Es verstaubt vieles. Ich höre JEDEN Tag Musik, nicht Radio. Dazu kommt, ich hatte das schon mal geschrieben, wenn ich es nur fände... das Alter. Genau das Alter (Jahrgang '69) ist auch eine mögliche Begründung der Masse. Meine erste LP im Mai 1979 (Dynasty) habe ich vom mühsam zusammengesparten Taschengeld (2,- DM/Monat) gekauft, die "Double Platinum" bekam ich Ende '78 vom Cousin geschenkt. In der Stadtbücherei der beiden Münchner Stadtteile Neuhausen und Nymphenburg gab es Kassetten zur Leihe. Stones, Quo, Priest, Saxon, Purple, Rainbow. Das wurde Ende der 70er/Anfang der 80er aufgesogen wie ein nicht satt zu bekommender Schwamm. Meine DNA war initiiert.
Der Pfad war geebnet, der Weg bereit für den kleinen Siebi, der Plattensammler aller Sammler zu werden. Zu Weihnachten und an Geburts- und Namenstagen kam ich meiner vollständigen offiziellen Kiss-Plattensammlung näher. Bis 1984 kam immer wieder sporadisch eine Platte dazu. "Blackout", "The Number Of The Beast" (der Opa ist schuld!), "Time" (ELO), "Balls To The Wall", etcpp. Dann ward es Herbst 1983. Rockpop In Concert im ZDF. Die nächste Stufe meines metallischen Raketenritts wurde gezündet. Roadrunner schwemmten die Undergroundplatten der Venoms, Metallicas und Slayers nach Festland-Europa. Es erblickte zu Beginn '84 der Metal Hammer das Licht der Welt, das Rock Hard wurde als Fanzine immer spannender und besser. Kerrang, Aardshok, Iron Pages... Ja, ich war Rock- und Metaljunkie. Süchtig nach der mir liebsten Musik, der Lebenseinstellung, dem Gefühl von Freiheit und Unbesiegbarkeit. Der angehende Testosteron-Overkill eines Münchner Teenagers, der Mädchen nur vom Handballverein, Ratschen oder rotbackigen Necken oder nackend aus der Bravo kannte. Jeder Pfennig wurde in Platten, Poster, Magazine, Patches, Buttons, Aufkleber investiert. Was für selige und doch so genügsame Zeiten!
Mit den Jahren des Erwachsenwerdens wurde der monetäre Spielraum größer. Ferienjobs bei der sehr gut entlohnenden Bundespost, sei es als Briefträger oder Paketzusteller oder Schüsselarbeiter im Frachtzentrum an der Arnulfstraße oder bei der ehrwürdigen Hopfenpost, brachten die Geldquelle zum scheinlüsternen Sprudeln. Oma und Opa sowie mein NSU Prinz TT- und BMW-02er fahrende Onkel Heribert steckten zu feierlichen Anlässen dem Siebi das ein oder andere braune oder blaue Scheinchen zu. WOM, ELPI, Karstadt, Govi, Disco 2000, egal wo. Alle Mitarbeiter freuten sich, wenn ich die Ladentür im Raum der Begierden hinter mir schloss und für Stunden mich durch die Regale wühlte, darin verkroch. Stunden, Tage, Wochen, ach was habe ich Zeiten (mit Freunden und allein) in Plattenläden meiner Heimatstadt und der Lerche-Kette in Stuttgart verbracht. Der Geruch, die Aura, hach, ich schweife ab...
Es kam Studium, danach explodierte es. Ich siedelte nach meinem ersten Job in München nach Ulm um. Dort kosteten CDs meist nicht mehr als DM 24,90. In der Zeit war ich dank eines entsprechenden Einkommens fast JEDEN(!) Tag in einem der Läden in Ulm/Neu-Ulm und kaufte wirklich alles, wo ich einen Song nur kannte oder ein Review eines Schreibers (RH, HOW, Iron Pages, ...) mich anfixte. Alles was Bandschlächter Trojan für gut wertete, fand Einzug. Das Zeug ist auch noch da. Mit Heirat und Nachwuchs wurde es wieder etwas reduzierter. Der Junkie blieb, denn ich kam von der Kaufsucht, dem beseelten Rausch des Habenwollens, nicht weg. Nuclear Blast wurde 3x im Jahr überfallen und jeweils ein bis zu vierstelliger Betrag gelassen. Die ersten Mailorder lockten, Geld war kein Problem, raus damit...
Springen wir ins Jahr 2007. Ich wurde über einen berührenden Leserbrief im RH eines gewissen Hr. Kohsiek Mitglied im Sacred Metal Board. Es öffnete sich eine neue Welt der ungeahnten verborgenen Schätze. Die ersten Metalbörsen waren da bereits im Gang. Auch dort waren 500,- DM beim Tonträgerkauf ganz normal... und dann kam vor vier, fünf Jahren die Bremse, da ich nicht mehr mit dem genussvollen Hören hinterher kam. Beruflich unterwegs, ziemlich eingespannt, Ehrenämter, Familie und Freunde, alles war mir wichtig und richtig. Bei Musik nur noch das, was wirklich gefällt... leider gefällt mir sehr viel. Und ja, ich halte es nach wie vor für eine Sucht, denn ich hatte zwei Jahre nur eine handvoll Alben gekauft, aber wie beim rückfälligen Raucher wurde das in wenigen Monaten wieder reingeholt, der Schnitt hochhaltend gewahrt.
Dennoch. Ich bereue nichts, niemand musste unter diesem Kaufdrang/-zwang oder der -lust leiden oder etwas entbehren. Ich genieße Musik mit all meiner Sinne, vor allem die der Ohren, freue mich, dass sie noch so gut funktionieren. Es macht mich ab und an nichtsdestotrotz nachdenklich, was ich in gut 40 Jahren so angehäuft habe, was Geld (im Wert eines aktuell hochpreisigen Mittelklassewagens) verbraten wurde. Ist, wie's ist. Ob eine Sammlung groß oder klein ist, spielt bei der Bewertung eines Musikliebhabers keine Rolle. Solange man mit seinem Tun und Handeln im Reinen ist, egal welches Format oder Art des Hörens gewählt wird, ist alles in tonal erfreulicher Butter.
"Music was my first love
And it will be my last.
Music of the future
And music of the past.
To live without my music
Would be impossible to do.
In this world of troubles,
My music pulls me through."