Absagen rund um SARS-CoV2 (COVID 19) und alles drum herum

Das die ganze Sache nach dem Ende der Krise nicht wieder spontan von Null auf Hundert geht ist klar und logisch.
Aber warum sollte sich der Kulturbetrieb nicht im Laufe einiger Jahre wieder erholen?
Hab ich ja auch nie behauptet, aber man muss das ganze jetzt momentan realistisch sehen, es wird sich einiges ändern und da kommen magere Jahre auf uns zu. Es ist ja auch nicht so als wäre es so gewesen als das bevor der ganze Kram angefangen hat alles rosig gewesen ist. Aber ich bin im generellen da ganz fatalistisch, ändern kann man jetzt eh nix dran.
 
Es ist ja relativ einfach: Alle betroffenen Gruppen stoßen momentan auf große Probleme: bei allen Venues, die nicht von der öffentlichen Hand quersubventioniert sind, wird mit jedem Monat ohne Gigs der Zeitpunkt näherrücken, wo es irgendwann nicht mehr geht und die Reserven auf sind. Bei allen Bookingagenturen, Promotern und Labels hängt es tatsächlich davon ab, ob das 'als Hobby' betrieben wird oder nicht, aber auch da wird es einige geben, wo die Einnahmen eben auch Teile der Lebenshaltungskosten decken, da diese Sachen häufig nicht mehr neben einer 40-Stundenwoche machbar sind, und bei Bands, die eben z.T. auch für Touren erstmal in eigene Vorleistung gehen müssen und die damit durchaus durch die Bank Minus bei den jetzigen Touren gemacht haben. Vielleicht liegt das an meinem Bekanntenkreis, aber viele Musiker, die ich kenne, arbeiten zudem im Bereich Tontechnik, Veranstaltungstechnik, Veranstaltungsgastronomie oder Promotion, weil sie sich auch nur so leisten können, überhaupt auf Tour zu gehen. Und in den Bereichen läuft im Moment eben nichts. Und auch wenn es nur 2/5 oder 3/5 einer Band betrifft, die praktisch nur noch auf Kurzarbeit oder ohne Einkommen sind und die Vorleistung einer Tour plötzlich nur noch vom Rest der Band getragen wird, kann auch das problematisch werden.

Sollte bis zum Herbst übrigens halbwegs Normalisierung eintreten, sehe ich noch ein weiteres Problem: Viele Bands, die im Frühjahr ihre Tour hatten, versuchen diese natürlich im Oktober/November/Dezember-Zeitraum möglichst so schnell wie möglich nach der Festivalsaison nachzuholen und stoßen damit in den Raum, wo natürlich schon viele andere Touren unterwegs sind aufgrund von Veröffentlichungsdaten etc. Heutzutage sind Touren ja häufig schon 6-9 Monate, bei größeren Bands noch deutlich länger vorher gebucht. Auch das daraus resultierende Überangebot könnte sich finanziell für die eine oder andere Tour deutlich negativ auswirken.
 
Halte ich für gnadenlos naiv, wenn es um's tatsächliche Überleben geht - und darauf bewegen wir uns zu. Dann gilt das allerhöchstens für absolute Ausnahmepersönlichkeiten - eher weniger für Leute, die ein paar Mäuler zu stopfen haben. Selbst in besseren Zeiten haben nicht gerade unpopuläre Bands das Touren oder sich aufgegeben, weil sie es sich nicht mehr leisten konnten (Labels machen ja am laufenden Band dicht; gerade solche, die aus Euphorie für die Szene entstanden). Soviel dazu, wie so toll klingende Theorie, die wie gemünzt für eine überpathetische Metal-Szene erscheint, an der Realität zerschellt. Also glaub, was Du willst, selbst soziologisch untermauert halte ich das nicht nur im Ausnahmezustand für vollkommen naiv.
Deswegen der Verweis auf die 70er. Alterantiv könnte man auch die DDR oder als Protoform die Jazz-Jugend in Nazi-Deutschland anführen. Gern auch Leute, die Konzerte im Iran unter Androhung der Todesstrafe geben. Es ist eben nicht nur theoretisch, sondern auch empirisch, dass ökonomisch-rationale Überlegungen Prozesse der Selbststilisierung nicht permanent überwinden. Das alles betrifft allerdings, das stimmt, die Szeneinfrastruktur und ihre Ökonomie nur indirekt.
 
Ergänzende Überlegung: wir hatten vor Einbruch der Krise in vielen Bereichen einen ausgesprochenen Arbeitnehmermarkt, viele Arbeitgeber waren händeringend auf der Suche nach qualifiziertem Personal; als Folge haben sich die Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren in diesen Bereichen zum Vorteil der Arbeitnehmer verändert, das betrifft neben Entlohnung und Bonusprogrammen auch Arbeitszeitregelungen. Diese Bedingungen werden sich wohl zum Negativen ändern. Das wiederum trifft Künstler, die nicht im Veranstaltungswesen ihren Brotjob hatten. Mal eben zwei Monate auf Tour gehen wird erheblich schwieriger werden.
Die Auswirkungen sind so weitreichend, dass wir ja gerade erst zu begreifen beginnen, was da möglicherweise alles dranhängen wird.

Positiver Schlussgedanke:
Wir haben in den letzten Jahren abseits der Megaevents einen derart bunten und spannenden Veranstaltungskosmos erlebt, da können wir noch lange mit einem wohligen Schauer dran zurückdenken (Beispiel: die RAM/PORTRAIT/TRIAL Tour!).
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ist eben nicht nur theoretisch, sondern auch empirisch, dass ökonomisch-rationale Überlegungen Prozesse der Selbststilisierung nicht permanent überwinden. Das alles betrifft allerdings, das stimmt, die Szeneinfrastruktur und ihre Ökonomie nur indirekt.

Da kann ich dann wieder mitgehen. Irgendwer wird immer etwas machen und sei es unter noch so üblen Bedingungen. Und natürlich wird nach Corona nicht nichts sein. Aber es wird wahrscheinlich fürs Erste ziemlich wenig sein, nicht zuletzt aus den von @NHASHI angeführten Gründen...
 
Solang ich irgendwann nochmal KANSAS sehe, allet jut.
Brauch weder Gigs, noch Festivals oder gar neue Musik.
Allet bereits gesagt, was gesagt werden musste.
Seit Jahren. Seit Jahrzehnten.
:cool:
 
Es ist ja relativ einfach: Alle betroffenen Gruppen stoßen momentan auf große Probleme: bei allen Venues, die nicht von der öffentlichen Hand quersubventioniert sind, wird mit jedem Monat ohne Gigs der Zeitpunkt näherrücken, wo es irgendwann nicht mehr geht und die Reserven auf sind. Bei allen Bookingagenturen, Promotern und Labels hängt es tatsächlich davon ab, ob das 'als Hobby' betrieben wird oder nicht, aber auch da wird es einige geben, wo die Einnahmen eben auch Teile der Lebenshaltungskosten decken, da diese Sachen häufig nicht mehr neben einer 40-Stundenwoche machbar sind, und bei Bands, die eben z.T. auch für Touren erstmal in eigene Vorleistung gehen müssen und die damit durchaus durch die Bank Minus bei den jetzigen Touren gemacht haben. Vielleicht liegt das an meinem Bekanntenkreis, aber viele Musiker, die ich kenne, arbeiten zudem im Bereich Tontechnik, Veranstaltungstechnik, Veranstaltungsgastronomie oder Promotion, weil sie sich auch nur so leisten können, überhaupt auf Tour zu gehen. Und in den Bereichen läuft im Moment eben nichts. Und auch wenn es nur 2/5 oder 3/5 einer Band betrifft, die praktisch nur noch auf Kurzarbeit oder ohne Einkommen sind und die Vorleistung einer Tour plötzlich nur noch vom Rest der Band getragen wird, kann auch das problematisch werden.

Sollte bis zum Herbst übrigens halbwegs Normalisierung eintreten, sehe ich noch ein weiteres Problem: Viele Bands, die im Frühjahr ihre Tour hatten, versuchen diese natürlich im Oktober/November/Dezember-Zeitraum möglichst so schnell wie möglich nach der Festivalsaison nachzuholen und stoßen damit in den Raum, wo natürlich schon viele andere Touren unterwegs sind aufgrund von Veröffentlichungsdaten etc. Heutzutage sind Touren ja häufig schon 6-9 Monate, bei größeren Bands noch deutlich länger vorher gebucht. Auch das daraus resultierende Überangebot könnte sich finanziell für die eine oder andere Tour deutlich negativ auswirken.
und dann lass mal noch die von vielen Expert*innen (u.a. Drosten) befürchtete "2. Corona-Welle" im Herbst/Winter reinbrechen, wenn erneut alles (um-)gebucht wurde...
 
Das alles betrifft allerdings, das stimmt, die Szeneinfrastruktur und ihre Ökonomie nur indirekt.

Nicht nur bezüglich der Metal-Szene übrigens. Und das ist halt der Punkt; bis in professionell-organisierte Strukturen hinein.

Ich hoffe, es kommt nicht zu hart. Für alle. Aber auch ein bisschen Entmystifizierung der Szene wäre mir willkommen. Der Pommesgabel-Happy-Hippy-Metal-Großfamilien-Fantastischismus der letzten Jahre war bisweilen unerträglich. Gute Nacht.
 
Nicht nur bezüglich der Metal-Szene übrigens. Und das ist halt der Punkt; bis in professionell-organisierte Strukturen hinein.

Ich hoffe, es kommt nicht zu hart. Für alle. Aber auch ein bisschen Entmystifizierung der Szene wäre mir willkommen. Der Pommesgabel-Happy-Hippy-Metal-Großfamilien-Fantastischismus der letzten Jahre war bisweilen unerträglich. Gute Nacht.
Vielen Dank dafür.
 
Ich würd...
love.gif
 
Selbst hier kann ich keinen Optimismus mehr rauskitzeln. Ich habe Bands und Kollektive in weniger heiklen und auszehrenden Situationen das Handtuch schmeißen sehen. Wenn man erschöpft ist, hilft aller Trotz und aller Masochismus nicht mehr. An eine "jetzt erst recht"-Trotz-Legende glaube ich nicht; die Beschwörung einer solchen und die Euphorie aus den Zuschauerrängen (bezieht sich jetzt nicht auf dich; du machst ja selbst Shows) sehe ich als genau das und nicht mehr. Wo ich zustimme: es ist nicht das Ende, aber es wird anders sein. Meinetwegen kann die Szene sich auch etwas ausdünnen (nicht aber durch einen Anfall von Tod der angesprochenen Zaungäste).

Auch da kann ich dir nicht widersprechen. Aber das sind relativ gut etablierte internationale Netzwerke, in denen das (wenige) Geld zirkuliert. Für die, die sich halten, werden die Bedingungen wohl nicht schlechter sein als davor.

Aber sagen wollte ich eigentlich was anderes: ich finde es falsch, nur auf die eine Seite der Gleichung zu schauen - dort wo etwas wegfallen wird. Ich bin echt kein Fan davon, wenn jedesmal, wenn die Dinge mal nicht nach Plan laufen, die Leute anfangen, von der sozial blinden Raubtiernatur des Menschen zu schwafeln (nicht auf dich, allgemein). Erstens war das auch in "Friedenszeiten" schon immer wahr, zweitens war es das Gegenteil auch, und bleibt es auch. Will sagen - @Barabas hat auch schon in die Richtung gezeigt - dass Krisen auch Kreativität schaffen und neue Kooperationen gebären. War Griechenland vor 2008 ein besserer Ort zum Leben? Bestimmt. Hätte sich damals jemand träumen lassen, wie gemeinschaftliche Strukturen das Zusammenleben und halbwegs-über-die-Runden-kommen am Staat vorbei organisieren können? Sicher nicht. Das ist keine Eigenschaft verträumter Landkommunen, sondern etwas allgemein-menschliches. Als Beispiel kurz mein Setting durchgedacht: wenn die zwei kommerziellen Metalschuppen hier zusperren - gut möglich- heisst es bei den Punks anklopfen, neue Formen des Umgangs und Diskurses mit denen finden (eh überfällig), und für bestimmte Touren dort Asyl finden. Andere Sachen werden nicht mehr laufen, dafür werden lokale Bands - alles in Fahrweite - aufgewertet. Manche Fans machen es mit, andere konzentrieren sich auf ihr Leben, neue Reibungsflächen schaffen aber auch neues Publikum, neue soziale Räume etc.
 
Auch da kann ich dir nicht widersprechen. Aber das sind relativ gut etablierte internationale Netzwerke, in denen das (wenige) Geld zirkuliert. Für die, die sich halten, werden die Bedingungen wohl nicht schlechter sein als davor.

Aber sagen wollte ich eigentlich was anderes: ich finde es falsch, nur auf die eine Seite der Gleichung zu schauen - dort wo etwas wegfallen wird. Ich bin echt kein Fan davon, wenn jedesmal, wenn die Dinge mal nicht nach Plan laufen, die Leute anfangen, von der sozial blinden Raubtiernatur des Menschen zu schwafeln (nicht auf dich, allgemein). Erstens war das auch in "Friedenszeiten" schon immer wahr, zweitens war es das Gegenteil auch, und bleibt es auch. Will sagen - @Barabas hat auch schon in die Richtung gezeigt - dass Krisen auch Kreativität schaffen und neue Kooperationen gebären. War Griechenland vor 2008 ein besserer Ort zum Leben? Bestimmt. Hätte sich damals jemand träumen lassen, wie gemeinschaftliche Strukturen das Zusammenleben und halbwegs-über-die-Runden-kommen am Staat vorbei organisieren können? Sicher nicht. Das ist keine Eigenschaft verträumter Landkommunen, sondern etwas allgemein-menschliches. Als Beispiel kurz mein Setting durchgedacht: wenn die zwei kommerziellen Metalschuppen hier zusperren - gut möglich- heisst es bei den Punks anklopfen, neue Formen des Umgangs und Diskurses mit denen finden (eh überfällig), und für bestimmte Touren dort Asyl finden. Andere Sachen werden nicht mehr laufen, dafür werden lokale Bands - alles in Fahrweite - aufgewertet. Manche Fans machen es mit, andere konzentrieren sich auf ihr Leben, neue Reibungsflächen schaffen aber auch neues Publikum, neue soziale Räume etc.

Letzterem will und kann ich gar nicht widersprechen, sehe ich eigentlich ähnlich, wenn auch nur bedingt. Darum ging es mir nicht, es ist aber eine Zwangsläufigkeit von dem, was ich sage, nämlich dass es wahrscheinlich kein "Weiter so oder überhaupt nur so ähnlich" geben werden kann, je länger diese Krise dauern wird. Habe ja auch anderswo schon erwähnt, dass man die Krise auch als Chance betrachten sollte; da hast du völlig Recht. Natürlich also gehört auch diese von dir geschilderte Seite dazu.
 
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