Ein perfektes Album.
Die letzten Takte von "Helpless" sind verklungen, vor den Bonustracks erst 'mal abschalten (die Anlage) und reflektieren.
Der Abschlußtitel von Diamond Heads epochalem Erstwerk 'Diamond Head' (besser bekannt, leider aufgrund der unsäglichen "Woolfe-Records"-Erstveröffentlichung, als "Lightning To The Nations") wurde von Metallica auf deren 5.98-EP nachempfunden und steigert sich von einem lockeren Blues-Riff durch eine komplizierte Überleitung zum wohl knalligsten Speed-Metal-Riff, das man 1980 (die Zeit der Entstehung kann gar nicht genug betont werden) auf Platte hören konnte. Marschierend klingt damit (hier macht das Ausblenden eines Titels wirklich Sinn!) ein Gesamtkunstwerk aus, das in der Metalgeschichte Seite an Seite mit 'Master Of Reality', 'Heaven And Hell', 'Holy Diver', 'Kill'Em All' oder auch 'Reign In Blood' steht.
"Am I Evil" sticht als Herzstück des Albums hervor, ein Meisterwerk in der Tradition von "Black Sabbath", der Tritonus in der unheiligen Einleitung eine Reminiszenz an dieses erste Heavy-Metal-Epos. Auf den kunstvollen Aufbau dieses Riff-Baukastens, muss der Kenner mit Ehrfurcht reagieren. Das Sahnehäubchen sind dann die drei mit zurückhaltendem Geschmack entwickelten Soli von Brian Tatler, ein Gitarren- und Kompositionstalent in der Schule der 70er Jahre, aufgewachsen mit Purple, Sabbath, Lizzy, UFO und den Judas Priest zu Zeiten von 'Sad Wings Of Destiny'. Seine (oft Single-Note-)Riffs und Soli lassen aufhorchen, sind niemals zu kompliziert oder lärmendes, nur dem Genre geschuldetes Beiwerk.
Er ist der Co-Star der Band und wird, ebenfalls in Tradition der alten Schule (erwähnen könnte man hier u. a. die Stones, Aerosmith, Zeppelin, Free), genial ergänzt durch Sänger Sean Harris. Man hört ihm Einflüße von Robert Plant an (der Mittelteil von 'Sucking My Love' ist eine klare Reminiszenz an "Whole Lotta Love") aber auch Paul Rodgers hat in den tieferen Lagen seine Spuren hinterlassen. Erstaunlich sicher singt sich der Debütant durch sämtliche Nummern, legt sich niemals auf zuviele gleiche Töne nacheinander fest und hat bei aller Sangeskunst auch noch genug Punch in der Stimme um eine Nummer wie "It's Electric" mit ihrem Allerwelts-Riff und dem AC/DC-Groove zu einem der Höhepunkte des Albums zu machen.
Was muss man noch erwähnen? Natürlich den (Quasi-)Titelsong, eine "Am I Evil durchaus gleichwertige Heavy Metal Hymne mit verschlepptem und forciertem Tempo, ein Musterbeispiel an Dynamik mit sparsamen Mitteln und wohl der zweitbekannteste Titel der Band (nebenbei bemerkt von Metallica auch auf den Demos nicht gecovert, man kann darüber philosophieren warum, ich tippe auf das mangelnde Stimmvolumen von James Hetfield). "The Prince" steht dem nicht nach, ist mehr noch als "Helpless" Speed-Metal-Blaupause und erfreut darüber hinaus noch mit unsterblichen "Harmony-Guitars" in der konsequenten Fortführung von Thin Lizzy. Da fällt natürlich "Sweet And Innocent" etwas ab, aber das ist Jammern auf sehr hohem Niveau, denn die flotte Nummer hat durchaus ihre Meriten, das schmissige und so anmutig simple Riff wird sogar im Chorus durchgehalten und es gibt eben kein Gitarrensolo, auch wenn man das bei oberflächlichem Hören gar nicht so mitbekommt. Das ist nicht "kommerziell", sondern äusserste Reduktion in der Tradition von AC/DC und auch Judas Priest zu 'Killing Machine'- und 'British Steel'-Zeiten.
"Sucking My Love" schließlich wurde schon lobend erwähnt. Ohne das markante Riff hätte es "Seek And Destroy" nicht gegeben und der Thrash Metal hätte auf seine "Balladen" verzichten müssen. Der "Je T'aimeXXX"-Mittelteil, flankiert vom ebenso orgiastischen Gitarrensolo, das ist schon ganz großes Kino. Die perfekte Synthese der tradtionellen Elemente mit der neuen Metal-Aggressivität und einem Schuß Punkrock-Rotzigkeit im Groove, das ist so lässig wie episch und folglich auf einer Stufe mit den schon erwähnten "Klassikern" des Albums.
Noch ein Wort zum Klang, der in der verwickelten Geschichte der Veröffentlichungen immer eine große Rolle gespielt hat. Die Grundlage dieser Reflektion schafft die CD-Ausgabe der Firma "High Vaultage" aus dem Jahr 1997, die als Erkennungsmerkmal im Bonusmaterial eine Remix-Version von "It's Electric" enthält. Hier kommen die doch oft sehr energischen Drums von Duncan Scott endlich mal richtig zur Geltung, ebenso Colin Kimberleys knackige Basslinien. Ich weiß nicht, ob dieses Remastering (die Master-Tapes sollen ja verschollen sein) auch Grundlage für für eine spätere Veröffentlichungen ("Castle") war, wenn nicht kann ich mir den Klang dieser historischen Aufnahmen jedenfalls kaum besser vorstellen als auf der genannten Veröffentlichung.
Diamond Heads Debüt gehört in jeder "seriösen" Rangliste der ewig Großen des Heavy Metal (ich weiß, das Erstellen von Listen ist wahrscheinlich schon unseriös, macht aber oft Freude) unter die ersten Zehn, vielleicht sogar in einen noch engeren Kreis. Zweifler könnten darauf pochen, dass es sich um einen einmaligen Glücksfall handelt, dem stetiger Abstieg und künstlerischer Offenbarungseid folgten. Sicher ist: In einer anderen Rangliste, der kommerziell erfolglosesten, auch von der Nachwelt schnell vergessenen und vielleicht daran auch aufgrund stilistischen Irrwandels nicht ganz unschuldigen Künstlern dieser Erde wäre die Top3, gemessen am kreativen Potential vielleicht sogar Platz 1 sicher. Dennoch lebt das Vermächtnis dieser wahrlich einzigartigen (eben auch im Sinne von: ein mal!) Band in der Diskographie von Metallica, Megadeth und deren nicht eben raren Kopisten weiter und sollte deshalb als Kulturerbe zumindest im Gedächtnis der Genrefreunde als Teil des Pflichtkanons verankert werden.