Kann eine Revolution "von unten" funktionieren?
Ich bin kein Historiker, aber ich meine, dass das, was man gemeinhin unter Revolution versteht, also die grundlegende Umwälzung von gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Ordnungsbeständen qua selbstätiger Befreiung/Emanzipation der Massen, ein zutiefst burgeoises Wunschkonstrukt ist, welches gleichermaßen mit der ideellen Entdeckung des Begriffs der Masse wie des Subjekts (im Kant'schen Sinne) korrespondiert, aber gerade in einem geschichtsteleologischen Vulgärmarxismus der Orthodoxie zu einem materialistisch-notwendigen, unhintergehbaren Phänomen der Genese der Produktionsverhältnisse bzw. deren Überwindung umgedeutet wird.
Es ist dieser blinde Glaube in die unzweifelhafte wissenschaftliche Einsicht in historisch-ökonomischen Zusammenhänge, diese Subjektivierung der Masse zum Protagonisten wie Movens der Historie, der die Idee der Revolution zu einem bürgerlichen Phänomen macht. Diesem Anschein der Wissenschaftlichkeit, der dem materialistisch-kommunistischen Revolutionsgedanken immanent ist, ist zudem noch der messiahnische Gedanke der Errettung beigefügt, wobei hier gleichsam das metaphysische Konstrukt einer rettenden höheren Instanz durch das ebenso metaphysische Konstrukt eines geschichtlichen Subjekts substituiert wird. Das Denken, das Revolution will, ist also ein bürgerlich-wissenschaftlich-religiöses, es ist das einer Elite, die immer die Masse im Sinne hat, das der Geschichte und mithin dem Menschen aufoktroyiert werden soll.
Vielleicht ist das die bittere Pointe einer Aufklärung, die sich selbst herbeizwingen wollte. Noch bürgerlicher und prekärer ist meines Dafürhaltens alles Gerede von innerer Revolte, die entweder Apotheose eines monadischen Individuums, Psychologismus und Selbstzurichtung einer Generation Coaching oder gar neurechtes Agitieren gegen Herdenmoral ist.
Funktionieren kann Revolte als Instrument der Subalternen meines Dafürhaltens alleine deshalb schon nicht, weil diese weniger mit Befreiung als mit Unterdrückung assoziiert ist. Was das "Proletariat" braucht, ist selbstorganisierter, partikularer Widerstand, dieser ist zwar auch antagonistisch, dabei aber kleinteilig und plural. Und den gab es in der Geschichte - und den wird es hoffentlich auch weiter geben.