Habe ich mich in meinen Reviews bisher mit mehr oder weniger älteren Klassikern befasst, so breche ich nun mit dieser Tradition und präsentiere euch heute eine Bewertung der etwas anderen Art.
Im Mittelpunkt steht folgendes funkelnagelneue Album, das ich schon jetzt als mein Jahreshighlight bezeichnen möchte:
Dass ich mich so brennend in die neue Scheibe der Deutschen Attic verlieben würde, hätte ich selbst am wenigsten gedacht. Ich hatte nämlich schon Probleme damit, bevor ich überhaupt einen Ton davon gehört hatte.
So.
Wie allgemein bekannt stoßen sich Kritiker der Band an der weniger musikalischen, jedoch mehr gesanglichen Ähnlichkeit zu King Diamond bzw. Mercyful Fate. So weit, so gut - und ein alter Hut. Ich kann sie auch verstehen, die Fans des Kings, die eine Alleinherrschaft wünschen und alles andere als Plagiat abtun. Einem glühenden Verehrer, der womöglich schon jahrzehntelang Kim Bendix Petersen's Stimme als die einzig wahre Stimme des Heavy Metals betrachtet, kann sich an einem Brocken wie "Sanctimonious" oder dessen Vorgänger schon mal verschlucken.
Was das mit mir zu tun hat? Gar nichts eigentlich, denn ich gestehe hiermit offiziell (was hoffentlich nicht mit einem Foren-Ausschluss bestraft wird): Ich bin weder Fan von King Diamond noch von Mercyful Fate. Gut, ich habe "Don't Break The Oath" als Vinyl zu Hause, schließlich bin ich dem einen oder anderen Klassiker nicht abgeneigt. Meine - vorsichtig ausgedrückt - eher nicht so große Sympathie betraf dann auch immer die Stimme des King. Ich kam damit einfach nicht klar. Zu hoch, zu intensiv, zu nervend. Ich hab's mit mehreren KD- und MF-Klassikern versucht, und das mehrfach. Geht nicht.
Somit kam mir dann auch im Jahr 2012 Attic's Debüt-Album irgendwie unter, aber es interessierte mich nicht. Ich hatte natürlich von der Ähnlichkeit der Stimmen und in der Inszenierung gehört, was mich die Nase rümpfen ließ, wenn auch nicht aus Fan-Sicht. Ja, vielleicht habe ich sogar 12 oder 13 Sekunden in einen YouTube-Clip von "The Invocation" reingehört - nur um zu wissen, wovon da allgemein so geredet wird und nebenbei festzustellen, dass aufgrund der Stimme bei mir sowieso Schicht im Schacht ist. Und so schloss sich für mich das Kapitel Attic und wir könnten das, äh, Review, das auf diese Weise wenig Sinn machen würde, eigentlich gleich beenden bzw. gäbe es dieses überhaupt nicht.
Aber es gibt "Sanctimonious", das mich nach der Release-Ankündigung sowas von Nüsse interessiert hat. Ja ja, wieder so ein DFF-Hype, den ich ganz bestimmt nicht mitmachen würde. Wie, es gibt schon einen Videoclip zum Titel "The Hound Of Heaven"? Ist mir zwar sowas von egal, aber ich kann ja mal reinhören.
...
Da war es dann passiert. Was ich da zu hören bekam, sagte mir zu, und das
trotz dieser Stimme. Sapperlot! Vielleicht sollte ich doch mal in das Album reinhören, wenn es erscheint? Also warten auf einen "Full Album"-Clip.... zumindest so lange, bis ich Tage später im Media Markt das Digipack in der Hand hielt, mich haptisch gesehen ein bisschen verknallte und dann - trotz Zweifel - das Dingens zur Kasse mitnahm. Au Backe, das ging doch niemals gut! Also doch Opfer des DFF-Hypes geworden, verdammich! Und nun hatte ich mir ein Album gekauft, das ich vielleicht 1 oder 2x, und das auch nicht vollständig, hören würde und das dann im Regal Staub ansetzen würde.
Du magst doch diese Stimme nicht!
Gar nicht!
Ein bisschen sauer auf mich selbst und das verschwendete Geld schob ich die CD für die 20-minütige Heimfahrt ins Auto.
Na ja, und dann fuhr ich eine Stunde lang durch die Gegend, bis der letzte Song durchgelaufen war, und ich verstand nicht, was da gerade passiert war. Ich, die mit hohen Stimmen so ihre Probleme hat, kam zu dem Schluss, dass ich jene von Meister Cagliostro vielleicht doch irgendwie gut finden könnte. Eine passende Assoziation fiel mir zwar nicht ein, aber als ich so durch die spätnachmittägliche Sommerhitze fuhr, fühlte ich mich auf angenehme Weise wärmend eingehüllt. Und die Musik - ja, die schien mir ebenfalls nicht schlecht... eigentlich sogar richtig super.
Bam.
Ein paar Stunden später gab ich dem Drang des Wieder-hören-wollens nach und hörte mir "Sanctimonious" noch einmal konzentriert mit Booklet-Studium an. Heidewitzka, ich hatte ja nicht mal gewusst, dass es sich dabei um ein Konzeptalbum handelt! Ein zusätzlicher Pluspunkt.
Danach war ich Fan. Ein sehr verwunderter Fan, aber - Fan.
Mittlerweile habe ich das Album etliche Male gehört und bin mit jedem Mal begeisterter. Ich glaube nicht, dass es in diesem Jahr ein anderes Album schaffen wird, Attic für mich zu toppen.
Ich kann euch sagen, dass es ein erhebendes Gefühl ist, wenn sich ein vermeintlicher Fehlkauf als absoluter Glücksgriff entpuppt!
Meine Lieblingssongs wechseln immer mal so ein büschen, aber in der Hinsicht sind der Titelsong, "Sinless", "Die Engelmacherin" und "Dark Hosanna" für mich unantastbar. Dazu die morbide Atmosphäre und die Story (die zwar keinen Originalitätspreis gewinnt, aber gut unterhält). Wie so vielen gefällt auch mir die Beimengung von Schwarzmetal, besonders in "Sanctimonious" und "There Is No God". Tja, und dann die Stimme. Der Meister singt mal hoch, mal tief, mal diabolisch, mal lockend, mal krächzt er, mal schneidet seine Stimme durch Stahl... einfach göttlich!
King Diamond oder nicht - es ist mir sowas von wurscht. Hier stimmt das Gesamtpaket, wenn man sich drauf einlassen möchte. Daher bin ich auch das beste Beispiel dafür, dass man sich von Vorurteilen nicht abhalten lassen sollte, gute Musik zu entdecken. Mit meiner eigenen Arroganz hätte ich es mir beinahe selbst verwehrt, eins der besten Alben der letzten Zeit an mein Herz zu drücken.
Wieder was gelernt!