Allgemeiner Bücher-Thread

Über "meine" Uni-Bibliothek ferngeliehen:

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Diese hier solltest du mindestens noch haben, wenn dich das Thema interessiert: https://www.suhrkamp.de/buecher/faust-johann_wolfgang_goethe_68052.html

Da sind auch einige weiterführende Literaturangaben drin.
Was meinst du mit "hermetischen Auslegungen" konkret?

Edit: Wie konnte ich hier eigentlich die 3 Bände von Ulrich Gaier unterschlagen? Die gehören auch noch in die Hausbibliothek für Faust-Enthusiasten!

Hier ein Vergleich der beiden Kommentare: https://literaturkritik.de/id/457

Fand kürzlich auch diesen Link: http://www.arnt-web.de/faust/magie/index.html

Vielleicht nicht ganz so wissenschaftlich, dafür aber passgenauer, was den Inhalt der Abhandlung angeht.
 
Ich mag Bücher von Chuck Palahniuk, Irvine Welsh, Don DeLillo, Kurt Vonnegut.....etc.
Hab gerade „Die Gesänge des Maldoror“ durch und bin auf der Suche nach einem neuen Buch das leichter verdaulich ist. Darf gerne auch abgedreht sein. Kurzweilig, unterhaltsam, aber schon interessant geschrieben. Deutsch oder Englisch. Bin über jeden Tipp dankbar.
 
Noch mal ein "Zwischenstand". Heute angefangen habe ich mit "Tag der geschlossenen Tür" von Rocko Schamoni. Mal abwarten...

Benjamin von Stuckrad-Barre - Livealbum

Inhalt: Stuckrad-Barre geht auf Lesereise und notiert fast minutiös: Die Orte seiner Auftritte, Begegnungen mit Organisatoren, Journalisten von Lokalblättern und Drittem Programm, Bahnpersonal, Mitreisenden, Agentur, Fans, Hotelpersonal, Kneipengästen, sonstiger Prominenz, weiteren Autoren einschließlich Christian Kracht, Alkohol, Drogen, Nachtleben etc. pp., und zieht dem Titel des Buchs gemäß immer wieder Vergleiche mit dem Tourleben von Rockmusikern einschließlich Neurosen und Reflektionen über die eigene Rolle in der "Unterhaltungsindustrie", und nach Abschluss der Reise fällt Stuckrad-Barre wie selbstverständlich in ein tiefes Loch.

Kommentar: Fängt relativ flott an und weidet sich erst mal ganz unterhaltsam in den Diversitäten der Auftrittsorte und -milieus, stellt dabei zugleich auch noch das zunehmend gewonnene Selbstbewusstsein des Autors und Erzählers zur Schau und zudem noch die Skurrilitäten manch öffentlicher Wahrnehmung (so die immergleichen Publikumsfragen "Ist der Roman autobiografisch?" und "Kann man davon leben?") und des Lebens unterwegs ein (eine Verwechslung mit Lars Ricken etwa). Allerdings verliert das Buch kurz vor der Mitte seinen Schwung, zumal der Autor ins Grübeln oder schlechterdings Schwafeln über seine eigenen Befindlichkeiten kommt. Ab da zieht sich das ganze leider unschön bis zum Ende, und die einsetzenden Drogenexperimente zerreißen dann auch noch den Erzählfluss. Man muss vermuten, dass Stuckrad-Barre auf Tour im Laufe bereits weniger Tage leider ziemlich routiniert und eingefahren geworden sein muss. Na ja.

Benjamin von Stuckrad-Barre - Panikherz

Inhalt: Wird im Allgemeinen als Autobiografie aufgefasst (und der Autor selber verwendet gelegentlich, wenn er von sich selber spricht, die Floskel "Der Held meiner Autobiografie"). Entsprechend wird dann auch im wesentlichen der Werdegang von BvSB mit Kindheit in Rotenburg/Wümme, Jugend und ersten Schritten in Musikgeschäft, Journalismus und Fernsehen in Göttingen, Hamburg und Köln, schließlich der frühe Karriererhöhepunkt im Zuge von "Soloalbum", der exzessive Abstieg in Mager-, Kokain und Alkoholsucht sowie hernach die Errettung durch Udo Lindenberg, Bruder und Entzugsklinik. Das alles wird dann noch mal aus der Perspektive eines Los-Angeles-Aufenthalts in der Gegenwart erzählt bzw damit kontrastiert.

Kommentar: Recht lang war's und mit den ausführlichen Drogenberichten in der zweiten Hälfte auch eher einseitig, zäh und ermüdend, zumal auch der Grundton relativ schnell fest stand (und es ist wirklich nicht interessant, ungefähr 120 Mal Udo Lindenberg als messianische Figur auftreten zu lassen). Außerdem erscheinen einige Sachen doch sehr merkwürdig dargestellt: So, wie es sich hier liest, waren für BvSB die Jahre 2002 bis 2006 ein einziges Schwarzes Loch, in dem er sich von einer Line zur nächsten gehangelt haben will und eigentlich praktisch in der Gosse bzw. im Chaos lebte. Recherchiert man da mal ein wenig hinterher, stellt sich heraus, dass der Autor in der Zeit offenbar dennoch in der Öffentlichkeit ziemlich präsent war, Bücher und Artikel veröffentlicht, Interviews gegeben und TV-Auftritte bestritten hat (und dabei nicht ansatzweise so verstrahlt wirkte, wie das hier geschildert wird). Das lässt leider nur den Schluss zu, dass das alles unglaublich peinlich ist und in der beschriebenen Weise geglättet dargestellt werden soll. Na, das ist dann fast schon Geschichtsklittung und macht das Werk wiederum nicht besser, sondern eben höchst fadenscheinig. Ansonsten gibt's von meiner Seite nur noch den Verweis auf diese recht treffende Kritik: https://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=21860

Benjamin von Stuckrad-Barre - Ich glaub, mir geht's nicht so gut, ich muss mich mal irgendwo hinlegen (Remix 3)

Inhalt: Hier wird noch mal das Schema von "Auch Deutsche unter den Opfern" aufgegriffen und im Reportagestil mit bekannten Personen und Ereignissen der Gegenwart umgesprungen, wobei diesmal dem Titel entsprechend ca. der Zeitraum von 2010 bis 2014 abgedeckt wird. Ein paar neue Namen kommen dazu (Christian Ulmen, Ferdinand von Schirach), daneben werden andere alte Seilschaften (Harald Schmidt, Helmut Dietl, Walter Kempowski) gepflegt. Neu sind auch ein paar fiktionalisierte Elemente, Politik wird hingegen diesmal größtenteils ausgespart...

Kommentar: ...und genau das verwundert und lässt diesen Band leider oftmals etwas auf das Niveau einer Glamour-Illustrierten herabsinken, in der Promis unter sich und alle Fronten schon abgesteckt sind. Das ist schade, denn eigentlich gefällt der Stil ja durchaus immer noch. Aber es nervt dann irgendwie doch, dass Stuckrad-Barre hier hauptsächlich seinen Bekanntenkreis pflegt, und das ist leider sehr einseitig, wiederum selbstgefällig und auf Dauer anstregend. Muss man nicht haben.

Orhan Pamuk - Diese Fremdheit in mir

Inhalt: Mevlut Karatas wächst auf einem Dorf in der tiefsten anatolischen Provinz auf, kommt 1969 zu seinem Vater nach Istanbul, geht zur Schule, verdingt sich nebenher als Straßenverkäufer von Joghurt, Boza und Pilaw, später als Kellner, Parkplatzwächter und Stromableser, und nimmt nebenher all die Veränderungen wahr, die die Stadt in baulicher, deomgrafischer, politischer und mentaler Hinsicht durchmacht. Das ist aber nur eine Seite der Handlung. Die andere: Auf der Hochzeit seines Cousins Korkut erblickt Mevlut eine der Schwestern der Braut und verfällt ihr umgehend. Von seinem anderen Cousin Süleyman erfährt er ihren Namen, und nach dem Wehrdienst, aus dem Mevlut Rayiha dutzende aufopfernde Liebesbriefe schreibt, bietet Süleyman Mevlut an, die "Entführung" von Rayiha zu organisieren. Das gelingt auch, aber Mevlut stellt sehr bald fest, dass das Mädchen, das ihn zurück nach Istanbul begleitet, gar nicht jenes ist, das er auf der Hochzeit gesehen hat (der Name allerdings stimmt). Aber Mevlut und Rayiha werden trotzdem glücklich, aber sein weiteres Leben erlebt fortan einige tragischere Wendungen.

Kommentar: Das ist mal was: Pamuk gelingt tatsächlich eines jener oft beschworenen, aber selten erreichten "Gesellschaftsporträts". Das gesamte soziale und ökonomische Umfeld von Mevlut, seiner Verwandtschaft und den von ihnen bewohnten Vierteln und Gegenden wird ziemlich plastisch, anschaulich und einfühlsam dargestellt. Das dürfte vor allem der Konzentration auf einen vergleichsweise engen Personenkreis zu verdanken sein, andererseits wohl noch mehr der Tatsache, dass die Hauptfigur ein absoluter Durchschnittsmensch mit realistischen Zielen, Absichten und Träumen ist. Ferner noch stellt sich - gerade auch in Abgrenzung zum vor Monaten gelesenen "Unterleuten" von Juli Zeh - heraus, dass es durchaus zielführend ist, solche Verwicklungen und Beziehungen zwischen Personen und "Umgebung" nicht anhand eines konkreten Ereignisses beleuchten zu wollen, dass dann lange schwelende Konflikte ausbrechen lässt o.ä., sondern es viel realistischer wird, wenn lange andauernde Prozesse im Mittelpunkt stehen (die Romanhandlung reicht ja schließlich auch von ca. 1967 bis 2012, die kaum mit Unterbrechungen erzählt werden, sondern nur mit gelegentlichen Raffungen).

Eine weitere Ebene erhält der Roman natürlich durch seine Erzählstruktur. Einerseits wird zwar Mevluts Schicksal geschildert, alle übrigen Figuren melden sich dazwischen aber auch mal direkt zu Wort und erweitern die Geschichte jeweils um ihre eigene Version des Geschehens, die sich nicht notwendigerweise mit dem deckt, was "eigentlich" erzählt wird, sondern stattdessen viele andere Akzente hinzufügt. Das wäre vielleicht mal wieder ein kleiner Wink gegen die vorgebliche Allwissenheit solcher personaler Erzähler. Ah ja, und das türkische Szenario überhaupt ist weit weniger gewöhnungsbedürftig als gedacht. Viele Dinge, die hierzulande vielleicht unbekannt sind, werden schließlich noch kurz erklärt oder eher beiläufig eingeführt. Ob Pamuk damit zum hiesigen "Verständnis" der türkischen Gesellschaft beiträgt, möchte ich nicht beurteilen wollen. Eine ziemlich runde, geschlossene Erzählung gelingt damit aber fraglos.
 
Hat schon einmal jemand „Early retirement extreme“ von Jakob Lund Fisker gelesen und hat eine Meinung dazu?

Er ist mit 33 in Rente gegangen aufgrund finanzieller Unabhängigkeit. Beruflich war er glaube ich Physikprofessor. Wenn ich das richtig verstehe, lag dem ein anderer Umgang mit Geld, das Nachdenken über Prioritäten und Konsum sowie das Treffen von Entscheidungen zugrunde.

Ich habe etwas Sorge, dass dies in eine Aluhut Richtung geht, vielleicht ja auch nicht. Daher die Frage. Auch wenn ich Extreme selten oder nie teile, finde ich es bereichernd, die Idee dahinter nachzuvollziehen. Um meiner Position klarer zu werden und oft inspiriert mich auch ein Teil davon, den ich dann für mich prüfe und übernehme.

Zumindest habe ich mich im letzten Jahr ohne bewusstes Vorgehen deutlich reduziert, was meinen persönlichen Besitz betrifft. Ich habe vorher nicht viel besessen, aber ganz sichtbar ist mir dies in meiner Wohnung aufgefallen und wenn ich teilweise Kollegen reden höre, die übermäßig arbeiten, schlackere ich nur mit den Ohren. Vielleicht ist das doch ein Buch für mich. :D
 
Noch mal ein "Zwischenstand". Heute angefangen habe ich mit "Tag der geschlossenen Tür" von Rocko Schamoni. Mal abwarten...

Benjamin von Stuckrad-Barre - Livealbum

Inhalt: Stuckrad-Barre geht auf Lesereise und notiert fast minutiös: Die Orte seiner Auftritte, Begegnungen mit Organisatoren, Journalisten von Lokalblättern und Drittem Programm, Bahnpersonal, Mitreisenden, Agentur, Fans, Hotelpersonal, Kneipengästen, sonstiger Prominenz, weiteren Autoren einschließlich Christian Kracht, Alkohol, Drogen, Nachtleben etc. pp., und zieht dem Titel des Buchs gemäß immer wieder Vergleiche mit dem Tourleben von Rockmusikern einschließlich Neurosen und Reflektionen über die eigene Rolle in der "Unterhaltungsindustrie", und nach Abschluss der Reise fällt Stuckrad-Barre wie selbstverständlich in ein tiefes Loch.

Kommentar: Fängt relativ flott an und weidet sich erst mal ganz unterhaltsam in den Diversitäten der Auftrittsorte und -milieus, stellt dabei zugleich auch noch das zunehmend gewonnene Selbstbewusstsein des Autors und Erzählers zur Schau und zudem noch die Skurrilitäten manch öffentlicher Wahrnehmung (so die immergleichen Publikumsfragen "Ist der Roman autobiografisch?" und "Kann man davon leben?") und des Lebens unterwegs ein (eine Verwechslung mit Lars Ricken etwa). Allerdings verliert das Buch kurz vor der Mitte seinen Schwung, zumal der Autor ins Grübeln oder schlechterdings Schwafeln über seine eigenen Befindlichkeiten kommt. Ab da zieht sich das ganze leider unschön bis zum Ende, und die einsetzenden Drogenexperimente zerreißen dann auch noch den Erzählfluss. Man muss vermuten, dass Stuckrad-Barre auf Tour im Laufe bereits weniger Tage leider ziemlich routiniert und eingefahren geworden sein muss. Na ja.

Benjamin von Stuckrad-Barre - Panikherz

Inhalt: Wird im Allgemeinen als Autobiografie aufgefasst (und der Autor selber verwendet gelegentlich, wenn er von sich selber spricht, die Floskel "Der Held meiner Autobiografie"). Entsprechend wird dann auch im wesentlichen der Werdegang von BvSB mit Kindheit in Rotenburg/Wümme, Jugend und ersten Schritten in Musikgeschäft, Journalismus und Fernsehen in Göttingen, Hamburg und Köln, schließlich der frühe Karriererhöhepunkt im Zuge von "Soloalbum", der exzessive Abstieg in Mager-, Kokain und Alkoholsucht sowie hernach die Errettung durch Udo Lindenberg, Bruder und Entzugsklinik. Das alles wird dann noch mal aus der Perspektive eines Los-Angeles-Aufenthalts in der Gegenwart erzählt bzw damit kontrastiert.

Kommentar: Recht lang war's und mit den ausführlichen Drogenberichten in der zweiten Hälfte auch eher einseitig, zäh und ermüdend, zumal auch der Grundton relativ schnell fest stand (und es ist wirklich nicht interessant, ungefähr 120 Mal Udo Lindenberg als messianische Figur auftreten zu lassen). Außerdem erscheinen einige Sachen doch sehr merkwürdig dargestellt: So, wie es sich hier liest, waren für BvSB die Jahre 2002 bis 2006 ein einziges Schwarzes Loch, in dem er sich von einer Line zur nächsten gehangelt haben will und eigentlich praktisch in der Gosse bzw. im Chaos lebte. Recherchiert man da mal ein wenig hinterher, stellt sich heraus, dass der Autor in der Zeit offenbar dennoch in der Öffentlichkeit ziemlich präsent war, Bücher und Artikel veröffentlicht, Interviews gegeben und TV-Auftritte bestritten hat (und dabei nicht ansatzweise so verstrahlt wirkte, wie das hier geschildert wird). Das lässt leider nur den Schluss zu, dass das alles unglaublich peinlich ist und in der beschriebenen Weise geglättet dargestellt werden soll. Na, das ist dann fast schon Geschichtsklittung und macht das Werk wiederum nicht besser, sondern eben höchst fadenscheinig. Ansonsten gibt's von meiner Seite nur noch den Verweis auf diese recht treffende Kritik: https://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=21860

Benjamin von Stuckrad-Barre - Ich glaub, mir geht's nicht so gut, ich muss mich mal irgendwo hinlegen (Remix 3)

Inhalt: Hier wird noch mal das Schema von "Auch Deutsche unter den Opfern" aufgegriffen und im Reportagestil mit bekannten Personen und Ereignissen der Gegenwart umgesprungen, wobei diesmal dem Titel entsprechend ca. der Zeitraum von 2010 bis 2014 abgedeckt wird. Ein paar neue Namen kommen dazu (Christian Ulmen, Ferdinand von Schirach), daneben werden andere alte Seilschaften (Harald Schmidt, Helmut Dietl, Walter Kempowski) gepflegt. Neu sind auch ein paar fiktionalisierte Elemente, Politik wird hingegen diesmal größtenteils ausgespart...

Kommentar: ...und genau das verwundert und lässt diesen Band leider oftmals etwas auf das Niveau einer Glamour-Illustrierten herabsinken, in der Promis unter sich und alle Fronten schon abgesteckt sind. Das ist schade, denn eigentlich gefällt der Stil ja durchaus immer noch. Aber es nervt dann irgendwie doch, dass Stuckrad-Barre hier hauptsächlich seinen Bekanntenkreis pflegt, und das ist leider sehr einseitig, wiederum selbstgefällig und auf Dauer anstregend. Muss man nicht haben.

Orhan Pamuk - Diese Fremdheit in mir

Inhalt: Mevlut Karatas wächst auf einem Dorf in der tiefsten anatolischen Provinz auf, kommt 1969 zu seinem Vater nach Istanbul, geht zur Schule, verdingt sich nebenher als Straßenverkäufer von Joghurt, Boza und Pilaw, später als Kellner, Parkplatzwächter und Stromableser, und nimmt nebenher all die Veränderungen wahr, die die Stadt in baulicher, deomgrafischer, politischer und mentaler Hinsicht durchmacht. Das ist aber nur eine Seite der Handlung. Die andere: Auf der Hochzeit seines Cousins Korkut erblickt Mevlut eine der Schwestern der Braut und verfällt ihr umgehend. Von seinem anderen Cousin Süleyman erfährt er ihren Namen, und nach dem Wehrdienst, aus dem Mevlut Rayiha dutzende aufopfernde Liebesbriefe schreibt, bietet Süleyman Mevlut an, die "Entführung" von Rayiha zu organisieren. Das gelingt auch, aber Mevlut stellt sehr bald fest, dass das Mädchen, das ihn zurück nach Istanbul begleitet, gar nicht jenes ist, das er auf der Hochzeit gesehen hat (der Name allerdings stimmt). Aber Mevlut und Rayiha werden trotzdem glücklich, aber sein weiteres Leben erlebt fortan einige tragischere Wendungen.

Kommentar: Das ist mal was: Pamuk gelingt tatsächlich eines jener oft beschworenen, aber selten erreichten "Gesellschaftsporträts". Das gesamte soziale und ökonomische Umfeld von Mevlut, seiner Verwandtschaft und den von ihnen bewohnten Vierteln und Gegenden wird ziemlich plastisch, anschaulich und einfühlsam dargestellt. Das dürfte vor allem der Konzentration auf einen vergleichsweise engen Personenkreis zu verdanken sein, andererseits wohl noch mehr der Tatsache, dass die Hauptfigur ein absoluter Durchschnittsmensch mit realistischen Zielen, Absichten und Träumen ist. Ferner noch stellt sich - gerade auch in Abgrenzung zum vor Monaten gelesenen "Unterleuten" von Juli Zeh - heraus, dass es durchaus zielführend ist, solche Verwicklungen und Beziehungen zwischen Personen und "Umgebung" nicht anhand eines konkreten Ereignisses beleuchten zu wollen, dass dann lange schwelende Konflikte ausbrechen lässt o.ä., sondern es viel realistischer wird, wenn lange andauernde Prozesse im Mittelpunkt stehen (die Romanhandlung reicht ja schließlich auch von ca. 1967 bis 2012, die kaum mit Unterbrechungen erzählt werden, sondern nur mit gelegentlichen Raffungen).

Eine weitere Ebene erhält der Roman natürlich durch seine Erzählstruktur. Einerseits wird zwar Mevluts Schicksal geschildert, alle übrigen Figuren melden sich dazwischen aber auch mal direkt zu Wort und erweitern die Geschichte jeweils um ihre eigene Version des Geschehens, die sich nicht notwendigerweise mit dem deckt, was "eigentlich" erzählt wird, sondern stattdessen viele andere Akzente hinzufügt. Das wäre vielleicht mal wieder ein kleiner Wink gegen die vorgebliche Allwissenheit solcher personaler Erzähler. Ah ja, und das türkische Szenario überhaupt ist weit weniger gewöhnungsbedürftig als gedacht. Viele Dinge, die hierzulande vielleicht unbekannt sind, werden schließlich noch kurz erklärt oder eher beiläufig eingeführt. Ob Pamuk damit zum hiesigen "Verständnis" der türkischen Gesellschaft beiträgt, möchte ich nicht beurteilen wollen. Eine ziemlich runde, geschlossene Erzählung gelingt damit aber fraglos.
Zu "Panikherz" habe ich die gleiche Meinung. Fand ich weitestgehend furchtbar....
 
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