Diamond Head

Epiktet

Dawn Of The Deaf
Letztens mal wieder durchgehört und trotz der Metallica-Kopien und einem einzigartigen Sound weiterhin völlig unterbewertet:

Diamond Head und ihre superben beiden ersten Alben.

Richtig: auch 'Borrowed Time' ist ein Klassiker und entgegen allen Unkenrufen dem Debüt fast ebenbürtig.
Dieses punktet natürlich mit 7 Knallern, die bis auf einen Titel SÄMTLICH von Metallica offiziell oder zumindest auf Demos gecovert wurden. Wer wirklich mal wissen will, wo die genannten Superseller fast sämtliche Riffs für "Kill Em All" geklaut haben, sollte sich solche Speed-Metal-Klassiker wie "The Prince" oder "Sucking My Love" reinziehen. Ihre beiden Hymnen "Lightning To The Nations" und natürlich "Am I Evil" haben die Jungs für ihr excellentes Zweitwerk noch einmal eingespielt, jede Version hat hier ihren Reiz, obwohl der Gesamtklang auf dem Erstling doch etwas aggressiver ist. Trotzdem überzeugen Hymnen wie "In The Heat Of The Night", der Titeltrack und natürlich die Zeppelin-Hommage "Don't You Ever Leave Me" auf ihre völlig eigene Art, leider wurde der rockigere Stil auf dem Nachfolger 'Canterbury' zugunsten oft nicht sehr überzeugender Anbiederungen an das breite Publikum noch weiter verwässert.

Beide Alben sollte man, ebenso wie die göttlichen BBC-Aufnahmen jeweils zweier Highlights (Friday Rock Show, hier sind auch Bass und vor allem die Drums endlich mal knackig aufgenommen zu hören), als Liebhaber der Originale und Wurzeln des Genres kennen.
 
Ein perfektes Album.

Die letzten Takte von "Helpless" sind verklungen, vor den Bonustracks erst 'mal abschalten (die Anlage) und reflektieren.

Der Abschlußtitel von Diamond Heads epochalem Erstwerk 'Diamond Head' (besser bekannt, leider aufgrund der unsäglichen "Woolfe-Records"-Erstveröffentlichung, als "Lightning To The Nations") wurde von Metallica auf deren 5.98-EP nachempfunden und steigert sich von einem lockeren Blues-Riff durch eine komplizierte Überleitung zum wohl knalligsten Speed-Metal-Riff, das man 1980 (die Zeit der Entstehung kann gar nicht genug betont werden) auf Platte hören konnte. Marschierend klingt damit (hier macht das Ausblenden eines Titels wirklich Sinn!) ein Gesamtkunstwerk aus, das in der Metalgeschichte Seite an Seite mit 'Master Of Reality', 'Heaven And Hell', 'Holy Diver', 'Kill'Em All' oder auch 'Reign In Blood' steht.

"Am I Evil" sticht als Herzstück des Albums hervor, ein Meisterwerk in der Tradition von "Black Sabbath", der Tritonus in der unheiligen Einleitung eine Reminiszenz an dieses erste Heavy-Metal-Epos. Auf den kunstvollen Aufbau dieses Riff-Baukastens, muss der Kenner mit Ehrfurcht reagieren. Das Sahnehäubchen sind dann die drei mit zurückhaltendem Geschmack entwickelten Soli von Brian Tatler, ein Gitarren- und Kompositionstalent in der Schule der 70er Jahre, aufgewachsen mit Purple, Sabbath, Lizzy, UFO und den Judas Priest zu Zeiten von 'Sad Wings Of Destiny'. Seine (oft Single-Note-)Riffs und Soli lassen aufhorchen, sind niemals zu kompliziert oder lärmendes, nur dem Genre geschuldetes Beiwerk.

Er ist der Co-Star der Band und wird, ebenfalls in Tradition der alten Schule (erwähnen könnte man hier u. a. die Stones, Aerosmith, Zeppelin, Free), genial ergänzt durch Sänger Sean Harris. Man hört ihm Einflüße von Robert Plant an (der Mittelteil von 'Sucking My Love' ist eine klare Reminiszenz an "Whole Lotta Love") aber auch Paul Rodgers hat in den tieferen Lagen seine Spuren hinterlassen. Erstaunlich sicher singt sich der Debütant durch sämtliche Nummern, legt sich niemals auf zuviele gleiche Töne nacheinander fest und hat bei aller Sangeskunst auch noch genug Punch in der Stimme um eine Nummer wie "It's Electric" mit ihrem Allerwelts-Riff und dem AC/DC-Groove zu einem der Höhepunkte des Albums zu machen.

Was muss man noch erwähnen? Natürlich den (Quasi-)Titelsong, eine "Am I Evil durchaus gleichwertige Heavy Metal Hymne mit verschlepptem und forciertem Tempo, ein Musterbeispiel an Dynamik mit sparsamen Mitteln und wohl der zweitbekannteste Titel der Band (nebenbei bemerkt von Metallica auch auf den Demos nicht gecovert, man kann darüber philosophieren warum, ich tippe auf das mangelnde Stimmvolumen von James Hetfield). "The Prince" steht dem nicht nach, ist mehr noch als "Helpless" Speed-Metal-Blaupause und erfreut darüber hinaus noch mit unsterblichen "Harmony-Guitars" in der konsequenten Fortführung von Thin Lizzy. Da fällt natürlich "Sweet And Innocent" etwas ab, aber das ist Jammern auf sehr hohem Niveau, denn die flotte Nummer hat durchaus ihre Meriten, das schmissige und so anmutig simple Riff wird sogar im Chorus durchgehalten und es gibt eben kein Gitarrensolo, auch wenn man das bei oberflächlichem Hören gar nicht so mitbekommt. Das ist nicht "kommerziell", sondern äusserste Reduktion in der Tradition von AC/DC und auch Judas Priest zu 'Killing Machine'- und 'British Steel'-Zeiten.

"Sucking My Love" schließlich wurde schon lobend erwähnt. Ohne das markante Riff hätte es "Seek And Destroy" nicht gegeben und der Thrash Metal hätte auf seine "Balladen" verzichten müssen. Der "Je T'aimeXXX"-Mittelteil, flankiert vom ebenso orgiastischen Gitarrensolo, das ist schon ganz großes Kino. Die perfekte Synthese der tradtionellen Elemente mit der neuen Metal-Aggressivität und einem Schuß Punkrock-Rotzigkeit im Groove, das ist so lässig wie episch und folglich auf einer Stufe mit den schon erwähnten "Klassikern" des Albums.

Noch ein Wort zum Klang, der in der verwickelten Geschichte der Veröffentlichungen immer eine große Rolle gespielt hat. Die Grundlage dieser Reflektion schafft die CD-Ausgabe der Firma "High Vaultage" aus dem Jahr 1997, die als Erkennungsmerkmal im Bonusmaterial eine Remix-Version von "It's Electric" enthält. Hier kommen die doch oft sehr energischen Drums von Duncan Scott endlich mal richtig zur Geltung, ebenso Colin Kimberleys knackige Basslinien. Ich weiß nicht, ob dieses Remastering (die Master-Tapes sollen ja verschollen sein) auch Grundlage für für eine spätere Veröffentlichungen ("Castle") war, wenn nicht kann ich mir den Klang dieser historischen Aufnahmen jedenfalls kaum besser vorstellen als auf der genannten Veröffentlichung.

Diamond Heads Debüt gehört in jeder "seriösen" Rangliste der ewig Großen des Heavy Metal (ich weiß, das Erstellen von Listen ist wahrscheinlich schon unseriös, macht aber oft Freude) unter die ersten Zehn, vielleicht sogar in einen noch engeren Kreis. Zweifler könnten darauf pochen, dass es sich um einen einmaligen Glücksfall handelt, dem stetiger Abstieg und künstlerischer Offenbarungseid folgten. Sicher ist: In einer anderen Rangliste, der kommerziell erfolglosesten, auch von der Nachwelt schnell vergessenen und vielleicht daran auch aufgrund stilistischen Irrwandels nicht ganz unschuldigen Künstlern dieser Erde wäre die Top3, gemessen am kreativen Potential vielleicht sogar Platz 1 sicher. Dennoch lebt das Vermächtnis dieser wahrlich einzigartigen (eben auch im Sinne von: ein mal!) Band in der Diskographie von Metallica, Megadeth und deren nicht eben raren Kopisten weiter und sollte deshalb als Kulturerbe zumindest im Gedächtnis der Genrefreunde als Teil des Pflichtkanons verankert werden.
 
Ein Diamond Head Thread: hier bin ich richtig!! :D

Ich kann euch nur zustimmen! Und dickes Lob an Metallica, die extra auch noch auf der Garage Inc. LP auch noch ein weiteres Mal DH gecovert haben, damit sie so mehr Tantieme bekommen. Brian Tatler meinte in einem Interview auch, dass er seinen Lebensunterhalt aus den Metallica Tantiemen bezieht und ist Metallica sehr dankbar, dass sie so offen zu ihren Einflüssen stehen und DH damit sehr helfen.

Zu DH: Schade das die Band nie selber den Sprung in den Mainstream oder die wirtschaftliche Unabhängigkeit geschafft haben. Verdient hätten sie es allemal! Ich mag Metallica und Led Zeppelin und als ich DH zum ersten Mal gehört hatte, habe ich nur gedacht: Wow, das ist großartig!:)
 
Einflussreiche Band. Nachdem ich mich im Wild Dogs-Thread ein wenig abwertend über "Borrowed Time" geäußert habe, muss ich hier ein wenig zurück rudern. Nach erneuerter Dauerrotation
besagten Albums muss ich sagen, dass das Teil wirklich nur unwesentlich hinter dem Debüt zurück bleibt. Mit zwei neuen Tracks der Marke "In the Heat of the Night" anstatt der Neueinspielungen
und einem besseren Sound, hätte es sogar besser werden können.

BTW wie sind eigentlich die restlichen Alben? Komplett unhörbar oder sind da auch Perlen versteckt. Kenne keinen einzigen Song nach "Borrowed Time".
 
Hallo Außensaiter (bist du ja jetzt nicht mehr), das Lob an Metallica kann man, muss man aber nicht machen, schließlich haben sie auf den Erfindungen eines Brian Tatler ihr Imperium gegründet. Ich will nicht leugnen, dass das Verhalten der Jungs anständig zu nennen ist. Versteh mich nicht falsch, ich LIEBE "Kill Em All" und halte es zumindest vom Einfluß auf zukünftige Bands für bedeutender als alle anderen Alben. Auch wäre DAS ja nicht die Richtung von Diamond Head gewesen, das hört man auf "Borrowed Time" und natürlich Canterbury. Ich meine nur, dass Hetfield und Ulrich ohne weiteres auch eine lebenslange Rente mit Weihnachts- und Urlaubsgeld an Tatler und Harris zahlen könnten, und sie müssten den beiden Köpfen der Erstgeborenen immer noch auf ewig dankbar sein. Ich bin mir sicher, dass viele Metallica-Fans nicht die Namen der Schöpfer von "Am I Evil" nennen könnten, manche vielleicht noch nicht mal den Bandnamen. Es macht sich eben auch gut als vermeintliche Eigenkomposition, die auch heute noch manches Metallica-Konzert krönt.
 
BTW wie sind eigentlich die restlichen Alben? Komplett unhörbar oder sind da auch Perlen versteckt. Kenne keinen einzigen Song nach "Borrowed Time".

Danach hatten sie versucht mit Canterburyd den Mainstream zu knacken. Vom Album bin ich echt kein Fan, aber "Out Of Phase" mag ich irgendwie, auch wenn's super cheesy ist.. :D

@Epiktet Das sehe ich anders. Durch die Coverversionen werden viele Fans auf DH erst aufmerksam. Ich bin einer davon. Und diese können dann die Band (DH) weiter unterstützen (z.B. durch Merch, Tour, LP's). Das wäre nicht möglich, wenn Metallica ihnen "nur" Schecks schreiben würden. Und sind wir ehrlich: Metallica's DH Einfluss war auf Kill Em All sehr ausgeprägt, aber auf den nachfolgenden Alben nicht mehr so stark. Und diese haben ja die Kohle gebracht. Aber Kill Em All war das Fundament, das ist schon richtig. Ich denke mir auch, wenn Brian Tatler permanent erwähnt wie sehr er den Metallica Jungs dankbar ist, dann werden die schon was richtig gemacht haben. :) Aber lasst uns nicht über die foru horsemen reden, sonder über DIAMOND HEAD!! :feierei:

Aber ja, @Epiktet hier bin ich wirklich kein Außensaiter. Darüber freue ich mich auch sehr! Aber sobald ich rausgehe halten mich immer noch alle für einen alten Freak. Aber wem interessiert es.. METAL UP YOUR ASS!! (Oops, jetzt hab ich wieder die eine Combo zitiert)
 
Wenn man die Lightning To The Nations schon eher nur so "gut" (also 7,5) findet, braucht man dann noch mehr von denen?
 
Schade, hätte ja sein können, dass ich da zwar mit der hitlastigsten auch eher den "Ausrutscher" in der Diskographie erwischt habe. Aber danke dir.
 
Ich möchte hier nicht für dich oder die anderen sprechen! Aber für mich ist LTTN das Album das die Band definiert. Kann mir kaum vorstellen, dass du die anderen Sachen deutlich besser bewerten würdest.
 
BTW wie sind eigentlich die restlichen Alben? Komplett unhörbar oder sind da auch Perlen versteckt. Kenne keinen einzigen Song nach "Borrowed Time".
Die Death And Progress ist ein recht brauchbares Hardrock-Album, das mich öfter mal an Aerosmith erinnert. Kann man haben, kann man hören, hat mit den alten Sachen aber nicht viel zu tun.
 
Wäre ic jetzt nicht schon fürchterbar müde, würde ich hier noch etwas sermonieren. So aber nur kurz: Man benötigt als Freund von großartiger Stromgitarrenmusik auf jeden Fall die ersten beiden Alben der Band. Mag man es dann auch noch etwas glatter, leicht verspielt und eingängig ist auch noch "Canterburry" zu erwerben (ich liebe die Scheibe) und die "Death & Progress" ist ebenfall ganz hervorragend.
 
Die "Canterbury" hat von übelstem Vollrotz ("Makin' Music", "Out of Phase"... *schauder*) bis zu genialen Songs ("Knight of the Swords", "Canterbury") die ganze Palette drauf. Kenne ich so von keinem anderen Album, diese Qualitätsschwankungen...
 
Wenn man die Lightning To The Nations schon eher nur so "gut" (also 7,5) findet, braucht man dann noch mehr von denen?

Nüchtern betrachtet nicht, nein. Ist auch wohl der Grund, weshalb der durchschlagende kommerzielle Erfolg nicht verbucht werden konnte. Gute bis sehr gute Nummern vorhanden, Konstanz jedoch leider nicht.

Aber, wie immer auch hier das totschlagende Argument: Geschmackssache. Mir gefällt nachfolgendes eher durchschnittlich. Für Interessierte genügt wohl einfach ein Best of.
 
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Es ist auch für mich absolut keine Frage, dass der Einsteiger zuallererst "Lightning To The Nations" haben muss. Geht es darum in diesem Abteil? Ich denke eher nicht. Hier sind eben keine Listen erforderlich, die auf mehr oder weniger beite Zustimmung stoßen (und auch immer nur stoßen können). Listendenken ist eine Sammlerkrankheit, eine Tätigkeit, die schon aufgrund der unüberschaubaren Fülle hörenswerter Musik in sich absurd erscheint. Hier gehts um die Musik selbst, und die kommt sowohl im Falle von Lightning als auch Canterbury von der weitgehend gleichen Band, bzw. den Hauptkomponisten. Angesichts der hier auch bestätigten immensen Vorbildfunktion für Kill' em all, immerhin ein anerkannter Meilensteil der größten Heavy Band der Welt (zitiert nach Jason Newsted), darf man dem musikhistorisch Interessierten durchaus auch auf den weniger gelungenen Output eines der kreativsten Gespanne des frühen Metal aufmerksam machen, auch wenn hier manche gleich "Zumutung" schreien. Wer nicht will, kann ja weiterklicken.
 
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