Perfektion vs Feeling - wie schief darf es sein?

Wie unperfekt darf Musik sein, wenn dafür das Feeling stimmt?

So unperfekt damit das Feeling immer noch da ist. Für mich genügt meistens eine funktionierende Rhythm-Section. Das heisst ein gutes Zusammenspiel zwischen Bass und Drums (Temposchwankungen sind mir egal so lange sie synchron sind, darum funktionieren z.B. Venom). Der Rest kann dann von mir aus rumsauen.

Für mich als Schlagzeuger ist dieser Mann hier Blaupause für Feeling und Perfektion:
 
Spannendes Thema. Mir geht es bei Musik niemals um Perfektion, immer um Emotionalität. Spieltechnik kann total toll sein, heißt für mich aber niemals, dass automatisch Musik entsteht, die mich berührt. Wobei auch simple Musik perfekt sein kann. Von daher stellt sich die Frage, wodurch definiert sich die Perfektion in Musik? Ist ein Ramones-Song nicht perfekt für das, was er ausdrücken möchte? Ist ein simpler gestrickter Fates-Warning-Song weniger perfekt als ein verschachtelter, nur weil man von Fates Warning eher verspielte Musik erwartet?
 
Feeling sollte natürlich immer dabei sein, wobei es schon so 100% exakte Präzisionsgeräte gibt, die mir höchsten Respekt abnötigen: wie beispielsweise Meshuggah.

Bei den alten Bands war es einfach so, dass sie sich die Technik über die Zeit angeeignet haben, indem sie einfach irrsinnig viel live gespielt haben. Dafür haben viele junge Bands heute keine Zeit mehr, alles ist schnelllebiger geworden. Da wird dann einfach auch häufig mit den zur Verfügung stehenden Mitteln im Studio getrickst. Ist natürlich auch legitim, aber meine Meinung ist schon, dass man auch das auf die Bühne zu bringen im Stande sein sollte, was man im Studio aufgenommen hat. Sein Handwerkszeug sollte ein Musiker schon beherrschen. Sich darauf auszureden, "das ist kauzich, das muss so..." ist nur eine dämliche Entschuldigung, wenn man zu faul war, ordentlich zu üben.
 
Was es garantiert nicht gibt und auch nicht geben darf, ist eine verbindliche Formel/Definition/Festlegung über die Zusammensetzung aus Perfektion/Unperfektion, technischem Vermögen und Feeling. Das bewertet jeder Hörer bei jeder Band und jedem Genre individuell. Ab dem Moment, wo man an einer Stelle landet, an der man die Maßstäbe von "Fallen Angel Of Doom" mit irgendwelchen Michael-Kohsiek-Prog ( :D ) versucht, in Einklang zu bringen, ist es vorbei.
Und was Gesangsqualitäten betrifft: Es gibt unzählige Sänger, deren absolute Perfektion mich nicht daran hindert, sie zum Kotzen zu finden.
 
Man höre sich mal "Made in Japan" von Deep Purple an. Eines der ersten Hardrock-Live Alben, welches ich jemals hörte. Und bis heute immer noch das beste Hard-Rock Live Album, welches ich jemals hörte. Wird sich wahrscheinlich auch nie ändern.
Eine perfekte Kombination von Können und Feeling. Zum "Feeling" gehört für mich auch die Fähigkeit zur Improvisation und Spontanität, welche hier im hohen Maße gegeben ist. Und es gibt durchaus schiefe und unperfekte Stellen. Dazu aber absolute Könner an allen Instrumenten (und Stimme). Weiß jemand, ob hier irgendwelche Overdubs gesetzt wurden? Es klingt mal nicht danach.

Dann noch King Diamond bzw. Mercyful Fate. Darf man seinen Gesang als "schief" bezeichnen? In gewisser Weise bestimmt schon. Dazu aber doch Könner an den Instrumenten. Bin ja Fan seit "Don't break the oath".

Dann z.B. Blitzkrieg "A time of changes". Schwache Produktion (außer komischerweise das Synthie-Intro, das klingt perfekt). Trotzdem für mich sehr geiles Album. Ob die nun absolute Könner an den Instrumenten waren, kann ich als "Nicht-Musiker" gar nicht recht einschätzen.

Oder Possessed mit "Seven Churches". Zwar lange her, dass ich das zuletzt gehört habe. Erinnere mich aber an eine "rumpelige" Produktion. Und waren die gut an den Instrumenten? Keine Ahnung, für mich war das Album jedenfalls eine Qual zu hören (bis auf das Intro, welches ich genial fand).

Und zu nennen wären noch Joe Bonamassa und Beth Hart: Ich kenne nicht viel von den beiden, nur einige Songs. Sicher eine absolute Könnerin und ein Könner und perfekte Musikerin und Musiker. Dafür Respekt. Das was ich hörte, hat mich aber NULL berührt. Daher für mich uninteressant. Andere sind dagegen hin und weg von Frau Hart.

Fazit: Ich glaube letztendlich gibt es auf die Anfangsfrage keine Antwort. Entweder gefällt einem die Musik, oder nicht. Ob nun mehr Feeling oder Können, ist da eher Nebensache.
 
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Feeling sollte natürlich immer dabei sein, wobei es schon so 100% exakte Präzisionsgeräte gibt, die mir höchsten Respekt abnötigen: wie beispielsweise Meshuggah.

Bei den alten Bands war es einfach so, dass sie sich die Technik über die Zeit angeeignet haben, indem sie einfach irrsinnig viel live gespielt haben. Dafür haben viele junge Bands heute keine Zeit mehr, alles ist schnelllebiger geworden. Da wird dann einfach auch häufig mit den zur Verfügung stehenden Mitteln im Studio getrickst. Ist natürlich auch legitim, aber meine Meinung ist schon, dass man auch das auf die Bühne zu bringen im Stande sein sollte, was man im Studio aufgenommen hat. Sein Handwerkszeug sollte ein Musiker schon beherrschen. Sich darauf auszureden, "das ist kauzich, das muss so..." ist nur eine dämliche Entschuldigung, wenn man zu faul war, ordentlich zu üben.

Vollste Zustimmung :top:

Goethe sagte ja auch schon: Aller Kunst geht das Handwerk voraus. Und damit sind wir beim Kern der Sache, wie du so schön beschrieben hast. Die Technik/Das Handwerk ist nicht alles. Manche Dream Theater Frickel Darbietungen zünden bei mir gar nicht. Und ich mag die Band durchaus ;)

Aber ein gewisses Maß an technischem Können ist schon notwendig, meiner Meinung nach. Sonst kommt doch wirklich nur Murks raus. Das weiß jeder, der schon mal das ,Vergnügen‘ hatte, in irgendwelchen Dorf Jungendzentren den jeweiligen Punk ,,Bands‘‘ zu lauschen :D

Fenriz hat es auch gut ausgedrückt: Auf der Soulside Journey ein technisch überragender Drummer. Und seitdem versucht er das Schlagzeug systematisch zu verlernen :D
 
Feeling und Perfektion sind subjektive Dinge, deren Zusammenspiel zu facettenreich ist, um es zu erörtern. Die Frage, ob Feeling wichtiger als Perfektion ist, lässt sich - denke ich mal - mit einem klaren Ja beantworten. Erstens sind die meisten Menschen musikalische Laien und können Unperfektheiten nicht heraushören. Zweitens setzen viele Genres ein gewissen Grundmaß an Können voraus, sodass musikalische Stümper erst gar nicht zum Plattenvertrag kommen und grobe Fehler, die einem den Musikgenuss versauen, erst gar nicht auftreten. Es gibt viel zu viele Beispiele, die beweisen, dass man hinter unperfekter Musik eine Menge Talent stecken kann, Manilla Road fallen mir als erstes ein. Es gibt viel zu viele Musiker, die nicht die größten Techniker waren (speziell vom Gesang her), aber unglaubliche Musikgeschichte geschrieben haben. Andererseits kann ein zu geringes Maß an Können dazu führen, dass man sein musikalisches Potenzial nicht ausschöpfen kann. Wer zu sehr Wert aufs Können legt, analysiert zu viel und das ist der Mehrheit der Menschheit zu anstrengend.

Gamma Ray sind auch so ein Beispiel: Ralf Scheepers kann sehr gut singen (und ist wirklich ein feiner Kerl), aber irgendwie will mich seine Stimme nicht berühren. Kai ist limitiert, ohne Frage, aber hat irres Charisma (wobei er trotzdem viel musikalisches Können besitzt). Solche Klassiker wie Keeper 1 + 2 oder Painkiller wären mit der Stimme wiederum nicht möglich gewesen. Auf dem Wacken hatte Chris Boltendahl einen Aushilfssänger dabei, der das wirklich drauf hat, aber mit Boltendahl fand ich es trotzdem besser. Der Metal ist voll von nicht-perfekten Sängern, die aber zu gefallen wissen :). Gibt auf der anderen Seite genug limitierte Sänger, die keinen bleibenden Eindruck hinterlassen, auch schlecht singen will gelernt sein ;).

Bei Iron Maiden finde ich einige DiAnno-Lieder mit Bruce D. am Mikro besser, obwohl seine Stimme mich nicht vollends berührt (auch weil er etwas zu perfekt singt). Bei Neil Young ist mir nie aufgefallen, dass er kein guter Techniker ist, weil sein Songwriting mich unendlich berührt. Es gibt aber auch solche Fälle, in denen sich Feeling auf technischen Können trifft. Diese Fälle führen nicht selten zu Legendenstatus. Es gibt hier eigentlich kein entweder-oder. Gut, beide Extreme sind irgendwie doof.

Was Produktionen und Bühnenshows angeht, ist vieles Gewöhnungssache. Das Mainstreampublikum ist in dieser Hinsicht "Perfektion" gewonht und würde abgespeckt dargebotene Undergroundkonzerte als langweilig empfinden. Ich glaube aber auch, dass größere Bühnen anders ausgefüllt werden müssen als kleine.

Summa summarum würde ich sagen, dass ich bei mangelnder Perfektion schmerzfrei bin; schlimm ist es nur, wenn das Songmaterial lahmarschig dargeboten wird oder schlecht komponiert ist. Demoproduktionen finde ich meistens interessanter als die eigentlichen Aufnahmen. Ich meine, das waren mal Blind Guardian: .

Bonuspunkt für's Erwähnen von Rick Beato :). Leider ist man in manchen Ecken des Internets "Boomer", wenn man sich gegen Autotune und co. ausspricht :hmmja::thumbsdown:.
 
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Wer zu sehr Wert aufs Können legt, analysiert zu viel und das ist der Mehrheit der Menschheit zu anstrengend.

Ich denke für mich persönlich immer ein wenig an Prog-... und dann dass die Musik und auch die Fans dieser Randspielarten oftmals sehr sehr anstrengend sind. ;)


Bestes aktuelles Beispiel für unperfektes aber gerade dadurch nahezu perfektes Feeling ist die neue Wucan Scheibe. Das live eingespielte mit einigen kleinen Fehlern und "Kanten" macht das ganze Album doch erst liebenswerter. Da kommen einfach auch die Emotionen der Band durch den Sound durch.

Wenn ich mir dann so manche Band vorstelle, die erstmal 20 min die Gitarre oder Bass auf der Bühne stimmen müssen, die nach 20 Min. Soundcheck trotzdem noch nach jedem Song wahlweise ein bisschen mehr Vocals auf den Monitor, ein bisschen mehr Gitarre auf den Monitor etc pp. von sich geben... Das zerstört das Zuschauer-Feeling auf einem Konzert umso mehr.
 
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Was ich geil finde sind Bands wie midnight einfach auf die Bühne raus und krawumm.so musst das, Feeling ist mir wichtiger als Perfektion trotz Dreamtheater und Fates warning.den Rest haben schon andere gesagt ,kann ich nur beipflichten.
 
Auch wenn viele behaupten, sie hätten gar nicht genug Ahnung von Musik, um beurteilen zu können, ob Musiker/Bands technisch was auf dem Kasten haben: wenn eine Band live untight spielt, dann hört man das bzw. man fühlt das - es klingt einfach nicht gut.
Dies ist meiner Meinung nach ein wichtiger Aspekt, dass Bands live überzeugen können. Zusammenspiel innerhalb der Band kann man aber auch lernen durch ausreichend Proben und Livepräsenz. Da spielt es weniger eine Rolle, ob die einzelnen Musiker Virtuosen sind.
 
Auch wenn viele behaupten, sie hätten gar nicht genug Ahnung von Musik, um beurteilen zu können, ob Musiker/Bands technisch was auf dem Kasten haben: wenn eine Band live untight spielt, dann hört man das bzw. man fühlt das - es klingt einfach nicht gut.
Ode rhalöt doch. Kommt auf die Musik an. Sodom Problem live war ja längere Zeit, daß sie ihre alten Songs nicht mehr so räudig spielen konnten, wie es gemusst hätte.
 
Und räudig heisst untight?
Ich würde meinen, dass Sodom auch schon in frühen Jahren genug Live Erfahrung hatten, um vielleicht rumpelig zu klingen, aber als Band dennoch auf einander eingespielt.
 
Und räudig heisst untight?
Sind halt nicht unbedingt gegensätzliche Sachen. Räudigkeit kann man aber vermutlich auch rein über den Sound erzeugen, egal wie gut die Band spielt.

Das halt beides auch eine subjektive Sache. Wen bei welcher Band wieviel davon stört. Also eigentlich sogar "Feeling", wenn man eher die Perfektion bevorzugt...
 
Livesound ist natürlich auch so eine Sache. Wobei ich aber finde, dass das in den letzten Jahren besser geworden ist - sicher auch den technischen Möglichkeiten geschuldet.
Ein Schlagzeug mit Mikros perfekt abzunehmen ist eben nicht so simpel als mit Trigger zu arbeiten. Gibt zwar keiner zu, ist aber gang und gäbe.
 
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