Es gibt sie, diese Momente im Leben, an denen man (wieder mal) bemerkt, wie genial eine Band sein kann! Ich denke, 2 ganz spezielle Bands werden in meinem persönlichen Universum niemals zu toppen sein, weit mehr als eine Schwärmerei, fast schon eine Lebenseinstellung.
Der Reihe nach: Mein Sohn (4, derzeit in Corona-KITA-ist-zu-Quarantäne) wollte "Zappelmusik". Nun, in meinem Haushalt eher Fehlanzeige...bis mir "Decadent" von Threshold einfiel, ein Fan-to-Fan-Release, im Original aus dem Jahr 1999, von mir auf einer Tour der Band erworben und mit Unterschriften von allen Musikern (Line-Up mit Mac und Nick Midson noch) versehen. Darauf befindlich: "Paradox" im Zappelmix. Ab davon, dass diesen Song fast nichts entstellen kann: das war die Lösung.
Natürlich ist mein Sohn halt mein Sohn - demzufolge war "Zappelmusik" dann eher nicht mehr langfristig so angesagt, aber die CD, die wäre doch sehr nett....anzuschauen. Nun denn: einfach mal laufen lassen - und auch, wenn der Kurze dann lieber in seiner Bude verschwand, um mit seinen Dinos den nächsten Weltuntergang anzuzetteln habe ich das Ding dann ab "Devoted" (Remix 1999), dem 5 Song der CD, für mich gehabt. Was geschah....
"Devoted" ist ein Inseltrack für mich, immer gewesen, bis heute. Allein dieser höllische Songaufbau am Anfang, dieses Riff, dass quasi jeden noch so kahlköpfigen Nicht-Metaller zum Bangen zwingt, die Keys, in jedem Abschnitt ein Quäntchen mehr Atmosphäre, das Drumming bis hin zur Double-Base....dann diese "klassisch progressive" Einleitung in den Verse.....dieser zunächst ruhig, dann zupackend, die Keys nun eher im Lord-Gedächtnismodus dazu....Gibt es ein besseres Beispiel, wie man hartes Riffing mit ultragenialen Keyboards und Melodie und Gefühl im Mittelteil unterlegen kann? Das Teil packt Dich, spuckt Dich aus...dieser ruhige Part....Glynns Gesang, Gänsehaut, Gänsehaut, Gänsehaut:
"I can see you, you're not there fog of existence fills the air
I can't matter now I've found art of freedom, safe and sound
When I feel that hope is lost only the devoted know the cost"
Das Riff setzt wieder ein, der Kopf nickt...Mann, Mann, Mann, dieses gottverdammte, schneidende Solo zum Ende hin, ich geh kaputt an dem Teil! Beachtet man dann die Evolution dieses Songs, dann zeigt sich, wie ausgefeilt West & Konsorten tatsächlich zu Werke gehen: Der 99er Remix ist nur marginal anders als das Original, wirkt durchaus fetter, die Live-Fassung mit Mac an den Vocals von der "Concert in Paris"mit den genialen, zusätzlichen Drumfills von Joanne, die dem Song noch mal eine völlig eigene Note geben, ohne zu verspielt zu wirken - die hieven das Ding endgültig auf eine Stufe mit allen großen Klassikern, von "Stargazer" bis "Heaven and Hell"oder "Hallowed be thy Name" - ja, spuckt mich ruhig an, aber ganz genau so ist es.
Auf "Devoted" folgt auf "Decadent" die Akustikversion von "Change". Eben noch im Saga-Faden angemerkt, wie überflüssig sowas eigentlich ist - aber nicht bei Threshold-Songs. Macs Gesang jagt Dir einen Schauer nach dem Anderen über den Rücken, das Ding funktioniert aufgrund seiner schlichtweg ohrwurmig-melancholischen Melodieführung absolut minimalistisch - und nimmt Dich schlicht mit. Einen solchen Pre-Chorus allein zu erschaffen, um dann mit dem echten Refrain noch einen drauf zu setzen - unfassbar. Was für Songwriter. Was für schlichtweg wandelbare Musiker. Was für ein Song, der in einer besseren Welt ein Hit wäre und an dem sich bei "The Voice" wohl zahlreiche Möchtegern-Macs die Zähne ausbeißen würden.
Das Trio an hochgenialen Kompositionen auf "Decadent" rundet "Mother Earth" (auch im Remix 99) ab. Dieses Metal-Riff direkt zum Einstieg, so simpel, so packend....der Keyboardteppich, weich und doch zugleich bedrohlich, im Remix noch ein klein wenig aufgepeppt - und dann er: Damian! Einer der Könige des Gesangs. Allein diese Höhen im Refrain würden mir bei anderen Sängern in dieser Tonlage die Zehennägel hochrollen, Wilson packt da eine Power rein, die Dich zu töten droht, so sehr knallt das. "Mother Earth" ist einer der wohl metallischsten Songs auf dem Debutalbum und schlägt bis heute eine Brücke bis hin in den modernen Kosmos von Threshold - ohne, dass man sich je selbst wiedergekäut hätte. Doom-Prog mit partiell (fast) schon poppig unterlegtem Keyboard, gottverdammte Scheiße, wer hat sowas gemacht anno '93 und wie geil ist es heute noch? Und wie viele Bands bauen ihre Soli derart perfekt platziert ein, wie es Threshold seit jeher machen? Schwer, packend, nie im Nervfrickelmodus und doch merkt man, was der jeweile Akteur an den 6 Seiten kann. Ein Song, der so zeitlos ist, dass es kaum zu fassen ist, dass auch dieser nie in irgendeiner Klassikerliste auftaucht.
....ok, dann eben noch "Exposed" im Radio-Edit als vierten Knaller hinterher! Eigentlich mag ich Edits absolut nicht, aber hier passte es nach der Epik von "Mother Earth" irgendwie bestens. Ich liebe dieses Teil einfach, völlig gleich, ob man weitere Teile von "Extinct Instinct" nun schwächer oder stärker findet oder das Album gar als Tiefpunkt der überragenden Discographie von Threshold wertet: andere Bands würde sich 9 von 10 Zehen abhacken, um so ein Teil auf die Reihe zu bekommen - und mal ehrlich: das Ding ist schon geil, gell....?
Einfach mal eine kleine Liebeserklärung an eine der wohl großartigsten Bands dieses Planeten. Gibt noch mehr davon, ganz sicher, in meiner Welt sind Threshold ganz klar eine von den 2 Gewichtigsten. Allein das oben aufgeführte Songtrio pulverisiert so ziemlich alles Weitere, was sich "Konkurrenz" nennen könnte - gleich, ob im Hardrock/AOR/Progmetal/Melodic-Metal - und Progbereich, die Halbwertszeit der Songs scheint unbegrenzt. Diese Band ist groß - und verfügte in ihrer Geschichte in Summe über gleich 3 (!) großartige Sänger, die die Kompositionen (im Wesentlichen aus der Feder der Herren Groom und West) veredelt haben. Zu schade, dass Mac nicht mehr unter uns weilt, irgendwann ein "Abend mit Threshold" und allen Sängern, sowie auch Morten, Nick Midson und Ur-Basser Jon Jeary dazu - was wäre das für ein unfassbarer Wahnsinn!
...ach ja: "Legends...." muss ich aus heutiger Sicht einfach eine "10" verpassen. Trotzdem: Zeit für einen Nachfolger, liebe Freunde - und ich weiß ja, ihr seid damit zugange. Ich erwarte kaum mehr weniger als das Album des kommenden Jahres - so es dann 2021 erscheinen sollte.