Kommt darauf an wieviel Filme in der Liste aufgenommen werden
Spaß beiseite... ist schon immer noch ein sehr geiler Film aber ob er es bei mir in die Top 50 schaffen würde, ist sehr fraglich. Top 100 ist da realistischer.
Top 100 bringt gar nichts, selbst Top 50 ist viel zu viel, weil's nach hinten raus immer beliebiger wird.
Versuch's mal mit einer Top 10. Nicht gleich abwinken, "geht nicht, kann ich nicht" usw. Ein weiser deutscher Musiker, der 20.000 Platten zuhause hat, hat mal auf die Frage nach den 20 besten Alben gesagt: "20 kann ich nicht nennen, das sind heute die und morgen schon wieder ganz andere. Aber die besten 5 kann ich nennen. Je weniger man nennen darf, desto näher kommt man der Wahrheit."
Selbst wenn ich nur einen einzigen,
den besten Film aller Zeiten, nennen sollte, könnte ich ohne zu zögern antworten. Natürlich ist das mein Lieblingsfilm, in einer (internationalen) Top 100 hab ich ihn noch nie gefunden, aber er bringt dennoch locker auch die hier geforderten handwerklichen Voraussetzungen mit, in einer nach "objektiven" Kriterien bewerteten Bestenliste auftauchen zu können.
Die Rede ist von:
Die Abenteurer (LES AVENTURIERS, Robert Enrico, Frankreich/Italien 1967)
Das ist er wohl: der beste Film aller Zeiten. In mehreren Rezensionen dazu finden sich Sätze wie: „Solche Filme werden heute nicht mehr gedreht.“ In Hollywood wurden sie nie gedreht.
„Die Abenteurer“ ist ein Film über Freiheit, wahre Freundschaft und bedingungslosen Zusammenhalt (hier zwischen zwei Männern und einer Frau), der in 3 recht unterschiedliche Teile gegliedert ist. Der erste Teil ist eine Art Milieustudie, in der wir die lebensfrohen Außenseiter Manu (Alain Delon), Roland (Lino Ventura) und Laetitia (Joanna Shimkus) beobachten. Sie leben völlig ungezwungen zusammen in Paris, jede/r hat seinen/ihren eigenen Traum, an dessen Verwirklichung er/sie mit großer Leidenschaft arbeitet, doch letztlich scheitern alle drei an Spießern und unglücklichen Umständen. Dies bedingt finanzielle Engpässe, die wiederum in den zweiten Teil führen, eine abenteuerliche Suche nach einem vor der Küste Afrikas im Meer versunkenen Schatz. Dieses Unternehmen scheint auf einen erfreulicheren Ausgang zuzusteuern, doch auf dem Höhepunkt des Glücks kippt der Film unvermittelt in den dritten Teil, das unausweichliche Drama, dessen grandioses Finale in der nordfranzösischen Seefestung Fort Boyard stattfindet.
Regisseur Robert Enricos Inszenierung ist stilistisch brillant, die Bilder von Jean Boffety und die Musik von François de Roubaix sind wunderbar. Der Film bleibt immer bodenständig, Spannung wird nie künstlich aufgeblasen, Emotionen werden auf’s nötigste reduziert. Die heute so nicht mehr denkbare Konsequenz der Geschichte nach einem Roman von José Giovanni lenkt den Film immer wieder in eine andere Richtung.
„Die Abenteurer“ nimmt sich am Anfang enorm viel Zeit für seine unangepaßten, aber zutiefst menschlichen Charaktere, besticht zunächst durch feinen Humor und tolle Actionszenen, später runden sanfte Romantik, Melancholie und Tragik das Abenteuerdrama zu einem einzigartigen Gesamtkunstwerk ab, das bewegt, bezaubert, berührt und zudem beachtlichen Tiefgang besitzt.
Die Beziehung der 3 Hauptfiguren untereinander ist von traumhafter Lockerheit, Selbstverständlichkeit und Vertrauen geprägt, sie verlangen nichts voneinander, lassen sich Freiräume, geben sich gegenseitig Hilfe und Halt. Robert Enrico und die 3 Hauptdarsteller haben das in einigen Szenen so hervorragend umgesetzt, daß diese besondere Beziehung förmlich fühlbar wird, so z.B. als sich Manu und Roland für den Afrika-Trip vorbereiten und die zufällig vorbeischauende Laetitia spontan einladen mitzukommen. Mit Alain Delon und Lino Ventura standen dafür gleich zwei Legenden des französischen Kinos zur Verfügung, die locker und voll spürbarer Begeisterung aufspielen. Als absoluter Glücksgriff erwies sich jedoch Joanna Shimkus, die Robert Enrico in Paris zufällig auf der Straße sah und vom Fleck weg für die weibliche Hauptrolle engagieren wollte. Sie lehnte ab, ließ sich dann aber doch überreden.
Ihre Wahl brachte zunächst einige Probleme. Alain Delon wollte seine damalige Frau Nathalie für die Rolle der Laetitia und verwies darauf, daß Joanna Shimkus zu unerfahren und vor allem zu unbekannt für einen so großen Film sei, Robert Enrico bestand jedoch darauf, nur mit ihr drehen zu wollen. Delon war unzufrieden, und nach Beginn der Dreharbeiten sprach sich auch noch Lino Ventura gegen die Zusammenarbeit mit Joanna Shimkus aus (zuerst wurden übrigens die Szenen in Afrika gedreht, und wenn man die Heiterkeit und Harmonie zwischen den Dreien dort im Film sieht, käme man nie auf die Idee, daß es solche Probleme gegeben haben könnte). Delon hatte bereits Sylva Koscina als Ersatz kontaktiert, mit der Ventura schon „Schieß solange du kannst“ (Claude Sautet, 1965) gedreht hatte, woraufhin Enrico kurz davor war auszusteigen.
Sylva Koscina wurde also wieder abgesagt, es blieb bei Joanna Shimkus, und ihre absolut fantastische Darstellung macht den Film tatsächlich noch ein kleines bißchen besser, als er ohnehin schon ist. Sie hatte bis dahin in drei Filmen in kleineren Rollen mitgewirkt (zuvor arbeitete sie als Model, wozu sie genauso zufällig kam wie zur Schauspielerei), aber sie ist so vollkommen natürlich, als wären gar keine Kameras da. Ich habe noch nie eine Hauptdarstellerin gesehen, die eine so unglaubliche Natürlichkeit und Spontaneität ausstrahlt, sie scheint überhaupt nicht zu schauspielern, sondern ist einfach sie selbst (in einem Interview hat sie später gesagt, daß sie „instinktiv“ spielte, daß sie nie eine Szene wiederholen konnte, weil sie immer sofort wieder vergessen hätte, was sie gerade gemacht hat, was diesen Eindruck nur bestätigt). In „Tante Zita“ (Frankreich 1968, ebenfalls von Robert Enrico) ist das noch genauso zu beobachten.
Bisweilen wird in Besprechungen von „Die Abenteurer“ nur auf Manu und Roland näher eingegangen, aber im Film gibt es eine wundervolle Szene, in der die beiden Männer in Afrika einem Fremden ohne große Worte klarmachen, daß Laetitia völlig gleichberechtigt und gleichwertig dazugehört, was später beinah noch eindrucksvoller unter Beweis gestellt wird…
Wie gesagt, der beste Film aller Zeiten, der verschiedene Themen (die heute noch genauso aktuell sind) und Genres nicht nur mühelos, sondern nahezu unmerklich, wie selbstverständlich miteinander verbindet, der die Sehnsucht weckt, abseits gesellschaftlicher Zwänge seine eigenen Träume zu verwirklichen…