MOTÖRHEAD - No Sleep 'til Hammersmith (1981)
Ihr fragt euch sicher: "warum hat er sich gerade für dieses, noch dazu ein Live-Album als Pate zur Verfügung gestellt?"
Nun, die Geschichte ist schnell erzählt. Habt ihr eine dreiviertel Stunde Zeit? Ich liebe viele Live-Alben. Sternstunden wie Status Quo Live, UFO, Thin Lizzy, KISS und andere machen für mich häufig - nicht immer - das Salz in der Suppe aus.
Prolog:
Aber zunächst muss ich etwas weiter ausholen. Wie so einige von uns, war ich ein ziemlicher Spätzünder, wenn es um Motörhead geht. Die ersten, hier bereits besprochenen 3 Alben, waren für mich von der musikalischen Anlage her ebenso neu wie für alle anderen, doch zündeten insbesondere "On Parole" und "Bomber" noch nicht so bei mir. Overkill lief mir bereits damals besser 'rein. Die Musik war laut, vielleicht sogar aggressiv, aber ich hatte immer das Gefühl, man spielte mit angezogener Handbremse. Als 15, 16-jähriger wusste ich natürlich alles - vor allem war ich "Soundexperte." Der erschien mir etwas breiig, altbacken, drucklos. Oh' welch' Frevel (heute sehe ich Gott sei Dank viele Dinge anders). Zu allem Unglück hörte ich wie auch meine meisten Kumpels erst "Ace of Spades", so dass der Sound der Vorgänger tatsächlich - für little comanche zumindest - abfiel.
So machte ich zunächst um die Band zwar keinen Bogen, aber es bestand zu keiner Zeit Gefahr, dass dies einmal zusammen mit Iron Maiden meine absoluten Lieblinge werden würden. Zumal der Sound der ersten beiden Göttergaben der Eisernen einfach besser war, die Songs in Gänze saustark (mir gefielen Maiden vor Kiss am 04.10.1980 in der Ernst-Merck-Halle auch besser als Motörhead am 05.12.1981 nach Tank in der Messehalle 8). Meine Einstellung änderte sich fast schlagartig mit dem Erscheinen von "Ace of Spades." Auf dieser Scheibe stimmte nun alles. Der Sound, die Songs. Der Lemster hörte sich nun endlich so an wie ein gekochtes Stinktier, dass man aus dem 7. Stock geworfen hat. Herrlich. Der "inner circle" unserer Clique, zu der damals bereits ein, nennen wir ihn "At the Gerds", gehörte, feierte das Album ab. Und wurde inspiriert: als ich kurz darauf aus England (Gastfamilie) kommend den Zoll mit 4 Patronengurten durchquerte, staunte man nicht schlecht...
Zum Album:
Nun schließt sich der Kreis zu meinem Thema: der ersten Motörhead Live-Scheibe, am 27. Juni 1981 auf Bronze erschienen. Was ich bis heute nicht wusste: es handelt sich hierbei um das erfolgreichste Album der Dröhnbacken im Hinblick auf Chartplatzierungen (Nr. 1 in England). Wir haben es hier mit einem prima produzierten, für meine Begriffe absolut authentischem Livealbum zu tun, welches im wesentlichen in Leeds und Newcastle während der „Short, Sharp, Pain in the Neck“-Tour 1981 aufgenommen wurde (Iron Horse wurde bereits 1980 auf Tape gebannt). Bonmot: Nicht ein einziges Konzert während dieser Tour fand im Hammersmith Odeon statt.
Für mich stellte das Album seinerzeit die perfekte Symbiose aus vor allem "Overkill" und "Ace of Spades" dar, nur in noch dreckigerer und lauterer Form. Ein Stück stärker als das Andere (einzig "Iron Horse" und "Capricorn" fielen für mich etwas ab). Ein Fest für den Live-Scheiben-Freak comanche und einfach großartig! Ich möchte mich an dieser Stelle nicht großartig in weiteren Fakten ergehehen.
Onkel comanche erzählt:
Was passierte mit pubertierenden 15 - 16-jährigen nach dem Lauschangriff auf "Hammersmith?" Es sprudelten die guten Ideen! Etwa: wie können wir unserer Umwelt, den Mitmenschen, möglichst subtil, aber eindruckvoll die Gesangeskünste unseres Lemsters darbringen? So nach dem Motto: You'll never forget? Anläßlich der Dorfdisco im Haus der Jugend immer freitags wünschten wir uns wiederholt "Bomber." Unser Flehen wurde meist erhört, nur einmal kam aus Versehen statt "Bomber" dann "Capricorn." Dazu läßt es sich nicht ganz so flockig headbangen.
Dann nahmen wir den Urschrei vor "We are the Road Crew" auf. Meine Freunde Martin (leider mit 18 Jahren verstorben) und At the Gerds schnappten uns den Casettenrecorder und spielten den Schrei wieder und wieder ab verbunden mit der Frage, meist an ältere Mitbürger, "was halten Sie von diesem Schrei?" Was da zum Teil für Antworten kamen...Bezug wurde auf Fussballfans genommen, ein anderer Herr verordnete Lemmy eine Heidenwut, wieder ein anderer mutmasste, Lemmy hätte Durchfall. Einfach göttlich.
Während ich diese Zeilen schreiben kommen mir wieder viele weitere Anekdoten in den Sinn und ich werden ein wenig gefühlsduselig... In der Bravo gab es - ich glaube Ende 1981 - in 3 aufeinander folgenden Ausgaben Poster von den glorreichen drei. Wir haben die Bravo nicht gekauft, aber die Poster sauber aus der Heftmitte heraus getrennt. Dass das nicht auffiel...
Abschließend möchte ich sagen, dass ich wirklich stolz bin, an dieser Stelle für ein Motörhead-Album Pate zu sein. Nicht nur mir hat Lemmy und die Band insgesamt so viel gegeben, dass kann ich nicht mit dem Kauf von ein paar Platten und dem Besuch einiger Konzerte wieder gut machen. Darum freue ich mich sehr, dass ich auf diesem Weg ein ganz klein bisschen etwas zurückgeben kann. Danke Motörhead, danke Lemmy.
Motörhead for Live.