♠ Every Month is MOTÖRMONTH! ♠

Danke für dieses schöne Review!
1916 war auch mein endgültiger Einstieg und mein erstes Motörhead-Album.
Ace Of Spades kannte ich damals schon von einem Sampler, richtig abgeholt hat mich dann aber erst No Voices In The Sky.
Warum und wo, das erfahrt ihr bald näher. ;)
Danach war jedenfalls nichts wie vorher!

Ramones ist mein persönlicher Hit auf diesem Teil.
Das fährt mir so in die Hüfte.

Schön auch die Geschichte über deinen Urgroßvater.
Ich kann das nachvollziehen, da es mir mit den Kriegsgeschichten meines Großvaters ähnlich geht.
Ohne ihn und seine Erzählungen wäre mein Weltbild ein anderes.
Womöglich hätten Songs wie 1916 oder später March Ör Die heute nicht diese unglaubliche Authentizität.
Er wird in zwei Wochen 93 Jahre alt. Angesichts der überlebten Granateinschläge und Feindkontakte an der Westfront 44/45 ein Wunder. Die himmelschreiende Sinnlosigkeit des Krieges. Ein alter Mann inmitten seiner vier Urenkel, der nur ein wundervoller Großvater sein darf, weil er mit 18 Jahren das Glück hatte, was seinen Kameraden im Schützengraben fehlte. Von ihnen hat er nie erzählt. Keine Namen, keine Details. Ich weiß nur wie sie starben.

Wir können das gern mal an anderer Stelle vertiefen.
ja, mensch, mir schießen durch die Diskussion hier auch dauernd Erinnerungen durch den Kopf.. Habe mich in letzter Zeit wieder recht viel mit WW1 auseinandergesetzt, das war alles so dermaßen sick... Zu WW2 bzw. der verkorksten Nachkriegsgeneration und den stummen Großvätern/vätern gibt es ein sehr, sehr gutes und interessantes Buch, von dem ich leider den Titel nicht mehr weiß, verdammich, aber in Richtung Die Kinder des Krieges oder so und zweiter Teil dann mit den Enkeln. Hab hier aber mal einen einführenden Link zum sehr spannenden Thema, bis ich wieder aud die Bücher komme: https://de.wikipedia.org/wiki/Kriegsenkel. Vieles davon könnte auch Lemmys z.T. morbide Faszination für Devotionalien und auch sein starkes Interesse an Büchern zum Thema jedenfalls teilweise erklären. Auch die Briten waren schließlich kriegstraumatisiert, wie alle...
 
das mein lieber Freund @Eisenkanzler angst davor hatte...hier seine Rezi...über eines der besten Motörhead Alben...in den Sand zu setzen...war im nachhinein ja unbegründet...wie er jetzt selbst feststellen durfte...mein Lieber...du hast das ganz bravourös gemacht...die songs einzeln zu beschreiben war ne klasse idee...danke auch für deine Gedanken und Gefühle an denen wir teilhaben durften...meine Lieblingssongs sind übrigens "No Voices..." , "Make My Day" , "Goin' To Brazil", "Nightmare/The Dreamtime" und "1916"!!! :feierei:
 
das mein lieber Freund @Eisenkanzler angst davor hatte...hier seine Rezi...über eines der besten Motörhead Alben...in den Sand zu setzen...war im nachhinein ja unbegründet...wie er jetzt selbst feststellen durfte...mein Lieber...du hast das ganz bravourös gemacht...die songs einzeln zu beschreiben war ne klasse idee...danke auch für deine Gedanken und Gefühle an denen wir teilhaben durften...meine Lieblingssongs sind übrigens "No Voices..." , "Make My Day" , "Goin' To Brazil", "Nightmare/The Dreamtime" und "1916"!!! :feierei:
Danke :)
 
Ich habe momentan leider nicht die Zeit hier alles mitzulesen, das werde ich bei Gelegenheit mal nachholen. Ich möchte aber hier mal ein riesiges Lob an alle Beteiligten (insbesondere den Rezensenten) aussprechen die diesen tollen Thread möglich machen. Genau das ist so etwas dass ich an diesem Forum schätze, die Auseinandersetzung mit der von uns aller geliebten Musik und Bands. Genau das ist das was dieses Forum und diese Community so lebendig aber auch einzigartig macht. Danke dafür, liebe DFF-Mitstreiter!

:top:
 
Zuletzt bearbeitet:
1916 - auf ewig mein Motörhead- favorite no.1! So viele Platten im Backkatalog haben mich begeistert, aber keine so sehr wie 1916, meine erste, die ich direkt am Erscheinungstag erwarb! No voices in the sky is so ne geile Hymne, going to brazil summe ich jedes mal, wenn ich mal wieder inner Boing unterwegs bin, love me forever ist für mich der Prototyp einer nicht- peinlichen Ballade, R.A.M.O.N.E.S. eine Huldigung auf eine DER Bands meiner Jugend und der Titeltrack mit das ergreifendste, was mir bis dato zu Ohren kam. Meine Englisch- Kentnisse waren eher so mau, aber der Text hat sich früh in mein Hirn gebrannt! Aber eigentlich sind alle Lieder 10/10 Punkte wert, das geile nightmare/the dreamtime vielleicht ein Spätzünder, aber dafür mittlerweile ein weiteres Highlight, ach scheiße, was soll ich noch sagen, außer I'm so bad, baby, I don't care! :feierei:
 
noch so lange bis zum nächsten Review...:hmmja:

Naja, es ist immerhin Vorweihnachtszeit, für die meisten Leute beruflich und privat die schlimmste Zeit des Jahres ;) , da dachte ich es ist ganz ok wenn es zu ein paar so halb geplanten Lücken kommt damit die Leute nachlesen bzw. nachhören können. Ist ja auch kein Spaß wenn alle schon die March ör Die diskutieren während man selber noch versucht Zeit für die Orgasmatron zu finden.
 
MOTÖRHEAD - March Ör Die
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March or croak / all your lives a cosmic joke / fill your days with piss and smoke / the wolf waits at your door

Nach „1916“, dem ersten Album für ein Major-Label, sah es für Lemmy und Co. erstmal düster aus. Für die Plattenfirma hatte die Platte nicht den erhofften Erfolg gebracht, und MOTÖRHEAD standen unter Druck. „March Ör Die“ hört und merkt man diesen Druck mehr als deutlich an. Kein anderes Album der Bandgeschichte liebäugelt derart offensichtlich mit dem Mainstream.

Doch auch abseits des eigentlichen Albums gab es Probleme, die sich natürlich auf dasselbe auswirkten. Ein Arbeiten mit Philthy „Animal“ Taylor war zu dem Zeitpunkt nicht mehr möglich, seine Performance ließ stark zu wünschen übrig. Er hatte für das Album im Vorfeld nicht geprobt und Schwierigkeiten mit dem Timing. In seiner Biografie gibt Lemmy zu Protokoll, dass man ihm „sogar“ ein Metronom habe hinstellen müssen, damit er die Geschwindigkeit halten könne. Was für tausende Rock- und Metal-Bands täglich Brot ist, war für Mr. Rock ‘n‘ Roll offensichtlich ein No-Go.
So kam es, dass Philthy lediglich beim Song ‚I Ain’t No Nice Guy‘ in die Felle drosch, der Rest des Albums wurde von Session-Drummer Tommy Aldridge eingetrommelt.
Moment mal, nicht der ganze Rest! Während des Studiobesuches gelang es Lemmy, endlich Mikkey Dee als neuen festen Trommler an Bord zu holen, an dem er in der Vergangenheit während dessen King Diamond-Zeiten schon erfolglos herumgebaggert hatte. Eben jener Mikkey, mit seiner blonden Föhnwelle* zumindest optisch ein Widerpart zum eher speckigen Look der restlichen Band, spielte immerhin ‚Hellraiser‘ und das auf dem Soundtrack zum gleichnamigen Film enthaltene ‚Hell On Earth‘ ein.

Das alleine wäre ja noch gar nicht so aufregend gewesen, aber das Album als Gesamtwerk lässt auch heute noch in mehrererlei Hinsicht tief blicken. Über das mäßig gelungene nicht-Petagno-Cover müssen an dieser Stelle nicht viele Worte verloren werden, überwarfen sich MOTÖRHEAD und ihr Management im Lauf der Jahrzehnte bekanntlich immer wieder mit dem genialen Designer. Viele verpasste Cover-Chancen waren die Folge, besonders schlimm zu sehen bei „Overnight Sensation“, „The Wörld Is Yours“ und „Motörizer“. Das „March Ör Die“-Frontbild ist sicher keine Vollkatastrophe, aber es wäre definitiv mehr drin gewesen.

Soundmäßig war das Album das größte Mainstream-Zugeständnis, das die Band jemals gemacht hat, wenig Punch, viel Hall und für MOTÖRHEAD-Verhältnisse teilweise regelrechter Plüsch – nur leider alles viel zu spät. Der Grunge hatte mit Melancholie, Selbstmitleid und erdigen Sounds längst seinen Siegeszug am einen Ende des Rock-Spektrums angetreten, während auf der anderen Seite der Death Metal Hunderttausende Kids mit immer größerer Brutalität fesselte. Dass eine Band wie MOTÖRHEAD, für sich genommen schon ein Dinosaurier, plötzlich die Achtziger für sich entdeckte, bewirkte meiner bescheidenen Meinung nach das genaue Gegenteil des gewünschten Effekts, neues Publikum an die Band zu binden. Das hatte wohl auch das Label WTG – ein Sony-Sublabel – so empfunden und pushte „March Ör Die“ kein Stück.

Selbst eine lupenreine Ballade wie ‚I Ain’t No Nice Guy‘ inklusive Namedropping war dem Label nicht genug, um das Mainstream-Radio zu füttern. Die Band bezahlte das zugehörige Video aus eigener Tasche und konnte sogar die Gastmusiker Ozzy und Slash zur Teilnahme am Dreh überreden. Am Ende des Tages war es trotzdem nur dem damals neuen Manager Todd Singerman und seinen Mitarbeitern zu verdanken, dass der Song überhaupt nennenswertes Airplay erhielt. Die Plattenfirma versuchte sogar aktiv, das zu unterbinden und sabotierte damit das Fortkommen der Band. Eigentlich unfassbar, aber Lemmy vermutete, dass WTG an diesem Punkt nur noch als Abschreibungsobjekt von Sony existierte – immerhin war auch die Mitarbeiterzahl auf ganze zwei Personen gesunken.

Als Song ist ‚I Ain’t No Nice Guy‘ nicht nur musikalisch ein Highlight, auch der Text eine von Lemmys zahlreichen lyrischen Sternstunden: „in all the years you spend between your life and death / you find there’s lot of times you should have saved your breath / it comes as quite a shock when that trip lead to a fall / I ain’t no nice guy after all”.

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Überhaupt hat „March Ör Die” textlich viel zu bieten. Der Titelsong ist eine bitterböse Abrechnung mit der Oberflächlichkeit der Gesellschaft und der dazu gehörigen Politik, der Opener ‚Stand‘ eine einzige Durchhalteparole, die einerseits Trost bieten und aufbauend wirken kann und andererseits Lemmys offensichtlichen Frust über das Musik-Business verkörpert. ‚Bad Religion‘ ist freilich als Religionskritik zu verstehen, und ‚Hellraiser‘ lese ich wie eine neue Version von ‚(We Are) The Roadcrew‘, nur diesmal aus der Perspektive des Musikers.

Und dann ist da noch ‚Too Good To Be True‘. Dieser Song ist zugleich mein Waterloo und mein rettender Strohhalm, war stets treuer Begleiter meines jugendlichen Liebeslebens und berührt mich auch heute bei jedem Hören erneut, erschüttert mich bis ins Mark. Jeder Mensch, der schon einmal geliebt UND gelitten hat, muss einfach bei diesem Song auf die Knie fallen. @zopilote hat es bereits beschrieben, nur dass er praktisch dieselben Gefühle auf ‚All For You‘ gemünzt hat, was ähnlich gut funktioniert. Lemmys Ruf als Raubein schwebte stets als Schatten über ihm, aber wenn man – wie bei solchen Texten – genau hingeschaut hat, war er ein sehr sensibler Mensch, der unter anderem hier einen echten Seelen-Striptease hingelegt hat. Und was für Typen müssen das eigentlich sein, die mit Lederkutte und hartem Getue einerseits auftrumpfen wollen und andererseits ausgerechnet bei einem Song des härtesten aller Rocker heulen wie ein ganzes Rudel Schlosshunde? Ich sag’s euch: so Typen wie ich.

Musikalisch gibt es einige typische MOTÖRHEAD-Highlights und leider auch ein paar weniger zwingende Nummern auf „March Ör Die“, allerdings keinen Uptempo-Song. Auf Drängen des Labels hat man außerdem Ted Nugents ‚Cat Scratch Fever‘ aufgenommen, leider ist diese Version des Klassikers jedoch völlig zahnlos. Ich kann mich an ein Interview aus der Zeit erinnern (ich glaube, es war im Rock Hard), in dem Lemmy zu Protokoll gab, dass er den Textabschnitt mit der ‚Pussycat living next door‘ abgeändert habe, weil er ihm zu peinlich gewesen sei. Das muss der Interviewer allerdings falsch verstanden haben, denn der Part steht nicht nur auf dem Textblatt, sondern ist auch klar im Gesang herauszuhören.

‚Stand‘ ist ein solider aber unauffälliger Rocker, ‚Bad Religion‘ eine schleppende Walze und das erste Highlight des Albums. ‚I Ain’t No Nice Guy‘ ist tatsächlich eine der stärksten Nummern auf dem Album, während ‚Hellraiser‘ der Version von Ozzy in meiner Wahrnehmung leider unterlegen ist. ‚Too Good To Be True‘ ist eigentlich ein typischer Goodtime-Rocker, hat aber durch Text und Gesangsmelodie einen latent melancholischen Touch, der mich völlig fertig macht und im Alleingang dafür sorgt, dass dieses Album eins meiner liebsten der Band ist. Der Titelsong ein pechschwarzer, dystopischer Stampfer, für mich der legitime ‚Orgasmatron‘-Nachfolger.

Das bluesige ‚You Better Run‘ hätte sich auch anstelle von ‚Just ‘Cos You Got The Power‘ prächtig in jeder Setlist gemacht, und immerhin hatte der Song trotzdem er live ignoriert wurde unter dem Titel ‚You Better Swim‘ viele Jahre später eine kleine Renaissance als Bestandteil des Soundtracks des „Spongebob“-Films. Einer von vielen Beweisen dafür, was für einen großartigen Sinn für Humor Lemmy hatte.
Dazwischen finden sich Songs wie ‚Asylum Choir‘, ‚Jack The Ripper‘ oder ‚Name In Vain‘, die allesamt okay sind, aber sicher nicht als Glanzlichter im Motörhead’schen Schaffen durchgehen.

Man konnte vielleicht bis hierher herauslesen, dass mir „March Ör Die“ sehr viel bedeutet. Dennoch ist es wahrscheinlich für die wenigsten Fans ein Favorit innerhalb der Diskografie. Es wirkt teilweise gezwungen, scheint ein offensichtlicher Versuch, irgendwie den Mainstream-Markt zu knacken und ist auch nicht so heavy wie die typischen Band-Klassiker. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Band selbst davon nicht restlos begeistert war, das beweist nicht zuletzt der viel härtere (und musikalisch über weite Strecken zwingendere) Nachfolger „Bastards“, der gerade einmal ein Jahr später erschien, ein musikalischer Befreiungsschlag war (‚Burner‘, ey!) und die Band auch in Sachen Label viel kleinere Brötchen backen ließ. Die Neunziger waren kommerziell gesehen nicht die beste Zeit für MOTÖRHEAD, musikalisch allerdings alles andere als schwach. Und selbst ein zwiespältiges Album wie "March Ör Die" bietet derart viel Licht, dass das bisschen Schatten im Vergleich mit großen Teilen der Konkurrenz Anfang der Neunziger immer noch genug Strahlkraft hatte, um problemlos als Jahreshighlight durchzugehen.

Die letzten nun folgenden Zeilen habe ich immer im Zusammenhang mit Frauen gehört, aber während ich sie jetzt abtippe, denke ich an Lemmy. Den Rocker, den harten Hund, den Sensiblen. Den Fremden, der mir trotzdem wie ein Freund war – und ist: „Cold and lonely without you / don’t know if I can make it through / maybe you’ll hear this song / you been gone way too long / too good to let it go, too good to be true“.

*An dieser Stelle soll nicht verschwiegen werden, dass Lemmy zu dieser Zeit gerne eine Jeans im Hot Pants-Format trug, die ihn zweifellos in seiner neuen Wahlheimat, dem Los Angeles der frühen Neunziger, etablieren konnte. Im knapp 1.800 km entfernten Seattle wäre dieser Look zu dem Zeitpunkt sicher nicht (mehr) so gut angekommen. Doch selbst dieser grenzwertige Stil konnte ihn nicht entstellen. Was für ein erstaunlicher Bastard.
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MOTÖRHEAD - March Ör Die
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March or croak / all your lives a cosmic joke / fill your days with piss and smoke / the wolf waits at your door

Nach „1916“, dem ersten Album für ein Major-Label, sah es für Lemmy und Co. erstmal düster aus. Für die Plattenfirma hatte die Platte nicht den erhofften Erfolg gebracht, und MOTÖRHEAD standen unter Druck. „March Ör Die“ hört und merkt man diesen Druck mehr als deutlich an. Kein anderes Album der Bandgeschichte liebäugelt derart offensichtlich mit dem Mainstream.

Doch auch abseits des eigentlichen Albums gab es Probleme, die sich natürlich auf dasselbe auswirkten. Ein Arbeiten mit Philthy „Animal“ Taylor war zu dem Zeitpunkt nicht mehr möglich, seine Performance ließ stark zu wünschen übrig. Er hatte für das Album im Vorfeld nicht geprobt und Schwierigkeiten mit dem Timing. In seiner Biografie gibt Lemmy zu Protokoll, dass man ihm „sogar“ ein Metronom habe hinstellen müssen, damit er die Geschwindigkeit halten könne. Was für tausende Rock- und Metal-Bands täglich Brot ist, war für Mr. Rock ‘n‘ Roll offensichtlich ein No-Go.
So kam es, dass Philthy lediglich beim Song ‚I Ain’t No Nice Guy‘ in die Felle drosch, der Rest des Albums wurde von Session-Drummer Tommy Aldridge eingetrommelt.
Moment mal, nicht der ganze Rest! Während des Studiobesuches gelang es Lemmy, endlich Mikkey Dee als neuen festen Trommler an Bord zu holen, an dem er in der Vergangenheit während dessen King Diamond-Zeiten schon erfolglos herumgebaggert hatte. Eben jener Mikkey, mit seiner blonden Föhnwelle* zumindest optisch ein Widerpart zum eher speckigen Look der restlichen Band, spielte immerhin ‚Hellraiser‘ und das auf dem Soundtrack zum gleichnamigen Film enthaltene ‚Hell On Earth‘ ein.

Das alleine wäre ja noch gar nicht so aufregend gewesen, aber das Album als Gesamtwerk lässt auch heute noch in mehrererlei Hinsicht tief blicken. Über das mäßig gelungene nicht-Petagno-Cover müssen an dieser Stelle nicht viele Worte verloren werden, überwarfen sich MOTÖRHEAD und ihr Management im Lauf der Jahrzehnte bekanntlich immer wieder mit dem genialen Designer. Viele verpasste Cover-Chancen waren die Folge, besonders schlimm zu sehen bei „Overnight Sensation“, „The Wörld Is Yours“ und „Motörizer“. Das „March Ör Die“-Frontbild ist sicher keine Vollkatastrophe, aber es wäre definitiv mehr drin gewesen.

Soundmäßig war das Album das größte Mainstream-Zugeständnis, das die Band jemals gemacht hat, wenig Punch, viel Hall und für MOTÖRHEAD-Verhältnisse teilweise regelrechter Plüsch – nur leider alles viel zu spät. Der Grunge hatte mit Melancholie, Selbstmitleid und erdigen Sounds längst seinen Siegeszug am einen Ende des Rock-Spektrums angetreten, während auf der anderen Seite der Death Metal Hunderttausende Kids mit immer größerer Brutalität fesselte. Dass eine Band wie MOTÖRHEAD, für sich genommen schon ein Dinosaurier, plötzlich die Achtziger für sich entdeckte, bewirkte meiner bescheidenen Meinung nach das genaue Gegenteil des gewünschten Effekts, neues Publikum an die Band zu binden. Das hatte wohl auch das Label WTG – ein Sony-Sublabel – so empfunden und pushte „March Ör Die“ kein Stück.

Selbst eine lupenreine Ballade wie ‚I Ain’t No Nice Guy‘ inklusive Namedropping war dem Label nicht genug, um das Mainstream-Radio zu füttern. Die Band bezahlte das zugehörige Video aus eigener Tasche und konnte sogar die Gastmusiker Ozzy und Slash zur Teilnahme am Dreh überreden. Am Ende des Tages war es trotzdem nur dem damals neuen Manager Todd Singerman und seinen Mitarbeitern zu verdanken, dass der Song überhaupt nennenswertes Airplay erhielt. Die Plattenfirma versuchte sogar aktiv, das zu unterbinden und sabotierte damit das Fortkommen der Band. Eigentlich unfassbar, aber Lemmy vermutete, dass WTG an diesem Punkt nur noch als Abschreibungsobjekt von Sony existierte – immerhin war auch die Mitarbeiterzahl auf ganze zwei Personen gesunken.

Als Song ist ‚I Ain’t No Nice Guy‘ nicht nur musikalisch ein Highlight, auch der Text eine von Lemmys zahlreichen lyrischen Sternstunden: „in all the years you spend between your life and death / you find there’s lot of times you should have saved your breath / it comes as quite a shock when that trip lead to a fall / I ain’t no nice guy after all”.

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Überhaupt hat „March Ör Die” textlich viel zu bieten. Der Titelsong ist eine bitterböse Abrechnung mit der Oberflächlichkeit der Gesellschaft und der dazu gehörigen Politik, der Opener ‚Stand‘ eine einzige Durchhalteparole, die einerseits Trost bieten und aufbauend wirken kann und andererseits Lemmys offensichtlichen Frust über das Musik-Business verkörpert. ‚Bad Religion‘ ist freilich als Religionskritik zu verstehen, und ‚Hellraiser‘ lese ich wie eine neue Version von ‚(We Are) The Roadcrew‘, nur diesmal aus der Perspektive des Musikers.

Und dann ist da noch ‚Too Good To Be True‘. Dieser Song ist zugleich mein Waterloo und mein rettender Strohhalm, war stets treuer Begleiter meines jugendlichen Liebeslebens und berührt mich auch heute bei jedem Hören erneut, erschüttert mich bis ins Mark. Jeder Mensch, der schon einmal geliebt UND gelitten hat, muss einfach bei diesem Song auf die Knie fallen. @zopilote hat es bereits beschrieben, nur dass er praktisch dieselben Gefühle auf ‚All For You‘ gemünzt hat, was ähnlich gut funktioniert. Lemmys Ruf als Raubein schwebte stets als Schatten über ihm, aber wenn man – wie bei solchen Texten – genau hingeschaut hat, war er ein sehr sensibler Mensch, der unter anderem hier einen echten Seelen-Striptease hingelegt hat. Und was für Typen müssen das eigentlich sein, die mit Lederkutte und hartem Getue einerseits auftrumpfen wollen und andererseits ausgerechnet bei einem Song des härtesten aller Rocker heulen wie ein ganzes Rudel Schlosshunde? Ich sag’s euch: so Typen wie ich.

Musikalisch gibt es einige typische MOTÖRHEAD-Highlights und leider auch ein paar weniger zwingende Nummern auf „March Ör Die“, allerdings keinen Uptempo-Song. Auf Drängen des Labels hat man außerdem Ted Nugents ‚Cat Scratch Fever‘ aufgenommen, leider ist diese Version des Klassikers jedoch völlig zahnlos. Ich kann mich an ein Interview aus der Zeit erinnern (ich glaube, es war im Rock Hard), in dem Lemmy zu Protokoll gab, dass er den Textabschnitt mit der ‚Pussycat living next door‘ abgeändert habe, weil er ihm zu peinlich gewesen sei. Das muss der Interviewer allerdings falsch verstanden haben, denn der Part steht nicht nur auf dem Textblatt, sondern ist auch klar im Gesang herauszuhören.

‚Stand‘ ist ein solider aber unauffälliger Rocker, ‚Bad Religion‘ eine schleppende Walze und das erste Highlight des Albums. ‚I Ain’t No Nice Guy‘ ist tatsächlich eine der stärksten Nummern auf dem Album, während ‚Hellraiser‘ der Version von Ozzy in meiner Wahrnehmung leider unterlegen ist. ‚Too Good To Be True‘ ist eigentlich ein typischer Goodtime-Rocker, hat aber durch Text und Gesangsmelodie einen latent melancholischen Touch, der mich völlig fertig macht und im Alleingang dafür sorgt, dass dieses Album eins meiner liebsten der Band ist. Der Titelsong ein pechschwarzer, dystopischer Stampfer, für mich der legitime ‚Orgasmatron‘-Nachfolger.

Das bluesige ‚You Better Run‘ hätte sich auch anstelle von ‚Just ‘Cos You Got The Power‘ prächtig in jeder Setlist gemacht, und immerhin hatte der Song trotzdem er live ignoriert wurde unter dem Titel ‚You Better Swim‘ viele Jahre später eine kleine Renaissance als Bestandteil des Soundtracks des „Spongebob“-Films. Einer von vielen Beweisen dafür, was für einen großartigen Sinn für Humor Lemmy hatte.
Dazwischen finden sich Songs wie ‚Asylum Choir‘, ‚Jack The Ripper‘ oder ‚Name In Vain‘, die allesamt okay sind, aber sicher nicht als Glanzlichter im Motörhead’schen Schaffen durchgehen.

Man konnte vielleicht bis hierher herauslesen, dass mir „March Ör Die“ sehr viel bedeutet. Dennoch ist es wahrscheinlich für die wenigsten Fans ein Favorit innerhalb der Diskografie. Es wirkt teilweise gezwungen, scheint ein offensichtlicher Versuch, irgendwie den Mainstream-Markt zu knacken und ist auch nicht so heavy wie die typischen Band-Klassiker. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Band selbst davon nicht restlos begeistert war, das beweist nicht zuletzt der viel härtere (und musikalisch über weite Strecken zwingendere) Nachfolger „Bastards“, der gerade einmal ein Jahr später erschien, ein musikalischer Befreiungsschlag war (‚Burner‘, ey!) und die Band auch in Sachen Label viel kleinere Brötchen backen ließ. Die Neunziger waren kommerziell gesehen nicht die beste Zeit für MOTÖRHEAD, musikalisch allerdings alles andere als schwach. Und selbst ein zwiespältiges Album wie "March Ör Die" bietet derart viel Licht, dass das bisschen Schatten im Vergleich mit großen Teilen der Konkurrenz Anfang der Neunziger immer noch genug Strahlkraft hatte, um problemlos als Jahreshighlight durchzugehen.

Die letzten nun folgenden Zeilen habe ich immer im Zusammenhang mit Frauen gehört, aber während ich sie jetzt abtippe, denke ich an Lemmy. Den Rocker, den harten Hund, den Sensiblen. Den Fremden, der mir trotzdem wie ein Freund war – und ist: „Cold and lonely without you / don’t know if I can make it through / maybe you’ll hear this song / you been gone way too long / too good to let it go, too good to be true“.

*An dieser Stelle soll nicht verschwiegen werden, dass Lemmy zu dieser Zeit gerne eine Jeans im Hot Pants-Format trug, die ihn zweifellos in seiner neuen Wahlheimat, dem Los Angeles der frühen Neunziger, etablieren konnte. Im knapp 1.800 km entfernten Seattle wäre dieser Look zu dem Zeitpunkt sicher nicht (mehr) so gut angekommen. Doch selbst dieser grenzwertige Stil konnte ihn nicht entstellen. Was für ein erstaunlicher Bastard.
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Sehr geil!
Das ist soweit auch mein Empfinden.
Ich leg die Scheibe gleich mal auf.
Hab sie früher sehr oft gehört.

Highlights ganz klar „Stand“, „Ain’t No Nice Guy“ und der Titelsong.

Ist schon krass, wenn man bedenkt wie die Band mit dem Label und der Zeit an sich angearscht war.
Umso bemerkenswerter die Beharrlichkeit, mit der Motörhead weitermachten und in den Folgejahren zu einer echten Band zusammenwuchsen. Im Sinne von Konstanz und Teamgeist. Und was für ein Brecher schon ein Jahr später folgen sollte!

„You Better Run“ wurde immerhin zum 25jährigen gespielt. Zu finden auf den 25&Alive - VÖ.

Auch wenn ich es in den letzten Jahren etwas stiefmütterlich behandelt habe, ich mag das Album!
 
Meine persönliche MOTÖRHEAD-Geschichte ist eng mit vier ganz bestimmten Jahreszahlen verbunden: 1980 - 1992 - 1999 - 2015. Meine Beziehung zu "Ace of Spades" (1980) habe ich bereits im entsprechenden Review ausführlich geschildert. 1992 begann (rückblickend betrachtet) mit "March Ör Die" meine zweite entscheidende Phase. Ich trat in dem Jahr nen neuen Job an und lernte dort meinen damaligen besten Freund kennen. Dieser spielte in ner lokalen Band, die sich wiederum mit den auch international ein bissel bekannt gewordenen "Soul Cages" nen Proberaum teilten.
Nachdem wir relativ schnell gemerkt hatten, dass wir auf die gleiche Mucke standen, waren natürlich auch gemeinsame Unternehmungen angesagt. Neben Metal-Urlaub in Lloret de Mar, unzähligen Konzerten, diversen Metal-Abenden in den Szene-Diskotheken des Ruhrpotts (Rockpalast in Bochum, Spektrum in Castrop-Rauxel, Point One in Hemer) plus Ausnüchterungen jeden Sonntag im Proberaum sind wir an einem Wochenende im Herbst '92 mit zwei Arbeitskolleginnen + Baby in der gummibereiften Kasperbude meines Kumpels nach Amsterdam gegurkt. Ich weiß nicht, ob er noch andere Platten an Bord hatte ... aber im Rückblick kommt es mir so vor, als wenn die ganze Zeit nur die "March Ör Die" gelaufen ist ... all die Stunden im Auto immer wieder rauf und runter. Wieder zu Hause konnte ich das Album auswendig und im Schlaf. Und komischerweise fand ich Lemmy gar nicht mehr so abschreckend wie Anfang der 80er Jahre. "March Ör Die" war der Beginn, die ersten Alben wurden sich zugelegt ... auch wenn MOTÖRHEAD bei mir immer noch nicht den ganz großen Durchbruch geschafft hatten. Das dauerte dann noch bis 1999 ... ♠
 
March Ör Die hat auch meine Erwartungen damals überhaupt nicht erfüllt, geb ich zu. Nachdem 1916 so ein geiles Teil war, sehe ich es wie Matty, dass die Band, auch durch den Umzug von Lem und Philthy, es unbedingt in den Staaten schaffen wollte. Aber mit diesem Album noch nicht. Nicht falsch verstehen: ich mag die Platte dennoch. Aber sie wirkt in manchen Teilen dann arg lahm, eben kein Banger an Bord! Ich habe mich erst auf Hell On Earth gefreut, weil meine Heroes schon wieder innem Film, juhu. Der Song ist schon ok, dafür der Film shit, nachdem seine beiden Vorgänger zum besten gehören, was je im Horror gedreht wurde - je!! Egal. Das Cover wirkte auf mich auch etwas komisch vom Look her, ist auch heute noch so, ist eben kein Petagno-Warpig. Stand gefällt ganz ok, ein bisserl arg radiotauglich. Scratch Cat Fever dafür nicht so. Bad Religion netter Midtempo-Stomp. Jack The Ripper hat'n paar nette Wendungen, fällt aber auch bei mir ansonsten durch. Das Dueet mit Ozzy logo cool, wenn auch Lagerfeuer-Atmo. Hellraiser ist ganz cool. Asylum Choir dann nix besonderes, hat aber wohl den schnellsten Beat der Platte und ist nicht schnell! Zu Too Good To Be True hat Matty alles gesagt, gefällt auch mir mit am besten auf MÖD. You Better Run ist mir auf Dauer zu lahm, wenn ich auch logo die Sponge Bob-Version mag. Name In Vain dann zum Glück wieder schneller, dafür aber nicht wirklich cool. Den Abschluß mit March Ör Die finde ich dafür wieder sehr gelungen. Tolle dunkle Stimmung!
Alles in allem eben kein wahres Highlight und läuft auch bei mir im hinteren Drittel der Gesamtdisco.
 
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