Was meinst du genau mit "völliger Neuinterpretation der Stimmung und der Bildsprache"?
Der Figur oder dem Monstrum Lecter wird eine ganz andere Bühne gegeben. Im Film "Schweigen der Lämmer" sehen wir das gefangene Monstrum, hören von seiner psychatrischen Tätigkeit in "unserer" Welt und grade der spärliche Einsatz der Figur sorgt für seine immense Wirkung auf den Zuschauer. Es reicht die Ausbruchsszene, in der seine ganze Gewalt, seine Entfesslung in uns den Gedanken aufkeimen lässt: Wenn er frei ist, kann sich niemand auf der Welt mehr sicher fühlen.
In Hannibal steht Ridley Scott vor einem ganz anderen Ausgangspunkt. Lecter ist unter uns und dieses Gefühl der Bedrohung, lässt sich über einen ganzen Film hin, der Hannibal (nicht nur vom Titel her) in den Fokus setzt, niemals aufrechterhalten. Das Buch gibt ja die Handlung komplett vor, aber Scott inszeniert das meiner Meinung nach genial, denn er nimmt sich Florenz und vertieft atmosphärisch genau den Part des Romans, der das ganze wieder von unserem Realitätsempfinden entrückt: Hannibal Lecter sitzt hier in Florenz ehr, wie ein Teufel in seinem Diablerie.
Die Bildsprache ist zutiefst in der mittelalterlichen Welt voller Blut, Engel, Dämonen und Teufel verhaftet und befruchtet unsere Vorstellung vom eloquenten Monster Lecter.
Bilder, Farben, Musik, dass alles wirkt, als ob man uns ein Bild von der Kultur Florenz und seinen klassischen, mittelalterlichen meistern und Dichtungen geben will, mit Lecter als unserem Reiseführer, aber in Wahrheit ist er eine Spinne in ihrem Netz, und wir sind Zeuge, wie er seine ganz eigene mittelalterliche Oper inszeniert.
Der Film ist bis heute hart und verstörend.