Also, auch das Album ändert gar nichts daran, dass die Onkelz niemals meine Band sein werden. Aber als Musikschreiber und jemand, den Kulturphänomene ganz allgemein faszinieren, mag ich sie auch nicht ignorieren und beschäftige ich mich durchaus immer wieder mal mit ihnen. Die Geschichte der Onkelz, ihr unglaublicher Erfolg und die Fankultur (eher der Kult) interessieren mich, auch wenn ich kein Teil dessen bin und wohl niemals sein werde. Warum ich sie für wichtig halte, habe ich öfter schon in diesem Thread versucht darzulegen.
Und zu dem Album bleibt für mich aus rein musikalischer Sicht vor allem zu sagen, dass es eine der besten Produktionen aufweist, die ich im Rock- bis Hardrockbereich seit Jahren gehört habe. Der Klang ist schon echt geil.
In dieser Beschreibung finde ich mich an sich sehr gut wieder, auch wenn ich am Ende vielleicht doch ein bisschen auf dem Weg bin, etwas mehr als nüchternes fachliches Interesse zu haben. Dabei lief es bei mir aber eher umgekehrt als bei den meisten, die als Jugendliche die Onkelz geliebt haben, sich dann aber irgendwann aus diesen oder jenen Gründen davon entfernt haben.
Als Jugendlicher habe ich mich sogar sehr bewusst von dem damals (Ende 1980er, Anfang 1990er) doch recht omnipräsenten Phänomen Onkelz abgegrenzt, und die irgendwie auch ein bisschen demonstrativ doof gefunden, obwohl (oder weil?) man als oberschwäbischer Landbewohner im Umfeld natürlich unzählige Onkelz-Fans hatte. Ist ja quasi DIE Band schlechthin für die ganzen Bauwagen-Crews. Für mein damaliges Selbstbild stand die Band und ihre Fangemeinde jedoch für Dinge, von denen ich mich klar abgegrenzt habe: Es war nicht wirklich Metal (natürlich aus der Sicht des damaligen Ichs die schlimmste Sünde der Band!), und mit prolligen Themen wie Sex & Alkohol und Fußball & Gewalt konnte ich noch nie was anfangen. Mit Tolkien, Satan und Odin schon viel eher. Und mit Gewalt nur, wenn sie so ein wenig einen homerischen oder eddischen Touch hatte.
Deshalb habe ich dann auch die seltenen Alben verpasst, in der Zeit, als sie noch ohne größere Probleme erhältlich waren, was mich dann 15-20 Jahre später daran gehindert hat, als ein etwas größeres wenigstens sammlerisches Interesse erwachte, die neueren Scheiben zu hören, weil ich Zeit Lebens nach dem "alles oder nichts"-Prinzip gesammelt habe und nicht mit Bands anfangen will, bei denen ich im Vorfeld von Verfügbarkeitsproblemen betreffend einzelne Alben weiß. Als mir dann eine gute Seele freundlicherweise zu einem fairen Kurs die Rock-O-Rama-Teile der Diskographie überlassen hatte, das ist vielleicht noch keine 5 Jahre her, war dann der Damm gebrochen und ich hab mir den kompletten Rest auf einmal beim Medimops für in Summe unter 100 Euro geangelt, und damit bin ich an sich auch recht happy.
Warum ich das getan habe? Hmm... nun... auch wenn man sich als Kid aktiv von der Onkelz-Bubble abgegrenzt hat, war es am Ende doch unvermeidbar zumindest bis Mitte der 1990er nahezu alle Songs gehört zu haben und zu kennen, und sie retrospektiv dann doch viel nachhaltiger und langlebiger zu finden, als vieles anderes, und als man sich selbst früher eingestanden hätte. Dazu kommt eben, dass ich schon danach strebe, von allen Bands mit nennenswerter historischer Relevanz für die härtere Musikszene eine komplette Diskographie zu Hause zu haben, auch wenn sie jetzt nicht so wirklich 100% mein Ding sind. So hab ich mir nach und nach viele Diskographien von Bands günstig einverleibt, die nicht so richtig weit oben auf meinen Playlists stehen.
Darunter sind die Onkelz eben inzwischen auch, obwohl sie und große Teile des Auftretens ihrer Fans schon immer noch 180° von dem entfernt sind, was mich ausmacht, was bei den T-Shirt-Sprüchen anfängt und sich über weite Teile der Ikonographie und der Lyrik hinaus erstreckt und bei den Pyros im Publikum aufhört (zum Glück ein gutes Stück weg von mir). Ich fühlte mich daher vor drei Tagen beim Konzert zwar nicht unwohl, aber schon ein bisschen wie auf einem anderen Stern, was Outfit, Habitus der Leute angeht. Trotzdem war's halt echt gut... die Interaktion zwischen Publikum und Band war irgendwie ansteckend, die Band kam gut rüber, die Leute hatten Spaß, Aggressionen wären mir keine aufgefallen; auch als "Außenseiter" mit langen Haaren und Saxon-Shirt hatte ich jetzt nie den Eindruck, dass ich den "Kult" stören würde. Ein älterer Typ hat mich sogar für das Saxon-Shirt ganz besonders geherzt... was auch wieder komisch für den Monk in mir ist... geherzt zu werden...