Leprous - Aphelion (27.08.2021)

Hm, ich würde "At The Bottom" oder "The Sky Is Red" (!) definitiv als Prog bezeichnen. Und auch die anderen Songs von dem Album sind nicht so simpel, wie es auf den ersten Hör erscheint (gut "By My Throne" vielleicht schon, mag ich auch nicht).
Natürlich, gerade "The Sky Is Red" hält diese Fahne noch mal hoch, und "At The Bottom" hatte ich mir auch als eines der Highlights von "Pitfalls" (die ich seit der Rezension allerdings nie wieder angehört habe...) notiert gehabt. Für das Album als Ganzes sind diese Stücke aber eben nicht repräsentativ. So einen Ausflug gibt's auf "Aphelion" in Form von "Nighttime Disguise" ebenfalls wieder, und es wirkt immer noch griffig. Wahrscheinlich werden auch die folgenden Alben immer wieder solche Momente haben, aber eine komplette Rückkehr zum früheren Stil kann ich mir bei Leprous da nicht vorstellen, dafür bekommen sie für das, was sie aktuell so produzieren, einfach zuviel Zuspruch.
Ich kann mir allerdings vorstellen, dass das neue Album etwas komplexer/vielseitiger ist als das letzte. Zumindest hab ich von den Vorabsongs her diesen Eindruck (kenne ja noch Fragmente eines vierten Stücks, bei dem Fans gegen Geld live mitreden durften, was die Gestaltung angeht - in dem gibt's ja auch wieder Growls).
Nein, "Aphelion" ist sehr, sehr poppig geworden. Meine Assoziation ging da beim Hören schon seeeehr in die Richtung des letzten Steven-Wilson-Albums, allerdings ohne die durch das Wilson'sche Konzept zustandegekommene augenzwinkernde Note (Leprous meinen es mit diesem Stil dagegen offenbar sehr, sehr ernst). Kleiner sonstiger Vergleich: Das Ihsahn-Cover von a-has "Manhattan Skyline", bei dem auch Einar Solberg sang, geht in die gleiche Richtung wie die ganze Platte hier. Kompositorisch ist das alles reinster Pop.
Oder was sagen die Leute dazu, die das Album schon komplett und mehrfach gehört haben?
Genau das hier. ;)
 
Ich denke, dass viele eine sehr enge Definition des Genres Progressive (Metal) haben, was dem Stil aber völlig widerspricht. Diese Diskussion wir auch schon beim Vorgänger "Pitfalls". Natürlich bedienen Leprous in ihrem weitläufigen Kosmos auch Pop, aber der Begriff wird oftmals viel zu negativ konnotiert. Pop ist weit mehr als das, was im Radio gespielt wird, Pop kann auch geschmackvoll interpretiert werden, wie man ja auch an Leprous gut erkennen kann. Man sollte nicht den Fehler machen und ihnen die Progressivität absprechen, weil es einem aufgrund fehlender Härte selbst nicht mehr so gut gefällt.

Leider noch nicht im Besitz des neuen Leprous-Werks sei hierzu ein ganz klein wenig "Ge-off-Topcit": "Progressive" findet - grob gesprochen - zwischen IQ und Watchtower statt. Ob das nun Metal, Rock oder sogar Artrock ist - die Grenzen verschwimmen.

Was Prog in Summe so spannend macht ist die Vielseitigkeit des Genres und auch das Blicken der Bands über den berühmten Tellerrand: die Grenzen verschwimmen, es muss eben nicht immer Gefrickel sein. Bands wie Muse waren nie Metal, aber durchaus mit Songs wie "Knights of Cydonia" schon arg in der Metalwelt unterwegs, Leprous nehmen eine Wandlung, die auch Opeth genommen haben, andere Bands wie Riverside oder Porcupine Tree verfügen über kein wirklich Schema, in das man die Bands einordnen könnte, viel zu vielseitig ist es hier, Gleiches gilt z.B. auch für Pain of Salvation. Man muss diese Entwicklungen nicht mitgehen und sich auch nichts schön hören, man kann - und das ist das Feine daran - jede Phase für sich einfach beurteilen.

Die Prog-Spielwiese ist bei weitem größer als die Metal-Spielwiese, wem dann da irgendwann die Härte fehlt, der kann problemlos auf Running Wild oder Helloween zurückgreifen, da weiß man, woran man ist - und ja, Thrash, Heavy- & Co.-Metal haben eben unverrückbare Trademarks, die schlicht dafür sorgen, dass man eben Metal als Metal wahrnimmt - und hier breitet sich ein wahres musikalisches Universum aus, das in allen Spielarten zwischen Jazz bis hin zu Pop wildert - who cares? Dieses Forum nennt sich "Progressive Rock- und Metal-Forum", demzufolge sollte auch jede Prog-Richtung hier ihre Daseinsberechtigung haben - auch, wenn man sich da nicht selten ziemlich weit von der klassischen DF-Ausrichtung entfernt.

Der wohl wichtigste Aspekt ist aus meiner Sicht, dass im Prog diese Entwicklungen eher künsterlisch-natürlich zu verlaufen scheinen, da ist keine Trendanbiederung oder Ähnliches erkennbar für mich.

Was ich bislang von der neuen Leprous gehört habe klingt...logisch irgendwie. Logisch in Sachen "nächster Schritt aus Sicht der Band", ich denke, ähnlich wie bei Opeth würden hier die Hardliner mit ihrer Erwartungshaltung pur in Richtung der Erstwerke einfach auf Granit beißen. Und ganz ehrlich: wenn sich die Künstler dann schon auf die Reise begeben, dann wirkt ein "back to the Roots" eher aufgesetzt und nicht selten unehrlich, vielleicht sogar anbiedernd. Da nehme ich lieber sogar Alben in Kauf, die mir geschmacklich mal weniger geben - klingt komisch, ist aber so, um bei Peter Lustig zu bleiben.
 
Genug lange um zu wissen, dass Threads über Bands wie Twilight Force sehr argwöhnisch betrachtet werden, weil "zu wenig Metal".

Ich glaube, das hat nicht mal was mit "zu wenig Metal" zu tun...eher damit, dass diese Bands (Twilight Force, Beyond the Battle Beast in Black) in Richtung Heavysaurus für Erwachsene laufen. In Summe sind wir alle hier in einem Durchschnittsalter, in dem man einfach über gewisse Dinge hinwegsehen kann, so sortiere ich Twilight Force in meiner persönlichen Welt eher in dem Unterordner "Überflüssig" ein, da finde ich selbst mainstreamkompatiblen Pop wie Miley Cyrus um Längen spannender und vor allem weniger "peinlich"....

Kurzum: was Du ansprichst hat eher damit zu tun, dass hier eine gewisse Seriösität im Metal durchaus noch gewünscht ist, was die Existenz von Kapellen wie Sabaton & Co. einfach irgendwie nicht mitbringen für die meisten. Aspekt 2 dürfte sein, dass man hier einfache eine Form von "Reißbrett-Metal" vorfindet, der einfach einer breiten Masse nicht weh tun soll und evtl. gar neue Käuferschichten erschließt.

Da haben wir dann einen gravierenden Unterschied zum Prog: "lächerlich" oder "reißbretthaft" ist dieser niemals, zumindest fällt mir da ad hoc kein Beispiel zu ein. Wenn wir schauen, dass es hier Hip-Hop und Elektro-Threads gibt, dann darf man auch den "weichsten" Prog gerne diskutieren, im Übrigen ist sehr auffällig, dass eine Band wie z.B. Fleetwod Mac ein erstaunliches Standing unter Heavy-Metal Fans hat (ich nehme mich da im Übrigen direkt mit dazu).

Die Grenzen verwischen mehr und mehr, vielleicht sind Twilight Force nicht mal zu "weich" oder zu cheesy, sondern wir sind "einfach zu alt für so eine Scheiße".

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
 
Nein, tut mir leid, aber Solberg ertrag' ich bei "Nighttime Disguise" nicht, abgesehen davon, dass mich der Song langweilt. Für mich war die Band mit "Pitfalls" wohl zu Ende.
 
Solberg's Gesang ist tatsächlich äußerst exaltiert, und das muss man mögen. Ich mag's auch, aber zuviel Honig macht den Tee zu süß. Mir ist das alles manchmal zuviel Ausdruck, zuviel "Overacting", zuviel "Schmackes". Ich weiß nicht, ob das jemand versteht.
Ich will keine direkten Vergleiche anstellen, aber das, was ich eben beschrieb, stört mich oft auch bei Daniel Gildenlöw oder Elin Larsson (um nur 2 Beispiele zu nennen). Wahnsinns-SängerInnen, ja... aber hin und wieder ist mir das alles zuviel und ich hab mich dann auch teilweise "abgehört".

Ich denke, das ist bei mir bei den ganz alten Soundgarden so. Chris Cornell natürlich einer der besten Sänger aller Zeiten, aber wenn er nur auf Anschlag singt, wird mir das schnell mal zu anstrengend.
 
Natürlich, gerade "The Sky Is Red" hält diese Fahne noch mal hoch, und "At The Bottom" hatte ich mir auch als eines der Highlights von "Pitfalls" (die ich seit der Rezension allerdings nie wieder angehört habe...) notiert gehabt. Für das Album als Ganzes sind diese Stücke aber eben nicht repräsentativ. So einen Ausflug gibt's auf "Aphelion" in Form von "Nighttime Disguise" ebenfalls wieder, und es wirkt immer noch griffig. Wahrscheinlich werden auch die folgenden Alben immer wieder solche Momente haben, aber eine komplette Rückkehr zum früheren Stil kann ich mir bei Leprous da nicht vorstellen, dafür bekommen sie für das, was sie aktuell so produzieren, einfach zuviel Zuspruch.

Nein, "Aphelion" ist sehr, sehr poppig geworden. Meine Assoziation ging da beim Hören schon seeeehr in die Richtung des letzten Steven-Wilson-Albums, allerdings ohne die durch das Wilson'sche Konzept zustandegekommene augenzwinkernde Note (Leprous meinen es mit diesem Stil dagegen offenbar sehr, sehr ernst). Kleiner sonstiger Vergleich: Das Ihsahn-Cover von a-has "Manhattan Skyline", bei dem auch Einar Solberg sang, geht in die gleiche Richtung wie die ganze Platte hier. Kompositorisch ist das alles reinster Pop.

Genau das hier. ;)
Na ja, "poppig" ist ja nicht gleich "poppig". Es gibt sehr simple, rein auf Massenkompatibilität ausgelegte und auf der anderen Seite auch trotz Massenkompatibilität sehr anspruchsvolle Popmusik (nach den 80ern extrem selten geworden und auch in dem Jahrzehnt gab es ja schon sehr stumpfe Popsongs, aber eben auch noch recht viele anspruchsvolle Sachen, die in die Charts kamen). Leprous orientieren sich da ja klar an letzterer und hatten doch ohnehin schon immer auch Elemente von Pop in ihrer Musik (die ich von Anfang an als eine Mischung aus Progrock, Metal und Pop bezeichnen würde - nur die Gewichtung und die Einflüsse und Ausdrucksmöglichkeiten haben sich halt im Laufe der Zeit geändert).
Und dass das komplette Album "kompositorisch reinster Pop" sein soll, halte ich für Unsinn - von den vier mir bisher bekannten Songs trifft das meiner Meinung nach eigentlich nur auf "Castaway Angels" zu und das ist trotzdem ein toller Song (auch wenn mir da ein wenig die Ecken und Kanten fehlen). "Running Low", "The Silent Revelation" und natürlich vor allem "Nighttime Disguise" sind doch sehr komplexe Songs, auch wenn die beiden ersten davon durchaus Pop-Appeal haben - aber auch in denen passiert so einiges, die sind sehr detailverliebt instrumentiert und haben eine enorme Dynamik (und, nebenbei gesagt, gerade dieser Wechsel von sehr ruhigen und dichteren Passagen hat mich beim Progrock/-metal schon immer mindestens so sehr begeistert wie hohe Komplexität - und viel mehr als reine Frickelorgien).
Ich habe auch den Eindruck, du konzentrierst dich bei dieser Beurteilung rein auf die Anzahl der verschiedenen Parts (aber selbst da sind die mir bekannten Songs vom neuen Album schon komplexer als beispielsweise "By My Throne" oder "Alleviate" vom Vorgänger).
Und dann scheinst du auch noch vergessen zu haben, dass die Band auch früher schon (bereits auf "Coal" oder sogar "Bilateral") einzelne Songs hatte, die nicht so viele verschiedene Parts hatten.
Oder ist es einfach die fehlende Härte oder die Art des Gesangs? Bei letzterem kann ich ja durchaus auch verstehen, dass einem das zu viel übertriebenes Gefühl, zu viel Pathos sein kann. Und er wirkt von der Art her in der Tat eher wie von einer Popband (im Stile von A-Ha oder 80er/Früh-90er Queen) als wie von einer Progmetalband - aber gerade gesanglich ist da eben trotzdem auch eine ganz schön große Komplexität vorhanden, was Harmonien etc. angeht.
Ich empfehle dir mal dieses unterhaltsame wie lehrreiche Video, um zu sehen, dass es bei Musik eben sehr unterschiedliche Arten von Komplexität gibt und auch vordergründig (durch Instrumentierung und Gesang) seicht klingende Sachen enorm komplizert sein können:

Übrigens, den Vergleich mit dem letzten Wilson-Album kann ich nicht nachvollziehen - ich kenne davon zwar nur zwei oder drei Stücke und vom aktuellen Leprous-Album jetzt 4 Stücke, aber anhand dessen (und dem, was ich über das letzte SW-Album gelesen habe) würde ich sagen, Wilson hat tatsächlich ein reines Pop-Album gemacht, während Leprous doch nach wie vor verschiedene Stile miteinander (auf teils recht einzigartige Weise) vermischen und sich dabei - im Gegensatz zu Wilson - auch immer noch Elemente ihrer Progmetal-Vergangenheit bewahrt haben (wenn auch nicht in allen Songs).
 
Zuletzt bearbeitet:
Metal war doch noch nie ein ernstes Genre. Man siehe nur die ganzen Hairmetal-Tunten in den 80ern (und auch heute noch), oder die BM Kasper. Denn was ist infantiler: Eine Band wie Twilight Force, die sich selbst nicht ganz ernst nimmt, oder die ganzen BM-Clowns welche mit Corpsepaint im Wald rumelchen und sich damit böse fühlen.
 
Man muss meiner Meinung nach halt schon ein wenig kindisch sein, um Metal zu hören. Allein schon die ganzen Fantasy Lyrics etc.
Ist aber nichts negatives, ich bin gern kindisch.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich sag da mal lieber nix mehr zu...o_O
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Haarsträubende Aussagen werden hier getätigt. Ein gutes Zeichen dafür, dass Leprous doch noch ziemlich fortschrittlich und verspielt unterwegs sind, wenn sie den Prog-Gatekeepern auf den Keks gehen.
 
Na ja, "poppig" ist ja nicht gleich "poppig". Es gibt sehr simple, rein auf Massenkompatibilität ausgelegte und auf der anderen Seite auch trotz Massenkompatibilität sehr anspruchsvolle Popmusik (nach den 80ern extrem selten geworden und auch in dem Jahrzehnt gab es ja schon sehr stumpfe Popsongs, aber eben auch noch recht viele anspruchsvolle Sachen, die in die Charts kamen). Leprous orientieren sich da ja klar an letzterer und hatten doch ohnehin schon immer auch Elemente von Pop in ihrer Musik (die ich von Anfang an als eine Mischung aus Progrock, Metal und Pop bezeichnen würde - nur die Gewichtung und die Einflüsse und Ausdrucksmöglichkeiten haben sich halt im Laufe der Zeit geändert).
Und dass das komplette Album "kompositorisch reinster Pop" sein soll, halte ich für Unsinn - von den vier mir bisher bekannten Songs trifft das meiner Meinung nach eigentlich nur auf "Castaway Angels" zu und das ist trotzdem ein toller Song (auch wenn mir da ein wenig die Ecken und Kanten fehlen). "Running Low", "The Silent Revelation" und natürlich vor allem "Nighttime Disguise" sind doch sehr komplexe Songs, auch wenn die beiden ersten davon durchaus Pop-Appeal haben - aber auch in denen passiert so einiges, die sind sehr detailverliebt instrumentiert und haben eine enorme Dynamik (und, nebenbei gesagt, gerade dieser Wechsel von sehr ruhigen und dichteren Passagen hat mich beim Progrock/-metal schon immer mindestens so sehr begeistert wie hohe Komplexität - und viel mehr als reine Frickelorgien).
Ich habe auch den Eindruck, du konzentrierst dich bei dieser Beurteilung rein auf die Anzahl der verschiedenen Parts (aber selbst da sind die mir bekannten Songs vom neuen Album schon komplexer als beispielsweise "By My Throne" oder "Alleviate" vom Vorgänger).
Und dann scheinst du auch noch vergessen zu haben, dass die Band auch früher schon (bereits auf "Coal" oder sogar "Bilateral") einzelne Songs hatte, die nicht so viele verschiedene Parts hatten.
Oder ist es einfach die fehlende Härte oder die Art des Gesangs? Bei letzterem kann ich ja durchaus auch verstehen, dass einem das zu viel übertriebenes Gefühl, zu viel Pathos sein kann. Und er wirkt von der Art her in der Tat eher wie von einer Popband (im Stile von A-Ha oder 80er/Früh-90er Queen) als wie von einer Progmetalband - aber gerade gesanglich ist da eben trotzdem auch eine ganz schön große Komplexität vorhanden, was Harmonien etc. angeht.
Ich empfehle dir mal dieses unterhaltsame wie lehrreiche Video, um zu sehen, dass es bei Musik eben sehr unterschiedliche Arten von Komplexität gibt und auch vordergründig (durch Instrumentierung und Gesang) seicht klingende Sachen enorm komplizert sein können:

Übrigens, den Vergleich mit dem letzten Wilson-Album kann ich nicht nachvollziehen - ich kenne davon zwar nur zwei oder drei Stücke und vom aktuellen Leprous-Album jetzt 4 Stücke, aber anhand dessen (und dem, was ich über das letzte SW-Album gelesen habe) würde ich sagen, Wilson hat tatsächlich ein reines Pop-Album gemacht, während Leprous doch nach wie vor verschiedene Stile miteinander (auf teils recht einzigartige Weise) vermischen und sich dabei - im Gegensatz zu Wilson - auch immer noch Elemente ihrer Progmetal-Vergangenheit bewahrt haben (wenn auch nicht in allen Songs).
Danke schon mal für die umfangreiche Rückmeldung. Ich versuche mal, deine Argumentation der Reihe nach durchzugehen, um so meinen Standpunkt vielleicht etwas klarer zu machen.

Natürlich sind die poppigen Anteile von Leprous nicht solche einer anspruchslosen Art, da hast du schon Recht. Der Punkt, auf den ich damit hinauswollte, ist aber trotzdem eher der, dass die Band sich hiermit in Teilen auf einen Stil verlässt, der eigentlich nicht ihr eigener ist. Das ist erstens nicht sonderlich kreativ, zumal es zweitens eben sonstige Qualitäten der Band wiederum verdeckt und drittens genau solche Anbiederungen an gewisse Sounds der 80er doch nicht wirklich als "progressiv" durchgehen dürften (umso mehr deshalb, weil 80er-Zitate in den letzten 5-10 Jahren zu einer sehr, sehr mainstreamigen Erscheinung geworden sind, was Leprous hier dann auch noch beinahe wie Trittbrettfahrer wirken lässt). Mir behabt so etwas jedenfalls nicht, zumal auch die Möglichkeiten, hieraus durch die Kombination mit anderen, eigenen Stilistiken einen echten Mehrwert zu schaffen, kaum ausgeschöpft wurden. Man vergleiche: Das ist wie mit Opeth vor 10 Jahren, die auf "Heritage" einfach dem 70er-Rock gefrönt haben, ohne dass irgendwie mit ihrer Death-lastigen Vergangenheit zu verbinden - da wurde eine ähnliche Riesenchance vertan.

Ja, doch, natürlich schaue ich vorwiegend auf Songstrukturen. Das hast damit zu tun, dass sich nach meinem persönlichen Wertmaßstab erst hier die Spreu vom Weizen trennt: Denn umgekehrt lassen sich gerade einfach aufgebaute Songs sehr leicht mit etwas Augenwischerei bei Arrangement, Produktion und ein paar stilistischen Versatzstückchen als sehr viel "komplexer" verkaufen, als sie es im Kern sind. Wirklich spannend wird es dagegen erst, wenn die Band dann auch mal etwas weiter denkt und vom Strophe-Bridge-Refrain-Solo-Schema abweicht. Ich find's immer klasse, wenn sich die Komponist*innen da was trauen und mal anders geartete Strophen einschieben, Refrains variieren, komplett andere Parts unterbringen und am Ende irgendwie doch noch den Bogen zu einem bekannten Element spannen, sei es eine Melodie, ein Motiv oder ein Textfragment - und sich sowas dann im Laufe der Hördurchgänge langsam erschließt (oder, um mal den entgegengesetzten Fall zu benennen, bei einem mehrteiligen Longtrack festzustellen, dass nicht einfach willkürlich Passage an Passage gepappt wurde). All das ist bei den Leprous-Songs überwiegend kaum gegeben, die sind in ihrer kompositorischen Substanz zumeist nicht übermäßig verdreht oder fordernd.

Nein, ich habe das nicht "vergessen" - ehrlich gesagt kenne ich Leprous erst seit "The Congregation" und habe mich mit den früheren Platten nie beschäftigt, sodass ich derartige Stücke von früheren Platten gar nicht kennen kann. ;) Aber trotzdem: Womöglich waren das damals Einzelfälle, heute dagegen ist solches Songmaterial auf Leprous-Alben offenbar die Regel. Dass es sowas damals schon gab, kann bedeuten, dass die Band damals schon ein Faible für kunstvollen 80er-Pop hatte, der für die Entwicklung des eigenen Stils wichtig war, und heute einfach die Prioritäten verschoben hat. Die bloße Existenz von sowas macht allerdings die heutigen Songs eben auch nicht anspruchsvoller oder - anders ausgedrückt - lässt sie in den Kategorien, in denen ich sie werte, nicht aufsteigen.

Natürlich, der Gesang von Einar Solberg ist schon recht affektiert, aber damit habe ich eigentlich kein Problem. Ankreiden könnte ich "Aphelion" mit Blick darauf höchstens, dass die Produktion sehr eben auf dieses Mittel zugeschnitten ist und die instrumentale Seite dahinter immer weiter zurücksteckt. Was ja eben auch wieder so ein nicht das untypischste Merkmal von Pop ist - ganz unabhängig von dessen sonstiger musikalischer Komplexität. ;)

Ach, der Wilson-Vergleich ergab sich meinerseits hauptsächlich (a) durch die Ähnlichkeit zwischen "Running Low" und "Self" und darüber weiter gefolgert (b) aus dem generellen Umstand, dass beide Alben eben poppig sind, wobei sich (c) Wilson auch textlich mit dem weiteren Überbau dieses Themas auseinandersetzt, und zwar mit Konsum als Mittel zu Distinktion und Selbstausdruck - eine Brücke, die Leprous textlich natürlich nicht schlagen, sodass der doppelte Boden unter der Musik hier eben fehlt. Aber ich assoziiere gerne mal solche Sachen, also sollte man diesen Vergleich auch nicht zu hoch hängen. Übrigens: Welche Progmetal-Vergangenheit hätte Wilson denn überhaupt bewahren können? ;)

Ansonsten sei abschließend noch gesagt, dass mir in solchen Diskussionen immer letztlich eine bombenfeste und belastbare Aussage fehlt hinsichtlich der Frage: In welchem Aspekt ihrer Musik sind Leprous auf "Aphelion" progressiv oder innovativ oder bieten etwas einzigartiges, noch nie dagewesenes?
 
Danke schon mal für die umfangreiche Rückmeldung. Ich versuche mal, deine Argumentation der Reihe nach durchzugehen, um so meinen Standpunkt vielleicht etwas klarer zu machen.

Natürlich sind die poppigen Anteile von Leprous nicht solche einer anspruchslosen Art, da hast du schon Recht. Der Punkt, auf den ich damit hinauswollte, ist aber trotzdem eher der, dass die Band sich hiermit in Teilen auf einen Stil verlässt, der eigentlich nicht ihr eigener ist. Das ist erstens nicht sonderlich kreativ, zumal es zweitens eben sonstige Qualitäten der Band wiederum verdeckt und drittens genau solche Anbiederungen an gewisse Sounds der 80er doch nicht wirklich als "progressiv" durchgehen dürften (umso mehr deshalb, weil 80er-Zitate in den letzten 5-10 Jahren zu einer sehr, sehr mainstreamigen Erscheinung geworden sind, was Leprous hier dann auch noch beinahe wie Trittbrettfahrer wirken lässt). Mir behabt so etwas jedenfalls nicht, zumal auch die Möglichkeiten, hieraus durch die Kombination mit anderen, eigenen Stilistiken einen echten Mehrwert zu schaffen, kaum ausgeschöpft wurden. Man vergleiche: Das ist wie mit Opeth vor 10 Jahren, die auf "Heritage" einfach dem 70er-Rock gefrönt haben, ohne dass irgendwie mit ihrer Death-lastigen Vergangenheit zu verbinden - da wurde eine ähnliche Riesenchance vertan.
Den Teil mit OPETH sehe ich einerseits ähnlich, andererseits war das in meinen Augen trotzdem ein wahnsinnig gutes und mutiges Album und auch wenn Opeth da ihren Death-Metal-Anteil komplett über Bord geworfen hatten, kann man dennoch sagen, dass die Songs trotz des deutlichen 70er-Prog-Stils total nach Opeth klingen. Ich sehe da lediglich "Slither" als "Kopie" oder Hommage (an RAINBOW natürlich), während die anderen Songs nie nach einer bestimmten 70er-Band klingen, sondern immer nach Opeth (im 70er-Prog-Gewand). Das finde ich schon auch eine kreative Leistung (auch wenn ich es, wie du, spannend gefunden hätte, wenn da noch wenigstens ab und an Death-Metal-Reste mit dem Stil verwoben worden wären).
Aber zu LEPROUS: wenn du sagst, dass in den letzten 5-10 Jahren 80er-Zitate zum Trend geworden sind und die Band deshalb fast wie Trittbrettfahrer erscheint, finde ich das unlogisch, denn diese 80er-Pop-Elemente hatte die Band sogar bereits auf ihrem Debüt von 2009 (die Eigenproduktion von 2006 kenne ich noch nicht), also seit mindestens 12 Jahren (soviel auch zu deinem Punkt, dass da bei der Band nun neue, abgekupferte Stilelemente den eigenen Stil der Band verdecken würden - diese waren aber eben schon immer Teil des Stils der Band).
Das Debüt ist allerdings von den Songstrukturen her tatsächlich noch sehr anders, da sind oft mehr Riffs und Parts in einem Song als später - allerdings herrschte in meiner Wahrnehmung auf dem von dir erwähnten "The Congregation" bereits das Strophe-/Bridge-/Refrain-Schema vor, wenn auch oft mit weiteren Parts angereichert (z.B. ein Mittelteil oder eine Wendung oder ein neuer Part gegen Ende - haben einige der neuen Songs aber auch). Und das Debüt wirkt nicht zuletzt deshalb auf mich auch noch weniger fließend als die Songs der Alben ab "Bilateral", die zwar manchmal einen abgedrehten Stilmix bieten, aber eben oft auch nicht gerade aus wahnsinnig vielen verschiedenen Parts bestehen.

Ja, doch, natürlich schaue ich vorwiegend auf Songstrukturen. Das hast damit zu tun, dass sich nach meinem persönlichen Wertmaßstab erst hier die Spreu vom Weizen trennt: Denn umgekehrt lassen sich gerade einfach aufgebaute Songs sehr leicht mit etwas Augenwischerei bei Arrangement, Produktion und ein paar stilistischen Versatzstückchen als sehr viel "komplexer" verkaufen, als sie es im Kern sind. Wirklich spannend wird es dagegen erst, wenn die Band dann auch mal etwas weiter denkt und vom Strophe-Bridge-Refrain-Solo-Schema abweicht. Ich find's immer klasse, wenn sich die Komponist*innen da was trauen und mal anders geartete Strophen einschieben, Refrains variieren, komplett andere Parts unterbringen und am Ende irgendwie doch noch den Bogen zu einem bekannten Element spannen, sei es eine Melodie, ein Motiv oder ein Textfragment - und sich sowas dann im Laufe der Hördurchgänge langsam erschließt (oder, um mal den entgegengesetzten Fall zu benennen, bei einem mehrteiligen Longtrack festzustellen, dass nicht einfach willkürlich Passage an Passage gepappt wurde). All das ist bei den Leprous-Songs überwiegend kaum gegeben, die sind in ihrer kompositorischen Substanz zumeist nicht übermäßig verdreht oder fordernd.
Hm, ich stehe zwar auch total auf komplexe Songverläufe mit vielen Parts, sehe aber absolut keine "Augenwischerei" darin, wenn die Abwechslung sich mehr auf Dinge wie Variation und Verdichtung der Parts bei Wiederholung verschiebt. Ich denke, letztlich ist beides eine Kunst. Und, wie schon vorher geschrieben, Leprous hatten schon sehr früh auch immer einfacher strukturierte Songs - was manchmal halt wegen der härteren Gitarren - oder natürlich auch mal schrägeren Taktarten, bzw. Polyrhythmik - nicht so auffiel - aber bis auf die harten Gitarren haben sie sich auch davon noch etwas bewahrt.

Nein, ich habe das nicht "vergessen" - ehrlich gesagt kenne ich Leprous erst seit "The Congregation" und habe mich mit den früheren Platten nie beschäftigt, sodass ich derartige Stücke von früheren Platten gar nicht kennen kann. ;) Aber trotzdem: Womöglich waren das damals Einzelfälle, heute dagegen ist solches Songmaterial auf Leprous-Alben offenbar die Regel. Dass es sowas damals schon gab, kann bedeuten, dass die Band damals schon ein Faible für kunstvollen 80er-Pop hatte, der für die Entwicklung des eigenen Stils wichtig war, und heute einfach die Prioritäten verschoben hat. Die bloße Existenz von sowas macht allerdings die heutigen Songs eben auch nicht anspruchsvoller oder - anders ausgedrückt - lässt sie in den Kategorien, in denen ich sie werte, nicht aufsteigen.
Hör dir "The Congregation" noch mal an, da wirst du feststellen, dass dieses typische Pop-Song-Schema darauf gar nicht so ein Einzelfall ist.;)
Mit dem Rest hast du soweit Recht, dass die Pop-Elemente schon immer in der Entwicklung ihres Stils eine Rolle gespielt haben und sich die Prioritäten wohl inzwischen verschoben haben.
Ich würde dir aber trotzdem insofern widersprechen, dass die Musik der Band nun viel weniger komplex oder weniger anspruchsvoll sei.

Natürlich, der Gesang von Einar Solberg ist schon recht affektiert, aber damit habe ich eigentlich kein Problem. Ankreiden könnte ich "Aphelion" mit Blick darauf höchstens, dass die Produktion sehr eben auf dieses Mittel zugeschnitten ist und die instrumentale Seite dahinter immer weiter zurücksteckt. Was ja eben auch wieder so ein nicht das untypischste Merkmal von Pop ist - ganz unabhängig von dessen sonstiger musikalischer Komplexität. ;)
Da stimme ich zu, soweit ich das bisher über die Youtube-Videos der Songs vom neuen Album beurteilen kann. Der Gesang scheint mir wirklich mehr in den Vordergrund gemischt zu sein, was ich bei Rock und Metal eigentlich nicht so gerne mag, aber mal abwarten, wie das dann von CD oder Vinyl auf der Stereoanlage wirkt...

Ach, der Wilson-Vergleich ergab sich meinerseits hauptsächlich (a) durch die Ähnlichkeit zwischen "Running Low" und "Self" und darüber weiter gefolgert (b) aus dem generellen Umstand, dass beide Alben eben poppig sind, wobei sich (c) Wilson auch textlich mit dem weiteren Überbau dieses Themas auseinandersetzt, und zwar mit Konsum als Mittel zu Distinktion und Selbstausdruck - eine Brücke, die Leprous textlich natürlich nicht schlagen, sodass der doppelte Boden unter der Musik hier eben fehlt. Aber ich assoziiere gerne mal solche Sachen, also sollte man diesen Vergleich auch nicht zu hoch hängen. Übrigens: Welche Progmetal-Vergangenheit hätte Wilson denn überhaupt bewahren können? ;)
Natürlich hat Wilson keine Progmetal-Vergangenheit, aber das entsprechende bei ihm wäre halt seine Progrock-Vergangenheit, und von der hört man doch auf seinen letzten beiden Alben nicht einmal mehr Spurenelemente. Darin unterscheiden sich neue Leprous halt von seinem jüngsten Output, das meinte ich damit.

Ansonsten sei abschließend noch gesagt, dass mir in solchen Diskussionen immer letztlich eine bombenfeste und belastbare Aussage fehlt hinsichtlich der Frage: In welchem Aspekt ihrer Musik sind Leprous auf "Aphelion" progressiv oder innovativ oder bieten etwas einzigartiges, noch nie dagewesenes?
Wenn du danach gehst, kannst du gleich locker 99% aller (!) Veröffentlichungen der letzten Jahre aus den Bereichen Progrock und Progmetal absprechen, Prog zu sein - denn innovativ, einzigartig und nie dagewesen ist da doch seit vielen Jahren nur noch sehr, sehr selten etwas. Und nenn mir mal Bands, die genauso klingen wie die letzten beiden Leprous-Alben! Mir fällt da tatsächlich keine ein. Allenfalls gibt es halt Parts in Songs, die mal an die eine oder andere Band erinnern, aber keinen kompletten Song und schon gar nicht das komplette Album (dafür bieten die beiden letzten Alben nämlich auch einen viel zu breit gefächerten Stilmix, den ich in seiner Gesamtheit durchaus eigenständig finde).
 
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Sagen wirs mal so: Wenn ich alles was Ulver nach 97 gemacht haben nicht mag weil es nicht meinen Geschmack trifft bin ich doch auch kein Black Metal Gatekeeper.
 
Die Songs sind auf Aphelion nicht vordergründig Komplex, weil es sehr melodisch ist. Aber es werden nicht die üblichen Standard Akkordfolgen und Melodien benutzt. Als Hörer fällt das bei melodischer Musik kaum auf, aber wenn man sich als Musiker damit befasst merkt man schnell wie ausgefuchst manche Sachen sind. Lieblos ein Skalen Riff ans nächste zu knallen wie viele Proggies wirkt da natürlich ausgefuchster, obwohl es eigentlich einfacher ist, als ein melodisches Stück mit kompositorischer Finesse zu schreiben.
 
Hmmm, nach einigen konzentrierten Durchläufen lässt mich das neue Album doch recht ratlos und leider auch latent unterwältigt und seltsam unbeteiligt zurück. Das, was das Gesamtkunstwerk "Pitfalls" auszeichnete, diese extrem dichte Atmosphäre und die fast schon mit Händen zu greifende Spannung, geht "Aphelion" leider völlig ab, zumindest für meine Ohren. Okay, auch Einzelsongs ohne näheren Zusammenhang können durchaus spannend sein, und das Album beginnt mit "Running Low" und "Out Of Here" auch äußerst vielversprechend, aber danach ist irgendwie für lange Zeit doch ziemlich die Luft raus, es plätschert dahin, stets gefällig zwar, aber ohne die wirklich großen Momente, die man von der Band zuvor zuhauf serviert bekommen hat. Ab "On Hold" stellen sich die Ohren dann wieder deutlich gespannter auf Empfang (neben dem bereits erwähnten "Out Of Here" das Highlight des Albums), das bekannte "Castaway Angels" bewegt sich in ähnlichen Sphären, und auch das abschließende "Nighttime Disguise" weiß zu gefallen, wobei sich mir der Mehrwert der Growls in der Nachspielzeit nicht erschließt, aber sei's drum.
Fazit? Ziehe ich an dieser Stelle noch nicht, auch mit "Malina" und vor allem "Coal" habe ich durchaus lange und intensiv gerungen, bevor der finale Groschen fiel; das kann in Sachen "Aphelion" auch noch passieren. Hier und heute drauf wetten würde ich aber eher nicht...
 
Mit was steigt man denn bei der Band am besten ein? ist ja ein durchaus großer Name und Youtube schlägt mir halt als die neuen Songs vor, die ich durchaus interessant finde. Bin im Prog-Bereich durchaus offen unterwegs, höre von Mekong Delta über Vauxvdihl bis zu den neueren Anathema-Sachen eigentlich alles, was ich jedoch komischerweise nicht mag, sind die älteren Opeth-Sachen (Blackwater Park und Co).
Hab echt Bock mich in die Band reinzuhören, vor allem weil auch der Sänger ein Monster ist. Aber irgendwie null plan mit was ich starten soll.
 
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