Vauxdvihl
Till Deaf Do Us Part
Gewisse Damen und Herren in diesen Foren hier liegen zu weiten Teilen in meiner geschmacklichen Schnittmenge. Das hat zur Folge, dass ich plötzlich von Dingen höre, die mir schlicht bislang entgangen sind. Mein Dank hier mal speziell an die Herren @Vauxdvihl und @CimmerianKodex, die mich treffsicher mit neuem "Stoff" versorgen. Hier hätten wir dann:
Progressive Rock aus Australien. Kann ich (bekanntermaßen) mit Karnivool und Caligula's Horse eher weniger anfangen, so sind die in Europa wohl weitesgehend unbekannten Jungs von "The Butterfly Effect" durchaus meine Baustelle. Als Appetizer habe ich mir - nach einem "Unfall" auf YT und einer flammenden Fürsprache durch den Herrn @Vauxdvihl - ein paar Seiten vorher in diesem Thread zu finden - das bereits im Jahr 2008 erschienene Werk "Final Conversation of Kings" zugelegt - per Definition vom Alter her ein "Oldie" also schon.
Los geht's mit "Worlds on Fire": Das klingt mehr nach Muse als Muse selbst - wobei zu differenzieren wäre: nach "alten" Muse, das muss man ja heute dazu schreiben. Kurz: ein berührender Songaufbau, das Teil macht Entenpelle, wie es die Herren Bellamy, Wolstenholme und Howard schon seit zig Alben nicht mehr auf die Reihe bekommen. Rund 7 Minuten feinster Progressive-Rock mit dem Schwerpunkt auf Melodie und Emotion, zur Mitte hin nimmt das Teil mächtig Fahrt auf, dann wird es plötzlich immens ruhig: war es das? Nein! "The Butterfly Effect" machen einen regelrechten Epic aus diesem Opener, eine kleine Mini-Oper. Was für ein Stück Musik! Packender Progressive Rock mit dem Schwerpunkt auf der Melodie, bei aller Klasse keine überflüssigen Frickeleien - bockstark!
"Room without a View" klingt nach "Modern Prog" oder "Modern Art-Rock" - ist ja auch Hupe: wer nun erwartet hatte, die Muse-Schiene würde fortgesetzt, der sieht sich mit einer faustdicken Überraschung konfrontiert: ja, durchaus "zeitgemäß", in welcher Form denn nun auch immer, ein toller Chorus, ein Bass, den man wahrnimmt - schon allein deshalb, weil er einfach unglaublich variantenreich gespielt ist. Zum Ende hin kommt da schon noch ein ganz klitzekleines Muse-Feeling auf noch mal, was aber letztlich das Tüpfelchen auf dem berühmten "I" ist: großes Kino!
Mit "Final Conversation" knackt man nicht mal die Dreieinhalb Minuten - muss man auch nicht: ein eher schlicht wirkendes Stück Musik, das einen spätestens nach 3 Durchläufen einfach packt. Das bereits in den Vorgängern präsente Gespür für Melodien ist hier allgegenwärtig, für mich finden sich hier gar leichte Parallelen zu jüngeren Fates-Warning-Sahnestücken: würde man hier die Gitarren mehr braten lassen, dann käme man so grob in die Richtung "SOS" vom letzten FW-Output.
Waren die beiden Vorgängertracks in gewisser Weise artverwandt, so punktet "The Way" mit einer Art "Wüstenprog": ähnlich wie die Vorgänger in eher ruhigerem Fahrwasser gehalten ist Track 4 der Scheibe eher ein wenig psychedelisch und überdies mit teils ungewöhnlicher Instrumentierung unterlegt - tut dem Song gut! Fast viereinhalb Minuten Prog/Alternative-was-auch-immer Rock der feinsten Sorte.
"Window and the Watcher" hat Anleihen an Rush, koppelt diese aber mit einem Chorus, der wieder eher in die "Alternative"-Ecke passt: diese Übergänge so hin zu bekommen, das ist schon eine Sache für sich. Das Ding ist erneut keine Dreieinhalb Minuten lang und trotz einem auch eingängigen Chorus passiert hier unglaublich viel - töfte (habe ich dieses Wort bisher schon mal benutzt.....?)
Es geht weiter mit "....and the Promise of the Truth". Die Entwicklung geht wieder in Richtung der Songs 2 und 3, nicht gaaaanz so stark, aber dennoch prägnant irgendwie. Im Fluss des Albums genau richtig positioniert ein weiteres kleines "Artrock-Pop"-Stück mit hohem Wiedereknnungswert, auch hier setzen "The Butterfly Effect" mal wieder auf Blasinstrumente (Trompete), die aber weder nervt noch überpräsent ist, sondern einfach nur an der richtigen Stelle eingesetzt.
"In these Hands" zieht das Tempo ein wenig an - nicht den Härtegrad. Flott nach vorne, wieder mit so einem dezenten Rush-Anstrich. Erneut ein gutes Gespür für das Setzen "des richtigen Tracks an der richtigen Stelle" - super!
"7 Days" führt das Album weiter: zum ersten mal seit dem Opener wird die 5-Minuten-Grenze überschritten, hier ist man nah an Genrevertretern wie Tessaract oder meinetwegen auch Tool, die ja - ähnlich wie Dream Theater - immer gerne als Referenz herangezogen werden, wenn es um diese Art Musik geht. Der Refrain setzt dieses Mal eher weniger auf Harmonie, eher auf einen kurzen, dezenten Ausbruch - man hätte hier auch fette Schreie setzen können, die Tatsache, dass man darauf verzichtet macht es im Grunde aber spannender.
Auf 7 Tage folgt Regen ("Rain"): hier rifft es dann schon ganz nett, noisige Elemente mal in etwas verschärfter Form in Richtung Ende des Tracks. Man kann sich dem Ganzen nicht entziehen, gerade dieses Stück zieht mich neben dem Opener enorm in seinen Bann. Mag daran liegen, dass auch hier - wenn auch äußerst dezent eingestreut - noch einmal "alte" Muse aufblitzen.
Den Schlussakkord setzt "Sum of 1": hier öffnet man noch mal den Baukasten von "Room without a View" und "Final Conversation". Passt wunderbar.
Ist "The final Conversation of Kings" spektakulär? Nein! Ist es Metal? Nein? Ist es Prog - keine Ahnung . Gutes muss aber auch nicht wirklich immer diese Attribute beinhalten. Das Album ist ganz wunderbar in einem Fluss gehalten, der Song ist der Star, das Gespür für Melodien ganz enorm - ein wenig "Tessarct / Tool / Wheel" light, verbunden mit dezent verwendeten Zutaten der "Großen": von Rush über Queen bis Muse. Möglicherweise könnte man Biffy Clyro als Vergleich heranziehen, mit denen ich mich in weiten Teilen noch ein wenig schwer tue - denn genau das Melodiegespür, was mir bei BC (zumindest aktuell) abgeht bringen "The Butterfly Effect" im Übermaß. Im Grunde hätte diese Band das Potential, groß zu werden (was sie offenbar in Australien/Neuseeland wohl auch zu sein scheinen: in Australien stieg "The Final Conversation of Kings" wohl auf Rang 3 der Albumcharts ein...).
Ein großes Album einer mehr als interessanten Band. Immer wieder schön, auf solche Dinge aufmerksam gemacht zu werden.
Sehr, sehr schön geschrieben. Ich glaube, ich habe es schon mal erwähnt, aber "Final Conversation of Kings" ist für mich neben COGs "Sharing Space" die Scheibe, die meinen Australien-Wahn so richtig entzündet hat. Eine absolut makellose Scheibe mit einem einfach fantastischen Sänger. Clint Boge kann für mich wie kaum ein zweiter Emotionen transportieren. Von daher kann ich auch alle Alben & Bands mit ihm empfehlen,. Also neben den anderen beiden TBE-Alben und der EP (auch wichtig!), auch noch die beiden EPs mit LIKE THIEVES, das Album mit THOUSAND NEEDLES IN RED (gibt es nur digital) und die EP mit THE GIVING THINGS. Auch live war das anno 2009 bärenstark, wobei da die DVD "Effected" vielleicht sogar noch besser ist als die kleine Clubshow einst in Berlin. Viel Liebe also für diesen Beitrag.