Der Konzeptalben-Thread

Naja, was soll's. Das hier ist definitiv ein Konzeptalbum und wurde hier noch nicht erwähnt:

Mekong Delta - The Music Of Erich Zann (Deutschland; 1988; Aaarrg-Records)

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Ich stehe unglaublich auf Konzeptalben und mag Musik, deren Genialität sich dem Hörer nicht sofort erschließt, sondern die erarbeitet werden muss.

"The Music Of Erich Zann" ist für mich so ein Werk.

Nach dem Erstdurchlauf (welcher mein erster Kontakt mit der Band war) konnte ich zunächst wenig mit diesem Album anfangen, und das ist noch freundlich formuliert. Zu schlecht, dumpf und dünn empfand ich den Sound, der Sänger war in meinen Ohren schrecklich und die Songs rauschten nur so an mir vorbei. Das war für mich alles nur undefinierbares Geschwurbel. Also ab ins CD-Regal zum fröhlichen vor sich hinstauben. Andere Scheiben bekamen den Vorrang und Mekong Delta geriet in Vergessenheit.

Ein großer Fehler, wie es sich herausstellen sollte.

Das textliche Konzept des Albums basiert auf der Kurzgeschichte "Die Musik des Erich Zann" von H.P. Lovekraft welche 1922 erstveröffentlicht wurde. Die Geschichte spielt in der 'Rue d'Auseil' in Paris, in welcher der Erzähler im selben Haus unterhalb der Mansardenwohnung des deutschen Musikers Erich Zann wohnt. Dort hört er nachts immer wieder das verrückte Violinenspiel des Musikers, der wie besessen mit einem chaotischen, licht- und formlosen, klangerfüllten unendlichen Raum hinter seinem Fenster musiziert um dessen dunkle Mächte zu besänftigen..
Einigen Internetquellen zufolge versteckt sich hinter dem Pseudonym "Jake Jenkins" welcher laut Booklet das lyrische Konzept ausgearbeitet hat Peavy Wagner.

Wer auf eine Andy-Sneap Produktion mit ballernden Drums und künstlich fetten Gitarren, auf eingängige Melodien im 4/4 Takt und leicht mitzusingende Refrains steht ist hier definitiv fehl am Platze. Hier kämpfen synkopischen Gitarren gegen das aberwitzige Schlagzeugspiel von Gordon Perkins (aka Jörg Michael), geben schräge Gitarrensoli einen Eindruck vom verrückten Violinenspiel des Erich Zann ab und eingängige Thrash-Parts,
kombiniert mit krummen Melodien, welche in hoher Geschwindigkeit dargeboten werden, runden das Bild ab.

Kurzum nichts für gewöhnliche Geschmäcker. Bereits bei den ersten Takten des Openers "Age of Agony" wird dem Hörer klar, dass er hier gefordert wird. Die wild losrasende, geradezu sägende Gitarre, das im Hintergrund zu hörende "gefiedle" der zweiten Klampfe, der schräge Wechselgesang von Keil (aka Wolfgang Borgmann) fordern alle Synapsen.
Bei "Hatred" kann Keil mit seinem Gesang dem Tempo seiner Mitstreiter kaum noch folgen und bei "Prophecy" ist der Wahnsinn des Erich Zann beinahe greifbar. Der einzige Nachteil der Scheibe ist für mich der auf Dauer doch etwas nervende Gesang von Keil und der völlig unnötige "The Gnom"-Bonustrack der nach dem Ende des Epilogues auf mich wie ein Fremdkörper wirkt.

Das Album wurde übrigens am 18.11.2016 über Aaarrg Record auf Vinyl Re-Released.
 
Ich musste gerade Lächeln bei dem was manche hier unter einem Konzeptalbum verstehen.
Für mich muss sich hier ganz eindeutig textlich und auch musikalisch ein Roter Faden mit einem übergreifenden Thema durch das komplette! Album ziehen.

Eigentlich kann ich die Beschreibung der Babyblauen Seiten unterschreiben:

Man sollte annehmen, daß hinter jeder Plattenveröffentlichung ein Konzept steht. Oft ist es allerdings nur ein kommerzielles. Im Prog versteht man unter Konzeptalben Einspielungen, die nicht unverbundene Einzelstücke aneinanderreihen, sondern den gesamten Ablauf einem thematisch-musikalischen Plan unterwerfen. Oft wird eine Geschichte erzählt. Der Zusammenhang mit der klassisch-romantischen Programm-Musik ist offenkundig und wird besonders deutlich in ELP´s "Pictures at an Exhibition". Dort wird die musikalische "Promenade" durch eine Ausstellung des Malers Viktor Hartmann, die 1874 Modest Mussorgskij komponierte, rockmusikalisch umgearbeitet. Zu einem Konzeptalbum gehört in der Regel ein entsprechend gestaltetes Cover, wozu es ohne die einstmals viel Fläche bietenden LP-Hüllen vielleicht nie gekommen wäre. Die Zahl der Konzeptalben ist unüberschaubar. Ein berühmtes älteres, das gleichzeitig das Genre parodiert, ist "Thick as a Brick" von Jethro Tull, ein bekanntes neueres "Subterranea" von IQ.

http://babyblaue-seiten.de/index.php?content=glossar&glossar=k#63

Und etwas ausführlicher hier:
http://babyblaue-seiten.de/index.php?content=leitfaden&leitfaden=16&left=leitfaden&top=leitfaden
Ja, es ist ein schwierig abzugrenzendes Gebiet. Beim "muskalischen roten Faden" fängt es eigentlich schon an. Was ist damit gemeint? Daß, wie in den Werken Richard Wagners erstmals in großem Stil durchgeführt, bestimmte motivische Verknüpfungen da sind, also Motive immer wieder kommen, ggflls leicht abgeändert oder mit anderen verwoben? Daß Motive darüberhinaus entwickelt werden, also ausgearbeitet und zu etwas Neuem gemacht? Ober ist mit dem "musikal. roten Faden" gemeint, daß man den Quintenzirkel abschreitet, Terzverwandtschaften einbaut oder einfach nur Tonmaterial aus bestimmten Skalen?

Ich hab da keinen Lösungsansatz zu, handhabe aber auf der anderen Seite für mich das ... ähm, Konzept des textlich-thematischen Zusammenhangs etwas lockerer als viele andere, könnte ich mir denken. Da müssen nicht irgendwelche Hauptfiguren sein, die in jedem Song erwähnt werden, solche Konzepte gehen bei Rockmusikern eh meist in die Hose. Die besten textlichen Konzepte, die ich kenne, sind eigentlich die von "Operation: Mindcrime" und "Wake Of Magellan". Und uneigentlich auch. Aber da hat sicher jeder seine eigenen Vorlieben.

Es gab schon im Barock thematisch eng zusammenhängende Musiken (und zwar auch außerhalb der sakralen Tonkunst). Übrigens oft was mit Tieren. War wohl der Renner bei den Damen. Viele Konzeptalben mit Tieren hat die Rockmusik ja nicht aufzuweisen, aber zwischen Vivaldi und den Who lag ja auch Orwells "Animals Farm", damit war das Thema wohl ziemlich erledigt. Schade, ich hätte gerne was mit Hamstern gehabt...

@SMM hat das für mich beste aller Konzeptalben schon ins Spiel gebracht, meine Top 5 stammt kurioserweise aus lediglich zwei unterschiedlichen Jahren, nämlich 1997 und 1999. Ist aber nicht so, als würde ich die älteren Konzeptalben nicht kennen, im Gegenteil, bis vor rel. kurzer Zeit kannte ich sogar nur die. Da hier Jazz-Alben vermutlich ausscheiden, will ich mich mal wagen:

1. Fates Warning: A Pleasant Shade Of Gray (1997)
2. Savatage: The Wake Of Magellan (1997)
3. IQ: Subterranea (1997)
4. Nevermore: Dreaming Neon Black (1999)
5. Dream Theater: Scenes From A Memory (1999)

Wer da jetzt einen leichten Überhang zum Prog-Metal herausliest, den muß ich korrigieren. Das ist kein leichter Überhang. :)

"Pleasant Shade" hat ein hochinteressantes Thema: Den schmalen Grat zwischen Melancholie und Depressivität. Eindeutig ein Jim-Matheos-Thema. Und das ist hier so fantastisch umgesetzt, daß mich das Hören dieses Albums (es hat eine Spieldauer von fast genau einer Stunde) immer so sehr mitnimmt, daß ich es nur alle paar Monate auflegen kann. Allein beim Part XII bin ich anschließend schweißgebadet und tränenüberströmt. Das melodische Haupt-Motiv "And where do we begin..?" kommt dreimal auf dem Album vor, wird allerdings nicht weiterentwickelt, was in diesem Fall aber auch gut so ist. Der längere Instrumentalteil aus Part VIII, hier nur mit Klavier und klassicher Gitarre, wird in Part XI mit der gesamten Band wiederholt und weiter ausgeführt. Ein weiteres Kernstück des Albums. Rhythmisch sind so unglaublich viele geniale Stellen in dieser einen Stunde untergebracht, daß man APSOG fast als Unterrichtsmaterial für tightes Bandzusammenspiel benutzen könnte. Der Sound von Terry Brown ist aus-ge-zeich-net!

"Wake Of Magellan" webt drei Handlungsstränge kunstvoll ineinander. Der erste ist der vom ollen Magellan, welcher ein Erbe des gleichnamigen Weltumseglers zu sein glaubt oder vorgibt, und der suizidal wird, weil in seinem Alter das Leben nicht einmal an der portugiesischen Küste noch Spaß macht. Unerhört geschickt werden in diesen Handlungsstrang zwei weitere eingearbeitet, erstens die Katastrophe der Maersk Dubai, wo der Kapitän blinde Passagiere über Bord hat werfen lassen, um keine Zeit mit deren An-Land-Setzen zu vergeuden (wie es im Seerecht vorgeschrieben ist), und zweitens der Fall der irischen Journalistin Veronica Guerin, die sich mit der Dubliner Mafia angelegt hat und von ihnen umgebracht wurde. Ich habe das alles jetzt aus dem Kopf wiedergegeben und hoffe, keine groben Fehler dabei gemacht zu haben.

Musikalisch ist "Wake" ein Kabinettstückchen. Die ersten zwei Drittel sind eine reinrassige Hardrockveranstaltung und gleichsam eine einzige Riffing-Bible; es wird fast pausenlos gesägt und dabei die ganze rhythmische Bandbreite durchdekliniert, daß es eine Freude ist. Das letzte Drittel ist gleichsam eine Mini-Oper innerhalb des Konzeptalbums (die leider mit dem von Pete Townshend geklauten Titel "Underture" beginnt, einer bescheuerten Begriffbildung, denn das frz. Verb heisst ja nunmal "ouvert/eröffnen" und hat mit engl. "over" nix zu tun, aber wurscht, is trotzdem geil). :jubel:

In den letzten fünf Songs gibt es zwei mit dem berühmten Savatage-Kanon (den Titeltrack und "The hourglass"), ein Instrumental (das den Sturm auf See zu Gehör bringt) und eine wunderschöne Ballade ("Anymore"), also alles, was das Herz begehrt. Es geht besonders in diesem letzten Drittel enorm abwechslungsreich und dynamisch zu. Und wenn die Vorstellung dann aus ist, ist man ein besserer Mensch geworden. Muskalisch und textlich. :D

"Dreaming Neon Black" ist vermutlich das dunkelste und abgründigste Konzepalbum, das je geschrieben wurde. "Scenes From A Memory" das mit dem am meisten zusammengeklauten Stoff ;) und der "amerikanischsten" Figurenzeichnung, die leider eher wenige psychologische Feinheiten aufweist. Aber SFAM ist muskalisch eben grausam gut. Habe es gerade erst wieder ganz gehört und deshalb mal den ganzen Bumms hier geschrieben. :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Großartig geschrieben, werter Graf.
Besonderes Lob gebührt Deiner Betrachtung über die "Pleasant Shade".
An manchen Tagen ist sie nicht nur die beste FW, sondern das beste Album aller Zeiten für mich.

Dem kann ich nur beipflichten. Für mich der absolute Höhepunkt in der gesamten FW-Diskografie. Und darin gibt es bekanntlich keine Scheibe, die schlechter als 8 ist.
 
Ja, es ist ein schwierig abzugrenzendes Gebiet. Beim "muskalischen roten Faden" fängt es eigentlich schon an. Was ist damit gemeint? Daß, wie in den Werken Richard Wagners erstmals in großem Stil durchgeführt, bestimmte motivische Verknüpfungen da sind, also Motive immer wieder kommen, ggflls leicht abgeändert oder mit anderen verwoben? Daß Motive darüberhinaus entwickelt werden, also ausgearbeitet und zu etwas Neuem gemacht? Ober ist mit dem "musikal. roten Faden" gemeint, daß man den Quintenzirkel abschreitet, Terzverwandtschaften einbaut oder einfach nur Tonmaterial aus bestimmten Skalen?

Ich hab da keinen Lösungsansatz zu, handhabe aber auf der anderen Seite für mich das ... ähm, Konzept des textlich-thematischen Zusammenhangs etwas lockerer als viele andere, könnte ich mir denken. Da müssen nicht irgendwelche Hauptfiguren sein, die in jedem Song erwähnt werden, solche Konzepte gehen bei Rockmusikern eh meist in die Hose. Die besten textlichen Konzepte, die ich kenne, sind eigentlich die von "Operation: Mindcrime" und "Wake Of Magellan". Und uneigentlich auch. Aber da hat sicher jeder seine eigenen Vorlieben.

Es gab schon im Barock thematisch eng zusammenhängende Musiken (und zwar auch außerhalb der sakralen Tonkunst). Übrigens oft was mit Tieren. War wohl der Renner bei den Damen. Viele Konzeptalben mit Tieren hat die Rockmusik ja nicht aufzuweisen, aber zwischen Vivaldi und den Who lag ja auch Orwells "Animals Farm", damit war das Thema wohl ziemlich erledigt. Schade, ich hätte gerne was mit Hamstern gehabt...

@SMM hat das für mich beste aller Konzeptalben schon ins Spiel gebracht, meine Top 5 stammt kurioserweise aus lediglich zwei unterschiedlichen Jahren, nämlich 1997 und 1999. Ist aber nicht so, als würde ich die älteren Konzeptalben nicht kennen, im Gegenteil, bis vor rel. kurzer Zeit kannte ich sogar nur die. Da hier Jazz-Alben vermutlich ausscheiden, will ich mich mal wagen:

1. Fates Warning: A Pleasant Shade Of Grey (1997)
2. Savatage: The Wake Of Magellan (1997)
3. IQ: Subterranea (1997)
4. Nevermore: Dreaming Neon Black (1999)
5. Dream Theater: Scenes From A Memory (1999)

Wer da jetzt einen leichten Überhang zum Prog-Metal herausliest, den muß ich korrigieren. Das ist kein leichter Überhang. :)

"Pleasant Shade" hat ein hochinteressantes Thema: Den schmalen Grat zwischen Melancholie und Depressivität. Eindeutig ein Jim-Matheos-Thema. Und das ist hier so fantastisch umgesetzt, daß mich das Hören dieses Albums (es hat eine Spieldauer von fast genau einer Stunde) immer so sehr mitnimmt, daß ich es nur alle paar Monate auflegen kann. Allein beim Part XII bin ich anschließend schweißgebadet und tränenüberströmt. Das melodische Haupt-Motiv "And where do we begin..?" kommt dreimal auf dem Album vor, wird allerdings nicht weiterentwickelt, was in diesem Fall aber auch gut so ist. Der längere Instrumentalteil aus Part VIII, hier nur mit Klavier und klassicher Gitarre, wird in Part XI mit der gesamten Band wiederholt und weiter ausgeführt. Ein weiteres Kernstück des Albums. Rhythmisch sind so unglaublich viele geniale Stellen in dieser einen Stunde untergebracht, daß man APSOG fast als Unterrichtsmaterial für tightes Bandzusammenspiel benutzen könnte. Der Sound von Terry Brown ist aus-ge-zeich-net!

"Wake Of Magellan" webt drei Handlungsstränge kunstvoll ineinander. Der erste ist der vom ollen Magellan, welcher ein Erbe des gleichnamigen Weltumseglers zu sein glaubt oder vorgibt, und der suizidal wird, weil in seinem Alter das Leben nicht einmal an der portugiesischen Küste noch Spaß macht. Unerhört geschickt werden in diesen Handlungsstrang zwei weitere eingearbeitet, erstens die Katastrophe der Maersk Dubai, wo der Kapitän blinde Passagiere über Bord hat werfen lassen, um keine Zeit mit deren An-Land-Setzen zu vergeuden (wie es im Seerecht vorgeschrieben ist), und zweitens der Fall der irischen Journalistin Veronica Guerin, die sich mit der Dubliner Mafia angelegt hat und von ihnen umgebracht wurde. Ich habe das alles jetzt aus dem Kopf wiedergegeben und hoffe, keine groben Fehler dabei gemacht zu haben.

Musikalisch ist "Wake" ein Kabinettstückchen. Die ersten zwei Drittel sind eine reinrassige Hardrockveranstaltung und gleichsam eine einzige Riffing-Bible; es wird fast pausenlos gesägt und dabei die ganze rhythmische Bandbreite durchdekliniert, daß es eine Freude ist. Das letzte Drittel ist gleichsam eine Mini-Oper innerhalb des Konzeptalbums (die leider mit dem von Pete Townshend geklauten Titel "Underture" beginnt, einer bescheuerten Begriffbildung, denn das frz. Verb heisst ja nunmal "ouvert/eröffnen" und hat mit engl. "over" nix zu tun, aber wurscht, is trotzdem geil). :jubel:

In den letzten fünf Songs gibt es zwei mit dem berühmten Savatage-Kanon (den Titeltrack und "The hourglass"), ein Instrumental (das den Sturm auf See zu Gehör bringt) und eine wunderschöne Ballade ("Anymore"), also alles, was das Herz begehrt. Es geht besonders in diesem letzten Drittel enorm abwechslungsreich und dynamisch zu. Und wenn die Vorstellung dann aus ist, ist man ein besserer Mensch geworden. Muskalisch und textlich. :D

"Dreaming Neon Black" ist vermutlich das dunkelste und abgründigste Konzepalbum, das je geschrieben wurde. "Scenes From A Memory" das mit dem am meisten zusammengeklauten Stoff ;) und der "amerikanischsten" Figurenzeichnung, die leider eher wenige psychologische Feinheiten aufweist. Aber SFAM ist muskalisch eben grausam gut. Habe es gerade erst wieder ganz gehört und deshalb mal den ganzen Bumms hier geschrieben. :)

Erneut überaus trefflich seziert, Herr Graf, Chapeau, wie so oft. Zwar wird "Magellan" ewig in der eher 2. Reihe meiner Sava-Faves stehen, ansonsten ist deinen Ausführungen kaum etwas hinzuzufügen.

Ich würfle im Übrigen an dieser Stelle noch einmal Superior's "Ultima Ratio" (obwohl die Story durchaus Parallelen zu OM aufweist, ist aber Wurst, weil toll gemacht trotzdem) in den Raum, ebenso wie Soulsplitters "Salutogenesis" und das Thoughts Factory Debüt...
 
"Pleasant Shade".
An manchen Tagen ist sie nicht nur die beste FW, sondern das beste Album aller Zeiten für mich.
Exakt so geht es mir auch, lieber Cimmy. :jubel: Exakt so! Nach APSOG kann an demselben Tag nichts mehr kommen. Aber ich höre sie eh immer nur abends, wenns dunkel und schon still geworden ist. Also auch spät. Und ich staune immer, immer wieder Bauklötze, was Matheos mit diesem Werk gelungen ist. Der Sog, den "Pleasant Shade" entwickelt, ist wahrscheinlich vergleichbar dem, den jemand spürt, der tief in eine Depression bzw. melancholische Stimmung hineingezogen wird. Man liest immer wieder, es gebe für diese Menschen in einer bestimmten (meist zum Glück eher kurzen) Phase nichts anderes als dieses eine Gefühl. Sie gingen dann ganz darin auf und "bestünden" in der eigenen Wahrnehmung fast nur daraus. Genau so etwas empfinde ich beim Hören von "Pleasant Shade", es gibt nur diese Musik und ich bin mittendrin und kann nicht einfach so wieder heraustreten, bis sie zu Ende ist. Die Idee mit dem Wecker nach langer Pause ist schlicht genial und trifft es sowas von auf den Punkt. Man muß wieder in die Realität zurückgeholt werden. Sonst säße man vielleicht noch lange da und würde das Album nachklingen lassen.

Was für ein Geniestreich, so etwas im Hörer hervorzubringen. Welche Künstlerschaft und welcher Mut, so etwas aufzunehmen!
 
Exakt so geht es mir auch, lieber Cimmy. :jubel: Exakt so! Nach APSOG kann an demselben Tag nichts mehr kommen. Aber ich höre sie eh immer nur abends, wenns dunkel und schon still geworden ist. Also auch spät. Und ich staune immer, immer wieder Bauklötze, was Matheos mit diesem Werk gelungen ist. Der Sog, den "Pleasant Shade" entwickelt, ist wahrscheinlich vergleichbar dem, den jemand spürt, der tief in eine Depression bzw. melancholische Stimmung hineingezogen wird. Man liest immer wieder, es gebe für diese Menschen in einer bestimmten (meist zum Glück eher kurzen) Phase nichts anderes als dieses eine Gefühl. Sie gingen dann ganz darin auf und "bestünden" in der eigenen Wahrnehmung fast nur daraus. Genau so etwas empfinde ich beim Hören von "Pleasant Shade", es gibt nur diese Musik und ich bin mittendrin und kann nicht einfach so wieder heraustreten, bis sie zu Ende ist. Die Idee mit dem Wecker nach langer Pause ist schlicht genial und trifft es sowas von auf den Punkt. Man muß wieder in die Realität zurückgeholt werden. Sonst säße man vielleicht noch lange da und würde das Album nachklingen lassen.

Was für ein Geniestreich, so etwas im Hörer hervorzubringen. Welche Künstlerschaft und welcher Mut, so etwas aufzunehmen!

Interessante Betrachtungsweise, Herr Graf.
Ich kann "Pleasant Shade" auch nur Abends/Nachts hören.
Am besten regnet es dann noch gegen mein Fenster, dann ist die Stimmung dafür perfekt.
Mich würde es sehr interessieren, woher Jim Matheos seine Anregung für eben gerade diesen Song und seine Lyrics gezogen hat. Es klingt an vielen Stellen so authentisch, herzergreifend und voller Depressivität, dass man sich doch Sorgen um das Seelenheil des Protagonisten (Matheos?) machen muss.
Zum Ende hin klart die Stimmung zumindest ein wenig auf.
Ohne auf ein großes Happy End hoffen zu dürfen.
 
Interessante Betrachtungsweise, Herr Graf.
Ich kann "Pleasant Shade" auch nur Abends/Nachts hören.
Am besten regnet es dann noch gegen mein Fenster, dann ist die Stimmung dafür perfekt.
Mich würde es sehr interessieren, woher Jim Matheos seine Anregung für eben gerade diesen Song und seine Lyrics gezogen hat. Es klingt an vielen Stellen so authentisch, herzergreifend und voller Depressivität, dass man sich doch Sorgen um das Seelenheil des Protagonisten (Matheos?) machen muss.
Zum Ende hin klart die Stimmung zumindest ein wenig auf.
Ohne auf ein großes Happy End hoffen zu dürfen.
Ja, am Ende ist es ein fast versöhnlicher Blick auf das Versinken im melancholischen All (in dieser Hinsicht vergleichbar übrigens dem Tristan-Schluß). Gerade der letzte Part XII nimmt mich mit wie nichts sonst im Rockmusikbereich (nur Wagners "Walküre" und eben "Tristan" sind überhaupt NOCH intensiver für mich). Im Part XII gibt es ja zu Beginn und wieder am Ende nur diese zwei Töne auf Matheos Gitarre (Intervall ist eine Oktave), dann steigt die Band ein und insbesondere Kevin Moores Soundeffekte krempeln mir jedesmal die Seele auf links. Ich weiß nicht, wie man das nennt, was da zu hören ist, es klingt wie ein kleiner Komet oder Feuerwerkskörper, der an einem vorbeifliegt. Die Akkordfolge ist traurig und irgendwie erleichtert, so wie nach einer Krankheit, von der nun abzusehen ist, daß man sie ganz bald überstanden haben wird (dasselbe Empfinden bietet der dritte Satz von Beethovens Streichquartett op.132).

Dann kommt ein Cut und der Baß, der ohnehin auf der ganzen APSOG so prominent vertreten ist und auch so laut ausgesteuert wie auf kaum einer anderen Rockscheibe sonst, hebt an zum Beginn einer kollektiven Impro-Session, in der die Gitarre später eingefadet wird. Die Rhythmen verschieben sich alle gegeneinander, Baß, Gitarre und Drums, was einen umwerfenden Effekt hat und in dieser Form für mich einmalig ist. Sehr zugute kommt dieser hochelaborierten Stampf-Orgie, das das Tempo nicht zu schnell gewählt ist und viel Raum gelassen wird innerhalb der jeweiligen Parts der drei Instrumente und sogar im verschobenen-verschrobenen Zusammenspiel.

Dann, nach etlichen aufreibenden Minuten, in denen man unwillkürlich mitwibbelt und -hackt und -fuchtelt und -stampft, wieder ein Cut, der endgeile Gitarrenlauf hoch zu einem tonleiterfremden Ton (keine Ahnung, welchem, es hört sich herrlich dissonant an) und zurück in den Modus mit der immer wiederholten Gitarrenoktave und den emotionalen Akkorden, nur weicher als zuvor, viel weicher. Der Gesang umarmt die ganze Welt, gute wie schlechte Momente des eigenen Daseins gleichermaßen, und ein kathartisches leises Finale löst alle Spannung auf - für den Moment. Man weiß, man wird diesen Zyklus noch viele weitere Male durchlaufen müssen, aber eben auch durchlaufen dürfen. Denn wenn sie nicht starke pathologische Züge annimmt, kann so eine Schwermut auch viel kreatives Potential besitzen und in meiner Lesart ist es genau das, was Matheos mit seinen eigenen Anfechtungen hier gemacht hat und was uns vielleicht - auch wenn das jetzt etwas kitschig klingen mag - trösten und ermuntern soll, selbst in unseren schwereren Momenten Mut zu haben, die Probleme in etwas anderes umzuwandeln, auf welche Art auch immer. Ob in einem ästhetischen Prozeß oder einem anderen.

"So where do we begin / and what else can we say / when the lines are all drawn / what should we do today?"

Man darf ja nicht übersehen, wieviel muskalische Schönheit auf diesem Album aus der vorhandenen Schwermut extrahiert wird, und wer auch nur zwei Interviews mit Jim Matheos gelesen hat, weiß um seine Sorge, die er jedesmal davor hat, ein neues kreatives Projekt zu beginnen und dafür evtl. keine oder qualitativ nicht zureichende Ideen zu haben.

Und da spielt vielleicht das Oktavintervall eine große Rolle, das Matheos in Part XII spielt. Eine Oktave ist ja quasi derselbe Ton - nur eben anders. Genauer auf einer anderen Frequenz. Ein wunderbares Sinnbild dafür, daß man auch im Rahmen des ewig Gleichen eine Stufe höher und damit weiterkommen kann.

Edit: Übrigens, alles wie immer nur aus Gedächtnis wiedergegeben. Hoffe, einigermaßen korrekt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, am Ende ist es ein fast versöhnlicher Blick auf das Versinken im melancholischen All (in dieser Hinsicht vergleichbar übrigens dem Tristan-Schluß). Gerade der letzte Part XII nimmt mich mit wie nichts sonst im Rockmusikbereich (nur Wagners "Walküre" und eben "Tristan" sind überhaupt NOCH intensiver für mich). Im Part XII gibt es ja zu Beginn und wieder am Ende nur diese zwei Töne auf Matheos Gitarre (Intervall ist eine Oktave), dann steigt die Band ein und insbesondere Kevin Moores Soundeffekte krempeln mir jedesmal die Seele auf links. Ich weiß nicht, wie man das nennt, was da zu hören ist, es klingt wie ein kleiner Komet oder Feuerwerkskörper, der an einem vorbeifliegt. Die Akkordfolge ist traurig und irgendwie erleichtert, so wie nach einer Krankheit, von der nun abzusehen ist, daß man sie ganz bald überstanden haben wird (dasselbe Empfinden bietet der dritte Satz von Beethovens Streichquartett op.132).

Dann kommt ein Cut und der Baß, der ohnehin auf der ganzen APSOG so prominent vertreten ist und auch so laut ausgesteuert wie auf kaum einer anderen Rockscheibe sonst, hebt an zum Beginn einer kollektiven Impro-Session, in der die Gitarre später eingefadet wird. Die Rhythmen verschieben sich alle gegeneinander, Baß, Gitarre und Drums, was einen umwerfenden Effekt hat und in dieser Form für mich einmalig ist. Sehr zugute kommt dieser hochelaborierten Stampf-Orgie, das das Tempo nicht zu schnell gewählt ist und viel Raum gelassen wird innerhalb der jeweiligen Parts der drei Instrumente und sogar im verschobenen-verschrobenen Zusammenspiel.

Dann, nach etlichen aufreibenden Minuten, in denen man unwillkürlich mitwibbelt und -hackt und -fuchtelt und -stampft, wieder ein Cut, der endgeile Gitarrenlauf hoch zu einem tonleiterfremden Ton (keine Ahnung, welchem, es hört sich herrlich dissonant an) und zurück in den Modus mit der immer wiederholten Gitarrenoktave und den emotionalen Akkorden, nur weicher als zuvor, viel weicher. Der Gesang umarmt die ganze Welt, gute wie schlechte Momente des eigenen Daseins gleichermaßen, und ein kathartisches leises Finale löst alle Spannung auf - für den Moment. Man weiß, man wird diesen Zyklus noch viele weitere Male durchlaufen müssen, aber eben auch durchlaufen dürfen. Denn wenn sie nicht starke pathologische Züge annimmt, kann so eine Schwermut auch viel kreatives Potential besitzen und in meiner Lesart ist es genau das, was Matheos mit seinen eigenen Anfechtungen hier gemacht hat und was uns vielleicht - auch wenn das jetzt etwas kitschig klingen mag - trösten und ermuntern soll, selbst in unseren schwereren Momenten Mut zu haben, die Probleme in etwas anderes umzuwandeln, auf welche Art auch immer. Ob in einem ästhetischen Prozeß oder einem anderen.

"So where do we begin / and what else can we say / when the lines are all drawn / what should we do today?"

Man darf ja nicht übersehen, wieviel muskalische Schönheit auf diesem Album aus der vorhandenen Schwermut extrahiert wird, und wer auch nur zwei Interviews mit Jim Matheos gelesen hat, weiß um seine Sorge, die er jedesmal davor hat, ein neues kreatives Projekt zu beginnen und dafür evtl. keine oder qualitativ nicht zureichende Ideen zu haben.

Und da spielt vielleicht das Oktavintervall eine große Rolle, das Matheos in Part XII spielt. Eine Oktave ist ja quasi derselbe Ton - nur eben anders. Genauer auf einer anderen Frequenz. Ein wunderbares Sinnbild dafür, daß man auch im Rahmen des ewig Gleichen eine Stufe höher und damit weiterkommen kann.

Edit: Übrigens, alles wie immer nur aus Gedächtnis wiedergegeben. Hoffe, einigermaßen korrekt.
Wieder tolle Einsichten/Ansichten und wundervoll geschrieben, auch wenn ich dem Album bisher immer nur teilweise etwas abgewinnen konnte. Aber wenn ich soetwas lese, bin ich auf jeden Fall motiviert, mich mal wieder eingehender mit dem Werk zu beschäftigen...
 
Interessantes Thema.
Ich hab ja zB bis heute nicht verstanden wo die 3 Keeper Alben von Helloweeon Konzeptalben sind. Selbes mit The Time of the oath.

Grave Digger haben da ja zB Unmengen gebracht, wenngleich wohl mit dem Konzept auch mal über mangelnde neue Songideen hinweggetäuscht werden sollte.
Für diesen Fall ein besonderes Beispiel ist auch sicherlich Joey DeMaio's Manowar Plays Joey DeMaio's Gods of War.

Bei Konzeptalbum kommt einem natürlich ruckzuck der King in den Sinn. Gab es natürlich schon vorm King.
Doch der schafft es so unglaublich geil Songwriting und Storytellung Handin-Hand gehen zu lassen. Manchmal geht das eine oder das andere dabei ein wenig unter. Zuletzt leider auch beim King.

So ein halbes Konzeptalbum finde ich auch nicht verkehrt. King Diamond's Fatal Portrait oder Iced Earth's Plagues of Babylon fallen mir da eben ein.

Finde es aber auch cool wie bei FW's "A Pleasant shade of Grey" wo sich dann ein musikalisches Thema durch das Album zieht.

Besonders stark ist LuLu. Zwar eher Underground, doch Metallica und Lou Reed sollte man mal eine Chance geben
 
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