PSYCHOTIC WALTZ

Wie aber kann so eine Band denn diesen "Kampf der Erwartungshaltungen" gewinnen? Orientiert sie sich zu sehr an den alten Scheiben, kommen die Nörgler und werfen der Band Selbstkopieren vor. Weicht man aber - sogar als vermeintlich progressiv eingestufte Band - zu sehr von alten Gleisen ab, ist es auch nicht richtig. Wenn man weiß, welche persönlichen Vorlieben die Bandmitglieder auf den Plattentellern haben, dann hätte mich zum Beispiel auch eine deutlich mehr in den 60ern verwurzelte Musik nicht erstaunt. Onkel Dan trägt nicht umsomst gern mal Beatles-Shirts auf Konzerten. Ebenfalls wäre ein Abwendung vom Heavy Metal in Richtung King Crimson denkbar gewesen.
Was mir übrigens schon beim ersten Durchlauf des neuen Albums auffiel: die Strophe von "Demystified" ist ja tatsächlich sehr stark an King Crimsons "In the Court Of The Crimson King" angelehnt.
 
Trotzdem hat so ein Nachfolger bei mir nicht die Chance gegen einen alten Liebling anzustinken, da einfach die persönlich historische Bindung fehlt.
Dein ganzer Beitrag ist zitierenswert, ich suche nur rasch raus, worauf ich antworten will. Denn das ist genau der Punkt. Was bewertet man denn da, die Musik des jeweiligen Albums oder dessen Verdienste als Lebensbegleiter? Nach dieser Logik wäre auch (das Folgende ist keineswegs sexistisch gemeint, die Rollen kann man auch umkehren oder ganz durcheinanderwürfeln) diejenige Frau die Wundervollste, die man am längsten kennt und liebt. Und häufig ist das so. Ich kenne viele, die beten heute heimlich ihre Jugendfreundin an und vernachlässigen dabei emotional ein wenig die Dame, die gerade vor ihnen steht. Das stammt noch aus einer Zeit, als Menschen keine 30 Jahre alt wurden und Bindung an Familie überlebenswichtig für die eigenen Gene war.

Und es ist gedächtnispsychologisch auch heute natürlich nur allzu verständlich. Man hat über viele Jahre Gedächniseinträge (sog. Engramme) abgerufen (die sich zudem je nach gegenwärtiger Stimmung leicht verändern) und hat den Wiedererkennungswert gefeiert und die Neuentdeckungen goutiert, die man manchmal noch durch Neuverknmüpfungen in andere Hirnareale gemacht hat. Sowas honoriert ein Gehirn, wenn es bestimmte Gedächtnisinhalte (in diesem Fall halt die Songs oder deren Teile) eng an andere assoziieren kann (besonders solche, die mit dem episodisch-autobiographischen Gedächntnis zu tun haben, also dem, das die selbsterlebte Lebensgeschichte zu notieren versucht).

Nur, als Gedankenspiel sollte man sich das an dieser Stelle auchmal gönnen, was wäre, wenn 1992 TGSV und kürzlich ITE erschienen wäre? Vermutlich dasselbe Spiel. Und genau deswegen wollte ich zunächst nichts schreiben zu TGSV, weil mir klar war, daß ich selbst genau diesen evolutionär ausgebildeten Spielregeln unterliege und diesen Kampf in mir ausfechten werde. Gestern spät hatte ich, euphorisiert vom Augenblick, gemeint, man könnte die Evolution mal kurz suspendieren und dem Gedächntnis einen Streich spielen. Heute schaut das wieder anders aus. ;) Und ich möchte nicht wissen, was ich meinem auditorischen Cortex (der Hörrinde) erzähle, wenn ich JETZT "Into The Everflow" einlegen sollte... :D

Möglicherweise positioniert sich TGSV in einem Jahr mal auf Platz Drei der Diskographie, aber früher kann ich das bei so einer Band für mich nicht fest machen. .
Das ist wirklich erzkonservativ. :acute:
 
Toller Beitrag über Engramme ...
Ich unterscheide da schon, ob ich ein Review für unsere Seite schreibe oder ob ich hier in einem Forum auf eine momentane Situation eingehe. Bei einer Note für unsere Seite spielt die emotionale Historie weniger einer Rolle, denn sonst kämen Maximalnoten für aktuelle Scheiben kaum aus meinen Fingern.

Diskutieren wir hier im kleinen Rahmen und quasi unter vier Augen über die Tagessituation, wird dies bei mir immer wieder einfließen, da man hier im direkten Austausch steht.
 
Ich bin gerade total geplättet von Devils And Angels - der im Kontrast zum Rest des Songs sehr milde Gesang während der Strophen erinnert mich ein wenig an Major Tom - das Intro und der hymnische Refrain sind absolut bombastisch.

Neben dem absolut ergreifenden The Fallen mein Favorit der Platte bisher.
 
Ich unterscheide da schon, ob ich ein Review für unsere Seite schreibe oder ob ich hier in einem Forum auf eine momentane Situation eingehe. Bei einer Note für unsere Seite spielt die emotionale Historie weniger einer Rolle, denn sonst kämen Maximalnoten für aktuelle Scheiben kaum aus meinen Fingern.

Diskutieren wir hier im kleinen Rahmen und quasi unter vier Augen über die Tagessituation, wird dies bei mir immer wieder einfließen, da man hier im direkten Austausch steht.
Versteht sich. PW haben es tatsächlich geschafft. Fünf Alben und alle fraglose, formidable, fernunftübersteigende, ferfickte Meisterstücke. Kenne keine andere Band, die das vermochte. :verehr::verehr::verehr:
 
Ich bin gerade total geplättet von Devils And Angels - der im Kontrast zum Rest des Songs sehr milde Gesang während der Strophen erinnert mich ein wenig an Major Tom - das Intro und der hymnische Refrain sind absolut bombastisch.
Verstehe genau, was du meinst. Der Song klebt mir wie Leim in den Ohren, und das ist in dem Fall absolut positiv gemeint! Verdammt starker Refrain zudem.

Was den Querflöten-Einsatz betrifft:
Ich bin ja kein großer Fan des Instruments (daher werde ich in diesem Jahrhundert auch zu keinem Jethro Tull-Fan mehr, übrigens) und daher ganz froh, dass PW eher sparsam auf der neuen Platte damit umgegangen sind. Und selbst ich muss zugeben, dass die Flötenparts richtig stark sind, vor allem im Opener.
 
Verstehe genau, was du meinst. Der Song klebt mir wie Leim in den Ohren, und das ist in dem Fall absolut positiv gemeint! Verdammt starker Refrain zudem.

Was den Querflöten-Einsatz betrifft:
Ich bin ja kein großer Fan des Instruments (daher werde ich in diesem Jahrhundert auch zu keinem Jethro Tull-Fan mehr, übrigens) und daher ganz froh, dass PW eher sparsam auf der neuen Platte damit umgegangen sind. Und selbst ich muss zugeben, dass die Flötenparts richtig stark sind, vor allem im Opener.

Ich finde, die Querflöte kommt hier im Vergleich zu A Social Grace und Into The Everflow deutlich verschwenderischer zum Einsatz. Auf Social Grace war das Instrument ja - zumindest in meiner löchrigen Erinnerung - nur bei I Remember zu hören. Hier immerhin schon bei Demystified und Devils And Angels.

Mich erinnert der Opener im Intro ein wenig an die spacige Atmosphäre von "If Eternity Should Fail" von Iron Maiden, nur ausgefeilter.

Übrigens: Es gibt auch Songs von Jethro Tull, in denen gar keine Querflöte vorkommt: Nothing To Say, Aqualung (!!), To Cry You A Song, Steel Monkey, fast das gesamte Broadsword And The Beast Album (da ganz besonders die Songs Beastie und Broadsword).
 
Was für ein geiles Album ist die neue Psychotic Waltz doch geworden? Eigentlich keinen einzigen Schwachpunkt! Damit hätte ich jetzt nicht unbedingt gerechnet. Ich bin zwar noch bei weitem nicht am Ende meiner Reise mit der Platte angelangt, aber hier steht erstmal ne Fette 9/10 Punkten.. :top:
Steckt im Prog Sektor die ebenfalls sehr gute Sons Of Apollo dieses Jahr locker in die Tasche. Wenn ich genau drüber nachdeneke eigentlich die Beste Prog Platte seit the Art of Loss von Redemption...
 
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"Sisters of the Dawn" klingt wie "I just want you" von Ozzy. :D
Mich erinnert der Opener im Intro ein wenig an die spacige Atmosphäre von "If Eternity Should Fail" von Iron Maiden, nur ausgefeilter.
Ich kann nur eine Parallele hören und die ist wahrscheinlich so evident, daß noch keiner drauf gekommen ist, sie hervorzuheben. Die Stelle "We are the Fallen" (4x), "Fallen from a star" (4x) ist eine 1:1-Kopie dieses Songs:


Übrigens auch der einzige Gitarrist, der Brian und Dan nicht nur das Wasser reichen, sondern auch die Saiten wechseln kann.
 
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