♠ Every Month is MOTÖRMONTH! ♠

OK, mal meine persönlichen Erinnerungen, die eigentlich extrem wenig mit MOTÖRHEAD direkt zu tun haben (und erst recht nicht mit der Hammered), aber schon in den Zeitraum fallen, als die Platte aktuell war.

Pfingsten 2003 war ich in meiner Heimatstadt Leverkusen an 'nem Baggersee zelten (ich wohnte damals in Niedersachsen), und lernte da auch ein ursprünglich aus Magdeburg stammendes Paar kennen: A. (sie) und F. (er). Die beiden waren echt nett, wir tauschten Telefonnummern aus, und wenige Wochen später (sollte das Himmelfahrtswochenende gewesen sein) trafen wir uns an gleicher Stelle wieder - doch das Wochenende sollte schlecht enden: A. verliebte sich Hals über Kopf in E., der ebenfalls Zelten gekommen war. Ich hab mich breit schlagen lassen, die ganze Bagage nach Hause zu fahren, und saß anschließend noch mit dem frisch verlassenen F. zusammen - und während ich wieder nach Niedersachsen fuhr, ging F. zurück zum Baggersee und warf sich dort vor 'nen Zug.

Erfahren hab ich das natürlich von A., und bei meinem nächsten Besuch in der Heimat fuhr ich dann auch bei ihr und E. vorbei - in gewisser Weise fühlte ich mich mit verantwortlich dafür, dass F. seinem Leben mit so einer Kurzschlussreaktion beendet hatte - dabei hatte er mir eigentlich ins Gesicht gelogen (jo, wir telefonieren die Tage!). So lernte ich jedenfalls E. besser kennen, Spitzname: Lemmy.

Eigentlich hatte er rein äußerlich ehr Ähnlichkeit mit Philthy 'Animal' Taylor. Jedenfalls war er großer MOTÖRHEAD-Fan, und versuchte seinem Namensvetter auch im 'Genussmittelkonsum' recht nahe zu kommen. Zudem konnte er recht reizbar sein, und hatte ein wenig Werkzeug (Garten- und Landschaftsbauer) in der Wohnung: wenn so ein Typ in Unterhose mit 'ner Axt in der Hand in der Küche steht (ich hatte damit zum Glück nix zu tun... ;)), dann wärst du lieber woanders...

Meine einzige MOTÖRHEAD-Clubshow (müsste Ende 2004 gewesen sein, Palladium Köln) hab ich jedenfalls auch mit A., E. und einigen ihrer übrigen Freunde besucht. Da ging zum Glück alles gut (es gab auch (Konzert)abende, an denen die schon sehr frühzeitig für nix mehr zu gebrauchen waren (und heim wollten)...), mal abgesehen davon, dass irgend ein Spacken gleich zu Beginn einen Bierbecher auf die Bühne geworfen hatte, woraufhin die Band erst einmal die Bühne verließ. Das Konzert ging dann irgendwie weiter, aber irgendwie konnte ich es nicht recht genießen, weil ich immer auf 'nen großen Knall gewartet habe...

2005 schlief mein Kontakt zu der Truppe ein, war vermutlich auch besser so. A. habe ich 2013 rein zufällig mal wieder an besagtem Baggersee getroffen, als ich meinen Sohn da hin gefahren habe: E. hat seinen Lebenswandel nicht so lange durchziehen können wie Lemmy, und schaut sich die Radieschen ebenfalls seit ein paar Jahren von unten an...

Mein Verhältnis zu MOTÖRHEAD wurde damals schon etwas geprägt: Born To Loose? Oder bin ich einfach nur zu spießig dafür?
OK, mal meine persönlichen Erinnerungen, die eigentlich extrem wenig mit MOTÖRHEAD direkt zu tun haben (und erst recht nicht mit der Hammered), aber schon in den Zeitraum fallen, als die Platte aktuell war.

Pfingsten 2003 war ich in meiner Heimatstadt Leverkusen an 'nem Baggersee zelten (ich wohnte damals in Niedersachsen), und lernte da auch ein ursprünglich aus Magdeburg stammendes Paar kennen: A. (sie) und F. (er). Die beiden waren echt nett, wir tauschten Telefonnummern aus, und wenige Wochen später (sollte das Himmelfahrtswochenende gewesen sein) trafen wir uns an gleicher Stelle wieder - doch das Wochenende sollte schlecht enden: A. verliebte sich Hals über Kopf in E., der ebenfalls Zelten gekommen war. Ich hab mich breit schlagen lassen, die ganze Bagage nach Hause zu fahren, und saß anschließend noch mit dem frisch verlassenen F. zusammen - und während ich wieder nach Niedersachsen fuhr, ging F. zurück zum Baggersee und warf sich dort vor 'nen Zug.

Erfahren hab ich das natürlich von A., und bei meinem nächsten Besuch in der Heimat fuhr ich dann auch bei ihr und E. vorbei - in gewisser Weise fühlte ich mich mit verantwortlich dafür, dass F. seinem Leben mit so einer Kurzschlussreaktion beendet hatte - dabei hatte er mir eigentlich ins Gesicht gelogen (jo, wir telefonieren die Tage!). So lernte ich jedenfalls E. besser kennen, Spitzname: Lemmy.

Eigentlich hatte er rein äußerlich ehr Ähnlichkeit mit Philthy 'Animal' Taylor. Jedenfalls war er großer MOTÖRHEAD-Fan, und versuchte seinem Namensvetter auch im 'Genussmittelkonsum' recht nahe zu kommen. Zudem konnte er recht reizbar sein, und hatte ein wenig Werkzeug (Garten- und Landschaftsbauer) in der Wohnung: wenn so ein Typ in Unterhose mit 'ner Axt in der Hand in der Küche steht (ich hatte damit zum Glück nix zu tun... ;)), dann wärst du lieber woanders...

Meine einzige MOTÖRHEAD-Clubshow (müsste Ende 2004 gewesen sein, Palladium Köln) hab ich jedenfalls auch mit A., E. und einigen ihrer übrigen Freunde besucht. Da ging zum Glück alles gut (es gab auch (Konzert)abende, an denen die schon sehr frühzeitig für nix mehr zu gebrauchen waren (und heim wollten)...), mal abgesehen davon, dass irgend ein Spacken gleich zu Beginn einen Bierbecher auf die Bühne geworfen hatte, woraufhin die Band erst einmal die Bühne verließ. Das Konzert ging dann irgendwie weiter, aber irgendwie konnte ich es nicht recht genießen, weil ich immer auf 'nen großen Knall gewartet habe...

2005 schlief mein Kontakt zu der Truppe ein, war vermutlich auch besser so. A. habe ich 2013 rein zufällig mal wieder an besagtem Baggersee getroffen, als ich meinen Sohn da hin gefahren habe: E. hat seinen Lebenswandel nicht so lange durchziehen können wie Lemmy, und schaut sich die Radieschen ebenfalls seit ein paar Jahren von unten an...

Mein Verhältnis zu MOTÖRHEAD wurde damals schon etwas geprägt: Born To Loose? Oder bin ich einfach nur zu spießig dafür?

Alles gut, Klaus:) Cool geschrieben ;):top: Die persönliche Geschichte ist schon krass... ich war auch schon das eine oder andere Mal live (zum Glück immer unbeteiligt!) dabei, wenn ne Mieze ihren Kerl vor Publikum für nen andere verlassen hat. Das ist schon sauderb und kann extremste Emotionen freilegen...

Zum Album: ich finde es etwas drucklos produziert. Das änderte sich ja ab dem Folgealbum:cool:
Favoriten: Shut Your Mouth (ich mag den Song!), Dr. Love, Mine All Mine, No Remorse, Red Raw und The Game, das für mich immer Teil des Albums sein wird.

Bei mir, je nach Laune 0,5 bis 1 Punkt besser als 7,5...
 
OK, mal meine persönlichen Erinnerungen, die eigentlich extrem wenig mit MOTÖRHEAD direkt zu tun haben (und erst recht nicht mit der Hammered), aber schon in den Zeitraum fallen, als die Platte aktuell war.

Pfingsten 2003 war ich in meiner Heimatstadt Leverkusen an 'nem Baggersee zelten (ich wohnte damals in Niedersachsen), und lernte da auch ein ursprünglich aus Magdeburg stammendes Paar kennen: A. (sie) und F. (er). Die beiden waren echt nett, wir tauschten Telefonnummern aus, und wenige Wochen später (sollte das Himmelfahrtswochenende gewesen sein) trafen wir uns an gleicher Stelle wieder - doch das Wochenende sollte schlecht enden: A. verliebte sich Hals über Kopf in E., der ebenfalls Zelten gekommen war. Ich hab mich breit schlagen lassen, die ganze Bagage nach Hause zu fahren, und saß anschließend noch mit dem frisch verlassenen F. zusammen - und während ich wieder nach Niedersachsen fuhr, ging F. zurück zum Baggersee und warf sich dort vor 'nen Zug.

Erfahren hab ich das natürlich von A., und bei meinem nächsten Besuch in der Heimat fuhr ich dann auch bei ihr und E. vorbei - in gewisser Weise fühlte ich mich mit verantwortlich dafür, dass F. seinem Leben mit so einer Kurzschlussreaktion beendet hatte - dabei hatte er mir eigentlich ins Gesicht gelogen (jo, wir telefonieren die Tage!). So lernte ich jedenfalls E. besser kennen, Spitzname: Lemmy.

Eigentlich hatte er rein äußerlich ehr Ähnlichkeit mit Philthy 'Animal' Taylor. Jedenfalls war er großer MOTÖRHEAD-Fan, und versuchte seinem Namensvetter auch im 'Genussmittelkonsum' recht nahe zu kommen. Zudem konnte er recht reizbar sein, und hatte ein wenig Werkzeug (Garten- und Landschaftsbauer) in der Wohnung: wenn so ein Typ in Unterhose mit 'ner Axt in der Hand in der Küche steht (ich hatte damit zum Glück nix zu tun... ;)), dann wärst du lieber woanders...

Meine einzige MOTÖRHEAD-Clubshow (müsste Ende 2004 gewesen sein, Palladium Köln) hab ich jedenfalls auch mit A., E. und einigen ihrer übrigen Freunde besucht. Da ging zum Glück alles gut (es gab auch (Konzert)abende, an denen die schon sehr frühzeitig für nix mehr zu gebrauchen waren (und heim wollten)...), mal abgesehen davon, dass irgend ein Spacken gleich zu Beginn einen Bierbecher auf die Bühne geworfen hatte, woraufhin die Band erst einmal die Bühne verließ. Das Konzert ging dann irgendwie weiter, aber irgendwie konnte ich es nicht recht genießen, weil ich immer auf 'nen großen Knall gewartet habe...

2005 schlief mein Kontakt zu der Truppe ein, war vermutlich auch besser so. A. habe ich 2013 rein zufällig mal wieder an besagtem Baggersee getroffen, als ich meinen Sohn da hin gefahren habe: E. hat seinen Lebenswandel nicht so lange durchziehen können wie Lemmy, und schaut sich die Radieschen ebenfalls seit ein paar Jahren von unten an...

Mein Verhältnis zu MOTÖRHEAD wurde damals schon etwas geprägt: Born To Loose? Oder bin ich einfach nur zu spießig dafür?

Alles gut, Klaus:) Cool geschrieben ;):top: Die persönliche Geschichte ist schon krass... ich war auch schon das eine oder andere Mal live (zum Glück immer unbeteiligt!) dabei, wenn ne Mieze ihren Kerl vor Publikum für nen andere verlassen hat. Das ist schon sauderb und kann extremste Emotionen freilegen...

Zum Album: ich finde es etwas drucklos produziert. Das änderte sich ja ab dem Folgealbum:cool:
Favoriten: Shut Your Mouth (ich mag den Song!), Dr. Love, Mine All Mine, No Remorse, Red Raw und The Game, das für mich immer Teil des Albums sein wird.

Bei mir, je nach Laune 0,5 bis 1 Punkt besser als 7,5...

Krasse Geschichte, @Dunkeltroll

Unterm Strich mal wieder der Beweis, dass Mo'hä den Soundtrack for life bieten!
Du kannst zu "See Me Burning" die Miezen stilecht mit Nietenarmband und einer Flasche Schnaps in der Hand zurechtfeilen oder zu "One More Fucking Time" die schöne Erinnerung daran beweinen.

Motörhead sind nämlich sowas von "Over The Top"!
 
Danke für das Review und das Teilen der harten persönlichen Geschichte. Leider hab auch ich mit Selbstmord so meine Erfahrungen (keine eigenen Versuche, aber eine gute Freundin lebt nicht mehr).

Lassen wir das, kommen wir zu "Hammered". Das Album wäre auch bei mir ziemlich weit unten in der Motörhead Discography, von dem ich nur noch "Walk A Crooked Mile" spontan im Kopf habe. Wie ich ja heute weiß, hat die Band nur einmal kurz Luft geholt und zwei Jahre später eine meiner Lieblingsplatten abgefeuert.
 
In der ZDF-Mediathek gibt es noch die recht aktuelle Doku "Die Lemmy Kilmister Story", u.a. mit Aufnahmen von der letzten Tour 2015:
https://rodlzdf-a.akamaihd.net/de/z...180515_180520_motoerhead_inf_3296k_p15v13.mp4
ganz coole Doku im großen Ganzen. Vor allem die Worte, die Mikkey und Phil über ihn sagen sind besonders schön. Da das kurz vor seinem 70. als Happy Birthday Filmchen gedacht war, macht den Film gegen Schluss umso trauriger...
 
Zuletzt bearbeitet:
Bin ich eigentlich der einzige Depp, der diesen thread immer wieder im Metropolis- Unterforum sucht?
 
Liebe Forenmit- und ohneglieder! Ich wünsche euch zum Ausklang des Jahres 2018 viel Spaß mit meiner Rezi. Ich hoffe auf zahlreiche persönliche Erfahrungsberichte und Klugscheißereien zu diesem großartigen Album. Viel Spaß damit!

Disclaimer: Die nachfolgende Textwüste ist eine öde Aneinanderreihung von Faktischem und Fiktionalem, Persönlichem und objektiv Beweisbarem. Wer darauf keinen Bock hat, lese einfach Anmerkung Nummer Eins (TM) direkt unter diesem Disclaimer. Dieser Text wird Ihnen präsentiert von "Whiskey-Cola"! "Whiskey-Cola - Treibstoff für Mensch und Moped seit dem großen sorbischen Bruderkrieg 3.12.1811 - 5.12.1811 (Nachmittags)!"

Anmerkung Eins (TM): "Inferno" ist megaknorke und sollte von jedem und allem gehört werden. Ihr einziger Makel ist nicht "Infernö" zu heißen.


MOTÖRHEAD - INFERNO (2004)

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Edith Piaf said it better - Persönliches


Es ist 2004. Die Band MOTÖRHEAD bringt im 29. Jahr ihres Bestehens ihr nunmehr 17. Studioalbum heraus. Ich nehme es mit 14 Jahren zur Kenntnis, MOTÖRHEAD sind ein Name wie IRON MAIDEN, den ich kenne aber ohne Verbindung dazu bin. Auf dem dem Heft beiliegenden Rock Hard-Sampler ist „Life is a bitch“ drauf, macht auf mich aber keinen tieferen Eindruck.

Es ist Dezember 2005. Im Rock Hard ist ein ausführliches Interview mit Lemmy zu dessen 60. Geburtstag drin. Ich lese es interessiert und speichere ihn als unterhaltsamen Typen ab. Seine Musik gibt mir jedoch nichts. Mit 15 steht bei mir gerade die Black Metal-Erleuchtung bevor und für sowas wie Hardrock habe ich weder die familiäre Vorarbeit noch ein eigenes Interesse.

Es ist ein kalter, verregneter Freitag im Februar 2016 in einem Thüringer Ort. Ich bin gefrustet von meiner Umwelt und brauche dringend Abwechslung, Input, neue Musik. Und ich brauche sie jetzt! Also rein in den örtlichen elektro expert und zur CD-Abteilung. Die Größe und Auswahl ist lächerlich, die Abteilung „Hard’n’Heavy“ macht geradezu depressiv. Kleinstadterlebnisse, die jeder zwischen Berlin und Köln so oder so ähnlich sicher schon erlebt hat. In der „Pop/Rock“-Ecke fällt mir dann die einzig brauchbare Scheibe des Tages in die Hände. Es ist „Bastards“ von MOTÖRHEAD. Ich habe nicht mal genug Ahnung von der Band um zu wissen, ob das eigentlich altes oder neueres Album ist und glaube mangels ausreichend Netz und W-LAN auch die nächsten Tage ein Album der 80er in den Händen zu halten. Ich gebe gern zu die Platte nicht besonders glücklich gekauft zu haben. Hardrock erscheint mir gerade wenig reizvoll, ich kenne natürlich den einen Song von ihnen und habe mit „Popo-Überraschung“ a.k.a. „Aftershock“ schon eine Platte im Regal verstauben. Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen oder hört halt MOTÖRHEAD. Durch den Regen in die Unterkunft, die Scheibe eingelegt und ca. 40 Minuten kratze ich die Reste meiner sterblichen Hülle von der Wand. Ja, mit der „Bastards“ musste es anfangen. Lemmy war tot, aber meine Liebe zu seiner Musik soeben geboren.

Es ist März 2017. Ich habe im vergangenen Jahr fleißig Nachhilfe in Sachen MOTÖRHEAD abgesessen und mich zunächst in der Diskografie von „Bastards“ an vorwärts gearbeitet. Trotzdem ist in den letzten 3-4 Monaten meine brennende Liebe etwas erlahmt. Dazu sind die 90er- und 2 2000er-Releases bis 2004 dann doch zu wechselhaft in Qualität und Suchtfaktor. War wahrscheinlich eine blöde Idee so zu verfahren. Die „Inferno“, mein bislang letzter MOTÖRHEAD-Kauf, steht schon länger jungfräulich ungehört im Regal und verstaubt dort.

Es ist Mai 2017. Soeben ist meine langjährige Beziehung in die Brüche gegangen. Nicht nur deshalb steht vieles in meinem Leben auf der Kippe. Auch die stressige Arbeit und einige Schicksalsschläge im Familien- und Freundeskreis machen den Wonnemonat zum beschissensten seit langem. Ich brauche dringend Abwechslung, Input, neue Musik. Und ich brauche sie jetzt! Meine CD-Sammlung erscheint mir zu diesem Zweck lächerlich, die Auswahl an selten oder gänzlich Ungehörtem geradezu deprimierend. Musikliebhabererlebnisse, die jeder zwischen Nord- und Südpol so oder so ähnlich sicher schon erlebt hat. In meiner „Hardrock“-Abteilung fällt mir dann die einzig unbekannte Scheibe der Sammlung in die Hände. Es ist „Inferno“ von MOTÖRHEAD. Nach etwa 50 Minuten bin ich schweißnass, glücklich und befreit. Lemmy ist noch immer tot, aber ich fühle mich wieder quicklebendig.

Vom entflammten, an die mythologische Figur des Kriegsgottes Mars angelehnte Version des Snaggletooth, der hier das Cover ziert, bis zur güldenen Gestaltung der Schrift macht "Inferno" klar: Die Zeit des Understatements ist vorbei! Mag auch mancher die Band schon als Altherrenveranstaltung abgeschrieben haben, hier kreist der Knüppel und das nicht zu knapp! Also gleich rein in die Platte und ihre Tracks:


Academy Award Performance - Die Songs

Terminal Show“ gibt schon mustergültig das Tempo, wie auch die Marschrichtung vor: Vorwärts und zwar flott! Hier wird sich nicht lang mit feinem Gegniedel oder kunstvollen Trommelwirbeln aufgehalten, abgesehen vom geschmackvollen Steve Vai-Solo, dass aber ebenfalls kein Anlass zur Tempominderung ist. Nein, das Album startet unnachgiebig und schwer wie ein Panzer und überrollt damit den Hörer (positiv), wie die Konkurrenz (Pech gehabt). Lemmys Stimme hat fast etwas von einem Prediger wenn er das Bild einer apokalyptischen Party (oder ist es gar eine dieser Preisverleihungen, auf der alle von sich selbst und der eigenen Genialität besoffen sind?) entwirft, die ganz sicher mit einem Knall enden wird. Ich bin mir fast sicher, dass der Text sich auf einen Film oder ein Buch bezieht, weiß aber nicht worauf. Vielleicht weiß es ja eins unserer Trüffelschweine hier. Die evozierten Bilder von der „golden eyed creature“ und einer „red queen“ klingen jedenfalls danach. Was bereits sehr positiv auffällt: Die eingesetzte Stimmdopplung im Refrain klingt kraftvoll und macht wirklich Sinn. Statt, wie bei vielen anderen, über mangelndes Stimmvolumen hinwegzutäuschen, gibt sie den Refrains die erforderliche Menge an Aggressivität und Dringlichkeit um einen echten Höhepunkt innerhalb des Songs zu bilden. Kurz und knackig schließt der Song. Der Hörer hat Blut geleckt und ist mehr als willens dem weiteren Albumverlauf zu folgen.

Und den nächsten Leckerbissen gibt es mit der famosen Rocknummer „Killers“, die stilistisch genauso auch auf der „Bastards“ hätte stehen können. Das tolle, ausgewogene Instrumentalgerüst fällt hier besonders positiv auf. Lemmys Bassläufe setzen erste ohrwurmige Akzente, das simple aber süchtigmachende Riff Campbells bildet im Zusammenspiel mit Mikkey Dees akzentuierten Trommelspiel das Fundament für einen Song, der, wäre er in den 80ern veröffentlicht worden, sicher zu den Klassikern im Bandkatalog zählen würde. Der Text, ein für MOTÖRHEAD bewährter Ritt zu denen die den Tod und die Schlacht bringen, nimmt dann auch in der Zeile „our badge: the ace of spades“ ironischerweise einen Rückbezug zum bekanntesten Werk der Band in den 80ern. Und lässt ganz nebenbei clevererweise offen, ob es sich bei den titelgebenden „Killers“ nun um echte Mörder und Soldaten handelt oder ob der Text eher metaphorisch auf die Band gemünzt ist. Auf jeden Fall ein echtes Juwel im eigenen Schaffen, das auf ca. 4:13 Minuten alles in bester Form zusammenbringt, was diese Band aus- und groß gemacht hat.

Zeit für eine Pause? Pffff, wir sind hier nicht beim Tanztee! „In the name of tragedy“ tritt der sonst bei vielen Bands obligatorischen Ballade auf Albumposition Nummer 3 in den Arsch und pisst lachend gegen die nächste Sparkasse. Der stoische Rocker zieht den Härtepegel musikalisch noch einmal an und wer hier nicht Probleme hat ruhig sitzen zu bleiben, sollte beim Bestatter des Vertrauens anrufen. Auf gerade mal 3 Minuten zeigt der damals 59-Jährige all den pseudoharten halb so alten Möchtegerns, wie man einen richtigen harten Song ohne dämliches Rumgehampel, Maskiererei und (am allerwichtigsten) ohne vage angsty lyrics macht. Dafür ist der Text, der das Kunststück fertig bringt erwachsen und ohne eine einzige peinliche Stelle über Rebellion und persönlichen Widerstand gegen die oftmals profane, ausbeuterische Welt zu berichten, zu gut. Einmal mehr ein MOTÖRHEAD-Text für das nächste Tattoo, folks!

Sing it loud! Sing it out!
Make the people shout!
Get it all, get it on, get it sorted out
Be a seer! Be sincere!
Can you really see?
All in the name of tragedy!

*Faust in die Luft und die Kopfhaut ventiliert*



Als erster Song des Albums nimmt „Suicide“ spürbar Tempo raus und präsentiert sich stattdessen als bluesiger Rocker. Diese Art Song von MOTÖRHEAD hatte auf mich schon immer eine ganz besondere Wirkung. Während ich Blues ansonsten nicht aushalte und angebluester Rock für mich oft arg prätentiös klingt, hat diese Zugabe bei MH immer zu Highlights beigetragen und der relativ hohe Anteil solchen Songs auf etwa der „1916“ macht sie gerade deshalb zu einem solch starken Album für mich. Vielleicht weil Lemmy das immer ehrlich meinte, vielleicht auch, weil immer klar war, dass die Band trotzdem in erster Linie eine Rockband ist. Wie auch immer: Auch hier sorgt der Song für eine nette Abwechslung vom Geballer der ersten 3 Tracks und hat bei etwa 4:15 (während des Gitarrensolos) auch ein wirklich wirklich kühles Basssolo zu bieten, dass man sich an der Stelle erstmal ausdenken muss. Der Text ist hier besonders spannend. Unter der Oberfläche einer zivilisations- und religionskritischen Geißelung lauert doch tatsächlich ein aus postapokalyptischer Perspektive geschriebener Rückblick auf die Sünden unserer Gegenwart. Der Song endet mit einem Fade Off. Mag ich persönlich gar nicht, aber es zerstört natürlich auch nichts.

Ich erinnere mich noch daran, dass das folgende „Life’s a bitch“ auch zur Promo auf dem damaligen Rock Hard-Sampler drauf war. Es ist auch klar wieso: Wir haben hier den wahrscheinlich „typischsten“ MH-Song der Platte vor uns. Ein flotter, gutgelaunter Rocker, der nach Schnaps und kaltem Qualm duftet. Als würde Lemmy einem an der Bar schräg gegenüber sitzen und wir Hörer lauschen gebannt seinen Lebensweisheiten, die sich immer wieder auf dieses eine Mantra zurückführen lassen: Life’s a bitch! Schön wie der Song mit seiner absurd langen Bridge immer wieder die 2 Refrainzeilen antäuscht um sie dann doch wieder ein Stück nach hinten zu verschieben. Tatsächlich klingt die Gitarre in den Breaks etwa zwischen Refrain und Strophe als käme sie aus einer Jukebox. Kleine atmosphärische Details wie diese tragen noch zusätzlich zur Baratmosphäre bei. Und hab ich schon erwähnt, dass Campbells Kunst der gut passenden und niemals ausufernden Soli tatsächlich genau das ist? Eine Kunst nämlich sich als Einzelmusiker hinter das Bandgefüge zurückzustellen und die eigenen herausragenden Fähigkeiten zum Wohl des gesamten Songs einzusetzen und nicht nur um selbst zu scheinen. Auch wenn die Band beim Sound miteinander um die ersten Plätze gerungen hat: Im Songwriting funktioniert das Miteinander wunderbar. Und nachdem die letzte Note verklungen ist, möchte man den selben Song eigentlich gern nochmal aus der Jukebox anhören, dem bellend lachenden Mann mit Hut noch einen Drink spendieren und davon träumen eines Tages auch nur halb so cool zu sein wie er. Stilecht legt der Song zum Schluss eine Vollbremsung hin und endet damit eines solch guten Hardrocksongs würdig.

Bei einem Titel wie „Down on me“ könnte man eine Ballade vermuten. Stattdessen röhrt uns Lemmy (diesmal noch vor den Instrumenten startend) ein „Sometimes there’s nothing to say“ entgegen. Und doch ist das hier wenigstens textlich eine Ballade und Lemmy legt viel Verve und Gefühl in die Stimme. Der Charme, der ihn auch für so viele Frauen unwiderstehlich gemacht hat: Er scheint auch hier durch. Das unter der rauhen Schale ein leidenschaftlicher Mann steckt, dass spürt man hier vorallem in den Strophen und natürlich im Text. Auch schön wieder das Solo von Steve Vai, dem beim ersten Mal lustiger- und sehr effektiverweise mitsamt der ganzen Instrumentierung vor dem Refrain der Saft abgedreht wird, damit Lemmys Stimme wieder als erste starten kann.


Weiter im folgenden Post!
 
Auch im folgenden „In the black“ treffen wieder Welten aufeinander: Musikalisch wird es wieder deutlich härter und straighter, Lemmy könnte (wenn man nur die Stimmführung und nicht den Text beachtet) auch aufzählen wie er einen Typen, der einer Frau vor seinen Augen blöd gekommen ist gleich in allen Einzelheiten zerlegen wird. Und tatsächlich geht es um eine Frau und um einen Typen. Genauer um Cheryl Keuleman, Lemmys langjährige On/Off-Beziehung und die Frau, die auch ganz am Ende bei ihm sein sollte. Kennengelernt hatten die beiden sich über Ron „The Hedgehog“ Jeremy, einen Pornodarsteller, der in den USA B-Promistatus besitzt. Das exzessive Touren und das exzessive Leben eines Lemmy K. machte die Beziehung zu einer konstanten Zerreißprobe. Musikalisch ist das hier einer der härtesten Songs des Albums obwohl oder vielleicht gerade weil das Gaspedal nicht durchgängig bis zum Boden gedrückt ist. Die versetzten Shouts im Chorus stehen dem Song sehr gut zu Gesicht und sorgen für das nötige Maß an Variation. Mikkey Dees Trommelspiel möchte ich hier nochmal besonders hervorheben. Er füllt selbst einen solch stoischen Song mit wirklich tollen Fills und Verzierungen und zeigt nebenbei von 2:13-2:50 wie man ein Drumsolo (gekoppelt an ein Gitarrensolo nämlich) sehr angenehm unterbringt ohne den Hörer zum weiterspulen zu zwingen. Ab 4:10 tut er das dann zum krönenden Abschluss nochmal und bringt den großartigen Song zu einem angenehm scheppernden Finale. Wer davor ab 4:00 nicht mit der Rübe schüttelt, wird übrigens mit nicht unter 3 Wochen Matthias Reim bestraft.

Mit „Fight“ kriegen wir wieder einen typischeren MH-Song spendiert, der durch Lemmys zuvor hingerotztes „Put the bass up, will you?“ gleich richtungsweisend losgeht und keine großen Anstalten macht uns mit irgendwelchen langen Intros zu langweilen. Nö, hier schwingt der Hammer und wieder kommt dieses 80er-Rockflair auf mit dem die Band sich immer allzu gern assoziieren ließ. Jenes mit den bärtigen Bikertypen und den durch die Gegend fliegenden Konzertbesuchern, ihr wisst schon. Die im Refrain eingesetzte Zweitstimme ist von der Produktion auf ein tiefes Grummeln runtergeschraubt worden und gibt dem kurzen, repetitiven Text noch mehr Flecktarn. Die Refrains klingen dadurch nach dem Bellen eines Drill Instructors oder aber Snaggletooth hat hier einen Gesangseinsatz. Vielleicht der einzige Song der Platte, der „nur“ sehr gut ist. Aber das bedeutet hier meckern auf allerhöchstem Niveau. Und außerdem folgt direkt das absolute Highlight der Platte.

Hergehört, Black Metal-Schrate und auch alle sonstigen wolfsaffinen Bösheimer! Hier spricht der Werwolf des Forums und ich hab nur eine Message für euch: Jaul Jaul Wuff Wuff Grrrrrr Grrrrrr Grummel Bell Heeeeeeeeuuuuuuuul!!!! Für Menschen: Das hier ist ein astreiner Black Metal-Text, der sich unter einem astreinen, finsteren Hardrocksong versteckt. „In the year of the wolf“ ist auf so vielen Ebenen einfach und perfekt, dass er einfach perfekt ist. Ein schnörkelloses Instrumental, dass sofort ins Ohr geht und bis auf ein kurzes, aber fantastisches Gitarrensolo ab 2:32 gnadenlos über die ganze Länge, egal ob Strophe oder Refrain (hier nur mit leichter Stimmungsänderung), in seiner Stimmung durchgezogen wird. Ein Text so geil und immersiv, dass mein Booklet immer anfängt zu tauen und nach nassem Hund zu riechen, wenn ich die Seite aufgeschlagen habe. Und darüber thront Lemmys Stimme, die genau für diesen Song gemacht wurde! Es ist ein Fest!
Achso, noch an alle Growler: Die Art wie Lemmy in der ersten Strophe das Wort „Blood“ gurgelt, ist der Lackmustest für richtig harte Sangeskunst. Wer das nicht mindestens erreicht oder drüber kommt, soll doch bitte wieder zurück zum Chor des örtlichen Halmaclubs. Passt auch auf jeden Black Metal-Sampler, der nicht bloß Geheule über das pöse Christentum enthält.

Keys to the kingdom“ ist dann, ähnlich „Suicide“, wieder bluesgetränkt und hat durch diese hin- und herwiegende Rhythmik, diese „Lehn dich zurück, ist eh alles zu spät“-Atmosphäre wieder das ganz besondere Etwas. Eben das, was so vielen Epigonen abgeht, die gern MH sein würden aber es in diesem Leben nicht mehr werden. Auch musikalisch gibt es einiges zu entdecken. Lemmy spielt hier echt ein paar schöne Bassmelodien, die man am besten mit Kopfhörern entdeckt. Ein leichter Synthesizersound im Hintergrund des Refrains, der sich während des Gitarrensolos zu einem Streichereinsatz hochschraubt, lässt den Titel definitiv herausstechen und sorgt nebenbei für den wahrscheinlich filigransten Track auf „Inferno“. Auch Lemmys Stimme scheint mal wieder. Wir erleben mehr oder weniger die definitive Festlegung seiner Stimme für diese Art Song für die zukünftigen Alben: Eine Mischung aus gurgelnder Erzählstimme und durchaus gefühlvollem, von leichtem Timbre getragenen Gesang, die die Resignation des Textes perfekt zum Ausdruck bringt. Apropos Text: Da bin ich etwas überfragt. Ähnlich wie beim Opener gehe ich auch hier von einer gewissen Intertextualität aus, weiß aber nichts genaueres. Vielleicht ist da jemand mehr Experte und kann für Aufklärung sorgen. So könnte sich der Text meiner Meinung nach z.B. um Kain drehen, der, verflucht von Gott zum ewigen Umherstreifen auf der Erde, am Ende aller Tage und lange nach dem Ende der Menschheit Rückschau hält und noch immer über eine Friedhof gewordenen Erde wandelt. Finsteres Zeug auf jeden Fall. Aber gut möglich, dass es um was ganz anderes geht. Lemmys schönstes Ferienerlebnis etwa. Wobei ich letzteres eher nicht glaube.

Smiling like a killer“ reißt uns aus dem textkritischen Gegrübel. Wieder ein flotter Rocker mit einem durch präzise Drum- und Zweitstimmeneinsätze sehr markanten „Refrain“. Der Text hat massenhaft Anspielungen auf Horrorfilmklischees (Peeking in your window […] Don’t look in the mirror) und die Feststellung, dass sich die meisten Mörder eben noch immer in allernächster Nähe unbemerkt aufhalten können. Nach der schweren Kost des vorangegangenen Songs kann man Mr. Kilmister vor dem inneren Auge beinahe schon grinsen sehen, wie er hier Geschmacklosigkeit an Klischee typischer Slasherfilme aneinanderreiht. Ein wirklich toller ohrwurmiger Song, der in gerade mal 2:40 alles gesagt hat. In der Kürze liegt die Würze (schreibt der Typ, der hier den nächsten Herrn der Ringe verfasst).

Zum Abschluss und damit wieder relativ typisch für MOTÖRHEAD ein eher ungewöhnlicher, ruhiger Song. War es zum Beispiel bei „1916“ das gleichnamige, bittere Antikriegsepos, so werden wir hier mit einer entspannten Countryballade namens "Whorehouse Blues" aus dem Album entlassen. Und es funktioniert…prächtig!
Lemmys erstmals seinem Alter entsprechend klingender Sprechgesang kriegt durch einen leichten Hall- und Unschärfeeffekt zusätzliche Patina und der Mann stellt unter Beweis, dass er natürlich auch die Mundharmonika beherrscht. Dafür, dass das hier beinahe das absolute Gegenteil in Ton und Geschwindigkeit zum Rest des Albums ist, klingt der Song wiederum so fluffig, als hätte die Band nie was anderes gemacht. Der Text ist wirklich sehr lustig, handelt er doch von der grandios bescheuerten Schnapsidee als Band vielleicht doch besser ein Freudenhaus zu eröffnen, statt weiterhin für ein Taschengeld die Welt zu betouren. Bei "You know we ain’t too good looking/ but we are satisfied" muss ich auch nach x Albumdurchläufen noch heftig schmunzeln. Natürlich könnte kein Puff der Welt Straßenhunde wie MOTÖRHEAD lange an einem Ort halten. Und so endet der Song (und damit das ganze Album) mit einem ungeduldigen „Can we go now?“ von Phil und dem leicht wehmütig, aber dennoch entschlossen klingendem „Yeah!“ von Lemmy.

So verbleibt auch der Hörer. Wehmütig, dass diese Platte schon wieder um ist und die Entschlossenheit sie gleich wieder von vorne zu hören.


Something for the Girl with everything - Weiteres Persönliches, Trivia und Philosophisches

Bis heute sind beide genannten Platten, „Bastards“ wie auch „Inferno“, meine liebsten und mit Abstand wichtigsten von MOTÖRHEAD in der Sammlung. Das soll nichts über die Qualität der anderen Alben besagen, „1916“ etwa ist nur sehr knapp dahinter. Ihr, wie vielen anderen aus der Diskografie, fehlt halt das kleine Quäntchen persönliche Bedeutung für mich.
Beide Alben bilden für mich außerdem eine Klammer. Mit „Bastards“ beginnen bei MH meiner Meinung erst so richtig die Neunziger. Diese Zeit ist geprägt von relativ kompakten, gleichmäßigen Alben und vom Zustandekommen und Festigen der Besetzung Kilmister/Campbell/Dee. Sie wird beendet von „Inferno“. So wie „Bastards“ ein lautes, rockendes Ausrufezeichen zu Beginn dieser Ära, so ist „Inferno“ ein feuriges, metallisches Ausrufezeichen zum Ende dieser Ära. Kein Album dazwischen kommt nur ansatzweise an die Qualität dieser beiden heran.
Auch vollzieht sich in dieser Zeit ein bemerkenswerter Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung der Band. Von alternden Rockstars zu Beginn hin zur einzig wahren Institution am Ende des Prozesses. Vom knarzigen Warzentyp zum Rockgott. Von „die machen eh immer dasselbe Album“ zur Wertschätzung der Nuancen. Aber auch von Rock-Outlaws zur Marke, die Quatsch wie Dildos mit dem eigenen Logo verkloppt. All diese Entwicklungen kulminieren erstmalig mit Veröffentlichung der „Inferno“ und werden in den folgenden Jahren nur noch etwas ausdefiniert und versteinern. Lemmys Erscheinungsbild mit schwarzer Cowboy-artiger Kluft, dem großen schwarzen Hut, dem beeindruckenden Bart und der Aura unnahbarer Coolness wird hier letztgültig zementiert. Auch findet die Band, speziell aber Herr Kilmister, seit dem Erfolg dieser Scheibe immer häufiger in gutbürgerlichen Medien und Feuilletons statt, die sie früher nicht mal als Randbemerkung reingenommen hätten. Ob es daran liegt, dass ein Generationswechsel in den Redaktionen für mehr Offenheit sorgt oder sich schlichtweg der hohe Unterhaltungsfaktor Kilmisterscher Lebensweisheiten herumgesprochen hat: Künftig vergeht keine Albumveröffentlichung mehr ohne 2-3 seitige Interviews in den Qualitätsmedien der Welt.

Mit „Inferno“ schafft die Band einen kreativen wie auch kommerziellen Befreiungsschlag, der die maue Qualität mancher Vorgängerscheiben (etwa des direkten: „Hammered“) vergessen macht und die finanziell mageren 90er Jahre geradezu ungeschehen scheinen lässt. Über die Überplatte der Diskografie (nach VÖ-Jahrzehnt) in den 80ern können wir gern streiten. Über jene in den 90ern ist zwischen „1916“ und „Bastards“ ein Kampf in der Donnerkuppel zur Entscheidung hilfreich. Bei der Frage nach der absoluten MOTÖRHEAD-Platte der 2000er aber kann es keine 2 Meinungen geben. Wer hier nicht mit einem laut schallenden „Iiiiiiiii“ beginnt und mit einem röhrenden „ooooooo“ endet, unter dessen Füßen tut sich die Erde auf und verschluckt ihn mit Haut und Haar. Punkt: . Nach „Inferno“ wird die Band weitere hochklassige Alben veröffentlichen, die natürlich noch Klassiker en masse enthalten, etwa „God was never on your side“ auf dem direkten Nachfolger.

Spürbar wird aber auch immer mehr, dass Lemmy langsam aber sich altersbedingt abbaut (was man freilich vorallem beim direkten Anhören der Alben back to back bemerkt) und die Alben im Ganzen doch ein wenig zu gleichförmig und „nur gut“ werden. Einen qualitativen Absturz vermerkt die Diskografie zwar nicht mehr, einen echten Überflieger gibt es aber auch nicht mehr. Ja, „Hinternschreck“ (2013) ist ziemlich gut. Aber Lemmy klingt schon arg angeschlagen und nach hinten raus wird es auch eher unspektakulär. Ich liebe das Album trotzdem und das nicht nur wegen der lustigen Namensspiele.

Weiter im nächsten Post.
 

You've earned the Right to be a Dick - Fazit

Damit ist „Inferno“ das dankenswerte wie auch extrem seltene Beispiel eines Kunstwerks, dass das Beste aus 2 Schaffensphasen einer Band zusammenbringt. Auf der einen Seite das häufig der Jugend zugeschriebene Feuer einen Komplettabriss hinzulegen und das Gaspedal lieber einmal mehr durchzudrücken, als auf die Bremse zu treten. Auf der anderen Seite das durch die langjährigen Erfahrung gereifte Songwriting, dass genau weiß worauf es bei einem guten Song ankommt, sowie die Gewissheit es niemanden mehr beweisen zu MÜSSEN, aber es schlichtweg zu KÖNNEN. Artistic arrogance done right! On Top noch Lemmys Fähigkeiten als Texter und fertig ist ein Meilenstein des Rock, der auch außerhalb der Fankreise noch viel viel mehr Aufmerksamkeit verdient hätte.

„Inferno“ ist nahezu perfekt, was aber auch an der druckvollen Produktion liegt. Cameron Webb leistet hier einen hervorragenden Job, obwohl er zunächst wie eine seltsame Wahl wirkt. Schwerst angesagt zu der Zeit, aber eher im Alternative Rock und US-Punk unterwegs, scheint er kaum zum rauhbeinigen Hardrock der Band zu passen. Auch die Aufnahmen verlaufen alles andere als harmonisch. Phil Campbell und Webb kommen nicht miteinander aus (obwohl Webb unbedingt mit der Band arbeiten wollte), so dass Campbell seine Gitarrenspuren letztlich woanders aufnimmt. Beim Mix fallen allen Beteiligten ebenfalls ein paar Haare zusätzlich aus: Die Gruppe kann sich nicht entscheiden welches Instrument wie laut gemischt werden soll. Steve Vai schaut auch noch auf 2 Soli vorbei. Es ist allen an der Produktion des Albums beteiligten Personen hoch anzurechnen trotz dem (wieder mal) unnötig schwierigen Prozess solch ein kompakt und kraftvoll klingendes Album auf die Beine gestellt zu haben. Dazu noch eins, dass sich von der ersten bis zur letzten Note in den Gehörgängen festbeißt und zwischendurch niemals locker lässt. Wie blöde sich etwa ein unvorteilhaftes Tracklisting auswirken kann, ist z.B. bei der letzten Metallica sehr gut zu sehen und hat auch manches MOTÖRHEAD-Album schon unnötig ausgebremst. Nein, hier greift alles ineinander und sorgt dafür, dass „Inferno“ meiner unbescheidenen Meinung nach das härteste und rundeste Album in der Diskografie der Band ist, maximal noch eingeholt von der „Bastards“. Die Wertung unterscheidet sich nur in Nuancen. Ich empfinde auf der 93er-Scheibe „Don’t let Daddy kiss me“ immer als fehlplaziert (also innerhalb des Albums, der Track und die Platte als Ganzes funktioniert für mich wesentlich besser, wenn er am Ende steht). Dafür fehlt „Inferno“ ein experimenteller Kracher vom Kaliber eines „Lost in the Ozone“. Wie gesagt: Nuancen.

Wer „Inferno“ also nicht hat: Kaufen!

Wer „Inferno“ hat: Anschalten!

Wer Anschalten gekauft hat: „Inferno“!

Inferno Inferno Inferno: Inferno!

Nun, fast genau 3 Jahre nach dem Ableben Lemmys höre ich gerade erneut dieses Wunderwerk beim Verfassen dieser Rezension, zum wahrscheinlich pfffff… nuschelnuschelhundertsten Mal. Es darf als persönlicher Triumph eines jeden Künstlers gelten ein Werk veröffentlicht zu haben, dass immer funktioniert. Das immer Lust auf eine weitere Beschäftigung macht. Im Falle von Musikern: Das immer Lust auf noch einmal Playtaste macht, sobald der letzte Ton verklingt. Das Lust macht die Texte parallel zur laufenden Musik und auch unabhängig davon zu lesen und verinnerlichen. Das den Künstler möglichst lebendig, „echt“ und seelenverwandt erscheinen lässt, selbst wenn er sich in ganz anderen Lebensumständen oder (wie im vorliegenden Fall) Sphären bewegt. Ich empfinde tiefen Dank für ein Werk wie „Inferno“, dass auch noch in Jahrzehnten begeistern und die Band (vorrangig aber natürlich Lemmy) vital und spielfreudig vor dem inneren Auge erstehen lassen wird. Das immer wieder berühren oder einfach Spaß machen wird. Und wo immer er jetzt auch ist: Mit Alben wie diesem hier wird er mir und allen anderen Hörern und Fans immer ganz nah sein.

Wer noch nicht eingepennt ist oder gänzlich abgeschaltet hat: Ich bedanke mich für eure Aufmerksamkeit.:verehr:
 
Mmh, schiete. Da muss ich nochmal ran.
Kann aber etwas dauern, ich versuche es die Woche nochmal.
 
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