Von den 70ern bis heute - Reviewthread für obskuren Prog

Daskeks

Till Deaf Do Us Part
Tach zusammen,
vorweg möchte ich schicken, dass ich kein Experte bin, aber mir werden im Moment unheimlich interessante Alben und Bands aus der Ursuppe oder Abseits der Wege näher gebracht. Daher habe ich mal beschlossen, diesen Thread zu eröffnen und zu schauen, was daraus wird.
Alle sind willkommen, mitzumachen, aber ich bitte darum, die eine Threadregel einzuhalten: Es muss ein Review zu dem vorgestellten Album geschrieben werden. Das muss nicht lang sein, aber Lust machen, das Album zu hören. Würde mich freuen, wenn das klappen würde.
 
Cornucopia: Full Horn (1973, Deutschland)

Ich fange mal mit Cornucopia an. Das Album ist fordernd und faszinierend zugleich. Ich habe selten einen derartig harten Basssound gehört, dazu das ebenfalls recht dominante Schlagzeug und ein Eröffnungssong mit knapp 20 Minuten. Easy listening geht definitiv anders. Eine gewisse unterschwellige Bösartigkeit wohnt dem Album inne.
Nach diesem "Day Of A Day-Dream Believer" bezeichneten Eröffnungsmonster folgt ein Song, der "Morning Sun (Version 127) (For The Charts)" bezeichnet ist und der dann wirklich ein sehr lockerer, positiver und zugänglicher Song ist. Trotzdem findet man auch hier im Bereich der Rhythmik einen ziemlichen Tiefgang. Keine Ahnung, ob der Song wirklich in den Charts gelandet ist, ich glaube es dann doch eher nicht. Das Potenzial wäre aber definitiv da gewesen.
Mit "Spots On You, Kids" folgen dann wieder zwölf eher wahnsinnige Minuten, die mit einer Art Karnevals- oder Zirkusmusik eingeleitet werden. Was für eine Fahrt! Das Zeug klingt teilweise so unglaublich hart. Mit "At The Madness" folgt dann zum Ende nochmal ein etwas kürzerer Song mit deutschen Sprachsamples von einem Jahrmarkt. Ein absoluter Trip eine völlig abgedrehte Welt. Wenn ich so ein Album höre, frage ich mich schon, was in den Jahrzehnten danach eigentlich noch an wirklicher Innovation rausgekommen ist. Allein dieser letzte Song ist so intensiv und auch wirklich hart, die 70er schienen doch einen besonderen Pioniergeist inne gehabt zu haben, Grenzen schien es für manche Bands einfach nicht gegeben zu haben und mich fasziniert diese Herangehensweise wirklich sehr.
Wenn ich das richtig überblicke, ist diesem Talent kein weiteres ALbum entwachsen und außer Jochen Petersen, der noch an vielen Bands mitgewirkt hat( unter anderem Achim Reichel) ist leider auch keiner der Musiker auf anderen Alben in Erscheinung getreten.

Das Album ist auf dem legendären Brain-Label veröffentlicht worden und leider auch nie wiederveröffentlicht worden. Somit darf man für Vinyl bei Discogs ab 200€ aufwärts (bis knapp 1000€) rechnen. Bescheuerte Preise sind kein Qualitätsmerkmal, ich weiß.

Zw.jpeg


 
@Daskeks
Mal ne kurze Verständnisfrage: Was ist obskurer Prog?
Soll das jetzt was völlig abgedrehtes sein, also schwer verdaulich, oder kann das auch etwas eingängigeres sein?
Ansonsten tolle Idee.
 
Brimstone: Paper Winged Dreams (1973, USA)

Hier handelt sich um ein sehr entspanntes Album, das sicherlich eine Mischung aus Prog und Hard Rock darstellt. Gerade die Gitarrenarbeit könnte auch heutzutage Bands wie Hällas gut zu Gesicht stehen. Der Eröffnungssong "Dead Sleep At Night" bringt einen sofort runter und letztlich bleibt das auch das ganze Album so. Der dritte Song beginnt mit einem schönen akustischen Folkintro, das die Verwurzelung der Band in ebenjenem Folk gut zeichnet.
Ich bin echt kein Beatles-Hörer, aber ich könnte mir bei den Harmoniegesängen durchaus vorstellen, dass diese hier auch ihre Spuren im Sound hinterlassen haben. Ansonsten ist das Spektrum recht weit gefasst, das Intro der Titelsongs fängt mit einem recht klassisch und virtuos gespielten Klavierintro an und geht dann erstmal in einen entspannten Orgelsound über. Diese kleinen Gitarrenexzesse im Hintergrund verleihen dem Song eine Tiefe, die man beim ersten Hören gar nicht so bewusst wahrnimmt.
Den Abschuss bildet die "Suite In Five Movement", eine knapp neunzehnminütige Reise in alle Stilistiken, die das Album bisher geboten hat. Hach, es ist alles so toll, das Bassspiel, das Schlagzeug, auch der insgesamt eher spärlich eingesetzte Gesang. Vieles wirkt erstmal etwas unauffällig, zieht einen aber in einen grundsätzlich sehr entspannten Bann, alleine der tief geslappte Bass, bevor der Gesang einsetzt und wer einen Teil dieses Songs "Ode To Fear And Loneliness" nennt, muss einfach gut sein.
Es wurde noch eine 7" veröffentlicht und das war es dann auch. Anscheinend ist auch keiner der Musiker nochmal irgendwo signifikant in Erscheinung getreten. Schade, aber dieses tolle Album bleibt ja immerhin. Ein harmonischer Traum!


ZWc.jpeg


 
Toller Thread! Als ich mir 2010 wieder einen Plattenspieler gekauft war mein Interesse an Kraut und Prog Sachen sehr groß . In dieser Zeit habe ich mir auch dieses Album gebraucht zugelegt. Ich sollte es mal wieder auflegen!



Da kannst Du Dich aber wirklich glücklich schätzen. Ich hatte ja die Discogs-Preise mal dazu geschrieben. Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass solche Musik wieder etwas mehr beachtet wird in den letzten Jahren. Gerade die Originalpressungen auf Brain oder Pilz (bestes Plattenlogo der Welt) sind doch mittlerweile echt knackig teuer. Da kann echt froh sein, wer da vor Jahren schon zugeschlagen hat.
 
Da kannst Du Dich aber wirklich glücklich schätzen. Ich hatte ja die Discogs-Preise mal dazu geschrieben. Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass solche Musik wieder etwas mehr beachtet wird in den letzten Jahren. Gerade die Originalpressungen auf Brain oder Pilz (bestes Plattenlogo der Welt) sind doch mittlerweile echt knackig teuer. Da kann echt froh sein, wer da vor Jahren schon zugeschlagen hat.

Also was die Preisvorstellugen bezüglich diese Albums bei Discos angeht, war ich ein wenig überrascht. Das wusste ich gar nicht , das jetzt dieses Album so hoch im Kurs steht. Ich habe mir so um 2010 rum zwei Price Guide Bücher von Brain (The green Brain Label, Rainer Thieme) und Pils (Cosmic Price Guide, Ulrich Klatte) besorgt um mal einen Überblick zu den Veröffentlichungen der Labels zu haben. Da gibt natürlich unendlich viel zu entdecken. Ich überlege mir mal zu welchem Album ich hier eine Rezension schreibe.
Ich käme nie auf die Idee einen dreistelligen Beitrag für eine einzelne Platte auszugeben. Höchstens die "Throat of winter" 7“ von Opeth, die hätte ich schon gerne. Wäre natürlich völlig gaga.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ocarinah: Premiere Vision De Lètrage (1978, Frankreich)

Ocarinah haben 1978 leider auch nur ein einziges Album veröffentlicht, das es aber in sich hat. Rein instrumental wird hier knappe vierzig Minuten ein Abwechslungsreichtum geboten, dass der Gesang wirklich gar nicht fehlt. Ich finde es faszinierend, dass man das Album wunderbar nebenher hören kann, aber auch unterm Kopfhörer (so mache ich es meistens) konzentriert zuhören und sehr viel entdecken kann. Der eingesetzte Synthesizer schafft hier eine etwas finstere Atmosphäre, die ganz gut zu dem leicht spooky Plattencover passt. Gerade Bass und Schlagzeug werden immer wieder für einige Passagen markant in den Vordergrund gesetzt und erschaffen so eine Dynamik, die bei vielen Instrumentalalben einfach fehlt.
Sehr schade, dass hier nichts nachgekommen ist. Vielleicht war in der Zeit Ende der 70er einfach der Fokus nicht mehr auf dieser Art von Musik.
Dafür kann man es heutzutage wunderbar entdecken und Spaß damit haben.

ZWc.jpeg


 
Einen besonders hohen Stellenwert haben für mich die beiden ersten Alben der englischen Band GRACIOUS. 1970 erschien das Debut 'Gracious!' bei Vertigo, gefolgt von 'This is... Gracious!!, welches 1971 via Philips veröffentlicht wurde. Zu dem Zeitpunkt existierte die Band schon nicht mehr. Beide Alben sind äußerst vielschichtig - symphonische Passagen wechseln sich ab mit bluesigen Elementen, es gibt Referenzen an klassische Musik und auch Einflüsse aus dem Hardrock gibt es bei GRACIOUS. Letztens Endes gibt es auf beiden Alben unglaublich viel zu entdecken und ich persönlich finde, dass die Band zu ihrer Zeit einen recht einzigartigen Sound hatte, auch wenn Einflüsse von FRANK ZAPPA über KING CRIMSON bis J.S. BACH immer wieder aufblitzen.

ZWc.jpeg


Cover vom ersten Album 'Gracious!' (Vertigo / 1970)

Hier kann man sich GRACIOUS beim Isle Of Wight Festival im Jahr 1970 anschauen.
 
Vorweg: eine tolle Threadidee! In meinem hauseigenen Faden finden sich schon so einige Exoten, wobei ich beim 70er Prog weitesgehend übefordert bin. Aber mal eine Band aus Schweden aus den 90ern:

U.N.I.T. - Dreamdance (1998)

u_n_it-dreamdance-Cover-Art.jpg

Das Cover ist schlicht und lässt eher Neo-Prog vermuten. Tatsächlich aber lassen es U.N.I.T. gut krachen, man könnte die Musik als eine Melange aus US-Metal und sehr eingängigen Refrains beschreiben. Natürlich ist die Produktion recht "hausbacken", was aber der Musik in sich keinerlei Abbruch tut und erstaunlich gut passt.

U.N.I.T. bedienen sich sehr wohl klassisch-progressiver Elemente, da ein wenig Crimson Glory, hier ein wenig "klassische" Motive aus dem "alten" Fates-Warning Baukasten - und Refrains, die wunderbar auf den Punkt kommen, stets melodisch, auch, wenn man ansonsten gern ein wenig frickelt.

Generell kommt mir das Album bei den nachträglich im Netz zu lesenden Bewertungen durchweg ein wenig zu schlecht weg, denn das ist schon arg professionell, darüber hinaus sind Songs wie "Highspeed Travelling" (echter Hit) oder auch "Unsex me now" (schon psychedelisch, recht düster), aber auch der Opener letztlich mehr als solide Progmetalkost.

Über Discogs kann man das komplette Album hören und es gibt auch einige Exemplare recht preiswert zu erwerben:

https://www.discogs.com/de/release/3991581-UNIT-Dreamdance

Was mir gefällt ist dieses stellenweise regelrecht wilde Aufspielen (beispielsweise im bereits erwähnten "Highspeed Travelling"), da läuft es einfach rund und macht Laune.
 
Zuletzt bearbeitet:
Noch was Exotisches, dieses Mal aus Norwegen:

Sagittarius - Sanity of Madness (1995)

R-5216811-1408378805-1246.jpeg.jpg


Doch, darf man schräg nennen: Sagittarius klingen auf diesem Album durchaus ein klein wenig so, wie der eigentliche Nachfolger von "When Dream and Day unite". Sollte reichen, damit die Münder wässrig werden, oder? Ich gebe bewusst das DT-Debut als Referenz, denn den so oft kopierten "Images&Words"-Style, den wird man hier vergebens suchen. Wildern Dream Theater mit dem Debut auch gern ein wenig in AOR-Gefilden, so setzen die Norweger eher auf eine Prise Black Sabbath, schleppende Sounds wie z.B. im Song "Child Moleator".

Für meine Ohren arg hochwertiger Progmetal, der sich nicht ausrechnen lässt und bei aller Komplexität locker in den Gehörgängen kleben bleibt. Ein echtes Kleinod, arg unterschätzt und gerade für die Trüffelschweine unter uns (Ansprechpartner speziell: @rapanzel, @Daskeks, @Vauxdvihl @CimmerianKodex @Pavlos ....u.v.m.). Ähnlich wie die U.N.I.T.-Scheibe arg unterschätzt, gesanglich bisweilen ein klein wenig schräg, was aber einen ganz eigenen Charme ausmacht - zumal das mit den "perfekten Progmetalsängern" ja ohnehin ein schwieriges Thema ist.

Zu finden im Netz unter:


Die Recherche im Netz ergab überdies, dass die Band nach wie vor aktiv zu sein scheint. Ich kann mich erinnern, mir damals auch den Nachfolger "Jole's Joke" angehört zu haben - nur war der plötzlich musikalisch in einer gänzlich anderen Ausrichtung unterwegs.
 
Noch was Exotisches, dieses Mal aus Norwegen:

Sagittarius - Sanity of Madness (1995)

R-5216811-1408378805-1246.jpeg.jpg


Doch, darf man schräg nennen: Sagittarius klingen auf diesem Album durchaus ein klein wenig so, wie der eigentliche Nachfolger von "When Dream and Day unite". Sollte reichen, damit die Münder wässrig werden, oder? Ich gebe bewusst das DT-Debut als Referenz, denn den so oft kopierten "Images&Words"-Style, den wird man hier vergebens suchen. Wildern Dream Theater mit dem Debut auch gern ein wenig in AOR-Gefilden, so setzen die Norweger eher auf eine Prise Black Sabbath, schleppende Sounds wie z.B. im Song "Child Moleator".

Für meine Ohren arg hochwertiger Progmetal, der sich nicht ausrechnen lässt und bei aller Komplexität locker in den Gehörgängen kleben bleibt. Ein echtes Kleinod, arg unterschätzt und gerade für die Trüffelschweine unter uns (Ansprechpartner speziell: @rapanzel, @Daskeks, @Vauxdvihl @CimmerianKodex @Pavlos ....u.v.m.). Ähnlich wie die U.N.I.T.-Scheibe arg unterschätzt, gesanglich bisweilen ein klein wenig schräg, was aber einen ganz eigenen Charme ausmacht - zumal das mit den "perfekten Progmetalsängern" ja ohnehin ein schwieriges Thema ist.

Zu finden im Netz unter:


Die Recherche im Netz ergab überdies, dass die Band nach wie vor aktiv zu sein scheint. Ich kann mich erinnern, mir damals auch den Nachfolger "Jole's Joke" angehört zu haben - nur war der plötzlich musikalisch in einer gänzlich anderen Ausrichtung unterwegs.
Kenn ich noch nicht, höre ich nachher rein. Danke Dir
 
Hau mal ein Blakulla-Review hier rein, ich will mich da nicht mit fremden Federn schmücken. Eines der besten Alben überhaupt und prädestiniert für diesen Faden.

Hatte ich schonmal im "Vergessener Hard- und Bluesrock" Thread vom @Klaus vorgestellt. Egal, das ist tatsächlicher famoser Stoff, so here we go...

43087187vz.jpg


Blakulla - Blakulla (Schweden, 1975)


Der Großteil der Tracks geht als recht aggressiv gezockter Hardrock der Marke DEEP PURPLE durch. Einige Songs kommen etwas verschachtelter daher und hier und da gibt es dann auch noch gemütliche Folkparts zu hören. Gesungen wird in der Landessprache. Hier mal das treibende 'Idolen':


Eine abwechlsunsgreiche Scheibe. Zur Orientierung werfe ich mal die 70er Alben von KAIPA, die weiter oben schon erwähnten DEEP PURPLE, sowie meine Lieblinge von RAG I RYGGEN in den imaginären Raum.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben Unten