feanor
Deaf Dealer
Wie Pavlos schreibt: Ich bin in Vorbereitung und werde in den nächsten Tagen, spätestens im Lauf der nächsten Woche, mit einem Album den ersten Tee bereitstellen
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Wie Pavlos schreibt: Ich bin in Vorbereitung und werde in den nächsten Tagen, spätestens im Lauf der nächsten Woche, mit einem Album den ersten Tee bereitstellen
No problem, kriegen wir hin.Hierzu möchte ich mich überdies dem Sonderwunsch des Kollegen @Prog on! anschließen: auch ich preferiere im Zweifel Kaffee. Reicht dann für uns 2 dann sicher schon problemlos für eine Kanne .
Meinen Nachtrag zu Track 05 habe ich in meinen Post von gestern Abend eingefügt. Wien hat 10 Grad, bewölkt, leichter Wind, und für heute Abend ist ein verstärktes Aufkommen geöffneter Schenken prognostiziert, deren Existenz in diesen Landen nur mehr in auf Bierdeckel gekritzelten Versen überliefert ist. Das nur zur Einbettung.
Und an diesem Wendepunkt der Gezeiten möchte ich mich nun endlich dem Finale der B-Seite widmen.
Bei bei Track Nummer 7 wird es jetzt richtig ernst, schnallt euch an. Wir stellen uns ein mehrstöckiges, verfallendes Herrenhaus vor, Jahrhundertwende, knarrende Holzböden, Spinnweben, muffig-feuchter Geruch. Erlaubte Assoziationen beinhalten, sind aber nicht beschränkt auf Wolfgang Hohlbein's "Dreizehn", Lemony Snicket, das Vampirbohéme-HQ in Jarmusch's "Only Lovers Left Alive", den vorgestellten Ort, an dem Nick Cave die Murder Ballads geschrieben hat, das Haus der Addams Family. Unser Protagonist sitzt in in einem ansonsten leeren Zimmer im 2. Stock auf einem Holzstuhl vor dem Spiegel. Der Nebenraum ist vollgestopft mit allen Instrumenten, die es gibt. Getragen, melancholisch klagend und mit Pianobegleitung fangen wir an.:
Sometimes it's very scary here
Sometimes it's very sad
Sometimes I think I'll disappear
... (enter Torero-Trompete)
There's a light, sneaking down my mirror, (... it) distorts my face
And although the light is strong and strange, it can't illuminate the musty corners of this place
Eine Charakterstimme, die ich garantiert schon mal gehört habe, wiegt sich im Takt mit den Instrumenten, zu denen im Moment Bass, Piano, Schlagzeug und Trompete gehörten. Der Gesang schaukelte sich immer wieder zu einer leicht schiefen Ekstase hoch, molto intensivo, und im Schnitt kommt alle 20 Sekunden ein neues Instrument dazu, jetzt erstmal Klarinette, während sich andere wieder verabschieden. Wenn sich die Musik zu den ekstatischen Refrains verlangsamt, zieht sich der Rest des Instrumentariums oftmals eher zurück und das Piano wird am Präsentesten, an einer Stelle meine ich sogar ein Harmonium oder eine Art Orgel zu hören.
Wir haben nun in etwa die Spielzeit eines Kurztracks erreicht, und die Kapelle wird dann mal abgebaut: ... and in the shadows lurks the spectre of despair.
Das minimalistische Ausklingen mit Bass und Drums entpuppt sich aber als Überleitung, und spätestens jetzt wird klar, dass wir soeben in den zweiten Akt eines Opus Magnum eingetreten sind, das nicht beabsichtigt, in naher Zukunft zu einem Ende zu finden. Zärtliche Zweistimmigkeit und Piano heißen uns willkommen, dann kommt eine Stelle, die ich den "Jethro Tull Break" getauft habe, weil Klarinette und Querflöte sich nach vorne spielen und auch einige 70er Prog-Einsprengsel es in die Musik schaffen, die mich wechselweise eben an die erwähnten oder an Colosseum erinnern. Obwohl die Musik nie richtig schnell wird, ziehen sich zahlreiche Tempiwechsel durch das Stück, ein ständiges Auf und Ab, hoher Seegang sozusagen, ebenso wie mit ein paar Themen gearbeitet wird, die wiederholt und variiert werden. Die Refrainmelodie, zu der wir hin und wieder zurückkehren, ist trotz aller gezähmten Verrücktheit extrem eingängig und taucht des öfteren etwas unpünktlich auf: etwa so, als hätte sein Text, in dem sich kaum eine Zeile wiederholt, unseren einsamen Mastermind (ich kann über das vorliegende Stück als "Band-Werk" überhaupt nicht nachdenken - es ist zu einsam und besessen!) eher zufällig dorthin zurückgeführt.
Anschließend an den proggigen Teil singt er so schnell, dass beinahe schon gerappt wird. Plötzlich wieder Ruhe und maximale Intensität, zuerst geht es noch um Spinnen und um Staub, dann um andere Mitbewohner:
... sometimes I get the feeling that someone else is there
the faceless watcher
I can feel him through the floorboards
he informs me that I should be
expelled
(der Vermieter? been there, bro)
Unser Protagonist lebte schon in Häusern aus Glas, er lebte in Häusern aus Backstein. Er philosophiert:
What is this place you call home?
Is it a summon, or a confession? Is it a chalice that you use for protection?
...
Home is what you make it, so my friends all say
Don't you know I rarely see their (homes) in these dark days?
Some of them are snails and carry houses on their backs
Others live in monuments which one day will be (wrecks)
Immer noch gefangen in einem rund um uns verfallenden Haus, erleben wir eine Verlangsamung fast bis zum Stillstand, Pianobegleitung, emotional und zerbrechlich, Klarinette und Sax spielen sich langsam und schleichend nach vorne. Das bisher etwas stiefmütterlich verwendete Saxophon darf sich endlich mit einem wilden Solo hervortun, gleichzeitig sind wir innerhalb von Sekunden wieder bei (relativen) Höchstgeschwindigkeiten angelagt, nur dass der Gesang dazu noch einmal neu konzipiert wurde, die Wörter haben andere Abstände zueinander und ein anderes Tempo bekommen. Im Hintergrund zieht eine Herde wilder Bongos (o. ä.) durch die Steppe.
Wir nähern uns dem Höhepunkt der Krise:
Day is just a word I use to keep the dark at bay
...
People are imaginary
Nothing else exists
Except the room (...)
Und gleich darauf dem Befreiungsschlag, bei dem in bester Musicalmanier gesungene Sätze zwischendurch unterbrochen und weitergesprochen werden:
MAYBE I SHOULD DELOUSE THIS PLACE
DEPLACE THIS LOUSE
Aufräumen oder Abhauen scheint ein guter Rat, wenn man dabei ist, ein rund 13-minütiges Epos über seine Wohnung zu komponieren. Der letzte entzifferbare Satz kehrt zurück an den Anfang (wenn man sich an den noch erinnert):
Maybe I'm (giving?) my life away
In the confines of this silent house
Sometimes it's very scary here
Sometimes it's very sad
Sometimes I think I'll disappear
Sensationell. Durchkomponiert, wie das nur die wenigsten hinbekommen, sicherlich kein Nobody. Der Song könnte "Portrait of My Home" heißen (das murmelsingt er mal so auffällig-unauffällig in einem Halbsatz). Ich bin absolut begeistert, seine Schlagkraft steigert der Song aber noch in Zusammenschau mit seinem Nachfolger.
Track 8: Helles Klaviergeklimper, Streicher. Also die Filmanspielungen sind an mich verschwendet, da kenne ich mich nicht gut genug aus - will ich schon schreiben, als doch noch ein Sänger einsetzt und die Soundtrackvermutung von seiner Stimme davongetragen wird. Es gibt einen treibenden Beat mit Bass und Schlagzeug, aber der Gesang dominiert alles und wird vom Klavier akzentuiert und begleitet. Es gibt auch Riffs, klar, zwei oder drei, die dem ganzen ein gewisses Gerüst geben, aber die sind nicht so wichtig (auch wenn ich sie leichter nachsingen könnte als das, was der Sänger macht). Der Sänger ist auf jedenfall sehr emotional und so charakteristisch, dass ich sicher sagen kann, ihn schon mal gehört zu haben, auch wenn es ewig her sein mag. Er rutscht in den Höhen immer mal etwas nach oben weg, und hätte zwischen den ganzen superexpressiven Sängern des UK-Wave sicher eine gute Figur gemacht. Das Format ist im Grunde ein straighter Alternativrocker, aber die eigenwillige Instrumentalisierung und der Gesang machen eine emotionale Achterbahnfahrt draus, die ich im Grunde schwer vergleichbar mit irgendetwas anderem sehe, das mir gerade einfällt.
Aber der wichtige Punkt ist eigentlich ein anderer: es ist musikalisch von den ersten Sekunden weg vollkommen klar, was das hier ist - die Flucht! Der treibende Beat zusammen mit der extrem leichtfüssigen Instrumentalisierung lässt überhaupt keinen Zweifel daran: hierzu läuft man, wie man nur läuft, wenn man am Ende jemandem in die Arme fallen will. Und das Schönste ist: der Text scheint das zu unterstreichen: "... then I dig a tunnel" ... "... you climb out of the chimney", "... meet me in the middle of the town." Wunderbar, und wunderbar platziert.
"Wie lange noch?" entpuppt sich bei allen thematischen Verweisen letztlich doch als Musical! Da kann Zoid abwinken so viel er will, das wurde mit dramatischem Weitblick (im Doppelsinn) geschaffen, damit es genau so enden kann, im Erlösungssong. Vielleicht habe ich den cinematischen Aspekt, den ich Zoid gerade aufgrund des Finales unterschieben will und den er natürlich abstreiten wird, nicht immer nachvollzogen (was natürlich immer so ist und auch so sein muss), aber gerade die B-Seite ist ein Kaliber, das mich - vor allem wegen dem perfekten Abschlussdoppel - etwas ausgelaugt zurücklässt, wie wenn man nach der stickigen Enge eines emotionalen, vielleicht tränenreichen Kinoabends die Tür ins Freie aufstößt und wieder die frische Abendluft im Gesicht hat.
Danke jedenfalls für das Tape, das auf jeden Fall schon aufgrund der Zusammenstellung irgendwann auch ein spannender Rückblick sein wird, und das ich wohl mittlerweile oft genug gehört habe, dass es sich auch gehirnwindungstechnisch mit den letzten Wochen verknüpft hat.
Dazu nur noch ganz kurz: Das Stolpern, Festhalten, verwirrt Umadumschauen, Weiterstolpern macht ihn glaub ich für mich so nachvollziehbar Alles bissl verwordakelt!@feanor: Ganz wunderbar - danke für dein Posting! Das Album kann ich immer noch nicht in Gänze fassen, weil da so unglaublich viel drinsteckt und einiges davon wahrscheinlich für immer im Verborgenen bleiben wird. Unbedingt erwähnen muss ich aber noch "The Lie", der für mich (neben "A Louse...") ein weiterer Jahrhundert-Song-Kandidat ist, der mich von der ersten Sekunde an erstarren lässt.
Ganz besonders hat mich gefreut, dass du den hier und da aufblitzenden Humor erwähnst (und dass man den wahrscheinlich an den völlig unpassendsten Stellen auszumachen meint). Peter Hammill kommt aber auch manchmal etwas goofy und unbeholfen rüber, stolpert so ein bisschen Inspector Clouseau-mäßig durch seine Songs und erzählt dir - während er sich so gerade noch am Fenstersims festhält - von den dunkelsten Abgründen seiner Seele. Was für ein Typ!
Tee ist kalt, Herr Pavlos! Wann und wie geht's weiter?
Da fühle ich mich immer an Morten Haket von A-Ha erinnert, der setzt das auch häufig ein, und auch bei dem finde ich es immer schlimm.
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