Warlord

Irgendwann, gefühlt wurde mein Englisch mit jedem Bier besser, stellte ich die These auf, dass Tsamis in seiner Musik insgesamt sehr griechisch klingt. Schwer, das zu beschreiben, es ist schon US-Metal, aber die Art seines Gitarrenspiels und der Klang seiner Kompositionen mit der Kombination aus Epik und diesem leicht melancholischen Unterton klingt irgendwie danach. Was mir gar nicht so bewusst war: ich hatte da echt einen Nerv getroffen, er wurde dort wirklich verehrt, ich sehe das auch in den ganzen Facebook-Kommentare der Leute, die ich dort kennengelernt habe, dass er für sie doch mehr war als einfach nur ein fantastischer Musiker und Komponist.

Du siehst, hörst und empfindest das absolut richtig.....und das ist auch ganz einfach zu erklären:

Bill Tsamis wurde zwar in den Staaten geboren, war aber auch Sohn griech. Auswanderer. Nun sind wir Griechen ein sehr gläubiges Volk und besuchen recht oft Gottesdienste, und Tsamis wird es in seiner Kindheit und Jugend da wohl nicht anders ergangen sein. Emigranten nutz(t)en Veranstaltungen in und um die Kirche zum Zusammenkommen und Gedankenaustausch, um so ein Stück Heimat & Kultur für sich und ihre Familien zu erschaffen. Davon kann ich ein Lied singen, denn mir ging es da nicht anders. Naja, und dann sitzt du als kleiner Junge regelmässig in so einer großen Kirche voll betender Menschen und lauschst all den intensiven Predigten, Gesängen und Chören. Immer und immer wieder, stundenlang. Oft ist es sogar so, dass der Predigende während er spricht von einem sakralen Chor im Hintergrund begleitet wird, das klingt dann ungefähr so wie das Intro zu Maidens Sign Of The Cross, nur eben auf Altgriechisch. Viel bombastischer und Eindruck schindender geht es für einen kleinen Junge nicht, das setzt sich im Kopf fest.
Tsamis, der übrigens schon im "And The Cannons...." Video ein christl. Kreuz offen über seinem Shirt trug, hat viele dieser Melodien und Stimmungen in seinen Songs eingebaut, ganz besonders natürlich bei den Lordian Guard bzw. Lordian Winds Sachen. Hinzu kommt dann noch, dass er schon seit jeher viele Gitarrenfiguren aus der griech. Volksmusik in seine Soli integriert hat und auch in Sachen Melodieführung ganz oft Parallelen zu erkennen sind. Tja, und in all diesen Sachen finden sich dann eben viele hellenische Fans wieder. Das ist für uns mehr als nur Metal oder epische Musik, das sind unsere Wurzeln, unsere Erinnerungen, wir fühlen uns repräsentiert.
Er hat mir das alles übrigens 2013 bei einem kurzen Talk auf der KIT Warm Up Party bestätigt. U.a. sprachen wir darüber, dass wir beide zwar fernab unserer Heimat geboren wurden, es aber nur ein paar Töne alter hellenischer Musik braucht, um in uns eine Art Heimweh zu wecken. Das Heimweh griech. Emigranten ist das Thema vieler, vieler Lieder, da in den 70ern und 80ern ganz viele Landsleute ihr Glück in der Ferne suchten. Auf der einen Seite wirst du beim Hören dieser Songs etwas melancholisch, auf der anderen Seite tröstet dich die Musik aber auch, da sie von Gleichgesinnten kommt, denen es ähnlich ergeht - darüber waren Bill und ich uns einig. Ich glaube: was die alte griech. Volksmusik für unsere ausgewanderten Eltern und Großeltern war, ist Warlords Musik für uns jüngere Generationen, die wir in der Ferne geboren wurden und dort in den 80ern und 90ern zum Metal kamen. Sie transportiert nicht nur dieselben Melodien, nein, sie löst dadurch auch dieselben Gefühle aus: Zusammenhalt, Leidenschaft, Ehrlichkeit, Gerechtigkeit, Hoffnung. Und somit wären wir wieder bei den Lyrics von Bill Tsamis.

Wie ich schon weiter oben geschrieben habe: wir griech. Metalfans sind nicht nur stolz darauf, dass "einer von uns" die Geschichte des Heavy Metal mitgeprägt hat, nein, wir sind auch noch stolz darauf, dass er dies mit musikalischen Zutaten tat, die aus unserer Heimat stammten. Er hat gezeigt, dass unser kleines Land auch -im wahrsten Sinne des Wortes- mitspielen kann. Und zwar lange Zeit bevor in Griechenland die ersten heimischen Klassiker veröffentlicht wurden, das wird ja viel zu selten erwähnt wenn es um ihn geht. Es tut gut zu sehen, wie leidenschaftlich die Metal Community in der Heimat um ihn trauert, ganz oft liest man Sachen wie "es fühlt sich so an, als ob einer von uns gegangen wäre". Außenstehende belächeln diese Art Nibelungentreue vielleicht, aber all die intensiven Postings, Fotos, Texte, Gedanken trauernder Fans geben in ungefähr das wieder, was ich in meinem Text hier versucht habe zu beschreiben.
Bill Tsamis mag seine Fehler gehabt haben (und wer hat die nicht?!), aber er war in vielerlei Hinsicht ein Held, "unser Held"......und das wird er auch immer bleiben - es wird wohl keinen griech. Metalfan geben, der das anders sieht. Da bin ich mir ganz, ganz sicher.

Uff, sorry, dass ich so viel geschrieben habe.....ich könnte noch stundenlang hier weiter ausführen, was mir zu dem Thema in den letzten Tagen immer wieder durch den Kopf ging.
 
Zuletzt bearbeitet:
...und das Beste ist, diesen unfassbar genialen und herrlich abwechslungsreichen Song hatte der Tsamis schon Ende der 70er, Anfang der 80er fertig!! Ich hab vor ein paar Tagen die 1981er Rehearsal Version auf YT hochgeladen, da klingt der schon so, wie viele Jahre später bei Lordian Guard und Warlord. Bitte auch das wuchtige Power Drumming beachten:


Das ist ziemlich heftiger Stoff für Ende der 70er, Anfang der 80er, if you ask me. Generell unfassbar, was er in jenem Zeitraum alles für soon to be classics geschrieben hat. Es wird Zeit, Tsamis zu den Urvätern des US Stahls zu zählen!!!
 
Ich bin erst vor ein paar Jahren auf die Band gestoßen und habe mir letztens die And the cannons... auf LP gekauft.
Großartige Musik!

Und da hast du ja sogar nur die mit dem Quietsche-Sänger. Der von der Deliver Us ist viiiel besser. Zumindest für meinen Geschmack.
 
...und das Beste ist, diesen unfassbar genialen und herrlich abwechslungsreichen Song hatte der Tsamis schon Ende der 70er, Anfang der 80er fertig!! Ich hab vor ein paar Tagen die 1981er Rehearsal Version auf YT hochgeladen, da klingt der schon so, wie viele Jahre später bei Lordian Guard und Warlord. Bitte auch das wuchtige Power Drumming beachten:


Das ist ziemlich heftiger Stoff für Ende der 70er, Anfang der 80er, if you ask me. Generell unfassbar, was er in jenem Zeitraum alles für soon to be classics geschrieben hat. Es wird Zeit, Tsamis zu den Urvätern des US Stahls zu zählen!!!
wow, kannte ich noch nicht - super, danke. Ist ja sogar schneller als die späteren Versionen.
 
Ich habe vorher "Winter Tears" immer als ziemlich belanglosen Song gehalten. Wie kann ein Mensch nur so falsch liegen? Wiederum möchte ich dem Forum und dem Magazin danken, ohne euch wäre ich höchstwahrscheinlich nie auf Warlord aufmerksam geworden.

Ein spätes RIP William J Tsamis
 
Ich habe vorher "Winter Tears" immer als ziemlich belanglosen Song gehalten. Wie kann ein Mensch nur so falsch liegen? Wiederum möchte ich dem Forum und dem Magazin danken, ohne euch wäre ich höchstwahrscheinlich nie auf Warlord aufmerksam geworden.

Ein spätes RIP William J Tsamis


Irgendjemand hat ja Warlord in einem Buch (so Ende der 90er also vor "Rising...") mal als "die Band die in ihrer History gerade mal 11,5 Songss fertig gebracht hat" bezeichnet, was ziemlich abwertend gemeint war. Schon damals war mir aber diese Band ob ihres winzigen aber sehr hochwertigen Outputs tausend mal lieber, als die vielen Bands mit dutzendenden wirklich belanglosen Alben im Backkatalog.

R.I.P. Destroyer
 
Auch wenn es vielleicht nicht so ganz passt, der Forsaken - Beitrag (wenn die Malteser gemeint sind), könnte das bedeuten, dass die mal wieder etwas herausbringen oder auf Tour kommen? -Würde mich wahnsinnig freuen!

Viele Grüße Rick
 
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