Motörhead - Clean Your Clock (2016)
Vorbemerkung
Leicht fällt es mir nicht, über Clean Your Clock zu schreiben. Gar nicht so sehr weil ich beim Hören/Schauen einen Kloß im Hals habe, eher weil ich es nicht als normale Veröffentlichung, sondern als Teil der Verabschiedung von Lemmy betrachte und der Text deswegen kein Review wird. Aber na gut, einer muss es ja tun…
Teil 1: Das Konzert im Zenith in München
Im Juni 2015 hatte ich mich breitschlagen lassen, zum Rock im Park mit zu kommen. Insgesamt musikalisch ein Fehler, aber immerhin gab es unter anderem Motörhead zu sehen, obwohl es davor (und auch danach) mehrere krankheitsbedingte Show-Ausfälle von Lemmy gab. Auch wenn der Auftritt recht kurz war (Festival halt), hatte ich dort den Eindruck, dass Lemmy noch/wieder halbwegs fit wäre, zumindest die Hoffnung, dass es wieder aufwärts gehen könnte, nach den zwei schwierigen Jahren davor.
Dann kam Bad Magic und die übliche Tour-Ankündigung für den Herbst und als dann der Berlin-Gig ausfiel weil Phil krank war, dachte ich noch, dass zumindest beim Lem alles wieder soweit in Ordnung wäre und hoffte, dass Phil für München wieder fit wird.
Doch das sah am 20. November im Zenith in München ganz anders aus: Lemmy war kaum wiederzuerkennen und stand an seinem Bass wie ein Häufchen Elend, auch die Stimme war komplett nuschelig und knödelig. Da kam mir die Ahnung, dass der Gute eben doch nicht unkaputtbar ist und dies wahrscheinlich das letzte Mal sein wird, dass ich ihn live sehe. Auch Phil war noch nicht wieder in Bestform an dem Abend.
Ich würde nicht so weit gehen, dass viele Leute nur aufgrund von Katastrophentourismus hin gegangen sind, aber fakt ist schon, dass das Zenith 2015 2x ausverkauft war und noch 2014 die Halle bei nur einem Konzert wesentlich luftiger gefüllt war. Während 2014 nur ein Spezl mit mir mitkam, der auch regelmäßig zu den alten Recken geht, waren 2015 fünf Kumpels aus meiner Clique mit dabei, die nicht unbedingt die großen Lemmy-Fanboys sind.
Egal, was die Motivation jedes Besuchers war, zu dieser Tour zu gehen, die Stimmung war trotzdem prächtig. Es wurde headgebangt, fistgeraist, getrunken, gesungen, gejubelt. Im Nachhinein doch besser, als Lemmy seine letzten Tage in leeren Hallen verbringen zu lassen, oder?
Teil 2: Die CD/DVD/Blu-Ray
Im Frühjahr dann die Ankündigung, dass es ein Bild- und Tondokument der letzten Tour geben wird, aufgenommen bei den Münchner Shows am 20. und 21.11.2015. Da ich ja mit dabei war, war klar, dass die ins Haus kommt. Gesehen habe ich sie genau 2x: Direkt nach dem Erwerb und in Vorbereitung auf dieses Review. Die CD habe ich mir separat gar nicht angehört (das dann auch erst beim Schreiben dieser Zeilen). Man merkt einfach zu sehr, wie stark Lemmy bereits gezeichnet ist. Mit When the Sky comes looking for you ist nur ein Titel der Bad Magic dabei, sonst die gewohnten Standards und Lemmys Favoriten wie Just 'cos you got the Power und Whorehouse Blues.
Ich betrachte Clean Your Clock auch nicht als normale Motörhead Live-Veröffentlichung (da sind alle anderen, egal ob mit oder ohne Bild, natürlich besser), sondern als Zeitdokument und Erinnerungsstück und Dankeschön an Lemmy für viele wunderbare Liveauftritte, die er mir beschert hat. Aus diesem Grund spare ich mir auch eine detailliertere Beschreibung der Songs. Und ja, der ganze Aufmachungsquatsch mit aufklappbarer Bühne in Pappe ist natürlich Nonsens.
Teil 3: Lemmy's Tod und meine persönliche Betrachtung
Nur wenige Wochen nach dem Konzert im Zenith, am 29.12. dann die Nachricht, dass Lemmy am Vortag gestorben ist. Einerseits ein Schock, da ja nur wenige Tage zuvor noch großer Rummel um seinen Siebzigsten gemacht wurde, andererseits keine Riesenüberraschung mehr, wenn man seinen Zustand auf Tour gesehen hat. Kein Tod eines Musikers hat mich so betroffen gemacht. Das war noch mal um einiges heftiger als die Nachricht vom Tod Ronnie James Dios ein paar Jahre davor, hat mich Lemmy doch seit meiner frühesten Jugend begleitet (siehe Iron Fist Review).
Am 30.12. trafen wir uns für die Silvesterfeierlichkeiten auf der Berghütte eines Kumpels (der auch auf dem Konzert dabei war), drei der Jungs in Motörhead-Shirts und am vorletzten Abend des Jahres wurde nur Motörhead gespielt (zum Ärgernis der anwesenden Damen) und Lemmy geehrt.
So sehr mich der Tod von Lemmy betroffen gemacht hat, wurde ich nur wenige Tage danach (am 10. Januar 2016) mit einem ungleich größeren Verlust konfrontiert, als mein Vater nach langer Krankheit starb. Mein Vater war 70 als er pflegebedürftig wurde und die letzten 7 Jahre war er komplett ans Bett gefesselt, bis er dann zu schwach war, um weiter leben zu können.
Lemmy hat bis 2 Wochen vor seinem Tod das machen können, was er geliebt hat und wofür er gelebt hat, auch wenn es ihm in den letzten Monaten sichtbar schwer fiel. Ihm blieb ein Schicksal, wie es meinem Vater und vielen anderen Menschen beschert war, erspart. Natürlich fehlt Lemmy, aber der gesunde Lemmy, der alle zwei Jahre eine neue Platte raus gebracht hat und jedes Jahr im Spätherbst eine Tour gemacht. Rockrentner wollte er nie sein (vor allem kein kranker). Es bleibt großer Respekt und Bewunderung nicht nur vor seiner Lebensleistung generell, sondern auch vor dem Kampfgeist und dem Willen Lemmys in seinen letzten beiden Jahren.
Wie der dreimonatige Motörmonth gezeigt hat, gibt es so viel an Musik, Livemitschnitten, Erinnerungen und Geschichten, dass viele Menschen sich immer noch und noch sehr lange mit Lemmy und Motörhead beschäftigen werden.Er, der nicht für immer Leben wollte und Ende 2015 vom Tod umgebracht wurde, wusste wie man stirbt und hat es geschafft, unsterblich zu werden - in unser aller Herzen.