...mal was Neues:
Was soll man da jetzt so sagen? Das Vorgängerwerk ist für mich eines der unterschätztesten Neoprogalben ever - aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andernmal erzählt werden. Relevant ist in diesem Zusammenhang natürlich, dass sich eine gewisse Erwartungshaltung aufbaut - die nach den ersten 2, 3 Durchgängen seitens des neuen Werks von John Mitchell und Co. logischerweise nicht erfüllen kann.
Nun sind wir aber ein wenig weiter: Album läuft öfter im Auto und ich habe es einfach liebgewonnen. Bei allem (momentan berechtigen) Hype um melodiebezogenen Hardrock (ja, ich meine das Night-Flight-Orchestra ;-)) fallen dann Juwelen wie "Radio Voltaire" unter den Tisch. Gehen wir es mal Track für Track durch:
"Radio Voltaire": Geil! Ja, es dauert einen Moment, dann zündet es und zwar ganz gewaltig. Melodien, Harmonien - kompakter Progressiverock ohne großes Aufhebens, songdienlich bis zum Geht-nicht-mehr. Ein getragener Opener, geht zunächst ein wenig unter, weil eher "ruhige" Stücke im Regelfall ja nicht unbedingt als Eröffnung taugen. Kurz: Tolles Stück an falscher Stelle.
"The dead Club": Jo, modern irgendwie und mit einem unüberhörbaren "It-Bites"-Flair. Hier brät die Gitarre amtlich, unnötig zu erwähnen, dass ein toller Chorus das ganze krönt. Es passiert unglaublich viel in diesen knapp 4 Minuten - hat man sich aber einmal eingefunden, dann lässt einen diese Mischung aus eingängig und irgendwie vertrackt nicht los. So hätten Coldplay mal klingen können wenn sie sich nicht in eine völlig blamable Richtung manövriert hätten.
"Idlewild": Schon wieder ruhig, balladesk, intensiv gesungen von John Mitchell. Es ist einfach eine schöne Ballade, ohne aufdringlich oder kitschig zu wirken, ich denke, Toto könnten hier mal Pate gestanden haben.
"I don't know why": Hat mit Prog so rein gar nichts zu tun, ist einfach ein netter Uptemporocker, der sich nicht vor dem NFO verstecken muss. Das Ding ist catchy as fuck und hat sogar im Refrain eine Beatles-Attitüde.
"I won't break so easily anymore": Uff - was für ein Songtitel....hier wird es jetzt eher wieder ein wenig proggy. Nach einem spacigen Intro (diese Vorliebe hat Herr Mitchell ja auch auf seinen "Lonely-Robot-Alben kultiviert) folgt das erste Stück, das auch im Kontext auf "Picture", den übermächtigen Vorgänger gepasst hätte. Eingebettet in ein progressives Grundgerüst hat sich hier ein dennoch überaus eingängiges Songjuwel versteckt. Ein Highlight.
"Temple Tudor": Balladesk und akustisch, sehr entspannt. Eine schöne Melodie, intensiver Gesang - es geht unter die Haut. Grundsätzlich ein einfacher Songaufbau, eigentlich ein Singer/Songwriter-Stück.
"Out of Time": Versprüht von vornherein ein wenig das Flair der Kollegen von Transatlantic, ist nur wesentlich kompakter gehalten. Vom Flair her ein Sommersong - erneut ein toller Chorus, der im Ohr bleibt.
"Warmth of the Sun": Ein kurzes Zwischenspiel, kann man als Song so nicht werten. Bringt aber im Albumkontext eine nette Überleitung zu....
"Grey Shapes on conrete Fields": Noch einmal KINO wie erwartet, nochmal ein Stück, das auch auf dem Debut hätte stehen können: ein Wahnsinnschorus, ein wenig verschachtelt ohne zu überfrachten - brillante instrumentale Arbeit. Das 2. echte Hightlight.
"Keep the Faith": Noch eine Ballade - schön gemacht, wieder ein wenig Beatles-Flair. Es ist schön - es ist emotional - und vielleicht mag es der ein- oder andere kitschig nennen. Ich sage: ein tolles Stück mit - ja - Airplaypotential. Um Längen spannender als all das, mit dem man sich so rumquälen muss im Radio.
"The silent Fighter Pilot": Eine Powerballade, die vom Spannungsaufbau lebt - und einmal mehr vom absolut brillanten Gitarrenspiel des John Mitchell. Ein tolles Stück Musik mit Gänsehautfaktor, auf das man sich einlassen sollte.
Zusammengefasst: "Radio Voltaire" ist eine kleine Wundertüte und folgt anders als das Erstwerk nicht zwingend einem speziellen Schema. Als Vergleich fällt mir so spontan das erste "Flying Colors"-Album ein, das einen ähnlichen Ansatz verfolgte. Grundsätzlich ist es mir ein bißchen zu ruhig an einigen Stellen, aber das ist reine Geschmackssache. Im Großen und Ganzen sind die Songs über jeden Zweifel erhaben - und das Zusammenspiel von John Beck an den Keys (alles, nur nicht konventionell) und die einzigartige Gitarrenarbeit sowie der Gesang von John Mitchell sorgt doch dafür, dass man mehr als nur ein Alleinstellungsmerkmal aufweisen kann. Nach dem neuen ARENA-Werk nun ein zweites Referenzwerk des Jahres 2018 mit der Beteiligung von John Mitchell.