So, nach 14 Durchläufen über vier Tage verteilt ein angepasstes Zwischen-Fazit:
1. Senjutsu: Ein sehr mutiger, weil absolut ungewöhnlicher Opener. Langsam, schleppend, doomig-düster mit wuchtigen Drums, tollen Melodiebögen und herausragenden Soli. Die Strophen gefallen mir sehr gut, der Refrain ist ok. Der tänzelnde Rhythmus erinnert mich an Prodigal Son, aber auch Blood Brothers. Sehr beschwingt, dennoch ein zäher Brocken. Neben If Eternity Should Fail der beste Opener von Maiden in den letzten 20 Jahren. 9,5/10
2. Stratego: Knackiger, treibender Song mit absolut herausragendem, raffinierten Refrain und beim Solo absolut entfesselten Janick Gers. Ist sogar noch etwas gewachsen in den letzten Tagen. 9,5/10 (vorher 9/10).
3. The Writing On The Wall: Ich mag diese staubige Western-Theme zu beginn, es erinnert mich an Blaze Of Glory oder Dead Or Alive von Bon Jovi und das ist keineswegs despiktierlich gemeint. Sehr schöner, schleppender Groove, wundervolle Strophen und ebenso eingängigem Refrain. Bruce ist in Topform. Ebenso Adrian Smith mit einem ergreifenden und emotionalen Solo, das ich in dieser Art von ihm zuletzt in den 80ern zu Somewhere In Time Zeiten gehört habe. Hat trotz extremer Wiederholung in meinem CD Player nicht gelitten, sogar dazu gewonnen. 9,5/10 (vorher 9/10)
4. Lost in A Lost World: Tja, der balladeske und folkige Anfang erinnert mich stark an Lady In Black von Uriah Heep. Die Delay-Effekte über Bruces Stimme stören mich hier nicht, der ruhige, psychedelische Part des Songs lädt zum Träumen ein. Sobald aber die ganze Band einsetzt, erinnert es mich an eine typische Steve Harris Selbstkopie. Baukastensong mit Versatzstücken, die ich schon von dutzenden Maidensongs aus Steves Feder kenne. Gut gemacht, aber für mich kein Hightlight. In den Strophen gefällt mir Bruce Phrasierung, die Soli sind auch hammer. Aber der Gesamteindruck ist doch leider durchwachsen. Hat sich trotz mehrerer Versuche bei mir leider zu einem Skip Kandidaten entwickelt 6/10 (vorher 8/10).
5. Days Of Future Past: Was für eine großartige Nummer. Tolle Gitarreneffekte, sehr ungewöhnlich. Cypher hat hier schon Somewhere In Time Feeling erkannt, ich sehe das ähnlich. Knackige Nummer, aber für einen Song dieser Kürze ungewöhnlich langsam. Der Mittelteil rockt. 9,5/10
6. The Time Machine: Die ersten anderthalb Minuten klingen wie alle akustischen Intros von Janick Gers: Dance Of Death, The Legacy (sein bester Song, wie ich finde), The Talisman, Book Of Souls... kann er nur diese Melodie spielen? Sobald der Song aber richtig loslegt haben wir hier eine Achterbahnfahrt von tollen Ideen, Haken und Ösen. Das Lied ist unberechenbar, ein buntes Mosaik von Puzzlestücken, die sich dennoch gut zusammenfügen. Herausragend: Bruce in den Strophen, Janick und Dave (!!!!) beim Solo, der Song nimmt eine ganz andere Entwicklung, als das Intro erahnen lässt. Für mich ein Highlight der Platte: 10/10 bisher.
7. Darkest Hour: Bruce und Adrian im Duo. Traumhafte Songwriting-Partner. Sehr schönes, filigran gewobenes Gitarrenintro, beim Möwengeschrei musste ich zunächst an Isle Of Avalon denken, aber der SOng geht glücklicherweise in eine andere Richtung. Bruce zeigt hier eine unfassbar zwingende Gesangsperformance mit erhabenen Melodien, die Gänsehaut garantieren. Knüpft an Out Of The Shadows und Coming Home an, finde ich aber deutlich besser. Erinnert mich auch an Tears Of A Dragon, Man Of Sorrows und Taking The Queen von Accident Of Birth. Hier ist kein EInfluss von Steve erkennbar. Wirklich tolle Powerballade. Leider gefällt mir der Hurrah-Patriotismus und die britische Selbstüberhöhung nicht, die Bruce hier zum Ausdruck bringt. Da ich Lyrics eine große Bedeutung beimesse, zumindest bei einer Band solcher Reife, gebe ich hier Punktabzug. 8/10 (vorher 9/10)
8. Death Of The Celts: Tja. Das ist der typische Steve Harris Baukastensong mit Selbstzitaten aus The Clansman, For The Greater Good Of God oder When Two Worlds Collide. Starke keltische Einflüsse mit ziemlich anstrengenden Lord Of The Dance Dudelpart in der Mitte. Hier hat Steve auch von Jethro Tull geklaut, die ich ebenfalls sehr verehre. Mich überzeugen die ruhigen, akustischen Parts und Bruce Gesang am meisten. Das endlose, sich ständig wiederholende Karussel in der Mite ist aber wirklich zäh. Bis Minute 5:00 ein toller und atmosphärischer, geheimnisvoller Song, danach für mich leider ein Witz. 8,0/10 (vorher 8,5/10).
9. The Parchment: Wenn hier keine 80er Melancholie aufkommt, weiß ich auch nicht. Bruce singt so souverän wie seit Jahren nicht mehr. Das orientalische Feeling, der stoisch-schleppende, fast schon doomige Groove, der fehlende Refrain, die Killersoli von Smith/Murray/Gers und der Abgehpart am Ende: Köstlich. Der akustische Anfang mit der verträumten Melodie erinnert mich stark an die Prog Götter Camel (siehe deren Alben Mirage oder Rajazz), sonst sehe ich starke Parallelen zu The Nomad, To Tame A Land, Book Of Souls und Powerslave. Ein Song, in dem man versinken möchte. 12/10 (vorher 10/10)
10. Hell On Earth: Steve Harris Selbstzitat Nummer 3. Gefällt mir deutlich besser, als Lost In A Lost World oder Death Of The Celts. Das Intro erinnert mich extrem stark an Fortunes Of War, mit einer Prise The Clansman, Afraid To Shoot Strangers und Where The Wild Wind Blows. Ich mag es ja, wenn Steve den akustischen Bass auspackt. Das hat was erdiges, knackiges. Das Intro ist wunderschön, über 2 Minuten und dennoch keine Sekunde zu lang. Dramatik baut sich auf. Der schnellere Part erinnert mich von der Melodie her an When The Wild Wind Blows, nur eben vom Tempo deutlich flotter und dramatischer. Dieses Selbstplagiat ist frappierend, ich muss aber gestehen, dass es mir egal ist. Ich mag When The wild Wind Blows nicht sonderlich, Hell On Earth überzeugt mich aber trotzdem. Ich weiß nicht, wieso. Von seinen Baukastensongs (The Parchment ist da außen vor, weil keine typische Harrisnummer) ist das der Beste. PREY! on the weak no more... 10/10 (vorher 9,5/10)
Ganz großartig ist auch das Schlagzeugspiel von Nicko, durch alle Songs hört man eine rhythmische Varibalität, die ich faszinierend finde. Die Gitarrenarbeit ist auch durchweg phantastisch. Auch bei den aus meiner sicht etwas schwächeren Songs komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Göttlich!
Den Sound finde ich auch knackig und transparent, sehr gut ausbalanciert.
10 Punkte Highlights für mich (Sepukku soll begehen, wer es anders sieht!): The Parchment, Senjutsu, Time Machine und Hell On Earth.