstreamballadenwelt", so ist "Walking...." nun nicht unbedingt der Kracher vor dem Herrn: tut nicht weh, aber auch nicht gut, der Übergang in die Soli ist ganz akkurat und nett, aber dennoch: von mir wegen hätte es keine Ballade gebraucht.

Seinerzeit war "We let it rock - you let it roll" ein Knaller, heute finde ich das Ding ein wenig platt - also, abseits des etwas dämlichen Textes, fast ein wenig wie Onkelz-Pathos im Scorps-Kontext. Macht jetzt so in Summe nichts: natürlich ist das Teil flott und im Wesentlichen gibt es daran nichts auszusetzen, doch aus heutiger Sicht durchaus ein leichter Abfall zu den ersten 4 Songs von "Savage Amusement".

Mit "Every Minute, every Day" setzt sich der Negativtrend dann doch eher fort: diese seltsam verfremdeten Elemente haben für mich damals (und heute auch nicht, mag ein jeder auf AC/DC und Motörhead schimpfen wie man mang) einfach nichts zu suchen. Ein Stampfer, der nicht weh tut, der Refrain ist ziemlich Scorps-typisch (diese Art, Refrains zu bauen, haben die Hannoveraner scheinbar gepachtet), aber...nun ja. "Nett" eben.

"Love on the Run" hat etwas motörheadiges - empfand ich damals glatt wie "Speed Metal". Geht auch gut nach vorne. Nur: höre ich mir das heute an, dann ist zum Einen der Text irgendwie...ähm. Lassen wir. Hinzu kommt, dass hier explizit auffällt, dass Meines Stimme einfach nicht zu so fixen Dingern passt - und mich tatsächlich auch ein wenig nervt.

Mit "Believe in Love" kommt dann zum Abschluss so ein klassischer "Bed-of-Roses-geht-gar-nicht"-Rausschmeißer nach rund 38 Minuten Laufzeit. Puh. Zum Thema Balladen dieser Bauart an sich hatte ich ja schon was geschrieben, es ist unglaublich schwer, mich in diesem Bereich zu packen (geht schon, aber ist eben sehr selten) - und "Believe...." ist da nun so gar nicht mehr meine Baustelle.

Inspiriert durch den doch spannenden neuen (Vorab-)Track der Scorps habe ich "Savage...." heute nach Urzeiten mal wieder aufgelegt bei der Büroarbeit: das Ding läuft in sich nach wie vor gut rein, bei einer Punktevergabe wäre ich irgendwo so Richtung 6-7, Tagesformabhängig, den Nostalgiebonus außen vor gelassen. "Savage Amusement" ist ein gutes Hardrockalbum, da beißt die Maus keinen Faden ab, der Opener zaubert mir auch heute noch direkt ein Lächeln ins Gesicht. Für meine musikalisch-geschmackliche Entwicklung kann die Band nichts, unterstreicht aber auch mit diesem Album (das oft irgendwie unter dem Radar läuft), dass man durchaus zurecht zur Speerspitze des Hardrock gehört. Es ist komisch: eigentlich habe ich selten das Bedürfnis, die Scorps aufzulegen und doch stellt sich ein gewisses Wohlbefinden ein, sobald ich die Band höre. Nur mit dem Näseln des Herrn Meine, da habe ich so auf Albumdistanz heutzutage meine Probleme.
 
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Mal was Anderes, weil ein wenig "aus dem Blauen": Ich habe mir gestern und heute einfach bei der Büroarbeit mal meine "Spotify-Vorschlagsliste" angehört. Ich verlinke das Ding mal:

https://open.spotify.com/playlist/6xbEPQW2WtE9yEk1GkbCTx

Und hier die "Einzelkritiken" Song by Song, war mal eine spannende Geschichte:

Saga - Детка играй (SOBOL Remix):
Hat mit „meinen“ Saga nix zu tun. Tut in den Ohren weh und entweder ist der Upload daneben oder das Ding soll wirklich so, klingt wie in einer Verlangsamung gespielt. Perfektes Beispiel für „Musikgeschmack am Namen der Band verfolgt“ – für den Knallroten.

Annihilator – Downright Dominate (2021 Version with Stu Block, Dave Lombardo)
Annihilator gehen immer, Block singt fies und damit absolut passend für einen Annihilator-Song. Über das Schlagzeugspiel braucht man keine Worte zu verlieren – Lombardo eben. Eine meiner liebsten Thrash-Bands, nettes Re-Recording mit mehr Dampf als beim Original.

Magnum – I won’t let you down
Solide Magnum-Kost, allein der Refrain ist großartig, man könnte gar von “massenkompatibel” sprechen, wenn Melodien in dieser Welt auf breiter Basis noch ein Kriterium wären. Passt irgendwie zum Abba-Comeback, warum mir dieser Vergleich in den Kopf kommt weiß ich auch gerade nicht so recht. Gottlob ist eine kommende Magnum-Tour (so Corona sie zulässt) zumindest ohne Avatare zu erwarten.

Asia – Heat of the Moment (Live at Kleinhans Music Hall, Buffalo 1982)

Womöglich zähle ich zu den Wenigen, die Asia speziell in der Phase „Aqua“ bis „Silent Nation“ am spannendsten fanden. Somit: nette, bootleggige Version eines Klassikers – braucht man aber nicht, gibt es schon zigfach - und natürlich war auch John Wetton ein ganz, ganz Großer.

Everybody Suspect – Opp Hunting
Knapp 2 Minuten „Gangsta-Rap“ oder wie immer man das nennen mag. Kaum eine Musikrichtung finde ich widerlicher zum Hören. Erstaunlicher „Vorschlag“…

Megadeth – Holy Wars…the Punishment Due (Live at Obras Sanitarias, Argentina 2005)
Instrumental natürlich erste Kajüte, über den Song als Solchen braucht man auch keine weiteren Worte zu verlieren – „meine“ Art von Thrash Metal von einem der großartigsten Genre-Scheiben ever.

Lynch Mob – Wicked Sensation (Edit, 2021er Version)
Ein großartiger Song bleibt ein großartiger Song, dieses “Edit” wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit für das Radio gemacht. Ein sozusagen „erzwungenes“ Wiederhören mit einem alten Freund. Habe mir die Vollversion dann sehr kurzfristig im Nachgang auch angehört. George Lynch ist definitiv einer der Gitarristen, die mich immer und immer wieder zu fesseln vermögen.

Saxon – Carpe Diem (Seize the Day)
Saxon sind und bleiben eine Konsensband: ich kenne kaum “echte” Die-Hard-Fans, aber auch Niemanden ,der die Band – aus welchen Gründen auch immer – ablehnen würde. Hinzu kommt eine Livequalität, auf die immer Verlass ist. Das Titelstück des neuen Albums geht mächtig nach vorne, so, wie ich die Band hören möchte, schneidende Gitarren, Biffs Gesang klingt erstaunlich „unbemüht“ für sein Altern und die von ihm verwendeten Höhen. Großartiges Stück Metal.

Scorpions – Peacemaker
Im Grunde war ich lange Zeit durch mit den Scorps: „Wind of Change“-Hype, „Eye 2 Eye“ – letzte Tour seit zig Jahren, keine neuen Alben, dann doch zig davon – die Band war eher eine Farce als musikalisch noch relevant für mich. „Peacemaker“ kommt genau zu einer Zeit, wo ich mich der Band wieder ein wenig angenähert hatte, speziell durch deren Alben bis „Savage Amusement“. Großartiger Song, rockt wie Sau, ist dennoch eingängig – und vor allem: kein Tränentreiber aus dem Scorps-Baukasten. Positive Überraschung des Jahres.

Deep Purple – Oh Well
Ein großartiges Stück einer großartigen Band, gecovert vom aktuellen Deep-Purple Allstar Ensemble. Braucht man Coverversionen? Wenn sie so klingen, dann kann die Antwort nur „Ja“ lauten. Gillans Gesang habe ich in den letzten Jahren selten als so passend und angenehm empfunden – und wenn hier noch irgendjemand die Qualität des Herrn Morse in Abrede stellt, dann weiß ich auch nicht weiter (…und das spricht einer der wohl größten Blackmore-Jünger ever).

Porcupine Tree – Harridan
Was für eine Nachricht: Porcupine Tree sind zurück! Und „Harridan“ macht deutlich, dass wir es hier nicht mit einer halbgaren „für die Kohle“-Reunion zu tun haben. Klare „Fear of a blank Planet“-Vibes, eine Prise King Crimson – und ganz viel Melodiegespür, ganz zu schweigen von der phantastischen Rhytmusarbeit. Möglicherweise nicht mehr „wegweisend“, aber dafür schlicht „großartig“ – und das reicht mir.

Accept – The Undertaker (live)
Mit den „Tornillo“-Accept kann ich nichts anfangen. Liegt nicht am sympathischen Frontmann, eher an den mauen Songs, im Falle von „The Undertaker“ kann auch eine Liveversion am Niedergang einer einstiegen deutschen Metal-Institution nichts mehr ändern: was für ein Weichspüler.

Jethro Tull – Shoshana Sleeping
Eingangs sei bekannt: JT sind eine Riesenlücke in meiner musikalischen Welt. Der aktuelle Song klingt so, wie das mir Bekannte von JT klingt – und hat damit einfach auch authentische Seventies-Vibes. Gefällt. Und hat mich daran erinnert, dass ich mich mit der Band doch mal mehr befassen muss.

Whitesnake – Don’t fade away (2021er Version)
Eigentlich mag ich Whitesnake, “Restless Heart” war aber noch nie meins – und diese Form an weichgespülten US-Arena-Balladen finde ich mittlerweile nervig, weil es einfach zahllose davon gibt, die man kaum voneinander unterscheiden kann. Ist ok und tut nicht weh, brauche ich aber nicht.

Star One – Lost Children of the Universe
Nach dem absoluten Desaster der letztjährigen Ayreon-Veröffentlichung punktet der Meister nun mit knapp 10 Minuten feinstem Ayreon-Sound. So möchte ich Lucassen hören, weder Euro-Powermetalorientiert, noch in einer Art „Meat Loaf für Arme“ – tolle Rückbesinnung auf die alten Tugenden und der für mich großartigste Ayreon-Song seit „The Human Equitation“. Dazu 2 Sänger der Extraklasse in Form von Tony Martin und Roy Khan. Hier können nicht einmal die „Kirchenchöre“ negativ auffallen, fiel zu passend sind diese in die gesamte Dramaturgie dieses Epics eingebaut. Was für ein „Comeback“.

Running Wild – Wings of Fire
Der „Kasper“ ist wieder da: haben die Scorps und Saxon in gleicher Liste mit aktuellen Werken unter Beweis gestellt, wie man es macht (mit Schlagzeug zum Beispiel) zeigt der für mich größenwahnsinnigste Idiot im Deutschen Metal, wie man es auch besser nicht macht. Für mich waren Running Wild schon immer Scheiße, wenn auch akzeptabel – mittlerweile auf einer Fanverarschestufe mit Manowar. Bäh.

Enforcer – At the End of the Rainbow
Das ist schon irgendwie gut – und klingt doch wie schon tausendfach gehört, diese Form von Chorus kann ich mittlerweile nicht mehr haben. Live sicher ganz geil und die doch arg maidenlastige Gitarrenarbeit weiß zu gefallen. Nach dem Running-Wild-Song eine echte Wohltat (vom Refrain abgesehen….).

Avatar – So sang the Hollow
Diese Band sagte mir bisher: nichts. Akustische Gitarre als Intro, schön stimmungsvoll. Der Gesang schon ein wenig gewöhnungsbedürftig…geht da jetzt noch was oder bleibt das so? Letzteres. Irgendwie hat das was und bleibt doch nicht hängen. Seltsam.

Dynazty – Advent
Klingt wie Edguy im Nu-Metal-Gewand. Komisches Zeug. Braucht das irgendwer? Diese „künstliche“ Härte ist mittlerweile überstrapaziert und wird hier ein einfallslosester Form eingesetzt. Will mich nicht als „irgendwer“ bezeichnen, aber ich brauche das nicht.

Pink Floyd – Sorrow (2019 Remix)
„A Momentary Lapse of Reason“ ist sicher nicht die großartigste aller PF-Scheiben – und doch ist allein schon dieses Stück so genial, dass es seinesgleichen sucht, was sich wohl auch der Herr Greaves mit seinem verkrüppelten schwarzen Phoenix dachte, als er das Eingangsriff in leicht modifzierter Form für den eigenen Bandklassiker „Burnt Reynolds“ nahezu 1:1 kopierte. Pink Floyd sind Magie. Und „Sorrow“ eine von zahlreichen übersehenen Perlen im bandeigenen Kosmos.

Beast in Black – Hardcore
Es geht schlimmer als Running Wild: das hier ist Musik, die Stimmung machen soll, bei mir aber kurioserweise Aggressionen zu wecken vermag. Ekelhaft einfallslos, Schlagermetal mit standardisiertem Solo. Haken dran, dagegen wirkt der RuWi-Song dieser Liste glatt wie ein Meisterwerk.

Thunder – Young Man (Edit)
Nicht gerade der Vorzeigesong auf einem „meiner“ Hardrockalben des Jahres und doch einfach großartiger Hardrock. Thunder sind einfach Meister ihres Fachs.

Slash & Myles Kennedy – The River is rising
War mir durchgegangen, dass da was Neues kommt….gewohnt starke Qualität vom Zylindermann mit dem großartigen Myles Kennedy an den Vocals. Im Vergleich zum jüngst vorgestellten neuen Guns’n Roses-Song haben wir es hier mit erdigem Hardrock zu tun – der speziell so zur Mitte hin um Längen mehr nach G’n’R klingt als dieses selbst – und damit meine ich die „Appetite…“-Phase. Geiles Ding.

Death Angel – Where they lay (live)
Für Death Angel hege ich eine ähnliche Vorliebe wie für Annihilator im Allgemeinen und Megadeth’s „Rust in Peace“ im Speziellen. Kommt gut, töftes Stück, knallt. Kurzum: hier hat Spotify mal „aufgepasst“.

Armored Saint – Spineless (live)

So nah waren die gepanzerten Heiligen nie am Thrash: „Spineless“ ist – wie das gesamte „Symbol…“-Album – einfach höchstmögliche Songwritingkunst. Dazu die Spielfreude einer phantastischen Band und ein John Bush, der nach wie vor zur Speerspitze der Metal-Sänger zählt. Klassiker in toller Livefassung.

Astral Doors – Welcome to the Astral Kingdom
Nils Patrick Johannson ist nicht ganz auf John-Bush-Niveau – aber schon recht nah dran. Schon immer klang der Mann wie eine räudigere Version von Jorn Lande (den Vergleich mit Dio, den klemme ich mir, denn für mich passt der gar nicht). Die Band habe ich mal sehr gemocht und dann aus den Augen verloren. Dieser scheinbar neue Song macht Spaß. Vielleicht müsste ich mich da mal wieder näher mit beschäftigen.

Arch Enemy – Deceiver, Deceiver
Ich werde irgendwie mit dieser Band nicht warm, daran ändert auch dieses Stück nichts. Ist schon „nett“, auf Länge ist mir das aber nicht zuletzt aufgrund des Gesangs einfach zu anstrengend. Dann lieber Death Angel…

Battle Beast – Master of Illusion
Ächz! Ernsthaft? Genauso beschissen wie Beast in Black, die Keys noch übler. Peinlichster Klischee-Möchtegern-„Metal“, erzeugt Brechreiz.

Mastodon – Sickle and Peace
Ich möchte diese Band ja eigentlich mögen, fällt sie doch eigentlich schon in mein Beuteschema. Auch dieses aktuelle Stück „hat schon Etwas“ – und natürlich den Pluspunkt, nach einem Rohrkrepierer wie „Battle Beast“ zu laufen, was regelrecht wohltuend ist. Ich denke, der Mastodon-Kosmos als solcher ist arg komplex, das hier erinnert mich ein wenig an Leprous (die ich auch mag) – das „Hunter“-Album (das Einzige, in dessen Besitz ich bin) hat mich nach 2 oder 3 Durchläufen seinerzeit einfach ratlos zurückgelassen…je länger das hier aber läuft…schon geil…mal sehen, was sich daraus machen lässt.

Lillian Axe – Stop the Hate
Die Liste endet mit einer weiteren, herausragenden Hardrockband: Lillian Axe wären in einer gerechten Welt Superstars. Das Album „Psychoschizophrenia“ wird gern übersehen, ist aber keinen Deut schwächer als ihre Vorgänger. Und „Stop the Hate“ ein Wahnsinnssong. Punkt.
 
Gut Ding will Weile haben:

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Eine neue Maiden, so ein wenig aus dem Nichts. Viel ist hier und auch andernorts geschrieben worden, das Maiden-Forum habe ich als Dauergast immer und immer wieder besucht - einfach, um zu genießen, wie es dort abgeht. Allein das "Vorspiel", noch vor der Veröffentlichung des Albums, hat mich derart angefixt, dass ich mir auch dieses Maiden-Werk schlicht und ergreifend zum Erscheinungsdatum ins Regal stellen musste.

Wie die meisten Maiden-Alben des neuen Jahrtausends ist auch "Senjutsu" mit einer Komplexität gesegnet, die sich definitiv nicht nach 2, 3maligem Hören erschließen kann. Somit bin ich spät dran mit meiner Sichtweise zum wohl wichtigsten Metal-Album dieses Jahres.

"Senjutsu": Ich mag dieses Drumming....großartig. In Summe löst dieser Song in mir eine seltsame Mischung aus "genial" und "zu verschachtelt" aus. Wie auch schon auf "BoS" hat man das Album nicht mit einem schnellen Song eröffnet, sondern mit einem getragenen Monster. Anders als so ab und an in der Vergangenheit verdudelt man den Titeltrack nicht, Bruce' Gesang ist nicht über die komplette Dauer zu angestrengt, der Chorus hat etwas regelrecht Erhabenes, das Riffing ist an einigen Stellen regelrecht böse, schlicht, aber absolut effektiv, die Wendung zum Ende des Songs (so ab 6:40) finde ich phantastisch und eben Maiden-typisch: wie auch schon "If Eternity should fail" ist "Senjutsu" weder ein typischer Opener, noch ein "klassicher" Maiden-Song - und genau das macht ihn aus und zeigt, dass in dieser Band noch eine Menge Kreativität steckt. Man mag darüber streiten, ob man das Grundkonzept noch düsterer, noch schwerer, noch tiefgründiger hätte umsetzen können - who cares? Eine solide Eröffnung, für sich an manchen Tagen für mich großartig, an anderen durchaus ein wenig anstrengend.

Bei "Stratego" haben wir den maiden-typischen Galopper - und nicht selten habe ich da so meine gedankliche Parallele zu "Run to the Hills" - nur langsamer. Ich denke, in den 80ern hätte die Band (oder Martin Birch) hier einen Tritt in den (eigenen) Allerwertesten verpasst, um das Teil noch mal ein wenig zu beschleunigen. Auch hier ist auffällig, dass die Drums im aktuellen Maiden-Sound ganz augenscheinlich eine neue Rolle übernommen haben: Nicko baut hier gerade um den Chorus herum so einige Finessen ein, die schlicht effektiv an den richtigen Stellen platziert sind und dem eher so vor sich hin galoppierenden, rhytmischen Grundgerüst noch eine ordentliche Portion Würze verpassen, die Soli zum Ende des 5minüters sind wundervoll, das eher so an die 80er gemahnende Keyboard passt an dieser Stelle sehr gut. Tatsächlich ist "Stratego" am Ehesten "klassischer" Maiden-Stoff, wie man ihn vielleicht erwartet hätte. Solides Stück Musik.

Die erste Single haut mich immer noch vom Hocker: unglaublich toller Songaufbau, hardrockig statt metallisch (was so in Summe überhaupt auf die "modernen" Maiden zutrifft und mich keinen Deut stört), dieser Refrain, dieses regelrecht staubige Feeling - ich liebe das Ding, definitiv einer der Songs des Jahres für mich. Bruce Vocals sind hier nie am Limit, die Gitarrensoli ganz genau an der richtigen Stelle, das ganze Stück hat etwas wunderbar Getragenes, Leichtes und gleichermaßen unterschwellig "Bedrohliches", bockstark. Der Chorus ist ein Ohrwurm alleroberster Kajüte und entlehnt sich so recht nicht wirklich dem üblichen Maiden-Universum.

"Lost in a lost World" - Mann oh Mann! Maiden mit regelrecht floydeskem Einschlag, kleine Brücken Richtung Canterbury-Sound, ein wenig Heep-Feeling, sowas von geil und absolut unerwartet. Das Abbiegen in diesen dann Maiden-typischen Part (ich fühle mich immer ein wenig an "Afraid to shoot Strangers" erinnert so ab Minute 2) ist mehr als gelungen, ich liebe dieses abgehackte Riffing und den dieses Mal nicht ganz so in den Vordergrund gemischten Klackerbass von Harris. Bruce bekommt genug Raum für die Entfaltung seiner Gesangslinien, der Chorus ist dann tatächlich "No more Lies" in ruhigerer Form - und es hat ein klein wenig gedauert, bis ich mich daran gewöhnt hatte, ebenso wie an den typischen Dudelpart im direkten Anschluss des Refrains. Die wahre Überraschung ist dann der regelrecht klassisch-progressive Part, den Maiden mit ihrem ureigenen Gitarrensound vermischen: in den Ohren eines Progfans ist das genau das, was ich gerne hören mag. Ob das nun "Prog" ist oder nicht: im Sinne der Musikrichtung durchaus. Der Song endet, wie er begonnen hat: ruhig. Ich gebe zu, gerade hier hätte so ein Abgehpart à la "Hallowed be thy Name - Finale" noch mal einen draufgesetzt, aber auch so kann man schlicht festhalten: ein ebenso schöner wie auch homogen aufbereiteter Song mit vielen Maiden-Zutaten, aber auch vielen Überraschungen.

Ich liebe diese kurzen Maiden-Rocker - und dieses mehr simpel-rockige Riff nach dem Mini-Intro von "Days of Future Past": zigfach in leicht abgewandelter Form auch von zig anderen Bands schon verarbeitet behält es für mich wohl für die Ewigkeit einen ganz speziellen Reiz, der meinen Fuß wippen lässt. Rund 4 Minuten edelster Hardrock im Maiden Gewand, man kann mäkeln, dass man so in Sachen Chorus mittlerweile eine Art Rezept auf "Senjutsu" finden kann: Tempo raus vorher, dann den Chorus möglichst prägnant und deutlich halten. Bruce ist hier so knapp an seiner derzeiten Höhengrenze, aber trotzdem wirkt es nicht so angestrengt wie auf einigen Tracks er Vorgängeralben. Auch bei "Days..." schleicht sich bei mir immer wieder so der Gedankengang ein, dass man dieses Ding garantiert in "alten Zeiten" auch gern noch mit ein wenig mehr Geschwindigkeit ausgestattet hätte.

"The Time Machine" war eine echte Herausforderung: eingangs habe ich mich ein klein wenig schwer getan mit diesem Song, es gab sogar die Zeit des Skippens - allerdings war diese nicht von langer Dauer. Bruce' nahezu beschwörender Gesang zu Beginn, der hat mir schon einiges abverlangt und wirkte tatsächlich ein wenig bemüht auf mich. Der Dreh, den das Ganze dann aber nimmt, hin zu einer fast folkigen Melodieführung, gepaart mit diesem wunderbaren Chorus....eine Wohltat. Das ganze Stück. Wie konnte ich das skippen? Allein diese permanent marginal variierenden Gitarren, die sich so zunächst gar nicht in den Vordergrund drängen, aber den Anstrich des ganzen Songs ausmachen, brillant dabei, die Akustische sogar in den Vorderrgund zu stellen - einfach schön. So ab 3:15 dann der Maidengalopper, ein wenig "zahm", aber im Grunde ist das ein Trademark der Band, das ich nicht und niemals missen möchte - zumal es bislang auf "Senjtusu" in Summe nicht überpräsent war und es viel "Neue Maiden" zu entdecken gab. Des Weiteren verzichtet man auch darauf, innerhalb eines Songs zu sehr auf das "Galopper"-Motiv zu setzen, ab 4:40 linsen die Kollegen von Dream Theater sehr (!) offensichtlich um die Ecke, vom Break bis hin zum hochmelodisch-verfrickelten Solo, das dann wieder in den Galopp wechselt. "Time Machine" ist ein echter "Grower", der Chorus ist ein ganz besonderer Leckerbissen.

Knall auf Fall: "Darkest Hour" ist die beste (!) Maiden-Ballade ever! Dagegen nimmt sich ein eher peinliches "Blood Brothers" oder ein schon ambitionierteres "Wasting Love" wie Ausschussware aus. Das Stück wirkt auf mich eher wie ein Überbleibsel aus den Chemical-Wedding/Tyranny-Sessions von Mr. Dickinson, was primär an den Verses liegt. Der Chorus weckt im Ansatz schon Assoziationen an das bereits erwähnte "Wasting Love" ist aber "mehr zu Ende gedacht", gleiches gilt für den Übergang in Hauptthema. Die Keys "streicheln" ein wenig, der Gesang von Bruce...der ist hier derart großartig, dass es einem eine Gänsehaut verpasst.

Tja, das vielgescholtene "Death of the Celts" - ich denke, es sollte eigentlich die Erwartungshaltung eines jeden Bandjüngers erfüllen und ist doch der scheinbar am kontroversesten diskutierte Song des Albums. Mit einer Länge von über 10 Minuten ist es mir ein wenig zu ausufernd geraten, Harris versucht, alle seine Lieblingselemente des Songwritings zu verarbeiten. Ab von der Länge allerdings finde ich keinen Grund, mit dem Song wirklich zu hadern. Man kann gern argumentieren, dass es in dieser Bauart mit "Where the Wild Wind Blows" oder dem grandiosen "Paschendale" größere Werke gibt - und doch sehe ich weit und breit keine Band in klassisch-metallischer Ausrichtung, die überhaupt derartig detaillierte Epen raushaut - von daher ist das völlig in Ordnung so. Das Keyboard allerdings so ab 6:30...das tut mir ein klein wenig weh und bringt einen in meiner Welt überflüssigen "Billigepiktouch" ein.

Ich hatte mich eigentlich auf den nächsten "Death of the Celts" eingestellt - aber "The Parchment" ist irgendwie anders: die Openingsequenz hat irgendwie eher was von Dio als von Maiden, obgleich mir auch "Alexander..." und der Mariner in den Kopf kommen - und doch wird das Bild nicht rund. Maiden arbeiten hier ganz offensichtlich mit eher ungewöhnlichen Instrumentarien, auch, wenn der Grundaufbau bis zum Abgehpart (mit Golden-Earring-Gedächtnispart!) durchaus keine andere Band vermuten lässt als die Irons. "The Parchment" setzt einen tollen Spannungsbogen, "leider" habe ich ohnehin ein Faible für diese "orientalischen" Sounds, das Verfrickelte (Zerfahrene) in der Gitarrenarbeit läuft mir super rein und ist - ja, tatsächlich mutig, denn im Grunde hätte Mr. Harris seinen Baukasten ja auch ohne Wenn- und Aber komplett ausräumen können. Ein spannendes Stück, ein großartiges Stück. Und: für mich trotz der Länge nicht überzogen.

Die Hölle auf Erden beginnt eben so, wie gefühlt 200 Maiden aus der Harris-Feder beginnen und setzt sich auch in ähnlicher Form fort: da ist er wieder, der Galopper, die Gitarren, die sich zwischen harmonisch und leicht widerborstig präsentieren, der Gesang von Bruce...."Hell on Earth" aber brettert derart charmant-klassisch um die Ecke, dass man es locker in meine (persönliche) Lieblingsecke neuerer Harris-Großtaten einsortieren kann. Erneut fällt auf, dass Maiden dem Drum(sound) einen neuen Stellenwert verpassen, irgendwie fällt es mir gerade hier noch einmal in ganz besonderem Maße auf. Den Chorus kann man sich im Übrigen sofort aus tausenden von Kehlen gegrölt live vorstellen....Womöglich wird das nun kein zweites "Fear of the Dark" oder "Hallowed be thy Name" (dafür fehlt ein wenig der Biss), aber mal im Ernst: kann man solch ein Stück überhaupt noch besser in Szene setzen....? Ein Melodiefeuerwerk par Excellence.

Strich drunter: "Senjutsu" macht mir unglaublich viel Spaß - Spaß, der in Teilen ein wenig von den doch sehr sterilen und vor allem eintönig gesetzten Keys ein klein wenig getrübt wird, zumal sie in jedem (!) Song in mehr als ähnlicher Form verwendet, gottlob allerdings nicht überstrapaziert, werden - freundlich ausgedrückt. Da wäre mehr drin gewesen - oder man hätte sie einfach weggelassen. Ein Keyboard erlaubt weit mehr als nur atmosphärische Tupfer aus dem Baukasten, das wirkt bisweilen gar ein wenig uninspiriert.

Maiden sind zahmer geworden, nicht selten wünscht man sich ein wenig mehr Tempo, ein wenig mehr Treibendes - aber, hey, wir sind im Jahr 2021 und haben es mit "alten Männern" zu tun, deren Anspruch offenbar primär darin zu bestehen scheint, großartige Songs zu schreiben, die einem gewissen Anspruch aus eigener Sicht zu genügen. Unter diesem Gesichtspunkt unterstreicht "Senjutsu" mehr als eindrucksvoll, welch großartige Songschreiber und Musiker in dieser Band stecken. Man mag die Rezpetur seit spätestens "AMOLAD" gerne bemängeln, mal besser, mal schlechter finden, was man den Jungs aber nie wird absprechen können ist schlicht ein Händchen für großartige Songaufbauten und Melodien.

Harris & Co. haben sich niemals verbogen, man erkennt diese Band sofort - und trotzdem gelingen Wundertüten wie "The Parchment", "The Time Machine", "Darkest Hour" oder "Lost in a Lost World". Keine Ahnung, wie sich das Album für mich als nicht absolutem Maiden-Die-Hard-Maniac entwicklen wird, derzeit ist es die Momentaufnahme einer Band, die sich im Hier und Jetzt verortet - und ein in sich absolut homogenes Werk erschaffen hat, das eine Ausnahmestellung einnimmt - zu zwingend ist das Songmaterial auf Album Nr. 17.


Absolut toll geschrieben.Für mich ist "Senjutsu" die beste Maiden seit langem ("The Book Of Souls" fand ich auch schon stark) und "Darkest Hour" ist so ein geiler Song,da geht mir einer ab!"The Writing On The Wall" hat bei mir noch nicht gezündet.Einziger Song auf der Platte,den ich (noch) nicht so mag.
 
Mal traditionell:

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Ich würde mich definitiv nicht als "klassischen" Kürbisfan bezeichnen: schon immer hatten Helloween teils zu zuckersüße Melodien - macht es für mich, der ich eher in Richtung Melancholie und Düsternis tendiere, ein wenig knifflig. Heutzutage ist es eher selten, dass ich mir "klassischen" Power-Metal anhöre (so man diese Richtung noch so bezeichnen darf), aber nun, das ist ja rein subjektiv und darin begründet, dass sich Vieles einfach in Summe zu gleichförmig darstellt für meine Lauscher.

Dann haben wir eben dieses Werk: zum Einen klassisch Helloween, nach einem kurzen Intro namens "Beyond the Portal" brettert es mit neoklassischer Untermalung übergangslos in "Mr. Torture". Songaufbau und Strophen sind hervorragend, der Chorus fräst sich unmittelbar in die Gehörgänge - viel besser kann man es nicht machen. Helloween zeigen hier allen möglichen Nachahmern klar, wie es zu klingen hat, dazu kommt, dass der Gesang von Andi - vom Refrain abgesehen - tatsächlich fies und mal nicht in Eierkneiflagen angesiedelt ist. Abgehpart und Solo sind über jeden Zweifel erhaben, genau richtig platziert - somit: der eigentliche Opener ist keine Überraschung, wohl aber ein hervorragendes Genrestück, das durch die "Geigentupfer" noch mal ein kleines Extra erhält. Prima, noch heute gut für meine Ohren bei entsprechender Stimmung.

"All over the Nation" ist einfach Helloween, wie Helloween klingen sollten, der Gesang wirkt ein wenig schräg und schief, gerade so zu Beginn. Doublebass-Schlagzeug durchlaufend, kaum Zeit zum Luft holen. Der Chorus ist stadiontauglich - durchaus gut. So ab Strophe 2 wird es mir persönlich dann doch ein wenig zu anstrengend in Sachen Gesang....kann man nach wie vor gut hören, ein klein wenig Pathos darf es auch sein in diesem Fall.

"Escalation 666" ist definitiv Futter für meine Ohren: tief gestimmte Gitarren, atmospährisch eingesetzte Keys mit dunkler Klangfarbe. Der Chorus ist erneut unwiderstehlich, passt aber gerade in diesen düsteren Kontext hervorragend. Gerade dieses Ding hat mich schon bei Erscheinen des Albums umgehauen - und ja, ist für mich heute noch groß und einfach wunderbar ungewöhnlich für Helloween. Das Solo ist im Positiven unerwartet, kein Highspeed-Gegniedel, einfach passend für den Song gesetzt, zum Finale hin kommt noch mal eine Schippe an Dramatik drauf - geiles Stück Musik. Düster steht den Weenies doch auch mal hervorragend.

Der eher düstere Anstrich bleibt auch bei "Mirror, Mirror" erhalten: war die 666 Eskalation noch eher ein wenig episch, so ist es hier ein für Helloween-Verhältnisse eher schon rockig. Erneut unerwartet, Ablauf Strophe-Refrain mustergültig, bleibt im Ohr. Seltsam, aber: es tut gut, mal 2 x hintereinander eher wenig gute Laune auf einem Helloween-Album zu vernehmen.

"If I could fly" war seinerzeit die erste Singlauskopplung aus dem Album: statt auf Nummer sicher zu gehen geben sich die Kürbisse hier erstaunlich experimentiell und erneut läuft man nicht Gefahr, im Powermetaldschungel zu versanden. Das Solo ist ein Knaller, einfach geil, eher rockig-bluesig denn mit Highspeed rausgehauen, das Pianothema, das sich durch den kompletten Track zieht ist erzeugt einerseits eine gewisse Disharmonie, ist aber ein perfektes Beispiel dafür, wie man einem Song eine bestimmte Richtung verpassen kann, der ansonsten vielleicht eher vor sich hin geplätschert wäre. In Summe bis heute eine meiner liebsten Helloween-Singles, vielleicht einfach, weil sie so unerwartet ist.

Zunächst tönt "Salvation" dann wieder sehr typsich "helloweenig" - so ein wenig ein Abziehbild von "All over the Nation", wenn auch mit einem netteren Haken im Refrain. Aufgrund der Tatsache, dass mit den 3 Vorgängerstücken eher Ungewöhnliches zu vernehmen war passt diese Hymne an dieser Stelle hervorragend - und wenn man mal so ganz ehrlich ist kommt einem da schon der freifliegende Adler in den Sinn, allerdings mal nicht im Negativen: die eigene Signatur einfach modernisiert, nicht überzogen oder zu flach kopiert - starkes Powermetalstück (ach ja....Powermetal....).

"The Departed" ist der großartigste Helloween-Song, der je geschrieben wurde, Punkt. Etwas mehr als viereinhalb Minuten mit einem markanten, dunklen Riff gefüllt, der Refrain hat immens 70's Feeling, so in Summe ist das fast kompakter Krautrock der 90er. Andi kann hier seine Qualtität als Sänger voll ausspielen und muss nicht in die Quiekecke, dazu aber Feeling und Leidenschaft in die Strophen gepackt, das Solo hebt nicht in den Orbit ab, Gleichförmigkeit kann sich unglaublich geil anhören - so, wie bei "The Departed" halt. Dazu diese kleinen, feinen Percussion/Schlagzeugspielereien - hat bis heute seinen Reiz, naja, halt der großartigste Helloween-Song überhaupt.

Eher dunkel und vor allem mit Bass (!) geht es weiter in "I live for your Pain": nochmal tief gestimmte Klampfen, hat wenig mit Metal zu tun, dafür aber ein immens gelungener Hardrocksong und erneut steht Andi einfach dieser eher dunklere Gesang um Längen besser als die astronomischen Höhen. Hut ab, so ein schneidiges Ding, die Soli sitzen, die Stimmung, die der Song transportiert - Hardrock der feinsten und fiesesten Sorte und ein neuer Klangtupfer auf einem bislang ebenso ungewöhnlichen, wie auch abwechslungsreichen Helloween-Werk.

Mit "We damn the Night" ist man wieder fix unterwegs: ein weitere bandtypische Hymne? Speziell der Beginn des Songs läuft mir gut rein und auch die Keys im Mittelteil nebst Stratovarius-Gedächtniskeyboard sitzen, dazu fast schon progressives Gegniedel - wäre man am Ende nicht unnötigerweise dieser typische "Wohohhohoooo"-Part reingebastelt worden, es wäre eine Referenz als die "etwas andere" Powermetalhymne.

Bei "Immortal" ist dann mal wieder Fehlanzeige in Sachen Metal - gut so, gut für das Album. Man darf das Ding gern "angepoppt" nennen, schadet das? Ein klein wenig zu dominant wirken die Keys, wenn man den Song 2, 3 x hintereinander hört, ansonsten hat das schon Anlehnung an Queen, irritierenderweise mit Accept-Chören im späteren Verlauf - doch selbst die passen da irgendwie prima rein, zumal das Gitarrensolo prima reingeht. Dazu der erneut absolut beseelte Gesang, die kleineren neuen Akzente in jeder neuen Strophe - well done. Kann an manchen Tagen Gänsehaut verursachen. Ein großer Song, fürwahr.

Der Titeltrack fungiert als Rausschmeißer und kratzt an der 9 Minuten-Grenze: auffällig, dass man streckenweise wieder auf die Spoken-Word-Zutaten von "The Departed" zurückgreift. Ich gebe zu: wenn der Refrain nicht wieder so obertypisch Helloween wäre, ich glaube, das Ding würde mir um Längen besser munden. Innerhalb der Laufzeit aber passiert nämlich ansonsten so Einiges: erneut Keys, die Spannungen unterstreichen, dazu der Maiden-Gedächtnispart, der so ab Minute 4:30 zunächst eine Überleitung in den Mittelteil des Songs bastelt und recht schnell von der Akustischen abgelöst wird, ehe dann der allseits bekannte Baukasten für leicht symphonischen Power-Metal geöffnet wird: virtuoses Solo, Abgehpart, übergang in ruhiges Outro mit epischem Gesangschor als Unterbau und dann der Fade-Out. Doch, das Teil macht schon Spaß.

Kurzum: in Summe ist "The Dark Ride" wahrscheinlich mein Helloween-Lieblingsalbum. Das liegt in erster Linie daran, dass man hier Wagnisse eingegangen ist und zwar solche, die in meinen Ohren überaus gelungen sind. Die Tatsache, dass nicht ein wirklicher Ausfall zu verzeichnen ist unterstreicht indes die songwritischeren Qualitäten des deutschen Metal-Flaggschiffs. Mir hätten ein paar Alben mehr mit derartigen Wagnissen gut gefallen - auch auf dem diesjährigen Reunionwerk.

Ganz klar mein Lieblingsalbum mit Deris (Bin ja Hansen/Kiske Möger,gell und den Deris mag ich bei PINK CREAM 69 am Liebsten.),da haben die Kürbisköppe ein Brett rausgenagelt!Stark.
Hast wiedermal den Nagel auf den Kopf getroffen.Sehr geil revuet.
 
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Tja, als "Savage Amusement" erschien war ich im Grunde noch kein "Metaller". Natürlich gab es so vereinzelte Sachen wie die ersten drei Metallica-Alben oder auch die Standardwerke von Maiden, die mir in Gänze ein Begriff waren, wohl aber auch manchmal eher "Krach" für meine Ohren (so unverständlich mir das auch aus heutiger Sicht erscheinen mag....) darstellten.

Von den Scorps erbte ich seinerzeit über einen Freund meines Bruders sowohl die "Blackout", als auch die "Love at first Sting". Natürlich waren aus dem Radio die Überballaden "Holiday" und "Still loving you" ebenfalls geläufig, gerade aber "Blackout" empfand ich seinerzeit in Sachen Härtegrand schon eher grenzwertig (was mir aus heutiger Sicht nur noch unverständlicher ist).

Seinerzeit gab es die SWR3-Hitparade - und die stellte "The Rhythm of Love" vom dann "neuen" Scorpions-Album vor - und ich besorgte mir das Ding auf Tape. Machte die Sache für mich in Summe einfacher, da ich für Cassetten nicht den Plattenspieler meines Vaters (auf der stets eine James-Last-Platte zu finden war...) oder meines Bruders (meist blockiert durch irgendeine 12" Compilation aus den 80's, Modern Talking inclusive) bemühen musste. Ich selbst hatte damals einen klassischen Ghetto-Blaster, frisch vom Weihnachtsmann bekommen.

Kurz: Cassette im hiesigen Supermarkt (!) gekauft - und daheim direkt aufgelegt. Eigentlich wollte ich ja direkt zur angesprochenen Hitsingle, nur - oh je - da hätte ich j a spulen müssen! Also laufen lassen - und bis heute ist der Opener in Form von "Don't stop at the Top" einfach ein absoluter Motivations- und Gute-Laune-Song. Knapp 4 Minuten Melodie ohne große Schnörkel, Bridge und Chorus wandern ohne Umwege ins Ohr - was will man mehr? Und so hatte ich nach nur einmaligen Hören direkt einen neuen Fave auf "Savage Amusement".

Der Rhytmus der Liebe folgte auf dem Fuße und setzt die Formel des Openers fort, wobei ich - wie schon angesprochen - durchaus der Meinung bin, dass eben Jener letztlich in meinem persönlichen Universum die Nase vorn hat. Heute muss ich sowohl über den Song als auch den Text (nuja....) ein wenig schmunzlen und doch unterstrichen die Scorps mit eben diesem Ding ihre Vormachtsstellung als internationale Hardrockmacht (auch, wenn ich das früher glatt noch unter "Metal" einsortiert hätte...)

Wenn mich mein Gedächtnis nun nicht all zu sehr trügt war Song Nr. 3, "Passion rules the Game", auch die 2. Singlauskopplung: nochmal Scorpions im Stadionrockgewand (in den sie sich ja zumeist in dieser Phase kleideten), gut gelungen, die Soli aus heutiger Sicht vielleicht nicht mehr ganz so formidabel wie seinerzeit aufgefasst und doch: gleich 3 Treffer hintereinander auf einem Album. Kurzweil pur.

"Media Overkill" hat so ein klein wenig "Zoo"-Attitüde, ohne natürlich die Atmospähre des gleichnamigen Bandklassikers zu erreichen, auch geht es ein wenig flotter zur Sache. Nach dem eher seltsamen Beginn finde ich bis heute das Eingangsriff einfach perfekt für einen Hardrocksong - und erneut sind Meine, Schenker & Co. auf Kurs, was das Songwriting angeht: ich behaupte einfach mal, diese 4 Songs liegen auf einer einzigartig-großartigen Songwritinglinie, sie wirken gleichermaßen frisch wie hungrig und sind bis heute unverbraucht. Starkes Teil.

Die breite Masse nimmt die Hannoveraner ja eher ihrer Balladen wegen wahr (wobei ich ausdrücklich darauf verweise, dass für mich das unsägliche "Wind of Change", seiner textlich mehr als positiven Message zum Trotz, schon bei der Veröffentlichung von "Crazy World" ein absoluter Schwachpunkt auf dem Album war) - und hier ist dann auch "Walking on the Edge" (gleichermaßen der letzte Song auf der A-Seite des Tapes) schon solide Kost - nur bin ich eben kein Freund der eher standardisierten Balladen. Sind sowohl "Holiday" als auch "Still...." große Ausnahmen in dieser "Mainstreamballadenwelt", so ist "Walking...." nun nicht unbedingt der Kracher vor dem Herrn: tut nicht weh, aber auch nicht gut, der Übergang in die Soli ist ganz akkurat und nett, aber dennoch: von mir wegen hätte es keine Ballade gebraucht.

Seinerzeit war "We let it rock - you let it roll" ein Knaller, heute finde ich das Ding ein wenig platt - also, abseits des etwas dämlichen Textes, fast ein wenig wie Onkelz-Pathos im Scorps-Kontext. Macht jetzt so in Summe nichts: natürlich ist das Teil flott und im Wesentlichen gibt es daran nichts auszusetzen, doch aus heutiger Sicht durchaus ein leichter Abfall zu den ersten 4 Songs von "Savage Amusement".

Mit "Every Minute, every Day" setzt sich der Negativtrend dann doch eher fort: diese seltsam verfremdeten Elemente haben für mich damals (und heute auch nicht, mag ein jeder auf AC/DC und Motörhead schimpfen wie man mang) einfach nichts zu suchen. Ein Stampfer, der nicht weh tut, der Refrain ist ziemlich Scorps-typisch (diese Art, Refrains zu bauen, haben die Hannoveraner scheinbar gepachtet), aber...nun ja. "Nett" eben.

"Love on the Run" hat etwas motörheadiges - empfand ich damals glatt wie "Speed Metal". Geht auch gut nach vorne. Nur: höre ich mir das heute an, dann ist zum Einen der Text irgendwie...ähm. Lassen wir. Hinzu kommt, dass hier explizit auffällt, dass Meines Stimme einfach nicht zu so fixen Dingern passt - und mich tatsächlich auch ein wenig nervt.

Mit "Believe in Love" kommt dann zum Abschluss so ein klassischer "Bed-of-Roses-geht-gar-nicht"-Rausschmeißer nach rund 38 Minuten Laufzeit. Puh. Zum Thema Balladen dieser Bauart an sich hatte ich ja schon was geschrieben, es ist unglaublich schwer, mich in diesem Bereich zu packen (geht schon, aber ist eben sehr selten) - und "Believe...." ist da nun so gar nicht mehr meine Baustelle.

Inspiriert durch den doch spannenden neuen (Vorab-)Track der Scorps habe ich "Savage...." heute nach Urzeiten mal wieder aufgelegt bei der Büroarbeit: das Ding läuft in sich nach wie vor gut rein, bei einer Punktevergabe wäre ich irgendwo so Richtung 6-7, Tagesformabhängig, den Nostalgiebonus außen vor gelassen. "Savage Amusement" ist ein gutes Hardrockalbum, da beißt die Maus keinen Faden ab, der Opener zaubert mir auch heute noch direkt ein Lächeln ins Gesicht. Für meine musikalisch-geschmackliche Entwicklung kann die Band nichts, unterstreicht aber auch mit diesem Album (das oft irgendwie unter dem Radar läuft), dass man durchaus zurecht zur Speerspitze des Hardrock gehört. Es ist komisch: eigentlich habe ich selten das Bedürfnis, die Scorps aufzulegen und doch stellt sich ein gewisses Wohlbefinden ein, sobald ich die Band höre. Nur mit dem Näseln des Herrn Meine, da habe ich so auf Albumdistanz heutzutage meine Probleme.

Die Scheibe müsste ich tatsächlich wiedermal hervorkramen.Entweder höre ich die "Blackout",oder die noch älteren Scheiben ("Virgin Killer","In Trance"),oder dann gleich die Livesachen.Gut geschrieben,einmal mehr und das Fazit: die Platte ist besser als ihr Ruf.
 
Absolut toll geschrieben.Für mich ist "Senjutsu" die beste Maiden seit langem ("The Book Of Souls" fand ich auch schon stark) und "Darkest Hour" ist so ein geiler Song,da geht mir einer ab!"The Writing On The Wall" hat bei mir noch nicht gezündet.Einziger Song auf der Platte,den ich (noch) nicht so mag.

In Sachen "Beste Maiden-Platte seit Langem" bin ich bei Dir. Ich fand im Übrigen "Writing...." von Anfang an schon als Vorabsingle wirklich gelungen und ich glaube tatsächlich, dass ich kaum einen Einzelsong im vergangenen Jahr so oft gehört habe wie dieses Teil. "The Book..." war kein "schlechtes" Album, das Niveau von "Senjutsu" hat es aber qualitativ nicht, meinem Hörempfinden nach. Ich hadere ab und an noch immer mit dem Titelsong, mal absolute Weltklasse, mal irgendwie doch auf eine recht unangenehme Art und Weise sperrig - Tagesformabhängig.
 
Die Scheibe müsste ich tatsächlich wiedermal hervorkramen.Entweder höre ich die "Blackout",oder die noch älteren Scheiben ("Virgin Killer","In Trance"),oder dann gleich die Livesachen.Gut geschrieben,einmal mehr und das Fazit: die Platte ist besser als ihr Ruf.

Das war eigentlich die letzte irgendwie "klassische" Scorpions-Platte, auch, wenn "Crazy World" (vom Wechselwind abgesehen) eigentlich keinen Deut schlechter ist als "Savage Amusement". Mir gefallen die Höreindrücke des kommenden Albums, denn das klingt wieder so nach 80er Scorpions - ist eigentlich nicht mehr so meine für heute alltägliche Baustelle, aber eben dieser Wohlfühlsound aus Hannover. Haben mich die bisherigen Releases weitesgehend kalt gelassen, so scheint sich hier tatsächlich etwas für mich Passendes anzubahnen.
 
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Eine Kreator-Platte, die eigentlich gar keine Kreator-Platte ist - kann man verteufeln, kann man aber auch lassen, denn was Mille & Co. hier abliefern klingt für mich tatsächlich nach einer tiefen Verbeugung vor Bands wie Killing Joke oder den Sisters of Mercy.

"Golden Age" eröffnet das Album, Intro unterlegt mit spacigen Sounds, ehe das Ding als amtlicher Rocker im "Symphony of Destruction"-Style Fahrt aufnimmt. Man kann gegen diesen Titel nun sagen was man mag, aber: catchy as Fuck, ein toller Chorus und einfach lässig durchgespielt, dazu Milles Vocals, die in Summe dennoch eine gewisse Aggression ausstrahlen. Durchaus eine Art Rip-Off des benannten Mustaine-Werks, was aber den Titel an sich keinen Deut schlechter macht. Guter Stoff.

Mit "Endorama" kommen dann die "Sisters" klar zum Zuge. Direkt zum Einstieg gemahnt das Ding an "More" von Eldritch's Baby. Ähnlich wie der recht offensichtlich zitierte Hit bahnt sich das Teil als Ohrwurm unwidstehlich seinen Weg, die Gitarrenarbeit, speziell das Solo garnieren das Teil und hinterlassen durchaus einen metallischen Anstrich. Schon ein feines Ding.

"Shadowland" verbindet die thrashigen Elemente der Band mit dem Gothic-Touch der beiden Vorgängertracks. Tatsächlich klingt dieser Titel ein wenig wie eine entschärfte Version der typischen Kreator, versehen erneut mit einem catchy Chorus. Ein klein wenig scheinen Sepulturas "Chaos A.D."-Anleihen durch, wobei ich aus heutiger Sicht sagen muss, dass mir allein dieser Titel um Längen besser gefällt als das für meine Ohren heutzutage sehr platte Werk aus Brasilien, was nicht zuletzt an einem erneut extrem effektiv gesetzten Gitarrensolo liegt.

Die "Chosen Few" klingen ganz mächtig nach dem zeitlosen Gassenhauer "Love like Blood" von Killing Joke. Gleich, wie man das dreht und wendet: Kreator gelingt auch mit Stück Nr. 4 ein absoluter Hit. Wie schon auf den Vorgängertracks durchzieht auch diesen eine gewisse düstere Lässigkeit, die auch eben jenes "LlB" oder auch den "Sisters.."-Song auszeichnet. Im Ernst: bis Song 4 kann und darf man absolut nicht meckern, so fern man sich schlicht davon frei macht, hier ein "reinrassiges" Thrash-Metal-Album im Player zu haben.

Ein Pianointro für "Everlasting Flame": getragener Heavy-Metal, ganz schlicht und ergreifend. Titel Nr. 5 ist eine Ballade, demzufolge Seltenheitswert im Kreator-Katalog. Hier dürften Metallica Pate gestanden haben, auffällig vor allem so ab Minute 3'30. Möglicherweise hätte sich Mille hier einen Gefallen getan, wenn er den Gesang nicht in dieser doch sehr monotonen Sprechart vorgetragen hätte, sondern dem Ganzen etwas mehr Emotion verpasst hätte, was ja im Bereich der Bridge dann tatsächlich gelingt.

"Passage to Babylon" folgt und weckt Assoziationen an Rammstein, ehe es dann in eine Art "Phobia-Light" übergeht. Flotter Rocktrack mit Metal-Schlagseite, macht Laune und lockert die bislang eher düstere Grundstimmung ein klein wenig auf. Zeitgeist? Durchaus - und doch recht nah am Kreator-Sound, wenn auch auf eine bestimmte Art und Weise "moderner", dazu mit nochmals mit Keyboardklängen im Pianogewand, die feine Farbtupfer setzen.

Der "Future King" führt dann schon eher in Kreator-ähnliche Welten: auch kein Thrash im klassischen Sinne, eher gebremster Schaum, wenn man den Signature-Sound dieser Band heranzieht. Zum Chorus hin wird es dann durchaus catchy, das anfänglich höhere Tempo relativiert sich ein wenig, ehe man in Richtung Chorus noch mal ein klein wenig mehr Gas gibt. Milles Vocals geben hier eine besondere Note - und heben auch diesen Titel in ein homogenes Album-Gesamtbild.

"Entry" ist letztlich ein atmosphärisches Piano-Intro, das unmittelbar in das folgende "Soul Eraser" übergeht: eher stimmiges Intro, ehe der eigentliche Song mächtig aufs Gaspedal tritt: der Gesang leicht verfremdet, mit Thrash-Elementen der klassischen Schule versehen, in Sachen Chorus (bestehend aus dem Songtitel) wird es hier erstmalig ein wenig beliebig. Ein wenig enttäuscht ist man schon, ob der plötzlichen Behäbigkeit des Songs, der sich mitnichten weiter in Richtung Thrash, sondern eher in eine Art Alternative-Metal bewegt. Das Solo kann dafür mal wieder so Einiges. In Summe nicht schlecht, aber im Vergleich zum bislang gebotenen eher...Durchschnitt.

Mit "Willing Spirit" wird es dann regelrecht "alternativrockig" und der Gothic-Touch kehrt zurück. Hat man sich bisher gekonnt in diesem Bereich an Erfolgsrezepten und Motiven bekannter Bands orientiert, so ist "Willing Spirit" wohl als der Versuch zu werten, den eigenen "Gothic-Rock-Song-mit-Alternative-Touch" zu erschaffen. Gelingt bedingt und fällt gegenüber der (subjektiv gesehen) starken ersten Hälfte des Albums doch ein wenig ab.

Eine echte Kuriosität ist "Pandemonium": hier glaubt man nach den ersten Takten, die Hosen hätten sich mit einem Mal in eine etwas härtere Gangart verliebt. Anstelle von Campinos nicht selten charmanten Gekeife folgt aber der eher typische Mille-Gesang. Eine seltsame Form des Crossover, Alternative-Punk, wobei man auch hier noch einmal die aus "Phobia" bekannten Motive (auf das Drumming reduzierte Elemente) einflechtet. Für sich gesehen ist das schon irgendwie ein...interessantes Stück Musik, das mich tatsächlich und nicht nur aufgrund des späteren Teils (so ab Minute 2:30) stets eben an "Harte Hosen" erinnert. Spannend bleibt es auch, weil das Riffing aller oberflächlichen Eingängigkeit zum Trotz dem Genzen durchaus eine nette Grundhärte verleiht.

Mit "Tyranny" beschließt man dieses Album und hat einen recht seichten Rocker mit Elementen aus dem Grunge und Frühneunziger-Megadeth am Start, speziell die Gesangslinien kann man sich sofort und ohne viel zusätzliche Phantasie von Mustaine genäselt vorstellen. Nettes Ding.

Tja, als was hatten Kreator mit "Endorama" vor? Zeitgeistanbiederung? "Mal was Neues"? Zugeständnisse an die Plattenfirma? Anders als beim (für mich) großartigen "Renewal" wirkt dieses von vielen Kreatorfans eher ungeliebte Werk eher schon ein wenig nach "würden gerne mehr verkaufen und neue Hörerschichten erschließen". "Renewal" war ein Ausloten neuer Grenzen, ohne nennenswert an eigenen Grundsound zu kratzen, "Endorama" ist eher weniger Kreator als man denken sollte, weniger Experiment als das Ergebnis eines "massentauglicheren" Songwritings. Was "Endorma" allerdings unter Beweis stellt ist die Fähigkeit Milles, Songs zu schreiben, die Melodie und Linie haben, die komponiert wirken. Anders als Rumpel-Tom (man möge mir verzeihen) sind Kreator eine Band, die einfach vielseitig agieren kann und - wenn auch nur in Bezug auf Melodieführungen - gerade heutzutage gerne noch auf die ein- oder anderen Elemente dieses Albums zurückzugreifen scheint, wenn auch in anderem Kontext verarbeitet.

Wäre "Endorama" als eine Art "Projekt" veröffentlicht worden, es hätte sicherlich ein um Längen besseres Standing. Im Wesentlichen sind hier tolle Songs vertreten, die Tatsache, dass man gern ein wenig klaut sei an dieser Stelle verziehen, wenn dabei ein so feines Album entsteht. Nährt man sich dem Album losgelöst der eigenenlichen Erwartungshaltung an Essens Finest, dann bekommt man ein blitzsauberes Hitfeuerwerk serviert, nicht unbedingt innovativ, aber sauber durchkomponiert und noch immer mit der richtigen Portion Härte versehen, so fern man nicht ausschließlich in einer Thrashmetalblase lebt.
 
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Mal wieder einen "Personal Classic" auflegen:

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Nicht Wenige haben in Shadow Gallery nach deren famosem Debut das nächste große Prog-Metal-Ding nach Dream Theater gesehen. Leider blieb der Erfolg auf breiter Basis aus, womöglich waren SG einfach ein wenig zu "speziell" - wer weiß? Im Prinzip waren alle Zutaten vorhanden, die die Band hätte groß werden lassen müssen: phantastische Melodien, Songaufbauten für die Ewigkeit und ein unwiderstehlicher Mix aus progressiven Zutaten, sehr offensichtlichen (Früh-)Queen-Anleihen, ein Händchen für das Arrangieren regelrecht klassischer Songkathedralen.

Los geht's mit einem kurzen, völlig furiosen Intro: knapp 2 Minuten benötigen SG um eine Achterbahnfahrt des progressiven Metals zu eröffnen. Irrwitzige Duelle der Instrumente, Gitarrenläufe, die sich zu überschlagen drohen, dazu virutose Keyboardsounds und ein Schlagzeugspiel, das ein regelrechtes Blitzgewitter auszulösen vermag. "Stiletto in the Sand" ist nicht "nur" ein Alibi-Intro, es ist der perfekte Einstieg in ein perfektes (Konzept-)Album.

"War for Sale" tritt das Gaspedal unmittelbar durch: schneidende US-Metal-Riffs, Keyboards von einer anderen Welt (unfassbar, wie vielseitig und die Tasteninstrumente im Shadow-Gallery-Universum tönen!), eine kurze Verschnaufpause, ein wahnwitziges Gitarrensolo - ab geht die Reise bis hin zu einem großartigen Chorus, der sich unmittelbar in die Gehörgänge fräst. Verkopfter Prog? No Way! SG beweisen hier in knapp fünfeinhalb Minuten, wie man Metal interessant, klassisch und gleichzeitig eingängig gestalten kann. Über all dem thront der regelrecht wahnsinnige Gesang eines Mike Baker (ich bin sicher: ein anderer Mike hätte den Mann gern auf dem Zettel für "seine" Band gehabt....), eine Mischung aus klassischem US-Metal-Shouter, "sauberer" als ein Mike Howe, gleichermaßen trieft die Leidenschaft, mit der er die Texte raushaut durch jede Zeile.

"Out of Nowhere" drosselt das Tempo, atmosphärische Keyboards ersetzen die teils harschen Orgelklänge des Vorgängers, der Gesang mehrstimmig gedoppelt, allein für diesen Chorus müsste man einen eigenen Schrein bauen. Nahezu bar jeglicher Kitschgrenzen ist es der Band hier gelungen, eine Vorzeigeballade zu komponieren: ein Song, in den man sich fallen lassen kann, fast schon mit Soundtrackqualitäten, fast schon modern komponierte Klassik mit den Mitteln und Instrumenten einer Metalband.

"Mystery" ist klassischer Prog-Metal im Midtempobereich, hätte in ähnlicher Form auch von Dream Theater stammen können. Auffällig ist auch hier wieder im Speziellen das Arrangement: Chöre, die Instrumente spielen (trotz Prog) zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Form aneinander vorbei und begleiten aller Feinheiten zum Trotz Bakers schier einzigartige Gesangsleitung , die hier klar im Vordergrund steht. Ich glaube, es ist überflüssig, hier den packenden Chorus zu erwähnen, der auch beim dritten "richtigen" Song des Albums voll ins Schwarze trifft.

Mit "Hope for us" hält das leise Piano Einzug - und erneut dieser Gesang! Gänsehautballade mit klassischen 70er Prog-Anleihen, die Gitarrenarbeit so ab Minute 4'20 rum intensiv wie nix. Neben dem Pianothema (welches sich mehr oder minder komplett durch den gesamten Song zieht) atmosphärische Keys, die den Song regelrecht umschmeicheln. Wer mag, der darf hier gerne "Kitsch" rufen, aber verdammt noch eins: noch geiler geht Kitsch einfach nicht. 2 Balladen unter den Songs - und jede hat einen eher wegweisenden Charakter, eigenständig, packend, emotional.

"Victims" bietet ein wenig Mystik auf, zudem Brian-May-Gedächtnisgitarren. "Wohlfühlprog" ohne nennenswerten Härtegrad, obwohl durchaus durchgerifft wird, dezent und im Hintergrund. Auch dieser Song lebt ganz entscheidend von seinem Arrangement, die Gefahr bei der Aneinanderreihung von derart vielen eher ruhig gehalten Songs birgt stets die Gefahr einer gewissen Eintönigkeit. SG umschiffen diese nicht nur geschickt, sie erheben diese Aneinanderreihung regelrecht zu einer Kunstform. Obwohl sich die Songs von der Stilistik her durchaus ähnlich sind ist ein jeder für sich in Form gegossen, liebevoll und detailliert, mit einem tollen Refrain und einer so ausgewogenen Instrumentierung gesegnet, dass einem die Spucke weg bleibt.

Mit "Broken" folgt ein kleines Intermezzo: knapp 2 Minuten "Mini-Ballade", passend eingeflochten in das Konzept des Albums. Aus diesen 2 Minuten hätten andere Bands womöglich abendfüllende Balladen erschaffen.

"I believe" scheint gar zu schweben eingangs: ein wenig Queen-Bombast zum Einstieg, Chöre, gefolgt von einem sanften Pianolauf, der nur marginal durch leichte Gitarrenriffs unterbrochen wird, ehe man in die Strophe wechselt. Hier ist man jetzt bei einem Mix aus getragenen Savatage (incl. Satzgesang), ehe das Stück so ab Minute 5'50 langsam aber sicher über Soli in eine Art "Chance"/"Bho-Rhap"-Variante wechselt, hier untermalt mit 70slastigen Keys und einer entsprechenden Abfahrt, ehe es sich zum Ende hin peut à peut wieder in Richtung ruhigerer, getrangener, ja, teils hymnischer Töne einpendelt.

Das folgende "Roads of Thunder" bietet erneut hymnischen Progressive-Rock, erneut ist hier der Gesang der Star: ob gedoppelt, im Satz oder als Chor, untermalt von stellenweise galoppierender Instrumentierung, garniert mit spährischen Keys und entsprechenden Breaks gelingt es SG problemlos, das hohe Niveau des Albums in Verbindung mit einer immensen Vielseitigkeit zu erhalten.

"Spoken Words" ist ein Duett, zunächst fast schon kammermusikartig, minimalistisch instrumentiert, völlig vom Kontext "Metal" losgelöst, das Stück hat etwas musicalartiges, lebt vom emotionalen Wechselspiel des Herrn Baker und seiner Gesangspartnerin. Großartig.

Mit "New World Order" folgt das Herzstück des Albums: mit einer Laufzeit von etwas mehr als 8 Minuten baut man eine ähnliche Klangkathedrale wie schon bei "I believe". Der schleppende Chorus ("This is the New Word Order"!) wird gebührend vorbereitet, irgendwo zwischen getragen und bedrohlich, ehe sich ab Minute 5 ein symphonischer Zwischenpart einschiebt, der mit knapp einer Minute weder überlang noch überzogen wirkt. Eine Stampfer mal ganz anders.

Ich gebe zu, ein großer Fan von Instrumentals zu sein: somit passed "Chased" dann auch ganz hervorragend ins Konzept. Eine progressive Achterbahnfahrt, die keine Wünsche übrig lässt, ein Parforceritt durch die Welt der Musik, Widerhaken und zahlreiches Breaks inklusive.

"Ghost of a Chance" beginnt eher balladesk, baut sich dann aber im weiteren Verlauf zu einem typischen Progmetalstück auf, die Dramaturgie perfekt auf den Punkt gebracht. Tatsächlich bietet sich hier als Vergleichsstück "Lifting Shadows off a Dream" vom Traumtheater an, wobei Letzeres im direkten Vergleich aber tatsächlich den Kürzeren zieht.

Den Schlusspunkt setzt "Christmas Day", das nochmals an (Früh-)siebziger Queen erinnert. Gleich, ob Gitarrenarbeit oder Songaufbau: SG denken nicht im Traum daran, auch nur im Ansatz zu schwächeln - und tatsächlich kann man erahnen, dass eben jenes "Christmas Eve" ein Cliffhanger (nettes Wortspiel im Zusammenhang mit SG) für eine mögliche Fortsetzung ist.

Fazit: "Tyranny 10 Points". Ohne Wenn und Aber steht dieses Album in einer Reihe mit "OM" oder "Streets" und ist ähnlich sträflich unterbewertet wie beispielsweise "The Edge" von Eternity X. Ähnlich wie auch "Streets" kann man sich "Tyranny" auf einer Broadwaybühne vorstellen. Nach den orchestralen Arrangements dürften sich (für dieses Fach) Möchtegerns wie ein De Mayo oder ein De Feis die Finger lecken: bekommen die leidlich ein "bombastisches Möchtegern-Neoklassik-Arrangement" zusammen, so ist "Tyranny" ein Album, das gleich auf mehreren Ebenen funktioniert: als Konzeptalbum über den ehemaligen Angestellten in einer Waffenfirma und dessen Kampf gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber, als Progrock/Metal-Werk, als faszinierende Reise in eine Welt der musikalischen Möglichkeiten. SG liegen diesbezüglich nach meinem Dafürhalten eine echte Nasenlänge vor ihren Kollegen von Symphony X, die ebenfalls in diesem Metier unterwegs sind. Das Verquicken von 70's Elementen zwischen Queen/Steinmann/Kansas/Tull (gelegentlicher Querflöteneinsatz) und doch nicht selten hartem Metal ist eine Disziplin, in der SG unschlagbar waren (muss man wohl sagen).

Das Vermächtnis der Band ist eine phantastische Discographie, aus der "Tyranny" ein Stückchen weit herausragt, die spätere Fortsetzung namens "Room V" ist im Übrigen (im Gegensatz zu QR's "Mindcrime II") kaum unspektakulärer. Traurig: Mike Baker ist im Jahr 2008 mit nur 45 Jahren an einem Herzinfarkt verstorben. Seine Stimme ist auf ewig mit dem Sound der Band verwoben, auch, wenn sein Nachfolger Brian Ashland auf dem bislang einzigen SG-Album mit seiner Beteiligung ("Digital Ghosts" von 2009) eine sehr gute Figur abgeben hat und über ein Klangfarbe im Tate-Kosmos verfügt. Baker indes war ein gesanglicher Weirdo, ein Ausnahmetalent, in einer Reihe mit einem Alder oder Arch.

Ich bin sehr froh darüber, die Band wenigstens 1 x live erlebt zu haben (vor gefühlt 50 Nasen in der Turock vor mehr als 10 Jahren), leider auch dort schon ohne Mike Baker. Dennoch eine solche Show zu bieten und sichtlich Spaß am Livespielen zu haben, dazu diese Satzgesänge auf den Punkt gebracht (nein, nicht vom Band!), dazu gehört Einiges. So ganz habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass man vielleicht doch noch mal ein Album liefert - der Zauber der bisherigen Veröffentlichungen wird bleiben, diese Musik ist nicht (nur) Prog, sie ist magisch.
 
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Fazit: "Tyranny 10 Points". Ohne Wenn und Aber steht dieses Album in einer Reihe mit "OM" oder "Streets" und ist ähnlich sträflich unterbewertet wie beispielsweise "The Edge" von Eternity X.

Die "The Edge" habe ich 1997 auf Tape gehabt, aber hat nie wirklich gezündet. Ich habe sie jetzt für einen 5,- gekauft, mal sehen, ob es ein Vierteljahrhundert später klappt.

Zum Rest vom Text: ja, stimmt alles ziemlich.
 
Die "The Edge" habe ich 1997 auf Tape gehabt, aber hat nie wirklich gezündet. Ich habe sie jetzt für einen 5,- gekauft, mal sehen, ob es ein Vierteljahrhundert später klappt.

Kenne ich. Wenn ich an die erste Thoughts Factory oder an die Payne's Gray Alben denke, dann war das bei mir ähnlich. Ich kann nur soviel sagen: "The Edge" wird zünden, ohne Wenn und Aber. Trotz Konzept: fang einfach mal mit "Baptized by Fire" an, der Rest gibt sich.

Zum Rest vom Text: ja, stimmt alles ziemlich.

Ein "ziemlich" nehme ich von Dir mal als Kompliment :top:.
 
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Nicht Wenige haben in Shadow Gallery nach deren famosem Debut das nächste große Prog-Metal-Ding nach Dream Theater gesehen. Leider blieb der Erfolg auf breiter Basis aus, womöglich waren SG einfach ein wenig zu "speziell" - wer weiß? Im Prinzip waren alle Zutaten vorhanden, die die Band hätte groß werden lassen müssen: phantastische Melodien, Songaufbauten für die Ewigkeit und ein unwiderstehlicher Mix aus progressiven Zutaten, sehr offensichtlichen (Früh-)Queen-Anleihen, ein Händchen für das Arrangieren regelrecht klassischer Songkathedralen.

Los geht's mit einem kurzen, völlig furiosen Intro: knapp 2 Minuten benötigen SG um eine Achterbahnfahrt des progressiven Metals zu eröffnen. Irrwitzige Duelle der Instrumente, Gitarrenläufe, die sich zu überschlagen drohen, dazu virutose Keyboardsounds und ein Schlagzeugspiel, das ein regelrechtes Blitzgewitter auszulösen vermag. "Stiletto in the Sand" ist nicht "nur" ein Alibi-Intro, es ist der perfekte Einstieg in ein perfektes (Konzept-)Album.

"War for Sale" tritt das Gaspedal unmittelbar durch: schneidende US-Metal-Riffs, Keyboards von einer anderen Welt (unfassbar, wie vielseitig und die Tasteninstrumente im Shadow-Gallery-Universum tönen!), eine kurze Verschnaufpause, ein wahnwitziges Gitarrensolo - ab geht die Reise bis hin zu einem großartigen Chorus, der sich unmittelbar in die Gehörgänge fräst. Verkopfter Prog? No Way! SG beweisen hier in knapp fünfeinhalb Minuten, wie man Metal interessant, klassisch und gleichzeitig eingängig gestalten kann. Über all dem thront der regelrecht wahnsinnige Gesang eines Mike Baker (ich bin sicher: ein anderer Mike hätte den Mann gern auf dem Zettel für "seine" Band gehabt....), eine Mischung aus klassischem US-Metal-Shouter, "sauberer" als ein Mike Howe, gleichermaßen trieft die Leidenschaft, mit der er die Texte raushaut durch jede Zeile.

"Out of Nowhere" drosselt das Tempo, atmosphärische Keyboards ersetzen die teils harschen Orgelklänge des Vorgängers, der Gesang mehrstimmig gedoppelt, allein für diesen Chorus müsste man einen eigenen Schrein bauen. Nahezu bar jeglicher Kitschgrenzen ist es der Band hier gelungen, eine Vorzeigeballade zu komponieren: ein Song, in den man sich fallen lassen kann, fast schon mit Soundtrackqualitäten, fast schon modern komponierte Klassik mit den Mitteln und Instrumenten einer Metalband.

"Mystery" ist klassischer Prog-Metal im Midtempobereich, hätte in ähnlicher Form auch von Dream Theater stammen können. Auffällig ist auch hier wieder im Speziellen das Arrangement: Chöre, die Instrumente spielen (trotz Prog) zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Form aneinander vorbei und begleiten aller Feinheiten zum Trotz Bakers schier einzigartige Gesangsleitung , die hier klar im Vordergrund steht. Ich glaube, es ist überflüssig, hier den packenden Chorus zu erwähnen, der auch beim dritten "richtigen" Song des Albums voll ins Schwarze trifft.

Mit "Hope for us" hält das leise Piano Einzug - und erneut dieser Gesang! Gänsehautballade mit klassischen 70er Prog-Anleihen, die Gitarrenarbeit so ab Minute 4'20 rum intensiv wie nix. Neben dem Pianothema (welches sich mehr oder minder komplett durch den gesamten Song zieht) atmosphärische Keys, die den Song regelrecht umschmeicheln. Wer mag, der darf hier gerne "Kitsch" rufen, aber verdammt noch eins: noch geiler geht Kitsch einfach nicht. 2 Balladen unter den Songs - und jede hat einen eher wegweisenden Charakter, eigenständig, packend, emotional.

"Victims" bietet ein wenig Mystik auf, zudem Brian-May-Gedächtnisgitarren. "Wohlfühlprog" ohne nennenswerten Härtegrad, obwohl durchaus durchgerifft wird, dezent und im Hintergrund. Auch dieser Song lebt ganz entscheidend von seinem Arrangement, die Gefahr bei der Aneinanderreihung von derart vielen eher ruhig gehalten Songs birgt stets die Gefahr einer gewissen Eintönigkeit. SG umschiffen diese nicht nur geschickt, sie erheben diese Aneinanderreihung regelrecht zu einer Kunstform. Obwohl sich die Songs von der Stilistik her durchaus ähnlich sind ist ein jeder für sich in Form gegossen, liebevoll und detailliert, mit einem tollen Refrain und einer so ausgewogenen Instrumentierung gesegnet, dass einem die Spucke weg bleibt.

Mit "Broken" folgt ein kleines Intermezzo: knapp 2 Minuten "Mini-Ballade", passend eingeflochten in das Konzept des Albums. Aus diesen 2 Minuten hätten andere Bands womöglich abendfüllende Balladen erschaffen.

"I believe" scheint gar zu schweben eingangs: ein wenig Queen-Bombast zum Einstieg, Chöre, gefolgt von einem sanften Pianolauf, der nur marginal durch leichte Gitarrenriffs unterbrochen wird, ehe man in die Strophe wechselt. Hier ist man jetzt bei einem Mix aus getragenen Savatage (incl. Satzgesang), ehe das Stück so ab Minute 5'50 langsam aber sicher über Soli in eine Art "Chance"/"Bho-Rhap"-Variante wechselt, hier untermalt mit 70slastigen Keys und einer entsprechenden Abfahrt, ehe es sich zum Ende hin peut à peut wieder in Richtung ruhigerer, getrangener, ja, teils hymnischer Töne einpendelt.

Das folgende "Roads of Thunder" bietet erneut hymnischen Progressive-Rock, erneut ist hier der Gesang der Star: ob gedoppelt, im Satz oder als Chor, untermalt von stellenweise galoppierender Instrumentierung, garniert mit spährischen Keys und entsprechenden Breaks gelingt es SG problemlos, das hohe Niveau des Albums in Verbindung mit einer immensen Vielseitigkeit zu erhalten.

"Spoken Words" ist ein Duett, zunächst fast schon kammermusikartig, minimalistisch instrumentiert, völlig vom Kontext "Metal" losgelöst, das Stück hat etwas musicalartiges, lebt vom emotionalen Wechselspiel des Herrn Baker und seiner Gesangspartnerin. Großartig.

Mit "New World Order" folgt das Herzstück des Albums: mit einer Laufzeit von etwas mehr als 8 Minuten baut man eine ähnliche Klangkathedrale wie schon bei "I believe". Der schleppende Chorus ("This is the New Word Order"!) wird gebührend vorbereitet, irgendwo zwischen getragen und bedrohlich, ehe sich ab Minute 5 ein symphonischer Zwischenpart einschiebt, der mit knapp einer Minute weder überlang noch überzogen wirkt. Eine Stampfer mal ganz anders.

Ich gebe zu, ein großer Fan von Instrumentals zu sein: somit passed "Chased" dann auch ganz hervorragend ins Konzept. Eine progressive Achterbahnfahrt, die keine Wünsche übrig lässt, ein Parforceritt durch die Welt der Musik, Widerhaken und zahlreiches Breaks inklusive.

"Ghost of a Chance" beginnt eher balladesk, baut sich dann aber im weiteren Verlauf zu einem typischen Progmetalstück auf, die Dramaturgie perfekt auf den Punkt gebracht. Tatsächlich bietet sich hier als Vergleichsstück "Lifting Shadows off a Dream" vom Traumtheater an, wobei Letzeres im direkten Vergleich aber tatsächlich den Kürzeren zieht.

Den Schlusspunkt setzt "Christmas Day", das nochmals an (Früh-)siebziger Queen erinnert. Gleich, ob Gitarrenarbeit oder Songaufbau: SG denken nicht im Traum daran, auch nur im Ansatz zu schwächeln - und tatsächlich kann man erahnen, dass eben jenes "Christmas Eve" ein Cliffhanger (nettes Wortspiel im Zusammenhang mit SG) für eine mögliche Fortsetzung ist.

Fazit: "Tyranny 10 Points". Ohne Wenn und Aber steht dieses Album in einer Reihe mit "OM" oder "Streets" und ist ähnlich sträflich unterbewertet wie beispielsweise "The Edge" von Eternity X. Ähnlich wie auch "Streets" kann man sich "Tyranny" auf einer Broadwaybühne vorstellen. Nach den orchestralen Arrangements dürften sich (für dieses Fach) Möchtegerns wie ein De Mayo oder ein De Feis die Finger lecken: bekommen die leidlich ein "bombastisches Möchtegern-Neoklassik-Arrangement" zusammen, so ist "Tyranny" ein Album, das gleich auf mehreren Ebenen funktioniert: als Konzeptalbum über den ehemaligen Angestellten in einer Waffenfirma und dessen Kampf gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber, als Progrock/Metal-Werk, als faszinierende Reise in eine Welt der musikalischen Möglichkeiten. SG liegen diesbezüglich nach meinem Dafürhalten eine echte Nasenlänge vor ihren Kollegen von Symphony X, die ebenfalls in diesem Metier unterwegs sind. Das Verquicken von 70's Elementen zwischen Queen/Steinmann/Kansas/Tull (gelegentlicher Querflöteneinsatz) und doch nicht selten hartem Metal ist eine Disziplin, in der SG unschlagbar waren (muss man wohl sagen).

Das Vermächtnis der Band ist eine phantastische Discographie, aus der "Tyranny" ein Stückchen weit herausragt, die spätere Fortsetzung namens "Room V" ist im Übrigen (im Gegensatz zu QR's "Mindcrime II") kaum unspektakulärer. Traurig: Mike Baker ist im Jahr 2008 mit nur 45 Jahren an einem Herzinfarkt verstorben. Seine Stimme ist auf ewig mit dem Sound der Band verwoben, auch, wenn sein Nachfolger Brian Ashland auf dem bislang einzigen SG-Album mit seiner Beteiligung ("Digital Ghosts" von 2009) eine sehr gute Figur abgeben hat und über ein Klangfarbe im Tate-Kosmos verfügt. Baker indes war ein gesanglicher Weirdo, ein Ausnahmetalent, in einer Reihe mit einem Alder oder Arch.

Ich bin sehr froh darüber, die Band wenigstens 1 x live erlebt zu haben (vor gefühlt 50 Nasen in der Turock vor mehr als 10 Jahren), leider auch dort schon ohne Mike Baker. Dennoch eine solche Show zu bieten und sichtlich Spaß am Livespielen zu haben, dazu diese Satzgesänge auf den Punkt gebracht (nein, nicht vom Band!), dazu gehört Einiges. So ganz habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass man vielleicht doch noch mal ein Album liefert - der Zauber der bisherigen Veröffentlichungen wird bleiben, diese Musik ist nicht (nur) Prog, sie ist magisch.


Großartiges, sehr detailreiches Review eines der besten Alben aller Zeiten:top:.
Wenn man bedenkt, dass "Tyranny" teilweise in einer Garage aufgenommen wurde, ist das Endergebnis noch erstaunlicher.

Übrigens soll in nächster Zeit ein Podcast namens "The Untold Stories" erscheinen.
Zwar habe ich kaum noch die Hoffnung auf ein neues Album.
Gespannt bin ich dennoch, was da ans Licht des Tages gezerrt wird.
 
Spätzünder 2021:

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"The Vicious Head Society" spielen Prog. So weit, so gut, nun gibt es guten und schlechten Prog, wobei ich nicht selten Prog mag, den andere zu cheesy oder zu easy finden - gleich, wie man das beurteilen mag.

Das Album eröffnet mit dem 10 Minüter "Extinct Level Event" rein instrumental. Ein durchaus forderndes Epos, bar jeglicher Anleihen an das Traumtheater, dafür mit ausladenden Elemente, die nicht selten eine Schnittmenge zwischen klassischem Progmetal (jaja, hier dürfen gerne auch Psychotic Waltz als Vergleich herhalten - und da gibt es nicht wenige Bands, die diesem Vergleich standhalten). Fordernd, ganz sicher - aber nach einigen Durchläufen wird man mit einem überaus epischen Song belohnt, der sich mehr und mehr entfaltet, ohne dabei ein songtypisches Motiv wiederzukäuen. Starkes Teil.

Kompakt geht es weiter: "Solipsism" ist nichts weiter als als ein viereinhalbminütiger (Prog-)Metal-Song für Genießer: da ist alles mit dabei, was man sich wünschen kann, das Ding geht fein nach vorne und bietet von klassischen Neoprog-Keysounds über griffig-verfrickelte Gitarrensole bis hin zu Blastbeats (!) einfach alles, was das Herz begehrt, Growls inklusive. Die Band stellt hier unter Beweis, dass es problemlos möglich ist, regelrecht kompakte Songs mit einer Fülle an Elementen zu füllen und dabei einen Titel zu erschaffen, der im Ohr bleibt.

"The Signal" baut die Bauweise des Vorgängertracks aus, verzichtet dieses Mal allerdings auf Growls und/oder Blastbeats, der Song lässt sich als Schnittmenge aus Neo-Prog und Metal charakterisieren, garniert mit einem Ohrwurmchorus. Die Frickeleien werden weitesgehend songdienlich gesetzt, die Gitarrenarbeit wird in Form kleiner Soloeskapaden eingebunden, erst zum Ende des Titels hin ist es tatsächlich ein klein wenig "Prog um des Prog-Willen". Macht aber gar nichts, denn es passt und wird nicht über die Maßen übertrieben, vielmehr wirkt es wie ein Outro des Songs, in dem vor allem die Keyboardsounds zwischen Kevin-Moore-Gedächtnismelodien und hammondähnlichen Sounds positiv auffallen.

Das "Judgement" ist der 2 Titel mit einer 10-Minuten-Laufzeit und könnte glatt als Pendant des Openers angesehen werden - allerdings mit Gesang. Waren die beiden Vorgängertracks eher ein wenig auf Melodik ausgerichtet, so ist "Judgement" ein stampfendes Stück Metal, angereichert mit (songdienlich gesetzten) Growls, episch, ausladend und bar jeglichen Kitsches. Dazu gesellt sich ein dennoch ein überaus melodischer Chorus, der sich nach 2 Durchgängen in den Gehörgängen festsetzt und bis Minute 5 auch schon 2-fach bemüht wird. Auffällig ist hier ohnehin, mit welchen Harmonien die Band arbeitet, das hat eine Menge Melodie und tatsächlich auch positives Pathos. Regelrecht packend ist der orientalische Part so ab Minute 5'40: perfekt eingeflochten in den bisherigen Titel, das hat tatächlich etwas von "Old-School-Dream-Theater" und gemahnt an deren Debut. "Judgement" ist ein Monolith und auch für "Prog-Unverträgliche" bestens geeignet, verbindet es doch die Eigenschaften von Melo-Prog und Metal zu einem passenden Ganzen und zum Ende hin darf auch ein neoklassisch anmutender Part nicht fehlen, der speziell auch auf Werken von Symphony X eine gute Figur gemacht hätte.

Mit "Throes to Despair" geht man wieder auf eine Laufzeit von nicht ganz 5 Minuten runter: hier beginnt es nun eher neoklassich und, oh Wunder, auch dieser Titel funktioniert auch ohne die Bezeichnung "Prog", sondern einfach auch als "Metal". Natürlich sind hier eine Reihe an Kabinettstückchen am Start und wie auch schon Song 2 und 3 (die aber "moderner" anmuten) achtet man auf Nachvollziehbarkeit. Für die Symphony-X-Süchtigen unter uns ist "Throes..." (im Übrigen durchgängig im Midtempo gehalten) eine nette Ersatzdroge, bis es denn mal ein neues Album von denen geben sollte.

"YP138" zählt zweifelsfrei zu den setlsameren Songtiteln, dir mir so untergekommen sind - allerdings ist es bei Instrumentals ja nicht unüblich, denen einen eher kryptisch anmutenden Namen zu verpassen. Knapp über 5 Minuten Prog-Abfahrt, dieses Mal in der Tat in ziemlich klassischer Manier, irgendwo zwischen Dream Theater und meinetwegen Vanden Plas und Co. Was dem Ganzen aber die Krone aufsetzt ist die Frische, mit der das Ganze dargeboten wird: natürlich haut hier jeder mächtig auf die Kacke, was die instrumentalen Fähigkeiten betrifft, heraus kommt aber ein rundes Stück Musik, das zahlreiche Facetten des Rock- und Metal aufgreift, selbst vor einem regelrecht gefühlvollen Gitarrensolo schreckt man nicht zurück - und das ist hier auch noch mehr als passend integriert, ehe es nach diesem Entspannungspart noch mal in die Vollen geht.

"On a Silver Thread" gemahnt unmittelbar an Hakens "Aquarius"-Album, was schlicht am Keyboard liegen mag: das Thema ist dem auf "Aquaris" stilistisch sehr nah - und ebenso wie Haken (die seinerzeit noch nicht so "modern" unterwegs waren) setzt man auch im Hause VHS auf vereinzelt eingestreute Growls, um dem Song eine gewisse Würze zu verleihen. Im Wesentlichen steht die Melodie hier nicht mehr ganz so im Vordergrund wie beispielsweise bei den Titeln 2 und 3, trotzdem bleibt das Ganze nachvollziehbar und strahlt eine gewisse Erhabenheit aus, der Chorus spricht indes für sich und verleiht dem Titel einen hohen Wiedererkennungswert.

Mit "Absolution" dreht man das Tempo zunächst ein wenig nach unten und setzt die Keys zunächst sehr sphärisch ein, ehe man letztlich ein wenig mehr Power hinzugibt, erneut mit vereinzeltem Geröchel arbeitet (passt auch hier als Mittel zum Zweck und ist nicht im Mindesten aufgesetzt). Erneut fällt auf, dass diese Band einfach ein Händchen dafür hat, dennoch melodische Glanzpunkte zu setzen. Besonders gelungen ist der Übergang in den metallisch-instrumentalen Part so ab Minute 5'20, der von einem hymnischen Gitarrenpart abgelöst wird. Die Gesangslinien haben hier eine große Ähnlichkeit zum letzten, großartigen Psychotic-Waltz-Album.

Die Hymne der Kreation beschließt ein mehr als abwechslungsreiches Progmetalwerk und wirkt wie der etwas garstigere Bruder von "Absolution". Noch einmal fast 8 Minuten Prog-Metal in der Schnittmenge Haken/Psychotic Waltz.

"Extinction Level Event" stellt unter Beweis, dass es nicht zwingend eine Anbiederung an moderneren Art/Prog-Metal braucht, um interessante Alben zu veröffentlichen. Hätten Haken nach dem bereits hier erwähnten "Aquarius" ihren Stil nicht mächtig (und gelungen) gedreht, der "Aquarius"-Nachfolger hätte klingen können wie eben dieser Zweitling der Vicious Head Society. Obwohl zahlreiche bekannte Trademarks aus dem Prog- und Metalsektor integriert werden ist es hier gelungen, ein spannendes Album mit zahlreichen tollen Melodien und instrumentalen Gourmethäppchen zu bauen. Großartig und zeitlos. Feines Teil.
 
Aus der Serie "Klassiker, die jeder Metalhead auswendig beten sollen könnte, für mich aber ein böhmisches Dorf sind":

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Priest tauchten in meiner Welt mit "Painkiller", "Ram it down" und "Turbo" auf - und veränderten sie eine ganze Zeit lang. Dennoch habe ich mich im Wesentlichen nicht mit den Frühwerken befasst, soll heißen, von "Rocka Rolla" bis zu "Stained Class" hat es da tatsächlich Lücken.

Natürlich ist "Victim of Changes" trotz meiner Unkenntnis des gesamten Albums Allgemeingut und es dürfte unbestritten sein, dass sich in den späteren Großtaten von Bands wie Metallica oder Diamond Head zahlreiche Anleihen an just diesen Titel befinden. 1976 muss das Teil ein Killer gewesen sein und es ist für mich einer der großartigsten Titel, die Priest je veröffentlicht haben, zumal "Midtempo-Priest" ohnehin meine liebste Priest-Spielwiese sind.

"The Ripper" klaut eingangs mal eben den Queen-Scream von Ogre-Battle und stampft sich nach dem Monument "Victim..." mit unter 3 Minten prima durch, die Queen-ähnlichen Chöre hauen auch im später flotteren Part des Songs noch mal durch. Ein Song, den ich bisher immer mehr so "im Vorbeigehen" wahrgenommen habe, mir aber jetzt bei intensiverem Hören mächtig gut reinläuft. Sowohl "Vicitim...." als auch "Ripper" zeigen die Band frisch und vielseitig.

Mit "Dreamer Deceiver" bin ich noch nie in Berührung gekommen - und irgendwie erinnert mich der Beginn an einen Mix aus Queen und Uriah Heep. Auffällig ist die schöne akustische Gitarrenarbeit, ebenso aber Robs Gesang, der hier irgendwie nicht so recht passen mag und ein wenig nölig klingt in den Strophen, sich aber später (als es in seine hohen Tonlagen geht) als perfekt für diesen Titel herausstellt. Auch Song 3 schwächelt also kein Stück und deutet speziell zum Ende hin an, wohin die Band später steuern würde...das Piano ist da übrigens perfekt eingebastelt.

Der "Deceiver" ohne den Träumer klingt nach klassischem 70's Hardrock. Halford macht hier einen großartigen Job und der Shorty ist gelungen und macht mächtig Laune. Nicht zwingend ungewöhnlich, aber muss auch nicht immer sein, passt ins bisherige Konzept des Albums.

"Prelude" ist halt eben eine "Prelude": hätte man von späteren Priest so nicht erwartet und ich kann mir gut vorstellen, dass auch hier Queen nochmals Pate gestanden haben könnten, auch die Gitarrensprengsel haben so ein klein wenig May-Flair.

Mit "Tyrant" folgt ein allseits bekannter Klassiker der Band: viereinhalb Minuten Hardrock mit Metal-Anleihen und einem klaren Querverweis auf spätere Großtaten der Band. Der Begriff "Proto-Metal" wird ja allenthalben und für alles Mögliche gern bemüht, hier passt er schon recht gut - da darf man auch gern verschmerzen, dass das Ganze in Teilbereichen gerade gesanglich ein klein wenig schräg klingt.

"Genocide" ist ähnlich wie "Tyrant" schon ein deutlicher Fingerzeig in die künftige Priest-Welt. Im Grunde ist der Titel ein klein wenig zu lang geraten, auffällig ist auch, dass man sich so knapp vor Minute 3 erneut ein wenig an Queen anlehnt. Diese Parallelen fallen mir des Öfteren auf, überhaupt setzen die Gitarren hier nicht selten einfach Akzente und sind somit effizient als Aufwertung des Songs am Start. Zum Ende hin gar ein klein wenig punkig kehrt man zum Finale in rockig-flockige Gefilde zurück. Schöner Song, trotz einiger Längen am Anfang, die sich hintenraus aber komplett rausbügeln.

"Epitaph" ist einfach wieder nicht die Stimmlage von Halford, das klingt schlicht befremdlich - und der Titel erneut und sehr, sehr offensichtlich nach Queen. "Neoklassisch" halt mal anders. Das hat einen gewissen Charme, lässt mich aber auch schmunzeln: nettes Experiment, das ich so nie mit Priest in Verbindung gebracht hätte, es endet nach 3 Minuten und 20 Sekunden.

Der Rausschmeißer "Island of Dominaton" bietet nochmal epischen Hardrock, der in dieser nicht ganz so ausufernden Art um Längen besser zum Gesang von Rob passt. Ich könnte mir vorstellen, dass das Ding live mächtig gerockt hat, hat so einen Session Charakter und auch hier dürften sich so einige Vertreter der NWoBHM was abgeschaut haben. Schönes Ding.

"Sad Wings of Destiny" ist ein cooles Album. Dass Priest "mehr" sind als nur eine von vielen Bands hat sich schon hier angedeutet, die Nähe zu Queen ist für mich überraschend, tritt bei vielen Songs relativ deutlich zu Tage. Im Vergleich zu "Queen II" ist "Sad..." vom Härtegrad regelrecht zahm und wie man Rob wirklich in Szene setzt ist noch nicht ersichtlich, das sollte dann eben später folgen und ist eine andere Geschichte.
 
Wird man bei mir nicht mit rechnen, aber:

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So sehr mich heute dieser hymnisch-heroische Metal nervt, so sehr habe ich den mal gemocht. Letztlich war "Triumph and Agony" neben Manowars "Fighting the World" nicht unerheblich für meinen (weiteren oder neuerlichen, wie man mag) Einstieg in die Metal-Welt. Eine Menge Bier und Wodka wurde in diesen Tagen so in den frühen 90ern vernichtet, Studi-Parties, Stadtpark-Parties - hauptsache: PARTIES.

"All we are" war dabei ebenso unverzichtbar wie "Carry on" oder "Fighting the World", "Run to the Hills" oder "Rock you like a Hurricane" - das kleine Metal 1 x 1 halt. Das Ding ist bis heute eine Hymne, mit der sich die Band ein Denkmal gesetzt haben dürfte, streitbar sicher, ähnlich wie "Enter Sandman", "Holy Smoke" oder all diese "Hits" von mehr oder minder gestandenen Bands. Fakt ist: das Ding funktioniert auch heute noch, wie das unmittelbare Kopfnicken meines Sohnes beweißt, sobald ich diesen Titel mal anschmeiße.

Die Dreiminutenwarnung kommt direkt vor der 5-Minuten-Terrine und marschiert mächtig nach vorn: schneller Metal unter 3 Minuten, kein Schnickschnack, Melodie, Refrain, Gesang - alles tutti.

"I rule the Ruins" spielt die Frau Pesch ja heute auch noch mehr als gerne live. Man muss einfach sagen, dass hier gerade ihr Gesang diesen Titel raushaut (wie so einige andere auch auf dem Album). Ein 3. Volltreffer mit dem 3. Song und tatsächlich ist das Ding nicht platt, sondern genau die Mitte aus kommerziell und "Old School". Well done.

Der "Kiss of Death" ist mir ja im direkten Songtitelverwandtschaftsduell von Dokken lieber - allerdings nur marginal. Erstmalig nimmt man eine leichte Orientierung Richtung amerikanischem Markt wahr, allerdings rettet Doro den Titel vor der Belanglosigkeit. Ein klein wenig ernüchternd nach den 3 starken Vorgängern, aber eben nur "ein klein wenig".

Der Eindruck der erhöhten Massenkompatibilität setzt sich bei "Make Time for Love" fort. Könnte auch von Bon Jovi sein und war auch mehr oder minder aus meinem Gedächtnis getilgt, bis ich ihn neulich mal wieder beim Anhören des gesamten Albums wahrgenommen habe.

Demgegenüber klingt "East meets West" schon eher nach Warlock, auch, wenn die Produktion (wie über das gesamte Album) hier schon etwas polierte Effekte setzt und hier den Rotz durchaus ein wenig rausnimmt. Dennoch: ein Klassiker - und das völlig zurecht. Nach "Kiss of Death" und "Make Time for Love" dann doch - und nicht zuletzt aufgrund der jaulenden Gitarrenparts - eine Rückkehr auf die hymnisch-metallische Seite des Albums.

Da sind sie wieder, die artverwandten Titel: natürlich ist "Touch of Evil" von Priest eine Klasse für sich, die Warlocks Namensvetter hier nicht erreichen kann. Dennoch setzt man auch hier auf Atmosphäre und in Summe ist "Touch..." ein eher ungewöhnliches Schmankerl auf "Triumph...". Passt in den Flow der Platte, lockert gleichermaßen auf - schon fein.

Neben dem Opener und dem unkaputtbaren (wenn auch noch so kitschigen "Für Immer") ist der Metalltango ein mehr als interessantes Experiment. Mag sein, dass es Bands gab, die Ähnliches schon vorher praktiziert hatten, in Verbindung mit Warlock wirkt das Ding aber immer noch mutig auf einer Platte, die nachweislich schon ein wenig danach ausgerichtet war, erst die US of A und dann den Rest der Welt zu erorbern.

Ähnlich wie "Make Time for Love" war auch "Cold Cold World" aus meiner Wahrnehmung verschwunden, dabei sind das 4 Minuten starker Metal der halt kommerzielleren Sorte. Passt aufs Album, macht das Ding ein wenig runder.

"Für Immer" ist halt "Für Immer": natürlich kitschig as fuck, aber vielleicht - oder gerade deshalb - auch einfach schön. Aus heutiger Sicht darf man gern ein wenig darüber schmunzeln, wenn man jedoch die Intensität im Gesang als Maßstab nimmt, dann ist es sehr, sehr authentische Kitschigkeit - und das soll als Aussage zu diesem Song auch einfach reichen.

Was "Triumph and Agony" so außergewöhnlich macht und mit einer Langzeitwirkung versieht ist die Intensität, mit der Doro hier alles in Grund und Boden singt und (im positivsten Sinne) kreischt. Man kann ihre Euphorie förmlich spüren, die Energie, die durch jede Textzeile fließt wird ausschließlich von ihr transportiert und schafft es sogar problemlos, die doch relativ "weiche" Produktion in den Hintergrund zu stellen. Hätte man Cher damals vorgeschlagen, die Platte einzusingen, dann hätte das Teil womöglich größere Absatzzahlen bekommen, die Intensität aber, die es bis heute (!) ausmacht, die würde fehlen.

Man kann zu Frau Pesch stehen wie man mag, aber eines steht fest: gerade die frühen Warlock-Alben sind Herzensangelegenheiten, speziell für sie. Und das rettet "Triumph und Agony" davor, einfach "nur" ein Album zu sein, das man als Jugendlicher mal "geil" fand.
 
Kontrastprogramm:

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70er Prog ist eine ganz eigene Sache für sich: von den späten 60ern bis Mitte der 70er hat die Rockmusik regelrechte Quantensprünge vollführt - und es gab in jedem Jahr gefühlt so viele Innovationen wie in den 90ern überflüssige Italo-Metal-Bands.

Als selbst in den 70er Jahren Erzeugter ist es dann schon eine Herausforderung, sich an diese schier unüberschaubare Masse an Bands und deren Schaffen zu machen, zumal es mit einem kurzen "Reinhören" hier in den seltensten Fällen getan ist.

King Crimson sind wohl in der Tiefe ihres Schaffens kaum in Gänze zu packen und mit Yes habe ich - trotz intensivster Auseinandersetzung - zwar eine nette Freundschaft, aber keine Leidenschaft aufbauen können, Genesis sind eine ähnlich komplexe Baustelle und tatsächlich tagesformabhängig (na gut, das sagt man ja von Musik so gemeinhin sowieso).

Auf Gentle Giant bin ich nicht etwa (nur) durch den geschmackvollen Avatar von @Pavlos gestoßen, sondern über ein Special in der Eclipsed. De Facto bin ich in der Tiefe tatsächlich "erst" beim Debut gelandet, habe dieses aber zwischenzeitlich so lieb gewonnen, dass es hier nun auftaucht:

"Giant" ist regelrecht eingängig, nette Melodien, ein feiner Prog-Song, der mich durchaus auch ein wenig an Genesis erinnert. Macht Laune und gefällt. Als ich das Album erstmalig angetestet habe kam ich nicht umhin, den Titel gleich 3 x laufen zu lassen.

"Funny Ways" beginnt in ähnlich-klassisch-progessiver Manier, baut dann aber gar einen Ragtime-Part und Bläser mit ein. Hier wäre ich in Sachen "musikalischer Verwandtschaft" schon eher beim tollen King Crimson-Debut. Im weiteren Verlauf mit Geige begleitet ist "Funny Ways" schlicht ein feiner Titel.

Etwas schräger wird es mit "Alucard" (manch einer könnte auch ein umgedrehtes "Dracula" daraus lesen - ein Schelm, wer dieses tut), hier sind dann die Bläser direkt am Beginn präsent. Ich habe eine kleine Schwäche für solche "Big-Band"-Momente, wenn sie in einen Rock-Kontext gesetzt werden - und hier funktioniert das ausnehmend gut. Die Alukarte ist regelrecht jazzig und begibt sich in Richtung Fusion-Rock, man darf das im positivsten Sinne "kauzig" nennen. Womöglich nicht jedermanns "Cup of Tea", meiner schon.

Nach 6 sehr jazzig-schrägen Minuten folgt mit "Isn't it quiet and cold" ein fast kammermusikartig anmutendes Stück Musik. Auffällig ist auch hier, wie gut es der Band gelingt, diese Elemente in einen leicht erweiterten Rock-Kontext zu setzen, obwohl das Teil im Wesentlichen von Streichern und der Akustischen dominiert wird. Hier passiert in nicht ganz 4 Minuten eine Menge - vor Allem aber auch ein feines Stück mehr oder minder "unplugged" gespielter Musik.

"Nothing at all" haut dann mit 9 Minuten zunächst alles raus, was geht: ob Genesis oder Camel, in diesem Stück findet sich die Essenz des 70's Prog, incl. Satzgesang, der per se ja schon immer eine besondere Herausforderung ist - zumindest, damit er mir gefällt. So ab 4:30 nimmt das Ding eine völlig andere Abfahrt und ich muss zugeben, dass ich das anfangs tatsächlich äußerst anstrengend wahrgenommen habe. Wie das gesamte Album aber hat auch "Nothing at all" einen sehr melodischen Kern, zu dem man kurz vor Schluss auch wieder zurück kehrt - mit der Erkenntnis, dass just dieser Abgehpart auch das Salz in der Suppe des Titels ist.

Regelrecht klassisch-hardrockig wird es dann mit "Why not?". Fünfeinhalb Minuten Rockmusik, die eingangs wirken, als hätten sich ELP mit very early Deep Purple zu einer Jamsession verabredet. Flöten und Keys erinnern so ab Minute 2 dann an das, was wohl gemeinhin unter "Canterbury Prog" einsortiert wird, harmonisch und trotzdem flippig in sich, was sich so etwa anderhalb Minuten zieht, ehe der Titel wieder neue Wendungen bis hin zum Ausgangsmotiv nimmt und regelrecht "purpelig" durchs Ziel gleitet.

Beendet wird die Platte mit "The Queen": die britische Hymne halt. Etwas lässiger und ungezwungener als Mays Gitarreninterpretation am Ende von "A Night at the Opera", aber durchaus ein feines Finale.

Tja....dieses Album (das zu den "verträglichen" GG-Werken gezählt wird) verlangt Einem schon Einiges ab und weißt für meine Ohren Parallelen zu "The Court of the Crimson King" auf. Den "britischen" Touch kann das Werk nicht verleugnen, ebenso wenig wie die Experimentierfreude der Musiker, die sogar noch ungleich höher einzustufen zu sein scheint als bei King Crimson - und das will was heißen. Das Kuriose: nach 4-5 Durchläufen mag man dieses Album, einfach, ob seiner Kauzigkeit.

Aktuell bin ich auch am Nachfolger "Acquiring the Taste" dran, der - so mein bisheriger Eindruck - noch mal um Einiges spezieller ist, als dies bei diesem Erstling der Fall ist. Es bleibt aber festzuhalten, dass Gentle Giant in jedem Fall mehr als beachtenswert sind. Bin gespannt, wohin mich diese musikalische Reise noch führen wird.
 
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