subcomandante
Till Deaf Do Us Part
Thränenkind und WITTR wurden hier ja schon genannt: Die klingen für mich nach Burzum-Epigonen (bei WITTR auch Emperor).
Ernsthaft: Black Metal hat eine solch unglaubliche, stilistische Vielfalt zu bieten:
- der NWOBHM beeinflusste Sound der Anfangstage (Venom, Mercyful Fate)
- Black-Thrash verschiedenster Schattierungen (Sodom, Aura Noir, Desaster)
- der Schweden-Sound (Dissection und die No-Fashion-Schule
- die finnische Black/Death-Schule (Impaled Nazarene, Beherit, Archgoat)
- War Metal
- Industrial Black Metal (DHG, Mysticum etc.)
- die majestetische hellenistisch-mediterrane Schule (Rotting Christ, Necromantia, alte Moonspell)
- Gothic Black Metal (COF, Siebenbürgen)
- folkloristisch angehauchter BM (Ulver, Kampfar, alte Satyricon)
- diverse theatralisch-kauzige Truppen (Root, Mortuary Drape)
- noisiger BM (Abruptum, Ildjarn) usw. usf.
- Schlussendlich natürlich der klassische Norweger-Sound abseits von Burzum und Emperor: Darkthrone, Mayhem, Gorgoroth...
Und aus diesem ganzen Fundus greift sich die dezidiert-linke BM-Szene ausgerechnet Burzum und Emperor als Vorbilder raus?
Ich finde das halt komisch und vielleicht sogar (?) pathologisch.
Nun muss kopieren oder meinetwegen auch adaptieren und weitertragen nichts schlechtes sein (das machen Gráb ja auch), aber man sollte dann halt auch dazu stehen (WITTR gaben ja m.W. durchaus zu, von Burzum beeinflusst zu sein): Das betrifft dann weniger einzelne Bands (dass die nicht immer Einfluss auf die Door-Politik der Clubs haben, ist klar und ich meine, dass zumindest Ultha mal im Interview sagten, dass sie niemanden wegen eines Burzum-Patchs rauswerfen würden), aber die Bands bewegen sich in einer Szene, die sich zumindest teilweise und v.a. in urbanen Räumen von der eigentlichen (Black) Metal-Community abgetrennt hat (bzw. wegen ihres Post-Hardcore-Backgrounds nie einen Bezug dazu hatte).
Was für mich im BM halt keinen Platz hat, ist Bigotterie: @Trollthor berichteteja von einem Konzert mit Burzum-Aufnäher-Verbot. Gut möglich, dass ich auf dem gleichen Konzert (in einem Kölner AZ) war, ich meine, ich habe Thor da getroffen: Da wurde ich mehrmals von veganen BMern wegen meiner Lederjacke angemacht. Jetzt kann man sagen: „OK, Boomer: Zeiten und Szenen ändern sich, gewöhn' Dich dran“, aber ich fand das ganze Szenario mit den hypersensiblen, z.T. glattgegelten, sehr selbstsicheren, aber am subkulturellen Background der eigenen Subkultur weitgehend desinteressierten Studierenden auf und von der Bühne mit ihrem eindeutig burzumesken Sound und den Lyrics über irgendwelche urbanen Beziehungsprobleme, Entfremdung und Isolation befremdlich.
Umso besser läuft mir Gráb rein. Vielleicht weil ich zwar selbst Vegetarier bin, aber Landei bin und diesen akademischen Diskurs-Black Metal nicht brauche.
Wir müssen mehr burning leather wagen!
Du hättest auch gleich schreiben können, dass du in dem von mir obig zitierten Posting eigentlich Spiegelfechterei gegen einen imaginären Feind betrieben hast, so recht wollen mich die beiden genannten Bands als Exempel für jene traditionslosen Gesellen, die nicht mal ihre eigenen Wurzeln kennen respektive diese verleugnen (na was denn jetzt?), jedenfalls nicht überzeugen. WITTR und vor allem aber auch Thränenkind fahren doch einen Sound, der unterschiedliche und schon vor ihnen gebrauchte Metal-Versatzstücke (Metalcore, Post Metal, Black Metal) in einem neuen subkulturellen Kontext (Befindlichkeits-Antifa oder so) neu zusammenschraubt - das ist jetzt in popkulturellen Bezügen keine besonders überraschende Kulturtechnik, über die sich eigentlich nur jene Menschen echauffieren können, für die schon ein ent- und neukontextualisierter, entlehnter Sound plötzlich zum Problem wird, weil sich da jemand erdreistet, sich etwas zu borgen, was ihm nicht gehört, was er nicht wirklich fühlt, von dem er keine Ahnung hat. Das ist sehr nah d'ran an dem, was heute so hip unter der Diskurs-Flagge der kulturellen Aneignung segelt und anhand unterschiedlicher grotesker Beispiele ach-so kontroversiell diskutiert wird. Jedenfalls nervt mich dieses larmoyante Geraunze im Black Metal über jene, die unter falscher Flagge segeln, die den Spirit verraten haben, die die Tradition nicht verstehen und hochhalten immer mehr. Es mag sein, dass das spätestens seit der zweiten Welle ein konstitutiver Bestandteil der Szene war/ist, aber das macht es auch nicht besser: Ein solcher Black Metal, der nicht nicht nur gegenüber einer neuen Jugend bestenfalls störrisch-besserwissend-altväterlich rüberkommt, sondern es sich auch noch gefährlich nahe am geistig-ideologischen Milieu vermeintlich neumodischer kultureller Identitätspolitiken bequem gemacht hat, der ist nicht meiner. Da bin ich dann fast schon lieber ein Befindlichkeits-Antifa-Black-Metal-Hörer. Fast halt.