Der Serien-Thread

Aktuell rewatch von AfterLife :

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Danach endlich mal Fleabag :

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3 von 4 Folgen "Inside Man" gesehen. Der Pfaffe und seine Familie sind so dumm, ich halt es nicht aus. Dabei ist ja die Idee mit dem Typen im Knast gar nicht mal schlecht,
 
"The Vietnam War" von Ken Burns

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Ich kenne Dutzende, wahrscheinlich Hunderte von Dokus, aber das hier ist das didaktisch Beste, was ich jemals gesehen habe. Besser als jede Serie. Spannender als jeder Film. Und dabei hochinformativ. Burns ist strikt unparteiisch und lässt die Protagonisten beider Seiten zu Wort kommen. Er zeigt die Täter beider Parteien. Aber vor allem die Opfer. Er erklärt, warum die Amerikaner in diesen Krieg geschlittert sind und sehenden Auges mit immer mehr Fahrt gegen die Betonwand fuhren. Dabei zeichnet er anschaulich nach, wie sehr sich die US-amerikanische Gesellschaft durch den Krieg verändert hat.

Dieses Meisterwerk an Geschichtsschreibung kennt kein Gut und Böse, keinen moralischen Zeigefinger oder naive Heldenverehrung. Es ist der völlig unverstellte Blick auf die Explosion eines Landes in Zeitlupe. Und ein Lehrstück in Sachen Versagen der und einfältiges Vertrauen in die Politik. Wer sich auch nur ein bisschen um Geschichtswissen bemüht, kommt um diese auf Netflix erhältliche Doku nicht herum. Für mich absolut bahnbrechend und der dringendste Fernseh-Tipp, den ich irgendwem geben kann.


Dazu ist auch die Monographie "Krieg ohne Fronten. Die USA in Vietnam" von Bernd Greiner sehr aufschlussreich:


1.
Der Vietnam-Konflikt (offizielle Bezeichnung) war in erster Linie ein ideologischer, und in zweiter Linie ein geopolitisch motivierter Stellvertreterkrieg zwischen Nato & Warschauer Pakt.

2.
Der offizielle militärische Auftrag an die Streitkräfte der USA lautete Militärberatung und weitete sich erst in der Praxis zur (inoffiziell längst einkalkulierten) Beteiligung an den und schließlich zur maßgeblichen Führung der Kampfhandlungen an südvietnamesischer Seite aus.

3.
Es gab darüberhinaus keine politisch ausformulierten klaren Kriegsziele als Vorgabe für das ausführende Militär, das damit sich selbst überlassen (und - bei allen Entscheidungen, egal in welche Richtung - nicht vollumfänglich demokratisch legitimiert; meine Ergänzung) war und in den Detailfragen der Strategie-Ziele/Mittel/Bewertung in weiten Teilen zumindest der unteren Entscheidungsebenen auch keiner parlamentarischen Kontrolle mehr zugänglich war; selbstverständlich gab es aufgrund dessen auch keine Exit-Strategie, und für das Militär einheitlich und allgemeinverbindlich gültig und praxistauglich auch keine Kriterien für militärische (Miss-) Erfolge.

4.
Im Zusammenspiel dieser Faktoren, inklusive einer von der politischen Führung und auch von der Bevölkerung zunächst so hinge- und über-nommenen Vermeidung einer gesellschaftlich breit und thematisch tief geführten Debatte bezüglich Auftrag, Umfang, Vorgehen des US-Militärs, die über vage, ideologisch als unverhandelbar gefestigte "Selbstverständlichkeiten" wie Aufhalten des Kommunismus (nach der Domino-Theorie), hätte hinausgehen können (und im Rückblick auch müssen), setzte sich das ad hoc zunächst als Notlösung entwickelte Kriterium des Body Count schließlich zu DER militärtaktischen Messgröße von Operationserfolgen (häufigste Auftragslage: "Seek and destroy") schlechthin.

5.
Alternativen ließen sich angesichts eines asymmetrisch geführten Guerillakriegs ohne klare Gebietsgewinne (und in die Praxis durchschlagender Gesamtauftragslage) - und mangels auch nur im regional umkämpften Einzelfall sicher festzustellender Zuwächse/Verluste im Kampf um die "hearts and minds" der (schon vor Anbeginn des "robusten" Eintritts der USA in den Konflikt) zwischen die eben nicht mehr erkennbar verlaufenden Fronten geratenen Zivilbevölkerung - auch kaum entwickeln.

6.
Die anfängliche Zuversicht, dass die vermeintliche ideologisch-moralische Überlegenheit sowohl eine die vietnamesische Gesellschaft und deren Rückhalt erreichende Ausstrahlungskraft haben als auch im Verbund mit der technologischen Überlegenheit militärische Erfolge garantieren würde, schwand unter den Bedingungen des Dschungelkriegs mit oft nicht rechtzeitig als solchen erkennbaren Kombattanten zusehends und wich partiell einer zum Pauschalisieren tendierenden Wer-nicht-erkennbar-zu-uns-gehört-ist-der-Feind!-Mentalität.

7.
Ziellosigkeit, Zynismus, Zuwachs des Strebens nach einem möglich hohen Body Count führten somit zu einer Verrohung auf allen Ebenen:

Die Führung hatte gegenüber der Politik kaum andere Erfolge vorzuweisen, stand aber ihrerseits unter dem Druck, unbedingt (undefinierte) "Erfolge" vorzuweisen.

Die Karriere der Offiziere entwickelte sich um so prächtiger, je höher der Body Count ihrer Mannschaften ausfiel; militärische Disziplin gemäß der Genfer Konvention aufrechtzuerhalten, kollidierte mit diesem Bestreben.

Die Einsatztruppen konnten wiederum ihre jeweils tatsächlich gefährdete, als gefährlich eingeschätzte, oder auch bloß als gefährlicher ausgegebene Lage (ob nun im Einzelfall zum unmittelbaren Selbstschutz, zur taktischen Vermeidung gefährlicherer Gefechte, zur kollektiven Vermeidung moralisch-kognitiver Dissonanz, zur individuellen psychischen Frustrationsbewältigung...) neben einem beachtlich "respektablen" body count oftmals auch dann noch erfolgreich anführen, wenn es zu exzessiven Gewalttaten gegen "hypothetisch" dem Feind angehörige bzw. nahestehende Zivilist*innen kam. Im Extremfall wurde dann auch mal die Ermordung einer Schwangeren als Ausschaltung zweier Vietcong vermerkt - zunehmend, ohne dass "von oben" unliebsame Nachfragen gestellt worden wären.


Das Endergebnis ist bekannt:

Der (man möchte fast meinen in einer Kaussalkette) im kollektiven Bewusstsein einzig ideologisch legitimierte, politisch unzureichend und geradezu schwammig definierte, militärisch kopflos, undiszipliniert, unprofessionell geführte Konflikt versumpfte in einer unkontrollierten Eskalationsspirale und wurde damit zum humanitären Desaster, zur militärischen Niederlage, zur gesellschaftlichen Zerreißprobe der amerikanischen Gesellschaft zwischen "Kindermörder!"- und "Verräter!"-Vorwürfen, Leugnung und Rechtfertigungsversuchen der Gräuel, sowie zu einem hochproblematischen Umgang der Zivilbevölkerung mit traumatisierten Kriegsveteranen, teilweise als "Sündenböcken" oder (abgeschwächt) einer unangenehmen und verdrängten Erinnerung an das tabu-behaftete kollektive Versagen der USA (mit ihrem nationalen Selbstverständnis als ausstrahlungskräftiges Vorbild) in den Augen der Weltgeschichte.

Infolgedessen unterliegt nun auch die, eine zu lange verzögerte öffentliche Debatte dann um so heftiger anstoßende, journalistische Berichterstattung deutlich strengeren staatlichen Restriktionen - wo sie sich nicht ohnehin gleich in ihrer Bequemlichkeit, der Geltungssucht leitartikelschreibender Chefredakteur[*innen?], ihrer Naivität, ihrer Ohnmacht, ihres "Patriotismus", ihrer Sensationslust, ihrem Sicherheitsbestreben (Wahrscheinlichkeit von Beschuss vor Ort / Patriot Act & vergleichbare Gesetze weltweit daheim), ihres Wettbewerbvorteils, ihrer Zurichtung auf die Interessen der Anzeigenkunden, des empfundenen Zeitgeists seitens der Konsument*innen willen zum Erfüllungsgehilfen militärischer Propaganda macht ("embedded journalism").


(Geschichte wiederholt sich nicht; sie weist allenfalls strukturelle Ähnlichkeiten auf: Ob und welche Schlüsse - oder besser gesagt: Welche Fragestellungen man daraus für den letzten Jugoslawien-, die jüngsten Irak-, die letzten beiden Afghanistan-, oder den aktuellen Ukraine-Konflikt ziehen möchte [?], mag man selbst entscheiden - und hoffentlich ebenso umsichtig prüfen wie Greiner die [zwischenzeitlich wieder zum U.S.-Staatsgeheimnis erklärte] Quellenlage...)
 
Hallo Leute. Aus Versehen 1899 angefangen. Am Anfang ist ein Schiff und Leute und alles. Dann kommt der Titelsong, 1 moderne Interpretation des wohl berühmtesten Psych-Rock-Songs, mit den White Rabbit etc. Kann man machen, Neuinterpretationen grundsätzlich immer gut, weil früher alles schlimmer war. Beats und Instrumentierung auch super, aber bzw. ABER: der Knackpunkt an diesem Song ist die Art, wie er gesungen wird, die INTONATION. Es ist eine Bedrohung, aber 1 SEKSY Bedrohung. Jetzt klingt es wie Musik aus Autowerbung. Dazu kommt in der Serie selbst immer eine Art Best of Boomerrock, kaum auszuhalten. Naja. Es ist alles gut gefilmt und so, aber die wirklich große Stärke ist, dass alle in ihrer eigenen Sprache sprechen. Ganz selten wird sich mal auf eine Sprache geeinigt und normal kommuniziert, ansonsten redet 1 Chinese chinesisch mit 1 Dänen, und dann kommt 1 Franzose und redet französisch, alle gucken nur und halten quasi Monologe, sie sind gefangen in sich selbst, völlig einsam, obwohl unter Menschen, großes Kino! Leider wurde der ganze Bums auf deutsch einfach plattgemacht bzw. einsynchronisiert, hier wirklich absolut unnötig und destruktiv. Tja, findige Filmkenner haben spätestens nach 30 Minuten zusammengereimt: Titel ist eine Jahreszahl, die noch vor dem Gucken einen Handlungszeitraum impliziert, aber Brechung durch Musik, Isolation der Charaktere: Logo, es muss in echt eine ganz andere Zeit sein und alle sind wahrscheinlich gar nicht auf dem Schiff bzw. vielleicht sogar NPC oder tot oder Koma. Klingt alles ganz solide, aber weiter als bis Folge 5 habe ich nicht geschafft, und ich bin mir zu 98% sicher, dass ich die letzte Einstellung exakt vorhersagen kann, und dann lohnt sich das echt nicht weiterzugucken. Wurde wohl zurecht abgesetzt.
 
Dazu ist auch die Monographie "Krieg ohne Fronten. Die USA in Vietnam" von Bernd Greiner sehr aufschlussreich:


1.
Der Vietnam-Konflikt (offizielle Bezeichnung) war in erster Linie ein ideologischer, und in zweiter Linie ein geopolitisch motivierter Stellvertreterkrieg zwischen Nato & Warschauer Pakt.

2.
Der offizielle militärische Auftrag an die Streitkräfte der USA lautete Militärberatung und weitete sich erst in der Praxis zur (inoffiziell längst einkalkulierten) Beteiligung an den und schließlich zur maßgeblichen Führung der Kampfhandlungen an südvietnamesischer Seite aus.

3.
Es gab darüberhinaus keine politisch ausformulierten klaren Kriegsziele als Vorgabe für das ausführende Militär, das damit sich selbst überlassen (und - bei allen Entscheidungen, egal in welche Richtung - nicht vollumfänglich demokratisch legitimiert; meine Ergänzung) war und in den Detailfragen der Strategie-Ziele/Mittel/Bewertung in weiten Teilen zumindest der unteren Entscheidungsebenen auch keiner parlamentarischen Kontrolle mehr zugänglich war; selbstverständlich gab es aufgrund dessen auch keine Exit-Strategie, und für das Militär einheitlich und allgemeinverbindlich gültig und praxistauglich auch keine Kriterien für militärische (Miss-) Erfolge.

4.
Im Zusammenspiel dieser Faktoren, inklusive einer von der politischen Führung und auch von der Bevölkerung zunächst so hinge- und über-nommenen Vermeidung einer gesellschaftlich breit und thematisch tief geführten Debatte bezüglich Auftrag, Umfang, Vorgehen des US-Militärs, die über vage, ideologisch als unverhandelbar gefestigte "Selbstverständlichkeiten" wie Aufhalten des Kommunismus (nach der Domino-Theorie), hätte hinausgehen können (und im Rückblick auch müssen), setzte sich das ad hoc zunächst als Notlösung entwickelte Kriterium des Body Count schließlich zu DER militärtaktischen Messgröße von Operationserfolgen (häufigste Auftragslage: "Seek and destroy") schlechthin.

5.
Alternativen ließen sich angesichts eines asymmetrisch geführten Guerillakriegs ohne klare Gebietsgewinne (und in die Praxis durchschlagender Gesamtauftragslage) - und mangels auch nur im regional umkämpften Einzelfall sicher festzustellender Zuwächse/Verluste im Kampf um die "hearts and minds" der (schon vor Anbeginn des "robusten" Eintritts der USA in den Konflikt) zwischen die eben nicht mehr erkennbar verlaufenden Fronten geratenen Zivilbevölkerung - auch kaum entwickeln.

6.
Die anfängliche Zuversicht, dass die vermeintliche ideologisch-moralische Überlegenheit sowohl eine die vietnamesische Gesellschaft und deren Rückhalt erreichende Ausstrahlungskraft haben als auch im Verbund mit der technologischen Überlegenheit militärische Erfolge garantieren würde, schwand unter den Bedingungen des Dschungelkriegs mit oft nicht rechtzeitig als solchen erkennbaren Kombattanten zusehends und wich partiell einer zum Pauschalisieren tendierenden Wer-nicht-erkennbar-zu-uns-gehört-ist-der-Feind!-Mentalität.

7.
Ziellosigkeit, Zynismus, Zuwachs des Strebens nach einem möglich hohen Body Count führten somit zu einer Verrohung auf allen Ebenen:

Die Führung hatte gegenüber der Politik kaum andere Erfolge vorzuweisen, stand aber ihrerseits unter dem Druck, unbedingt (undefinierte) "Erfolge" vorzuweisen.

Die Karriere der Offiziere entwickelte sich um so prächtiger, je höher der Body Count ihrer Mannschaften ausfiel; militärische Disziplin gemäß der Genfer Konvention aufrechtzuerhalten, kollidierte mit diesem Bestreben.

Die Einsatztruppen konnten wiederum ihre jeweils tatsächlich gefährdete, als gefährlich eingeschätzte, oder auch bloß als gefährlicher ausgegebene Lage (ob nun im Einzelfall zum unmittelbaren Selbstschutz, zur taktischen Vermeidung gefährlicherer Gefechte, zur kollektiven Vermeidung moralisch-kognitiver Dissonanz, zur individuellen psychischen Frustrationsbewältigung...) neben einem beachtlich "respektablen" body count oftmals auch dann noch erfolgreich anführen, wenn es zu exzessiven Gewalttaten gegen "hypothetisch" dem Feind angehörige bzw. nahestehende Zivilist*innen kam. Im Extremfall wurde dann auch mal die Ermordung einer Schwangeren als Ausschaltung zweier Vietcong vermerkt - zunehmend, ohne dass "von oben" unliebsame Nachfragen gestellt worden wären.


Das Endergebnis ist bekannt:

Der (man möchte fast meinen in einer Kaussalkette) im kollektiven Bewusstsein einzig ideologisch legitimierte, politisch unzureichend und geradezu schwammig definierte, militärisch kopflos, undiszipliniert, unprofessionell geführte Konflikt versumpfte in einer unkontrollierten Eskalationsspirale und wurde damit zum humanitären Desaster, zur militärischen Niederlage, zur gesellschaftlichen Zerreißprobe der amerikanischen Gesellschaft zwischen "Kindermörder!"- und "Verräter!"-Vorwürfen, Leugnung und Rechtfertigungsversuchen der Gräuel, sowie zu einem hochproblematischen Umgang der Zivilbevölkerung mit traumatisierten Kriegsveteranen, teilweise als "Sündenböcken" oder (abgeschwächt) einer unangenehmen und verdrängten Erinnerung an das tabu-behaftete kollektive Versagen der USA (mit ihrem nationalen Selbstverständnis als ausstrahlungskräftiges Vorbild) in den Augen der Weltgeschichte.

Infolgedessen unterliegt nun auch die, eine zu lange verzögerte öffentliche Debatte dann um so heftiger anstoßende, journalistische Berichterstattung deutlich strengeren staatlichen Restriktionen - wo sie sich nicht ohnehin gleich in ihrer Bequemlichkeit, der Geltungssucht leitartikelschreibender Chefredakteur[*innen?], ihrer Naivität, ihrer Ohnmacht, ihres "Patriotismus", ihrer Sensationslust, ihrem Sicherheitsbestreben (Wahrscheinlichkeit von Beschuss vor Ort / Patriot Act & vergleichbare Gesetze weltweit daheim), ihres Wettbewerbvorteils, ihrer Zurichtung auf die Interessen der Anzeigenkunden, des empfundenen Zeitgeists seitens der Konsument*innen willen zum Erfüllungsgehilfen militärischer Propaganda macht ("embedded journalism").


(Geschichte wiederholt sich nicht; sie weist allenfalls strukturelle Ähnlichkeiten auf: Ob und welche Schlüsse - oder besser gesagt: Welche Fragestellungen man daraus für den letzten Jugoslawien-, die jüngsten Irak-, die letzten beiden Afghanistan-, oder den aktuellen Ukraine-Konflikt ziehen möchte [?], mag man selbst entscheiden - und hoffentlich ebenso umsichtig prüfen wie Greiner die [zwischenzeitlich wieder zum U.S.-Staatsgeheimnis erklärte] Quellenlage...)

Mann oh Mann, Nägelchen, wo nimmst du die Zeit für solche Posts her? :top:

Das von dir empfohlene Buch kenne ich nicht (Google sagt, es ist weniger bekannt). Ich hab hier zum Bleistift den Frey, der sowas wie ein Standardwerk in den Literaturlisten der Überblicksvorlesungen oder Seminare ist oder zu meiner Zeit war... und viel ins Detail Gehende. Sehr toll sind realistische Einblicke von Zeitzeugen, die teils noch Jahrzehnte später gefangen waren in diesem letztlich sinnlosen Alptraum.

Was für mich imperativ ist, ist Sachlichkeit. Was die Verbrechen der Amerikaner in Vietnam angeht, so war ein nationales Jahrhundertverbrechen wie My Lai eine absolute Ausnahme. Es kam vor, war aber nicht strukturell. In anderen Armeen und anderen Kriegen sind absichtliches Töten oder wahlloses Vergewaltigen von Zivilisten Standard. Das war es in Vietnam seitens der Amerikaner nicht. So schlimm die jeweiligen Exzesse, vor allem My Lai, waren. Behauptet jemand etwas anderes, sehe ich das völlig anders. Das größte Verbrechen der Amerikaner, weil viel umfangreicher und sogar von oben befohlen, war das Bombardieren vor allem Nordvietnams später im Krieg. Städte wurden samt ziviler Infrastruktur Ziel der US-Luftwaffe. Aber wie in Japan und Deutschland während des Zweiten Weltkriegs und auch ein paar Jahre vorher in Korea ist es für mich ein Verbrechen (der USA), nicht zwischen zivilen und militärischen Zielen unterschieden zu haben. Natürlich haben die Amerikaner dazugelernt, was das angeht. In Bagdad wurde nicht willkürlich bombardiert, sondern modernste Waffen operativ dazu genutzt, die zivilen "Kollateralschäden", die es natürlich in jedem Krieg gibt, möglichst klein zu halten. Ich will also kein USA-Bashing betreiben, aber der dunkelste Fleck dessen, was sich das Pentagon damals an Schmutz auf die Weste geschmiert hat, sind für mich nicht die Entgleisungen einzelner Scheißkerle der 1968 immerhin 500.000 US-Grunts in Vietnam, sondern die Systematik der Vernichtung aus der Luft.
 
D'accord.

Greiner versucht sich da auch keineswegs an USA-Bashing. Wie ich das mitbekommen habe, ist er auch ein Befürworter von, und wenn ich mich recht entsinne auch Protagonist transatlantischer Beziehungen, Amerikanist, etc.

Ich habe da jetzt auch aus der (löchrigen) Erinnerung heraus das im Kontext der von mir zitierten Serienbeschreibung mir relevant und ergänzenswerte so niedergeschrieben, wie es mir eben in den Sinn kam. Das lief also einmal durch den dreifachen Filter der Erinnerung, also ist darin
1. eher präsent, was mir seinerzeit beim Lesen kurz nach Veröffentlichung als sowohl neuwertiger Wissenszuwachs als auch als salienter Aha-Moment hängen blieb, und zum anderen
2. daraus auch wieder vorwiegend das noch präsent, an das ich zwischenzeitlich durch andere Kontexte wieder erinnert wurde, sowie
3. wurde das dann auch wieder eine Art Palimpsest durch spontane Eingebungen im Prozess des Versuches, eine Art "Essenz" aus meinen löchrigen Erinnerungen in eine gewisse Struktur zu gliedern.




Kurzum:
1. Traue nie der eigenen oder anderer Menschen Erinnerungen als absolut authentisch, seien sie auch in noch so redlicher Absicht vorgebracht, denn jeder Erinnerungsprozess re-interpretiert, re-konstruiert, verformt die vorangegangene Erinnerung nach Maßgabe (unbewusster) aktueller Bedürfnisse und verfestigt den kleinsten gemeinsamen Nenner vorangegangener Versionen als (vermeintlich) "gesichert".
2. Die von mir aufbauend gestaltete "Nummerierung" diente alleine meinem Erinnerungsprozess und ist ganz sicher kein originalgetreues Abbild der (Haupt-) Argumentations- -Linien, - Gewichtungen und -(Kapitel-)Struktur in Greiners Buch.

Es ist einfach nur das, was ich daraus für mich "mitgenommen" habe, soweit ich es verstanden habe, als Erinnerungsprotokoll.


Greiner hat da auch sehr wohl differenziert zwischen Phasen, Regionen, Truppengattungen, einzelnen Einheiten, verschiedenen Verhaltensweisen, etc.

Wie ich es verstanden und in Erinnerung habe, interessierte ihn eher die Auswirkung des für die Amerikaner "neuartigen" Krieges und die dabei gemachten Erfahrungen, als zuvor "gängige" Vorgehensweisen eben nicht mehr "funktionierten", und dabei insbesondere die prozesshafte Dynamik, die als "Nebeneffekt" auch einen Verlust militärischer Disziplin begünstigte.

Da ging es also eher darum, das Scheitern des Krieges in dieser "Umlernsituation" nachzuvollziehen als irgendwelche moralischen Schuldzuweisungen zu treffen.

Verantwortungsdiffusion dürfte dabei eine große / entscheidende(?) Rolle gespielt haben, so mein vorsichtiges Fazit aus der Lektüre.

Eine Dezentralisierung von Entscheidungen schien jedoch geboten, da eine zentral organisierte, zeitnah aktualisierte, örtliche Gegebenheiten/Unterschiede angemessen berücksichtigende Aufklärungs- und Lageberichts-Arbeit als Voraussetzung klassischer top-down-Befehlsketten unter den in Vietnam vorgefundenen Bedingungen und dem schnell sich ändernden Vorgehen des Feinds als nicht leistbar galt.

Schade bezüglich Überprüfung und kritischer (Re-)Kontextualisierung von Zitaten bzw. gewichtender Zusammenfassungen der zugrundeliegenden Quellen ist freilich, dass die Original-Quellen nicht mehr alle frei zugänglich sind: Greiners Archiv-Recherchen zu Militärquellen in den USA stammen aus einem Zeitraum zwischen Verjährung einer gesetzlichen Sperrfrist nach der Einstufung als "Geheimzuhalten aus Gründen der nationalen Sicherheit" und einer entsprechenden Neueinstufung vor geändertem gesetzlichen Hintergrund im Zuge der Entwicklungen nach 9/11/2001.

Zum von dir angesprochenen, rücksichtslos geführten Luft- (in diesem Fall Korea-) Krieg fand ich den Zeitzeugenbericht (methodisch freilich immer schwierig, also cum grano salis) "Fog of War" zumindest interessant, in dem McNamara in beiläufigem Ton die damaligen Erwägungen (unter seiner Beteiligung/Führung) referiert, notfalls mal eben einen n-zig Kilometer breiten, in Ost-West-Richtung verlaufenden, Korea vollständig zwischen Nord & Süd teilenden "Sperrgürtel" aus strategischen Gründen zu errichten - genauer gesagt mittels taktischer Nuklearsprengmittel für einige Jahre/Jahrzehnte völlig unzugänglich zu machen, und scheiß dabei doch auf alle zivilen Kollateralschäden in diesem teils dicht besiedelten Gebiet... Dazu kam es zwar nicht, aber er schilderte es als eine Option die durchaus ernsthaft diskutiert wurde und zeitweise auch als im Rahmen des praktisch Machbaren erschien, dann aber zum Glück als innenpolitisch nicht vermittelbar und/oder geopolitisch zu riskant verworfen wurde. Da läuft es einem dann doch kalt den Rücken runter, wenn man das so sieht und hört...
 
Zuletzt bearbeitet:
@Nägelchen: Ah, okay. Klingt alles triftig und vernünftig, was dein Buch angeht. Ich habe es mir mal auf die Liste gesetzt, auch wenn ich in absehbarer Zeit vermutlich nicht den Vietnamkrieg beackern werde. Manche Themen haben sich für mich nach vielen Jahren doch ein wenig erschöpft. Wenn auch nur vorübergehend. Und übrigens nein, stimmt schon, keinesfalls sind Zeitzeugen sachliche bzw. unbedingt vertrauenswürdige Quellen, aber die Oral History ist nicht zu Unrecht ein integraler Bestandteil der Forschung in die jüngste Vergangenheit. Denn zapft man ausreichend Quellen an, schärft sich das Bild der Ereignisse und gewinnt an Kontur.

Sag man Nägelchen, darf ich fragen, was du beruflich machst? Wenn du das lieber für dich behalten magst, null Problem. Hätte mich nur interessiert. ;)
 
Bin mittlerweile berufsunfähig; habe aber sehr lange "rumstudiert", darunter auch Geschichte (und "fachfremd" - wobei... ist ja zumindest, und gar nicht despektierlich gemeint, eine grandiose "Hilfswissenschaft", da sollte jede*r Historiker*in sich unbedingt nebenbei mit beschäftigen! - auch in Soziologie "gedabbelt"; hätte ich schon vorher damit zu tun gehabt, hätte ich mich vielleicht sogar darin eingeschrieben). Habe generell großes Interesse am Konnex Geschichte/Soziologie/Sozialpsychologie/Psychologie aber auch Semantik/Symbolik/Weltaneignung/-bewältigung durch Geschichten (ob oral, literarisch, filmisch, musikalisch). Lässt mich einfach nicht los... Bin allgemein stark assoziativ unterwegs, hinterfrage viel, analysiere gern, kriege aber selten strukturierte Synthesen hin, das ist mehr so eine Sehnsucht... Fluch und Segen: Ich bin gut im Fehler finden, aber schlecht im Alternativen entwickeln, denke gerne quer und gebe Denkanstöße, aber letztlich kommt für mich selbst wenig befriedigendes bei rum, ich verknüpfe unheimlich gern aber zerfaser und verliere mich leicht dabei in diesem flow. Alles oder nix, da wird der beschäftigungssüchtige Abstraktionskopf auf Autopilot schnell zur heißgelaufenen Rappelkiste und zum klackernden Gefängnis seiner selbst. Wenn der Stream of Consciousness erstmal läuft, gibt es kaum noch ein Halten, und alles muss irgendwie raus, sonst fühle ich mich kurz vorm Platzen, danach bin ich total ausgelaugt. Ist wie so Anfälle, die mich überkommen, ziemlich konfus alles... Habe so eine Sucht, Dinge verstehen zu wollen. Psychisch gefährlich, aber irgendwie auch berauschend. Ups, wieder komplett vom Hölzchen aufs Stöckchen immer weiter ins off-topic geblubbert - wie so oft. ;)
 
Ganz kurz on topic, bevor ich wieder abdrifte:
Ah, okay. Klingt alles triftig und vernünftig, was dein Buch angeht. Ich habe es mir mal auf die Liste gesetzt, auch wenn ich in absehbarer Zeit vermutlich nicht den Vietnamkrieg beackern werde.
Ist auch ein ziemlicher Trumm, der beschäftigt einen schon eine Weile, las sich aber flüssig.

(War dann auch komplett am Studium vorbei, hatte so einen Heart of Darkness, Apocalypse Now flashback, stolperte beim quersurfen im Netzkaninchenbau auf eine Rezension und "musste" das dann einfach bestellen. ADS galore. Merkt man bestimmt auch überhaupt nicht an meinen Beiträgen hier... o_O
)
 
iu

Nach einiger Pause nun in der Mitte der vierten Staffel. Ich finde echt beeindruckend, wie die verschiedenen Plotstränge zusammenkommen und die Luft um die Byrdes nun immer dünner wird. Mich hat gerade in der letzten Folge auch die Darstellung von Trauer sehr beeindruckt. Natürlich reagieren Menschen auf Verlust auf verschiedene Weise, aber dieser Tränenausbruch und die überraschend schnelle Überwindung in den meisten Filmen und Serien scheint mir wenig die Realitäten nicht einzufangen. Die Verzweiflung und Lethargie, wie sie hier dargestellt wird, wirkt so erschreckend natürlich.
 
Gestern die 2. Staffel beendet, die 3. folgt dann hoffentlich bald. Hat mir echt gut gefallen, eventuell auch was für Leute die sonst nichts mit DC anfangen können. Serie spielt sich in einem alternativen England ab in dem ein Bürgerkrieg tobt. Heimlicher Star von „Pennyworth“ ist die wunderbare Paloma Faith.:top:

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Bin jetzt bei Folge 8 der ersten Staffel von House Of The Dragon... gewohnt hohes HBO Niveau, aber an Game Of Thrones kommt es nicht ran, dafür fehlt es den Charakteren etwas an Profil und Charisma, unterhaltsam ist die Serie dennoch.
Gut ist, dass die Pace recht ruhig gehalten wird, es wird weit mehr geredet, als gekämpft (und gevögelt ^^)...
 
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