So, im verkaterten Zustand habe ich dann auch mal die Titelstory durchgearbeitet. Und ich muss sagen: Respekt! Zwar gibt es einige Redundanzen und Überschneidungen (z.B. zwischen Hesse, Himmelstein und Mühlmann oder zwischen Kühnemund, Kohsiek und Brandt), und einige dieser Beiträge lesen sich teilweise wie reines Namedropping, aber die stilistische Breite ist beeindruckend, und die zu erwartende Häme wurde (bis auf einige Sticheleien von Brandt gegen Pantera und diese komische Keine-Hipster-Floskel in Kohsieks Einleitung) überraschenderweise ausgespart. So entsteht dann doch ein ziemlich gelungenes Panoptikum dieses "vergessenen" Jahrzehnts.
Zwei bis drei Kritikpunkte hätte ich dann aber doch:
Erstens: Es wären noch mehr und längere Musiker-Statements schön gewesen. Da hätte man doch gerade auch die "Korrespondenten" (Warrior, Fenriz, Averill) aus dem Nähkästchen plaudern lassen können, zumal deren Karrieren damals gerade in Gang kamen (die letzteren beiden) oder eben auf interessante Weise stockten - was in beiden Fällen ja wiederum mit der im Special thematisierten Gesamtsituation der Szene zusammenhängt.
Zweitens: "Richtigen" Nu Metal à la Korn, Deftones, At The Drive-In, Coal Chamber & Co. hat man ja tatsächlich ausgespart oder auf ein paar Zeilen in den Texten von Mühlmann und Hesse reduziert. Gehörte das zum Konzept, oder mag die in der Redaktion wirklich niemand?
Und drittens: Die Top-200-Liste ist doch etwas Früh-90er-lastig. Ich habe das heute morgen (verkatert, wie geschrieben...) durchgezählt (wobei mir irgendeine Platte beim Zählen entfallen ist, aber das macht wohl eher nix...) und daraufhin mal eine Grafik (natürlich mit Splines, sind ja nur zehn Datenpunkte... *g*) mit der Anzahl der Nennungen pro Erscheinungsjahr zusammengestellt:
Nun, aus dem Verlauf geht klar hervor, dass der Schwerpunkt hier bei den Jahren 1990-1992 liegt. Danach blieb die Anzahl ungefähr konstant, bis 1998 und 1999 wiederum in der Wahrnehmung offenbar abfallen.Das wiederum empfinde ich als fragwürdig, wenn man mal das Thema des Specials in Betracht zieht, denn die meisten dieser Früh-90er-Alben wirken auf mich wie 80er-Nachzügler - die dann hier mehr oder weniger "zu Unrecht" in der Statistik auftauchen. Tja, und diese Alben - darunter u.a. "Painkiller", "Murder One", "Into The Mirror Black", "Streets" und "Coma Of Souls" - stellen in musikalischer bzw. stilistischer Hinsicht eigentlich auch keine Fortschritte gegenüber den Entwicklungen der 80er Jahre dar und wirken deshalb innerhalb der Aufzählung, zumal die 90er ja auch im DF den Ruf haben, innovativ und freigeistig gewesen zu sein, eher wie ein sehr konservativer Block.
Nichts gegen die Musik - aber irgendwie wundert es mich wie geschrieben, dass die Aufzählung (übrigens eine Tendenz, die sich in den Texten eher nicht durchzieht - keiner von den Autoren hebt da die Früh-90er so sehr heraus) dann quasi vom verlängerten Arm der seligen 80er dominiert wird.