John Higgs - The KLF: Chaos, Magic and the Band who Burned a Million Pounds
Meine Faszination für The KLF begann 1991 mit dem Musikvideo zu "Justified and Ancient", welches seinerzeit bei MTV quasi stündlich lief und mich schwer beeindruckte. Neben der Tatsache, dass der Song einfach ein schier nicht totzunudelnder Hit ist, hat mich als damals Elfjährigen der visuelle Overkill des Videos wohl noch ungleich stärker in seinen Bann gezogen. Insbesondere gilt das natürlich für das Auftreten von Drummond & Cauty höchstpersönlich in Mönchsrobe + hervorlugendem Stoßzahn + Flying V - eine Kombination die noch heutzutage ihresgleichen sucht.
Dann waren sie auf einmal weg vom Fenster und erst Jahrzehnte später drangen immer mal wieder vereinzelte Mythen an mein Ohr: Die Band habe in Folge ihres Rücktritts vom Musikgeschäft eine Millionen britische Pfund verbrannt, dies gefilmt und zutiefst verärgerten Kinosälen vorgespielt. Von einem Auftritt bei den Brit Awards zusammen mit Extreme Noise Terror nebst Maschinengewehrsalven ins verdatterte Publikum wurde geraunt. Zudem solle der scheinbar am Reißbrett entstandene Erfolg für ein Ungetüm namens Scooter verantwortlich sein (ein ungeheuerlicher Vorwurf!).
Nach weiteren Recherchen bin ich dann irgendwann zur Überzeugung gelangt, dass The KLF (und ihre vorherigen Inkarnationen) einem ausgeklügelten Masterplan gefolgt sind, um dem Musikbusiness aber auch der konsumierenden Masse den Spiegel vorzuhalten: Seht, wie berechen- und manipulierbar ihr seid! Schafe - alle miteinander! Quasi eine moderne Version von
Des Kaisers neue Kleider - nur, dass hier diesmal der Kaiser zuletzt lacht.
Und dann kommt John Higgs in seiner 2013 erschienenen "Biographie" um die Ecke und behauptet das glatte Gegenteil! Nämlich, dass Drummond & Cauty unfreiwillige Getriebene der Kunst und vor allem Opfer ihrer mannigfaltigen außermusikalischen Einflüsse waren. Dass sie (um eine im Buch zitierte Analogie von David Lynch zu verwenden) zunächst zwar versuchten den großen Fisch zu fangen, sich dabei aber so sehr allem (un)möglichen geöffnet haben, dass sie selbst von einem riesigen Seemonster verschlungen wurden. Das schönste: Higgs gelingt es, diese Räuberpistole sogar einigermaßen plausibel zu erzählen (also so plausibel, wie es bei zwei Leuten möglich ist, die behaupten, ein altes amerikanisches Polizeiauto habe ihren Nummer-Eins-Hit geschrieben, produziert und eingespielt).
"Biographie" deswegen in Anführungszeichen, weil zwar natürlich die Geschichte von The KLF und allem, was damit zusammenhängt erzählt wird, aber regelmäßig - unter Heranziehung des Synchronizität-Begriffs von Carl Gustav Jung bzw. Alan Moore *) - unerwartete thematische Abzweigungen vollzogen werden. Als da z.B. wären: Die Illuminatus!-Trilogie (haufenweise - vielleicht so etwas, wie der einzige rote Faden hier), Doctor Who, Timothy Leary, Echo & The Bunnymen, Paganismus, Quantenphysik, Dadaismus und Whitney Houston.
*) Wundervolles Zitat von Alan Moore (ausgerechnet!): "I like Bill Drummond a lot, I really do, but you have to understand that he’s totally mad".
Dem Autor ist es hoch anzurechnen, dass man einerseits sehr viele Details und Kuriositäten erfährt, andererseits aber der mystische Nebel, der dieses schräge Duo umgibt, auch nach dem Lesen bestehen bleibt und ich ehrlich gesagt, kein bisschen schlauer bin, mit welchen Motiven hier eigentlich gehandelt wurde. Dicke Empfehlung für jeden, der sich schon immer einmal auf die Suche nach dem verlorenen Kontinent Mu begeben wollte!