"Enemy" vom Denis Villeneuve
So in etwa lässt sich der Film beschreiben. Ein Mindfuck der Extraklasse.
Kurz zur Handlung (aus der OFDB):
Adam (Jake Gyllenhaal) führt ein wenig abwechslungsreiches Leben zwischen Universität und seiner Appartement-Wohnung in einem der vielen Wohntürme Torontos. Zwar besucht ihn seine attraktive Freundin Mary (Mélanie Laurent) regelmäßig, aber das hält ihn nicht davon ab, abends noch Arbeiten zu korrigieren, bevor es zum Sex zwischen ihnen kommt. Über Nacht bleibt Mary selten, sondern geht danach wieder in ihre eigene Wohnung zurück.
Als ein Kollege Adam fragt, ob er sich für Filme interessiert, reagiert dieser zuerst ablehnend, leiht sich dann aber doch den empfohlenen Film aus. Während Mary schon ins Bett geht, sieht er sich den Film allein an und macht eine für ihn schockierende Entdeckung - ein ihm identisch aussehender Mann spielt dort eine Nebenrolle...
So weit, so gut. Hört sich jetzt erstmal nach einem konventionellen Thriller an. Aber davon könnte "Enemy" weiter nicht entfernt sein.
Gehen wir mal zurück in die Neunziger bzw. Nuller Jahre. David Lynch ist auf dem Höhepunkt seines Schaffens und bringt mit "Lost Highway" und "Mullholland Drive" zwei absolute Meisterwerke an den Start, bevor
der gute Mann sich mit "Inland Empire" in Sphären begab, in die ich ihm nicht mehr folgen konnte.
"Enemy" setzt genau bei diesen Klassikern an ohne Lynch auch nur im Geringsten zu kopieren. Wer auf Erklärungen oder eine Auflösung hofft, der braucht sich den Film gar nicht erst anzuschauen.
Das Setting ist in Toronto angesetzt, das von Villeneuve sehr surreal in Szene gesetzt wird. Alles wirkt als läge eine Dunstschleier über der ganzen Stadt. Es gibt einige Traumszenen, die nicht immer
als solche erkennbar sind. Die ganze Atmosphäre erinnert mich an die seltsamen Welten eines Thomas Ligotti.
Bildkompositionen und Einstellungen sind geradezu meisterlich. Jake Gyllenhaal hat offenbar ein Faible für skurrile Rollen, wie er schon bei Donnie Darko bewies. Seine Leistung hier spricht für sich.
Er interpretiert die beiden Rollen, obwohl äußerlich absolut identisch, so unterschiedlich, dass man jederzeit weiß wer hier gerade im Bild ist. Mit seiner Mimik und dem Vollbart erinnert er mich teilweise
an Robin Williams (RIP).
Eine Sache wäre da noch, die mich dann endgültig davon überzeugt hat hier einen großen Film vor mir zu haben.
Spinnen
Faszinierende Kreaturen, für mich als Phobiker aber nur wenn ich sie nicht vor der Nase habe *g*. Der Regisseur scheint die Viecher zu mögen. Die Metaphorik, mit der er sie einsetzt
will sich mir noch nicht so ganz erschließen. So sehen z.Bsp. die Stromnetze der Stadt wie riesige Spinnennetze aus und in einer völlig surrealen Szene sieht man die Skyline von Toronto
und dazwischen eine Wolkenkratzer-große Spinne. Das wirkt aber keineswegs lächerlich sondern sehr poetisch und befremdlich. Ob diese Kreatur real ist und man sie nur nicht immer sieht
oder diese Szene eine rein Metapher ist, bleibt freilich im Dunkeln.
Da es schon ziemlich spät war gestern und ich gegen Schluß des Films in ein Zwischenstadium aus Schlaf und Wachsein verfiel, fuhr mir die völlig unerwartet und urplötzlich, ohne Vorwarnung
daherkommende Schlußszene so dermaßen durch Mark und Bein, dass an Schlaf die nächsten zwei Stunden nicht mehr zu denken war. Warum das so war, verrate ich freilich nicht aber noch
heute Abend läuft mir ein Schauer über den Rücken wenn ich daran denke.
Ich bin mir sicher, dass man jede Einstellung und Handlung bis ins kleinste zerpflücken und erklären kann, dafür bin ich aber zu doof und so lasse ich den Film einfach so auf mich wirken, wie er
ist. Traumhaft.
Lange Rede, vermutlich überhaupt kein Sinn
Lynch-Fans unbedingt anschauen
9,5 / 10
P.S. Den Roman kenne ich nicht und kann daher nicht sagen wie werkgetreu der Film ist