♠ Every Month is MOTÖRMONTH! ♠

- Part 2 -

EVERYTHING LOUDER THAN EVERYONE ELSE

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Jeder, der einmal MOTÖRHEAD live erlebt oder aber ein Live-Album von ihnen gehört hat, weiß, was ihn erwartet. "Everything louder than everyone else" an dieser Stelle rezensionsmäßig auseinander zu nehmen, wäre ungefähr so, als wolle man dem Papst erklären, was die Bibel ist. Deswegen erliege ich dieser Versuchung erst gar nicht, jeder einzelne Song spricht eh für sich und ist heute ein Klassiker.

Vielmehr stellt dieses Album die dritte Etappe meiner ganz persönlichen Motörhead-Reise dar, die damals 1980 mit "Ace of Spades" (siehe Post #449) ihren Anfang nahm, 1992 mit "March ör Die" (siehe Post #834) ihre Fortsetzung fand und mit "Everything louder ..." 1999 schließlich ihr vorläufiges Ziel fand.

Es war ein langer Weg bis ich endgültig zum MOTÖRHEAD-Fan wurde und erneut hatte ein Live-Album den Ausschlag gegeben. Schon in den 70ern war das der Fall gewesen (David Bowie – Live at the Tower Philadelphia / 1974 und Kiss – Alive II / 1977), ebenso später in den 80ern (Iron Maiden – Live after Death / 1985) und zu Beginn der 90er (Slayer – Decade of Aggression / 1991). "Everything louder ..." bietet für mich alles, was ein Konzert von Lemmy & Co. ausmachte: Die richtige Location, die richtige Stimmung, eine ausgewogene Setlist, kauzige Ansagen und Sprüche von Mr. Kilmister und letztendlich die Energie und das Feeling, das jeden MOTÖRHEAD-Gig zu einem Erlebnis mit nachhaltiger Wirkung machte.



Nach "Everything louder than everyone else" war für mich nichts mehr wie es vorher war ... der Bann war gebrochen - nachdem ich mich 19 Jahre lang mehr oder weniger erfolgreich gewehrt hatte, hatte mich Mr. Kilmister endgültig und unwiderruflich in seinen Fängen. Dann, 16 Monate nach Erscheinen des Albums war es endlich so weit: Mein erstes eigenes MOTÖRHEAD-Konzert ... am 15.7.2000 in der Dortmunder Westfallenhalle. Und wie ich bereits an anderer Stelle geschrieben habe: Ich habe null Erinnerung an das Konzert. Alles was ich von dem Abend noch "weiß", habe ich von meiner Frau im Nachhinein erzählt bekommen. Völlig überraschenderweise muss es wohl laut gewesen sein ... auf jeden Fall war ich auch am nächsten Tag noch stocktaub. Es war ein Abend, der völlig aus meiner Erinnerung gelöscht ist – aber er muss prägend gewesen sein, sonst würde ich nicht 18 Jahre später hier sitzen und diese Zeilen schreiben.

14 der 19 Songs meines ersten Live-Erlebnisses sind auch auf "Everything louder ..." vertreten ... der für mich stärksten MOTÖRHEAD-Live-Platte. Selbst Lemmy (laut Phil der "Mr. Rock'n'Roll himself – the loudest fucking musician in the wörld") fand das Album besser als "No Sleep 'til Hammersmith". Auch 20 Jahre später und nach unzähligen Durchläufen bläst mich die Wucht der Aufnahme immer noch um und lässt die Trommelfelle jubilieren. Man merkte dem Trio Kilmister/Campbell/Dee an, dass sie sich im Laufe der vergangenen Jahre gut aufeinander eingespielt hatten und auch ohne einen zweiten Gitarristen eine extreme Soundwand aufbauen konnten.

"Everything louder than everyone else" trägt die Schuld daran, dass sich MOTÖRHEAD im Laufe der folgenden Jahre immer weiter und weiter zu meiner Lieblingband mauserten ... und es war beim besten Willen keine Liebe auf den ersten Blick ... noch nicht mal auf den zweiten oder dritten. Und Lemmy Kilmister ist eine Person geworden, zu der ich aufschaue – auch nach seinem Tod. Ein Mann, der die Dinge des Lebens in passende Worte zu kleiden wusste ... niemals beschönigend oder gar anbiedernd, stets offen und realistisch, mit einem feinen Sinn für Humor. Danke, Lem.

Das finale Statement von MOTÖRHEAD und Lemmy in den Neunzehnhunderter Jahren – und was für eins! Wenn Du – ja genau DU – ein Live-Album in Deinem Leben gehört haben musst, dann ist es dieses!

Sehr sauber:):top:
Die Ansagen, das Feeling des Publikums & der Band, die Songauswahl, der schweinegeile Sound. Ja, dieses Album ist ziemlich nah an perfekt.

Häm-Börk!!:jubel:
 
ELTEE ist ein absolutes Killer-Album!! Der Sound ist roh und rauh und dadurch absolut brachial! Alter, 25 Songs!!! Lemmy ist in absoluter Hammerlaune, macht ständig kleine Jokes und lacht bei den Ansagen, das kommt mega sympathisch und verdeutlicht die Spiellaune der Band. Zu dritt funktionierte es halt am besten und Mikkey trommelt wie ein Derwisch, während Phil gar kleine coole Schlenker in die Songs zaubert, Lemmys Bass wummert und killt und er singt einfach grandios!!! Das Publikum ist auch völlig begeistert und scheint alles zu geben. War eh ne total geile Tour.
Allerdings ist das original Triple (!) Vinyl echt nur für nen Schweinepreis zu ergattern, wurde aber zunm Glück 2016 von Steamhammer offiziell nachgepresst und gibt es zum normalen Preis around. Rein faktisch ist "Everything" auf jeden Fall das beste Motörhead Live Album, allerdings ist Nostalgie auch was wichtiges und die Urgewalt von "No Sleep" halt unschlagbar. Dafür gibt es hier eben einen kompletten, zusammenhängenden Gig mit sicherlich kaum Overdubs. Motörhead rules - das wird gerade bei dieser Aufnahme schmerzlich klar...
EDIT: Mein Fave ist hier übrigens die Killer Version von No Class, gerade auch wegen der Ansage zu Ehren von Wendy O. Williams, Lemmmy hat seine Freunde nie vergessen!
 
MOTÖRHEAD - We Are Motörhead
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We Shoot Power To Your Heart / A Mighty Thunderbolt / We Charge All Batteries / We Save Your Souls

Wie kann man einen Albumtitel wie „We Are Motörhead“ interpretieren? Sollte man es einfach nur als Ansage verstehen, so als würde die Band gleich in ein Konzert einsteigen? War er dem 25-jährigen Bandbestehen geschuldet, das im Veröffentlichungsjahr des Albums begangen wurde? Oder wollte man zu dem Zeitpunkt ein Statement der Marke „das ist es jetzt. Wir sind Motörhead, die einzig wahre Besetzung, vergesst alles davor und danach“ abgeben?

Für Letzteres würde zumindest die hohe Qualität eines der wohl am häufigsten übersehenen Alben der Bandgeschichte sprechen. „Sacrifice“, „Overnight Sensation“ und „Snakebite Love“ waren allesamt stark, hatten aber alle das eine oder andere Experiment zu bieten, während man sich bei „We Are Motörhead“ bis auf zwei Ausnahmen gewissermaßen auf die Essenz des Bandsounds konzentrierte. Man hört, dass Lemmy, Phil und Mikkey zu dem Zeitpunkt vor Selbstvertrauen nur so strotzten und sich in der aktuellen Dreierbesetzung pudelwohl fühlten. Die Arbeit der Plattenfirma Steamhammer zahlte sich zunehmend aus, MOTÖRHEAD krochen immer weiter aus dem Neunziger-Loch und erarbeiteten sich auch bei einer völlig neuen Generation von Rock-Fans einen Kultstatus.

Warum wollte ich das Album eigentlich reviewen? Ich habe eigentlich gar keine persönliche Geschichte dazu zu erzählen. Wahrscheinlich war es der Angst geschuldet, jemand könne das Album irgendwo ins Mittelmaß schieben und ihm damit einmal mehr das Rampenlicht verweigern, das ihm seit mittlerweile achtzehn langen Jahren zusteht. Und hier ist dann auch meine Motivation zu finden, denn „We Are Motörhead“ ist seit seinem Erscheinen immer in meiner MOTÖRHEAD-Top-3 geblieben - ich habe die CD seinerzeit übrigens kurz nach Erscheinen bei einer Metal-Disko gewonnen -, und ich finde die Scheibe so geil, dass es ein Drittel meines MOTÖRHEAD-Tattoos einnimmt:

Zunächst einmal der vielleicht coolste Fakt: einmal mehr ist die Coverversion (hier Sex Pistols’ „God Save The Queen“) der verzichtbarste Song. Das finde ich insofern bemerkenswert, weil Covers bei Legionen von Bands die Highlights auf ihren Alben darstellen. MOTÖRHEAD waren einfach derart gute Songwriter, dass diese Gefahr nicht bestand. Obwohl man dazu sagen muss, dass ihre besten Cover nicht auf den regulären Alben zu finden sind. Dennoch hat es „God Save The Queen“ als einziger Song des Albums zu einem Videoclip gebracht.

Da ist der Doublebass-Burner (hargh hargh) „See Me Burning“ als Eröffnungstrack von ganz anderem Kaliber als die olle Johnny Rotten-Nummer. Was für ein Brecher, gefolgt vom stampfenden „Slow Dance“ und dem treibenden „Stay Out Of Jail“. Wer hier nicht vom Stuhl springt und wild bangend um den Tisch berserkert, hat wahrscheinlich gerade beide Beine in Gips. Ein unfassbar geiles Eröffnungs-Triple.

„Wake The Dead“ als eins der beiden aus dem Rahmen fallenden Stücke hätte auch auf eins der letzten Alben gepasst. Viele Tempowechsel, ein Akustikpart in der Mitte und ein relativ komplexer Aufbau in Verbindung mit einer „Orgasmatron“-artigen Atmosphäre geben dem Track eine progressive Note, die MOTÖRHEAD ausgezeichnet steht.

Anschließend folgt mit „One More Fucking Time“ die zweite nicht ganz typische Nummer. MOTÖRHEAD haben hier eine weitere Ballade geschrieben, die allerdings leider ihre Längen hat und an Stücke der Marke „Don’t Let Daddy Kiss Me“, „Lost In The Ozone“ oder „Love Me Forever“ ohne schwach zu sein musikalisch nicht ganz heranreicht. Textlich ist das Stück melancholisch und einmal mehr von Verlusten und Enttäuschungen geprägt. „And I Will Plead No Contest / If Loving You’s A Crime / So Go On And Find Me Guilty / Just One More Fucking Time“ - das ist nichts weniger als Poesie und ein weiterer Beweis dafür, dass Lemmy so viel mehr war als ein versoffener und verdrogter Rockstar.

Überhaupt stehen die Texte an vielen Stellen im Gegensatz zu dem von mir vermuteten gestärkten Selbstvertrauen der Band. Das Understatement „We Are Motörhead And We Don’t Have No Class“ ist hier die augenzwinkernde Ausnahme, während ein Track wie „Stay Out Of Jail“ einen Kleinkriminellen beschreibt, der rastlos und unentschlossen wirkt und auf mich zumindest ein bisschen einen autobiografischen Eindruck macht. „We’re On The Run, We’re Under The Gun / Sneaking And Hiding, Away From The Sun / Breaking The Law, Don’t Know What For / Our Generation Is Made Up Of Whores“ heißt es niedergeschlagen in „(Wearing Your) Heart On Your Sleeve“. Was wohl zu dieser Zeit in Lemmy vorging?

Jahrelang ging das Gerücht, „Stagefright/Crash And Burn“ beziehe sich auf Phil Campbells extremes Lampenfieber. Bei meinem einzigen Treffen mit Lemmy anlässlich eines Interviews auf der „Motörizer“-Promoreise habe ich ihn danach gefragt - und es war eine Ente. Lampenfieber gebe es bei MOTÖRHEAD generell nicht. Übrigens war dieses Treffen ein riesiges Highlight meines Lebens. Sollte Interesse bestehen, würde ich davon auch beizeiten berichten.

Der Titeltrack steht am Ende des Albums und tritt das Gaspedal noch einmal richtig durch. Der Song steht in der Tradition solcher Nummern wie „Ace Of Spades“ oder „Iron Fist“ und wurde häufig als Opener bei Liveshows gespielt. Aber eins macht gerade dieser Track deutlich, ob Lemmy das nun wahrhaben wollte oder nicht: in dieser Besetzung waren MOTÖRHEAD meistens deutlich näher am Metal als am Rock ‘n’ Roll. Gerade das Powerdrumming von Mikkey Dee lässt den lockeren Rock-Swing eines Philthy vermissen und geht wesentlich straighter nach vorne, obwohl auch er nicht mit technischen Schmankerln geizt.

Überhaupt war Lemmys Verhältnis zu Metal merkwürdig ambivalent. Er ließ keine Gelegenheit aus zu betonen, dass er Metal nicht leiden konnte, dennoch hing er viel mit Metal-Musikern ab, seine eigene Band hatte nicht wenig Metal im Sound (vom Einfluss auf das ganze Genre ganz zu schweigen) und coverte letztlich sogar Metal-Songs. Da würde mich mal die Meinung von Tourbegleitern wie Kreator, Sodom, Entombed, Sepultura, Manowar, Exciter, King Diamond und Dutzenden anderer interessieren.

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Was gibt es noch zu sagen? „We Are Motörhead“ hat - Joe Petagno sei es gedankt - eines der geilsten Cover der Bandgeschichte. Der extrem wuchtige Sound wurde von Charlie Bauerfeind angerührt und von einigen anderen finalisiert, Howard Benson war nach „Snakebite Love“ aus dem Spiel.

Das Album führt nicht nur bei den Fans ein Schattendasein, in „White Line Fever“ erwähnt Lemmy lediglich, dass es das Album gibt, man dazu getourt hat und er am Ende der Tour einen Zusammenbruch hatte. Auf die Musik oder die Texte geht er mit keinem Wort ein. Keine Ahnung, ob er zu dem Album ein gespaltenes Verhältnis hatte oder es einfach zum Zeitpunkt des Buches noch zu frisch war für eine ausführlichere Rückschau. Auch live war „We Are Motörhead“ insgesamt nur wenig präsent. Wirklich schade, denn das Teil ist einfach toll und macht mir zu jedem Zeitpunkt Spaß.

In der Dankesliste steht im krassen Gegensatz zu diesem ziemlich schnellen Album Lemmys Aussage „As you get older, you get slower - I do apologize!“ Das passt zu dem Gerücht, Lemmy habe von der Sauferei einen schlimmen Tremor gehabt, der es ihm nicht erlaubte, zuviele schnelle Nummern bei Konzerten zu spielen. Absoluter Blödsinn, wenn ihr mich fragt, denn MOTÖRHEAD haben live (abgesehen von den letzten zwei, drei Jahren) immer mächtig aufs Gaspedal getreten, und der Bass war ganz sicher nie in den Hintergrund gemischt und genau so sicher live von Lemmy selbst gespielt.

Der Titelsong wurde jahrelang mit unverändertem Text von den niederländischen Goddess Of Desire gecovert, was ich immer etwas albern fand.

Mehr fällt mir nicht ein, außer dass MOTÖRHEAD wohl wirklich Seelen retten konnten, siehe Textausschnitt oben aus dem Titelsong. They are MOTÖRHEAD, and they play Rock ‘n’ Roll in our hearts and souls forever!

 
MOTÖRHEAD - We Are Motörhead
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We Shoot Power To Your Heart / A Mighty Thunderbolt / We Charge All Batteries / We Save Your Souls

Wie kann man einen Albumtitel wie „We Are Motörhead“ interpretieren? Sollte man es einfach nur als Ansage verstehen, so als würde die Band gleich in ein Konzert einsteigen? War er dem 25-jährigen Bandbestehen geschuldet, das im Veröffentlichungsjahr des Albums begangen wurde? Oder wollte man zu dem Zeitpunkt ein Statement der Marke „das ist es jetzt. Wir sind Motörhead, die einzig wahre Besetzung, vergesst alles davor und danach“ abgeben?

Für Letzteres würde zumindest die hohe Qualität eines der wohl am häufigsten übersehenen Alben der Bandgeschichte sprechen. „Sacrifice“, „Overnight Sensation“ und „Snakebite Love“ waren allesamt stark, hatten aber alle das eine oder andere Experiment zu bieten, während man sich bei „We Are Motörhead“ bis auf zwei Ausnahmen gewissermaßen auf die Essenz des Bandsounds konzentrierte. Man hört, dass Lemmy, Phil und Mikkey zu dem Zeitpunkt vor Selbstvertrauen nur so strotzten und sich in der aktuellen Dreierbesetzung pudelwohl fühlten. Die Arbeit der Plattenfirma Steamhammer zahlte sich zunehmend aus, MOTÖRHEAD krochen immer weiter aus dem Neunziger-Loch und erarbeiteten sich auch bei einer völlig neuen Generation von Rock-Fans einen Kultstatus.

Warum wollte ich das Album eigentlich reviewen? Ich habe eigentlich gar keine persönliche Geschichte dazu zu erzählen. Wahrscheinlich war es der Angst geschuldet, jemand könne das Album irgendwo ins Mittelmaß schieben und ihm damit einmal mehr das Rampenlicht verweigern, das ihm seit mittlerweile achtzehn langen Jahren zusteht. Und hier ist dann auch meine Motivation zu finden, denn „We Are Motörhead“ ist seit seinem Erscheinen immer in meiner MOTÖRHEAD-Top-3 geblieben - ich habe die CD seinerzeit übrigens kurz nach Erscheinen bei einer Metal-Disko gewonnen -, und ich finde die Scheibe so geil, dass es ein Drittel meines MOTÖRHEAD-Tattoos einnimmt:

Zunächst einmal der vielleicht coolste Fakt: einmal mehr ist die Coverversion (hier Sex Pistols’ „God Save The Queen“) der verzichtbarste Song. Das finde ich insofern bemerkenswert, weil Covers bei Legionen von Bands die Highlights auf ihren Alben darstellen. MOTÖRHEAD waren einfach derart gute Songwriter, dass diese Gefahr nicht bestand. Obwohl man dazu sagen muss, dass ihre besten Cover nicht auf den regulären Alben zu finden sind. Dennoch hat es „God Save The Queen“ als einziger Song des Albums zu einem Videoclip gebracht.

Da ist der Doublebass-Burner (hargh hargh) „See Me Burning“ als Eröffnungstrack von ganz anderem Kaliber als die olle Johnny Rotten-Nummer. Was für ein Brecher, gefolgt vom stampfenden „Slow Dance“ und dem treibenden „Stay Out Of Jail“. Wer hier nicht vom Stuhl springt und wild bangend um den Tisch berserkert, hat wahrscheinlich gerade beide Beine in Gips. Ein unfassbar geiles Eröffnungs-Triple.

„Wake The Dead“ als eins der beiden aus dem Rahmen fallenden Stücke hätte auch auf eins der letzten Alben gepasst. Viele Tempowechsel, ein Akustikpart in der Mitte und ein relativ komplexer Aufbau in Verbindung mit einer „Orgasmatron“-artigen Atmosphäre geben dem Track eine progressive Note, die MOTÖRHEAD ausgezeichnet steht.

Anschließend folgt mit „One More Fucking Time“ die zweite nicht ganz typische Nummer. MOTÖRHEAD haben hier eine weitere Ballade geschrieben, die allerdings leider ihre Längen hat und an Stücke der Marke „Don’t Let Daddy Kiss Me“, „Lost In The Ozone“ oder „Love Me Forever“ ohne schwach zu sein musikalisch nicht ganz heranreicht. Textlich ist das Stück melancholisch und einmal mehr von Verlusten und Enttäuschungen geprägt. „And I Will Plead No Contest / If Loving You’s A Crime / So Go On And Find Me Guilty / Just One More Fucking Time“ - das ist nichts weniger als Poesie und ein weiterer Beweis dafür, dass Lemmy so viel mehr war als ein versoffener und verdrogter Rockstar.

Überhaupt stehen die Texte an vielen Stellen im Gegensatz zu dem von mir vermuteten gestärkten Selbstvertrauen der Band. Das Understatement „We Are Motörhead And We Don’t Have No Class“ ist hier die augenzwinkernde Ausnahme, während ein Track wie „Stay Out Of Jail“ einen Kleinkriminellen beschreibt, der rastlos und unentschlossen wirkt und auf mich zumindest ein bisschen einen autobiografischen Eindruck macht. „We’re On The Run, We’re Under The Gun / Sneaking And Hiding, Away From The Sun / Breaking The Law, Don’t Know What For / Our Generation Is Made Up Of Whores“ heißt es niedergeschlagen in „(Wearing Your) Heart On Your Sleeve“. Was wohl zu dieser Zeit in Lemmy vorging?

Jahrelang ging das Gerücht, „Stagefright/Crash And Burn“ beziehe sich auf Phil Campbells extremes Lampenfieber. Bei meinem einzigen Treffen mit Lemmy anlässlich eines Interviews auf der „Motörizer“-Promoreise habe ich ihn danach gefragt - und es war eine Ente. Lampenfieber gebe es bei MOTÖRHEAD generell nicht. Übrigens war dieses Treffen ein riesiges Highlight meines Lebens. Sollte Interesse bestehen, würde ich davon auch beizeiten berichten.

Der Titeltrack steht am Ende des Albums und tritt das Gaspedal noch einmal richtig durch. Der Song steht in der Tradition solcher Nummern wie „Ace Of Spades“ oder „Iron Fist“ und wurde häufig als Opener bei Liveshows gespielt. Aber eins macht gerade dieser Track deutlich, ob Lemmy das nun wahrhaben wollte oder nicht: in dieser Besetzung waren MOTÖRHEAD meistens deutlich näher am Metal als am Rock ‘n’ Roll. Gerade das Powerdrumming von Mikkey Dee lässt den lockeren Rock-Swing eines Philthy vermissen und geht wesentlich straighter nach vorne, obwohl auch er nicht mit technischen Schmankerln geizt.

Überhaupt war Lemmys Verhältnis zu Metal merkwürdig ambivalent. Er ließ keine Gelegenheit aus zu betonen, dass er Metal nicht leiden konnte, dennoch hing er viel mit Metal-Musikern ab, seine eigene Band hatte nicht wenig Metal im Sound (vom Einfluss auf das ganze Genre ganz zu schweigen) und coverte letztlich sogar Metal-Songs. Da würde mich mal die Meinung von Tourbegleitern wie Kreator, Sodom, Entombed, Sepultura, Manowar, Exciter, King Diamond und Dutzenden anderer interessieren.

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Was gibt es noch zu sagen? „We Are Motörhead“ hat - Joe Petagno sei es gedankt - eines der geilsten Cover der Bandgeschichte. Der extrem wuchtige Sound wurde von Charlie Bauerfeind angerührt und von einigen anderen finalisiert, Howard Benson war nach „Snakebite Love“ aus dem Spiel.

Das Album führt nicht nur bei den Fans ein Schattendasein, in „White Line Fever“ erwähnt Lemmy lediglich, dass es das Album gibt, man dazu getourt hat und er am Ende der Tour einen Zusammenbruch hatte. Auf die Musik oder die Texte geht er mit keinem Wort ein. Keine Ahnung, ob er zu dem Album ein gespaltenes Verhältnis hatte oder es einfach zum Zeitpunkt des Buches noch zu frisch war für eine ausführlichere Rückschau. Auch live war „We Are Motörhead“ insgesamt nur wenig präsent. Wirklich schade, denn das Teil ist einfach toll und macht mir zu jedem Zeitpunkt Spaß.

In der Dankesliste steht im krassen Gegensatz zu diesem ziemlich schnellen Album Lemmys Aussage „As you get older, you get slower - I do apologize!“ Das passt zu dem Gerücht, Lemmy habe von der Sauferei einen schlimmen Tremor gehabt, der es ihm nicht erlaubte, zuviele schnelle Nummern bei Konzerten zu spielen. Absoluter Blödsinn, wenn ihr mich fragt, denn MOTÖRHEAD haben live (abgesehen von den letzten zwei, drei Jahren) immer mächtig aufs Gaspedal getreten, und der Bass war ganz sicher nie in den Hintergrund gemischt und genau so sicher live von Lemmy selbst gespielt.

Der Titelsong wurde jahrelang mit unverändertem Text von den niederländischen Goddess Of Desire gecovert, was ich immer etwas albern fand.

Mehr fällt mir nicht ein, außer dass MOTÖRHEAD wohl wirklich Seelen retten konnten, siehe Textausschnitt oben aus dem Titelsong. They are MOTÖRHEAD, and they play Rock ‘n’ Roll in our hearts and souls forever!

Matty, einfach nur geil:verehr::verehr::verehr: In Deinem Review steht SO VIEL WAHRES drin:top::top::top: (ich wusste schon, warum ich mich so darauf vorfreue;))

Das Album ist einfach nur schweinegeil. Ein richtiger Grower in der Diskografie. Das Album-Cover ist saustark. Das des Sex Pistols-Songs tatsächlich der verzichtbarste aller 10 Titel. Ja, One More Fucking Time hat nen viel besseren Text als Melodie/Songaufbau.

Ich stelle mir das so vor: Lemmy, Phil und Mikkey kommen im Mai 98 von der Bühne in Ham-Börk(!) und sind total euphorisiert. "Leute, war das ein schweinegeiler Gig!" In dieser aufgeputschten Verfassung trümmern sie dann We Are Motörhead ein.
War natürlich nicht so, wäre aber ne Erklärung...

Meine Favoriten: See Me Burning (der "Burner" Vol.II:jubel:), der Groover Slow Dance (goiler Text:D), Stay Out Of Jail, Wake The Dead.

Auf diesem Album geht, trotz God Save The Queen:), der Punk ab:top::top:
 
So steht es zumindest auf der Tracklist des Tribute Samplers:
MOTÖRMORPHÖSIS part I
Song Nr. 19 drauf!
Goddes of Desire - they are motörhead:jubel:

Übrigens: ich mag auch part II von MOTÖRMORPHÖSIS ;)
 
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Wie kann man einen Albumtitel wie „We Are Motörhead“ interpretieren? Sollte man es einfach nur als Ansage verstehen, so als würde die Band gleich in ein Konzert einsteigen? War er dem 25-jährigen Bandbestehen geschuldet, das im Veröffentlichungsjahr des Albums begangen wurde? Oder wollte man zu dem Zeitpunkt ein Statement der Marke „das ist es jetzt. Wir sind Motörhead, die einzig wahre Besetzung, vergesst alles davor und danach“ abgeben?

Für Letzteres würde zumindest die hohe Qualität eines der wohl am häufigsten übersehenen Alben der Bandgeschichte sprechen. „Sacrifice“, „Overnight Sensation“ und „Snakebite Love“ waren allesamt stark, hatten aber alle das eine oder andere Experiment zu bieten, während man sich bei „We Are Motörhead“ bis auf zwei Ausnahmen gewissermaßen auf die Essenz des Bandsounds konzentrierte. Man hört, dass Lemmy, Phil und Mikkey zu dem Zeitpunkt vor Selbstvertrauen nur so strotzten und sich in der aktuellen Dreierbesetzung pudelwohl fühlten. Die Arbeit der Plattenfirma Steamhammer zahlte sich zunehmend aus, MOTÖRHEAD krochen immer weiter aus dem Neunziger-Loch und erarbeiteten sich auch bei einer völlig neuen Generation von Rock-Fans einen Kultstatus.

Warum wollte ich das Album eigentlich reviewen? Ich habe eigentlich gar keine persönliche Geschichte dazu zu erzählen. Wahrscheinlich war es der Angst geschuldet, jemand könne das Album irgendwo ins Mittelmaß schieben und ihm damit einmal mehr das Rampenlicht verweigern, das ihm seit mittlerweile achtzehn langen Jahren zusteht. Und hier ist dann auch meine Motivation zu finden, denn „We Are Motörhead“ ist seit seinem Erscheinen immer in meiner MOTÖRHEAD-Top-3 geblieben - ich habe die CD seinerzeit übrigens kurz nach Erscheinen bei einer Metal-Disko gewonnen -, und ich finde die Scheibe so geil, dass es ein Drittel meines MOTÖRHEAD-Tattoos einnimmt:

Zunächst einmal der vielleicht coolste Fakt: einmal mehr ist die Coverversion (hier Sex Pistols’ „God Save The Queen“) der verzichtbarste Song. Das finde ich insofern bemerkenswert, weil Covers bei Legionen von Bands die Highlights auf ihren Alben darstellen. MOTÖRHEAD waren einfach derart gute Songwriter, dass diese Gefahr nicht bestand. Obwohl man dazu sagen muss, dass ihre besten Cover nicht auf den regulären Alben zu finden sind. Dennoch hat es „God Save The Queen“ als einziger Song des Albums zu einem Videoclip gebracht.

Da ist der Doublebass-Burner (hargh hargh) „See Me Burning“ als Eröffnungstrack von ganz anderem Kaliber als die olle Johnny Rotten-Nummer. Was für ein Brecher, gefolgt vom stampfenden „Slow Dance“ und dem treibenden „Stay Out Of Jail“. Wer hier nicht vom Stuhl springt und wild bangend um den Tisch berserkert, hat wahrscheinlich gerade beide Beine in Gips. Ein unfassbar geiles Eröffnungs-Triple.

„Wake The Dead“ als eins der beiden aus dem Rahmen fallenden Stücke hätte auch auf eins der letzten Alben gepasst. Viele Tempowechsel, ein Akustikpart in der Mitte und ein relativ komplexer Aufbau in Verbindung mit einer „Orgasmatron“-artigen Atmosphäre geben dem Track eine progressive Note, die MOTÖRHEAD ausgezeichnet steht.

Anschließend folgt mit „One More Fucking Time“ die zweite nicht ganz typische Nummer. MOTÖRHEAD haben hier eine weitere Ballade geschrieben, die allerdings leider ihre Längen hat und an Stücke der Marke „Don’t Let Daddy Kiss Me“, „Lost In The Ozone“ oder „Love Me Forever“ ohne schwach zu sein musikalisch nicht ganz heranreicht. Textlich ist das Stück melancholisch und einmal mehr von Verlusten und Enttäuschungen geprägt. „And I Will Plead No Contest / If Loving You’s A Crime / So Go On And Find Me Guilty / Just One More Fucking Time“ - das ist nichts weniger als Poesie und ein weiterer Beweis dafür, dass Lemmy so viel mehr war als ein versoffener und verdrogter Rockstar.

Überhaupt stehen die Texte an vielen Stellen im Gegensatz zu dem von mir vermuteten gestärkten Selbstvertrauen der Band. Das Understatement „We Are Motörhead And We Don’t Have No Class“ ist hier die augenzwinkernde Ausnahme, während ein Track wie „Stay Out Of Jail“ einen Kleinkriminellen beschreibt, der rastlos und unentschlossen wirkt und auf mich zumindest ein bisschen einen autobiografischen Eindruck macht. „We’re On The Run, We’re Under The Gun / Sneaking And Hiding, Away From The Sun / Breaking The Law, Don’t Know What For / Our Generation Is Made Up Of Whores“ heißt es niedergeschlagen in „(Wearing Your) Heart On Your Sleeve“. Was wohl zu dieser Zeit in Lemmy vorging?

Jahrelang ging das Gerücht, „Stagefright/Crash And Burn“ beziehe sich auf Phil Campbells extremes Lampenfieber. Bei meinem einzigen Treffen mit Lemmy anlässlich eines Interviews auf der „Motörizer“-Promoreise habe ich ihn danach gefragt - und es war eine Ente. Lampenfieber gebe es bei MOTÖRHEAD generell nicht. Übrigens war dieses Treffen ein riesiges Highlight meines Lebens. Sollte Interesse bestehen, würde ich davon auch beizeiten berichten.

Der Titeltrack steht am Ende des Albums und tritt das Gaspedal noch einmal richtig durch. Der Song steht in der Tradition solcher Nummern wie „Ace Of Spades“ oder „Iron Fist“ und wurde häufig als Opener bei Liveshows gespielt. Aber eins macht gerade dieser Track deutlich, ob Lemmy das nun wahrhaben wollte oder nicht: in dieser Besetzung waren MOTÖRHEAD meistens deutlich näher am Metal als am Rock ‘n’ Roll. Gerade das Powerdrumming von Mikkey Dee lässt den lockeren Rock-Swing eines Philthy vermissen und geht wesentlich straighter nach vorne, obwohl auch er nicht mit technischen Schmankerln geizt.

Überhaupt war Lemmys Verhältnis zu Metal merkwürdig ambivalent. Er ließ keine Gelegenheit aus zu betonen, dass er Metal nicht leiden konnte, dennoch hing er viel mit Metal-Musikern ab, seine eigene Band hatte nicht wenig Metal im Sound (vom Einfluss auf das ganze Genre ganz zu schweigen) und coverte letztlich sogar Metal-Songs. Da würde mich mal die Meinung von Tourbegleitern wie Kreator, Sodom, Entombed, Sepultura, Manowar, Exciter, King Diamond und Dutzenden anderer interessieren.

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Was gibt es noch zu sagen? „We Are Motörhead“ hat - Joe Petagno sei es gedankt - eines der geilsten Cover der Bandgeschichte. Der extrem wuchtige Sound wurde von Charlie Bauerfeind angerührt und von einigen anderen finalisiert, Howard Benson war nach „Snakebite Love“ aus dem Spiel.

Das Album führt nicht nur bei den Fans ein Schattendasein, in „White Line Fever“ erwähnt Lemmy lediglich, dass es das Album gibt, man dazu getourt hat und er am Ende der Tour einen Zusammenbruch hatte. Auf die Musik oder die Texte geht er mit keinem Wort ein. Keine Ahnung, ob er zu dem Album ein gespaltenes Verhältnis hatte oder es einfach zum Zeitpunkt des Buches noch zu frisch war für eine ausführlichere Rückschau. Auch live war „We Are Motörhead“ insgesamt nur wenig präsent. Wirklich schade, denn das Teil ist einfach toll und macht mir zu jedem Zeitpunkt Spaß.

In der Dankesliste steht im krassen Gegensatz zu diesem ziemlich schnellen Album Lemmys Aussage „As you get older, you get slower - I do apologize!“ Das passt zu dem Gerücht, Lemmy habe von der Sauferei einen schlimmen Tremor gehabt, der es ihm nicht erlaubte, zuviele schnelle Nummern bei Konzerten zu spielen. Absoluter Blödsinn, wenn ihr mich fragt, denn MOTÖRHEAD haben live (abgesehen von den letzten zwei, drei Jahren) immer mächtig aufs Gaspedal getreten, und der Bass war ganz sicher nie in den Hintergrund gemischt und genau so sicher live von Lemmy selbst gespielt.

Der Titelsong wurde jahrelang mit unverändertem Text von den niederländischen Goddess Of Desire gecovert, was ich immer etwas albern fand.

Mehr fällt mir nicht ein, außer dass MOTÖRHEAD wohl wirklich Seelen retten konnten, siehe Textausschnitt oben aus dem Titelsong. They are MOTÖRHEAD, and they play Rock ‘n’ Roll in our hearts and souls forever!

Wie immer hier: :feierei:

Ich muss zugeben, dass ich mich mit der Platte bis dato kaum intensiv auseinandergesetzt habe. Wie schon ein paar Mal geschrieben vergöttere ich ja vor allem das Frühwerk sowie die Würzel-Phase. Aber das Review macht Bock, da habe ich weihnachtliche Hausaufgaben. ;)
 
Danke für das Review zu meiner allerersten Motörhead Platte. Da werden echt Erinnerungen an diverse Partys damals wach. Wie ich sie alle immer gezwungen habe, mindestens drei Songs pro Abend von diesem Album zu spielen. :D Ich hab meinen Text über Motörhead übrigens auch fertig, der geht dann morgen zu Lemmys Geburtstag online. Bis dahin durchforste ich erstmal den Thread nach weiteren Reviews, die wirklich alle klasse geschrieben sind.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bei meinem einzigen Treffen mit Lemmy anlässlich eines Interviews auf der „Motörizer“-Promoreise habe ich ihn danach gefragt - und es war eine Ente. Lampenfieber gebe es bei MOTÖRHEAD generell nicht. Übrigens war dieses Treffen ein riesiges Highlight meines Lebens. Sollte Interesse bestehen, würde ich davon auch beizeiten berichten.

Na, was glaubst?
 
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