Riverside (neues Album Januar '23)

Nachdem ich etwa euphorisch eine 10/10 verkündet habe, möchte ich hier noch ein paar Gedanken hinterherschieben. Danke erst einmal an @RageXX für seine Ausführungen, die ich so voll teile.

Auch ich sehe bei der starken Verwendung der Synths keinen Stilbruch. Klar, die Presets und das Sequencing sind komplett auf 80er getrimmt, aber es biedert sich zu keiner Sekunde an oder wirkt irgendwie gekünstelt. Bei Friend or Foe hätte ich vor ein paar Jahren sicher noch die Augen hochgezogen, heute und in Anbetracht der Bandgeschichte macht es total Sinn. Freischwimmen ist das Motto. Keine Genregrenzen einhalten, keine Erwartungen erfüllen. Landmine Blast beginnt mit den Trademarks von Out of Myself, wirkt aber wesentlich reduzierter. Hier kommt die in meinen Ohren nahezu perfekte Produktion voll zum tragen. Der Bass steht für mich im Zentrum dieses Albums. Jedes Instrument hat seinen Raum im Mix. Nichts wirkt hier auf Effekt getrimmt oder aufgeblasen. Stilistisch höre hier viel 80er Neo-Prog, der ja sehr stark vom New Wave seiner Zeit beeinflusst war raus. Pallas fallen mir hier ein, aber eben auch immer wieder Rush und natürlich der "große Bruder" zu Deadwing oder Fear of a Blank Planet wie @Ätsch of Sanity schon geschrieben hat. Aber es bleibt einfach zu 100% Riverside und das bei aller Bandbreite, die hier aufgefahren wird. Und dann ist da noch dieser Überraschungseffekt: ein solider Rocker wird zur ausufernden Nummer, während die Prog-Elemente sehr songdienlich aufgehen.

Noch ein paar Worte zu den Texten. Ich habe generell große Probleme, wenn Zeitgeschehen moralinsauer von der Außenlinie bewertet wird. Es gibt großartige Alben, die deshalb für mich unhörbar sind (z.B. The Tangent - Slow Rust...). Mariusz überspringt diese Klippe, indem er sehr nahbar, fast schon verletzlich davon berichtet, wie er die Dinge sieht. Muss ich nicht so sehen, bleibt aber zu jeder Sekunde nachvollziehbar und menschlich.
 
Der Bass steht für mich im Zentrum dieses Albums.

Sollte viel öfter so sein, nicht nur bei Riverside. Aber es ist schon sehr auffällig, welch tragende Rolle diesem so oft sträflich unterbewerteten Instrument hier völlig zurecht eingeräumt wird, es trägt immens zum Zauber (nicht nur) der aktuellen Scheibe bei.

Pallas fallen mir hier ein, aber eben auch immer wieder Rush und natürlich der "große Bruder" zu Deadwing oder Fear of a Blank Planet wie @Ätsch of Sanity schon geschrieben hat.

Gehe ich mit. Diese Assoziationen sind schon fast zwangsläufig gegeben.

Aber es bleibt einfach zu 100% Riverside und das bei aller Bandbreite, die hier aufgefahren wird.

Die wohl größte Herausforderung bei der ganzen Sache - und auch hier bin ich wieder komplett bei Dir: es klingt ohne jegliche Anbiederung an irgendetwas absolut nach Riverside, ohne, dass man um die Feststellung im letzten Absatz herumkommt. Eine Schwäche für A-Ha hat Mariusz im Übrigen schon zu "Love, Fear..."-Zeiten eingeräumt, letztlich sei er mit dieser Musik aufgewachsen. Somit ist es auch nur folgerichtig, diese Einflüsse in der eigenen Musik zu verarbeiten, ohne dabei den bandeigenen Sound zu verleugnen.

Als vergleichbare Werke würden mir Hakens "Affinity" und natürlich Yes "90125" einfallen. In beiden Fällen eine völlig neue Gangart, trotzdem ist in Summe allen 3 Alben gemein, dass sie die Band selbst nicht "verraten" haben.

Ganz gleich, wie man es nun im Detail betrachtet: die Qualität von ID.Entity lässt sich zu keiner Sekunde leugnen. Die Tatsache, dass es sich hierbei um ein außergewöhnlich hochwertiges Album handelt dürfte völlig außer Frage stehen. In Zeiten, in denen zahlreiche Bands einfach auf ihre Trademarks und das Bedienen ihrer langjährigen Fanschichten setzen gehen Riverside ein Risiko ein, das nicht wirklich überraschend ist für all Diejenigen, die den Werdegang der Band seit dem Debut verfolgen - und doch in seiner Umsetzung derart gelungen ist, dass man nicht umhin kann, wahrlich große Kunst zu attestieren.
 
Großartiges Album, dass mit vielen Neuerungen aufwartet, aber dennoch unverkennbar nach Riverside klingt.
Insgesamt wirkt die Scheibe kurzweilig, aber dennoch passiert in den Songs verdammt viel, was man erst einmal wieder alles entdecken muss.
Für mich kann man modernen Prog Rock kaum besser machen.
Die 80er Einschübe in Verbindung mit den Lyrics in Friend or foe? sind einfach nur genial.
 
Riverside – ID.Entity (2023)

Ihr erstes Album mit Gitarrist Maciej Meller als vollwertigem Mitglied, präsentiert die polnische Prog/Art Rock Band aus Polen. Auf ihren letzten beiden Alben Love, Fear And The Time Machine und Wasteland entwickelten sie sich mehr zur Mariusz Duda Band, was der Sänger/Bassist in einem Interview so bestätigte. ID.Entity hat nun mit den alten Riverside der ersten vier Alben nicht mehr viel zu tun, als eine floydige Grundatmosphäre und eine prominente E-Gitarre vorherrschte. Das neue Album bietet eine Weiterentwicklung zu einem modernen Sound, der harte Gitarrenriffs mit klassischen Orgelsound und vielerlei Elektronik zu einem stimmigen Ganzen verbindet. Dabei scheuen sie sich nicht, die 80er Jahre in Form von A-Ha mäßigen Vocals und Synthesizern im Track „Friend Or Foe“ zu verarbeiten. Mysteriöse Elektroniksounds mit fetten Gitarren und Bläsersätzen bietet „Big Tech Brother“. Thema ist das Internet, wo wir immer und überall unsere Daten preisgeben. Der Longtrack „The Place Where I Belong“ (13:16) ist eher alte Schule, allerdings tue ich mich damit noch etwas schwer, da er mir etwas zu sehr zusammengestückelt erscheint. „I’m Done With You“ bietet nach ruhiger Anfangssequenz heftige Gitarrenriffs, melodischen Hammondorgel Sound und zum Ende eins der seltenen Gitarrensoli, sowie die Beste Gesangsleistung der Platte. „Landmine Blast“ kombiniert melodische Gitarrenflächen, einen sehr prominenten Bass im Sound und einen jazzigen Mittelteil. „Post Truth“ kommt etwas metallischer rüber, mit einem starken Synthie Solo in der Mitte und Tempo/Stimmungswechsel erinnert mich etwas an die Briten „Haken“.

Den Abschlußtrack „Self-Aware“ fand ich nach dem ersten Hören noch recht langweilig, aber dieser Track wächst mit der Zeit. Es beginnt als konventioneller Rocksong, der ab Minute 2:00 interessant wird, als ein Reggae Rhythmus im Stile von „Rush/The Police“ die Melodie übernimmt und wiederholt das Rockschema aufbricht. Ein schönes Gitarrensolo geht in eine hypnotische Basslinie über, die von starken elektronischen Keyboards untermalt wird.

Ein überraschend frisches Album, was bei einigen Altfans für Stirnrunzeln sorgen wird, aber die Kritiken, die das Album ausschließlich auf die 80er/A-ha Ecke drängen wollen, sind maßlos übertrieben. Für mich ein frühes Highlight des Jahres 2023.
 
ID.Entity ist bei mir mittlerweile auf derselben Stufe wie der bärenstarke Vorgänger Wasteland. Die kleine Kurskorrektur, die man auf dem neuen Album hören kann, hat der Band meiner Meinung nach richtig gut getan. Die Songs wirken frisch und man kann die Scheibe richtig gut am Stück durchhören.
Insbesondere die 80er Synth Einflüsse und die etwas weniger "depressive" Ausrichtung gefallen mir sogar richtig gut. Dabei sind Riverside ja immer noch meilenweit entfernt leicht verdauliche gute Laune Musik zu machen. Für mich ein perfektes, modernes Prog Album. Ob es dann 10 Punkte sind und es an die für mich Überwerke der Band (Second life syndrome, Anno domini high definition und Rapid eye movement) heranreicht wird die Zeit zeigen. Die Tendenz, dass es das beste Album seit Anno domini ist sind auf jedenfall bei mir schon mal gegeben.
 
Läuft hier seit Gestern in Dauerrotation.
Den Jubelschreien hier kann ich mich leider nicht anschließen. Würde sie knapp über die SONGS stellen. Die Neuausrichtung des Stils funktioniert für mich auf Albenlänge nicht so ganz und die sperrigen Sequenzen zerhageln mir manchmal den Flow. Ist alles nicht ganz so meine stilistische Baustelle aber ich denke die Band ist damit sehr sehr glücklich.
Den Abschlußtrack „Self-Aware“ fand ich nach dem ersten Hören noch recht langweilig, aber dieser Track wächst mit der Zeit. Es beginnt als konventioneller Rocksong, der ab Minute 2:00 interessant wird, als ein Reggae Rhythmus im Stile von „Rush/The Police“ die Melodie übernimmt und wiederholt das Rockschema aufbricht.
Genau das meine ich, gar nicht meins.
Aber gut mal sehen was die nächsten Monate bringen.
 
Die Neuausrichtung des Stils funktioniert für mich auf Albenlänge nicht so ganz und die sperrigen Sequenzen zerhageln mir manchmal den Flow.

Ich komme nicht so ganz hinter die vielzitierte "Neuausrichtung": ich sehe das Album eher in einer Schnittmenge aus "Wasteland" und "Love, Fear and the Time Machine" mit streckenweise härteren Elementen in den "LFatTM"-verwandten Titeln. Gleichzeitig ist der Opener der wohl poppigste Titel der Bandgeschichte, gleichzeitig aber auch der tollste Poprocksong, den ich in den vergangenen Jahren gehört habe.

In Summe ist "ID.Entity", nach etwas längerer Betrachtung, nicht so stark wie "Wasteland", denn dieses hat einen völlig eigenen Spirit, der sich auch wie ein roter Faden durch das gesamte Werk zieht, für mich ein echtes Ausnahmewerk.

Ich finde auf "ID.Entity" keine Elemente, die es nicht auch vorher schon bei Riverside gab, da sind die "A-HA"-Momente und gleichermaßen die artverwandten Bauteile aus dem härteren Artrock/Prog-Baukasten. Auffällig ist, wie homogen das Album trotzdem wirkt und genreübergreifend würde ich dazu tendieren, dass "ID.Entity" dass flüssigste Werk von Mariusz und Co. ist. Hierbei spielt es sicher aus subjektiver Betrachtung heraus eine große Rolle, dass ich speziell "Love..." im vergangenen Jahr noch einmal mit ganz anderen Ohren gehört habe und sich mein Zugang zu diesem Album stark in positiver Richtung verändert hat.

Und: selten haben Bonustracks so viel Sinn gemacht wie hier. Ich spreche nicht von den Single-Edits, sondern von "Age of Anger" und "Together again", die im Kontrast zur eher songdienlich orientierten Ausrichtung des eigentlichen Albums die absolute Prog-Vollbedienung bieten.

"ID.Entity" bereichert die ohnehin schon starke Discographie der Polen und wird sie garantiert einen Schritt weiter nach vorn bringen. Für mich nach wie vor eines der frühen Highlights diesen Jahres und ohne jegliche Abnutzungserscheinungen.
 
Auch wenn ich Prügel riskiere:
Die neue von Riverside hat meine Ohren enttäuscht. Wo ist die Magie der ersten 4 Alben geblieben ???
Fängt ganz gut mit Friend or Foe an, Landmine Blast gefällt mir gut. Mein Albumhighlight Big Tech Brother folgt, sehr geil es keimt Hoffnung auf.
Aber danach wird es für mich leider belanglos. Es packt mich kein einziger Song wirklich.
Der Longtrack als Hauptenttäuschung dröge und langweilig.
Ich könnte echt heulen aber es passt nicht mit ID und mir.
Schade.

Muss sofort Second Life und danach Anno Domini auflegen.
 
Liste

1. SECOND LIFE SYNDROM
2. ANNO DOMINI HIGH DEFINITION
3. RAPID EYE MOVEMENT
4. OUT OF MYSELF
5. WASTELAND
6. SHRINE OF NEW GENERATION
7. ID.ENTITY
8. LOVE, FEAR AND THE TIME
 
Auch wenn ich Prügel riskiere:
Die neue von Riverside hat meine Ohren enttäuscht. Wo ist die Magie der ersten 4 Alben geblieben ???
Fängt ganz gut mit Friend or Foe an, Landmine Blast gefällt mir gut. Mein Albumhighlight Big Tech Brother folgt, sehr geil es keimt Hoffnung auf.
Aber danach wird es für mich leider belanglos. Es packt mich kein einziger Song wirklich.
Der Longtrack als Hauptenttäuschung dröge und langweilig.
Ich könnte echt heulen aber es passt nicht mit ID und mir.
Schade.

Muss sofort Second Life und danach Anno Domini auflegen.

Mir ergeht es mit dem aktuellen Album ähnlich.
Schon die Vorab-Titel haben mich seltsam unberührt gelassen.
Wenn ich das zum Beispiel mit "River Down Below" vom großartigen Vorgänger vergleiche...
Das sind himmelweite Unterschiede.
Bisher habe ich mich auch noch zu keinem Kauf durchringen können und ich vermute, das bleibt auch erstmal so.

Überhaupt sind RIVERSIDE ähnlich wie PAIN OF SALVATION eine Band, bei der mir nur Teile der Discographie gefallen.
Kann man leider nichts machen o_O.
 
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Wenn ich das zum Beispiel mit "River Down Below" vom großartigen Vorgänger vergleiche...
Das sind himmelweite Unterschiede.

Ich befürchte, Riverside werden kein Album mehr veröffentlichen, welches (für mich) an "Wasteland" vorbeikommt.
"id.entity" sehe ich aber mit keinem großen Abstand durchaus in den Top 5, auch wenn mich "Self-Aware" erst auf dem Album so richtig packen konnte. Vorab fand ich den Song auch eher enttäuschend.
 
Ist die Gebläsehalle Neunkirchen eigentlich immer bestuhlt ?
Riverside spielt dort am 23.6.
Für eine Antwort DANKE im voraus
 
Könnte es sein das Riverside einen " An Evening With " Gig spielen ?
Auf der Karte steht nur Riverside und nix von Guests oder ähnlichem.
DAS wäre ja geil. Mehr als genug höchstwertiges Songmaterial ist ja vorhanden....
 
Neues Solo-Material von Mariusz...

 
Oh, die Soloalben kenne ich ja noch gar nicht. *auf Liste notier* Die Lunatic Soul-Sachen schwanken zwar bei mir in der Gunst sind aber an sich meist recht gut. Dann wird mich sein Solo-Gefriemel bestimmt auch abholen.
 
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