Die Tatsache von Mikes Tod macht mich immer noch sehr nachdenklich und unendlich traurig. Irgendwie verrückt, wenn man bedenkt, dass ich ihn als Mensch ja nie kennengelernt hatte. Ich versuche mal meine Gedanken in Bahnen zu lenken - auch wenn ich nicht weiß, ob es irgendjemanden interessiert oder nachvollziehen kann (vor allem weil ich hier mittlerweile auch eher stiller Mitleser bin).
Ich erinnere mich an einen Sommer um die 1985. Ich hatte von einem Freund das Debut von Metal Church (das zu der Zeit ja schon ein paar Jahre alt war) auf MC zugesteckt bekommen und schon nach wenigen Sekunden war ich der Band verfallen. Der Sony Walkman lief heiß und die Kassette blockierte für Wochen das Gerät. Die "The Dark" wurde von mir damals allerdings sträflich vernachlässigt, das Debut war einfach zu stark und ich dachte, dass die Band das niemals toppen könne. Dann kam der Split mit David und im Winter 1989 dann die Blessing in Disguise mit Mike. Gott, was habe ich die Platte und deren neuen Sänger geliebt! Wie aus dem nichts hatte ich einen neuen Lieblingssänger! Seine unverwechselbare Stimme, sein drahtiger, ikonischer Look mit Löwenmähne und zerrissenen Klamotten und seine eindrucksvoll positive Ausstrahlung trafen einen Nerv bei mir, der auch heute noch nachhallt. Damals dachte ich, dass die Band irgendwann Stadien füllen und die Musikwelt für immer verändern würde - in meiner Welt war Mike ein absoluter Rockstar. Umso mehr hatte ich mich damals gefreut, dass ich Mike endlich mal auf der Tour mit Vicious Rumors und Paul Di´Anno live sehen konnte - und umso enttäuschter, als MC nicht auftreten konnten und kurz darauf verließ Mike die Band. Metal Church wurden für mich plötzlich völlig uninteressant und sie konnten nie mehr an alte Glanztaten anknüpfen. Ich verlor sie aus den Augen....
...bis zu dem Tag vor ca. 6 Jahren, an dem die Gerüchteküche von einer Reunion mit Mike Howe berichtete. Die ersten Bilder vom vermeintlichen ehemaligen Sänger der Kirche geisterten durchs Netz und die Gerüchte wurden dann ein paar Tage später bestätigt. Und da war er wieder und er klang wie damals vor 30 Jahren! Und bis auf die Löwenmähne sah er auch noch genauso drahtig und energiegeladen aus! Das folgende Album war musikalisch okay, ich freute mich aber wie ein kleines Kind, als ich mein damaliges Idol dann endlich auf dem RHF live sehen konnte und hatte den halben Auftritt Pipi in den Augen. Er hatte sich kaum verändert und war für mich der Inbegriff von "in Würde alt werden" und hat mich mit seiner Energie und positiven Ausstrahlung tief berührt. Für mich ist die Zeit da ein kleines bisschen stehen geblieben und meine - alt gewordene - Metal Welt war in Ordnung.
Jetzt ist er nicht mehr da. Ein Idol. Einer der letzten ikonischen Sänger des Heavy Metal. Ein Mensch, den ich zwar nicht kannte, der aber in meiner Jugend, meiner Pubertät, meiner musikalischen Sozialisation eine sehr große Rolle gespielt hat. Ich bin dankbar für die tollen Alben mit ihm, für die Erinnerungen. Dafür, dass ich ihn dann doch noch live sehen durfte. Aber jetzt kann ich seine Stimme kaum noch ertragen. Wegen den Erinnerungen. Wegen dem, was nie mehr sein wird. So geht es mir mit vielen meiner gestorbenen Helden, bei Mike und bei Peter Steele tut es aber mit am meisten weh.
Als ich heute gelesen hatte, dass es wohl Suizid war, ist für mich eine Welt zusammen gebrochen. Ich finde keine Worte. Ich hoffe nur, dass nicht auch ein Teil des ausstehenden Erfolgs mit Metal Church Schuld an der Depression war. Mike, ich werde Dich vermissen!
Klasse Post, in dem ich mich wiederfinde.
Nach Lemmys Tod habe ich gut zwei Jahre gebraucht, bis ich überhaupt wieder Motörhead hören konnte. Mir hat dabei folgende Internet-Weisheit geholfen, die als Wertschätzung für sämtliche unserer Helden funktioniert:
„Bei dem hohen Alter unserer Erde ist es mir trotzdem irgendwie gelungen, Lemmy Kilmister live zu sehen.“
Mittlerweile überwiegt die Dankbarkeit, aber natürlich bin ich über jeden Tod extrem traurig. Dazu gehört auch Mike Howes, den ich natürlich auch nicht kommen gesehen habe.
Es fällt mir schwer, psychische Erkrankungen zu verstehen, da ich selbst nicht betroffen bin. Ich kenne einige Menschen, die an Depressionen leiden, aber ich kann nicht mehr anbieten, als für sie da zu sein und zuzuhören. Es wäre so einfach, könnte man es äußerlich erkennen. Wenn jemand einen Arm in Gips hat, ist die Sachlage klar. Wenn jemand innere Kämpfe ausfechten muss, sieht man es ihm in den seltensten Fällen an. Vielleicht sagt man sogar versehentlich im Gespräch Dinge, die ihn noch weiter runterziehen.
Wie aber soll ich mit solchen Erkrankungen umgehen? Ich denke, wenn man voll und ganz akzeptiert, dass es psychische Erkrankungen gibt und diese den betroffenen Menschen großen Schaden zufügen, ist man schon einen Schritt weiter als die „stell dich nicht so an“- oder „der simuliert doch nur“-Fraktionen. Diese Akzeptanz klingt nicht nach viel, ist aber bei allem, was ich über dieses Themengebiet weiß (und ich gestehe, sehr wenig zu wissen), schon weit mehr, als ein großer Teil der Menschen zu geben bereit bzw. fähig ist.
Ich weiß nicht, ob (jeder in) Mikes Umfeld über seinen Zustand Bescheid wusste, aber ich denke, dass jeder Informierte alles getan hätte, ihm zu helfen. Uns allen war es nicht klar, denn er hatte keinen Arm in Gips.
Sorry für diesen Exkurs, irgendwie musste ich meine Gedanken mal sortieren und runterschreiben.
Ich wünsche allen Betroffenen, dass sie kompetente Hilfe finden.