Roger Waters - Is This the Life We Really Want?

Empfinde es mittlerweile als völlig unerträglich, was Waters da - musikgeschichtliche Bedeutung hin oder her, Klasse des neuen Albums hin oder her - aufführt - was sich hier nur mehr sehr oberflächlich und ungeschickt als legitime Israelkritik tarnt, ist ein ungute Mischung aus strukturellem und israelfeindlichem Antisemitismus (Dämonisierung von Israel als Apartheid-Regime jenseits aller Relationierungen, was wiederum auf eklatante Doppelstandards verweist; Hantieren mit historisch eindeutig antisemitisch codierten Symbolen bei gleichzeitiger Synonymsetzung dieser Symbolik mit kapitalistisch konnotierten Insignien/Agenten) - dazu noch seine widerliche Unterstützung für die BDS-Kampagne, die sich nicht zu Unrecht Vorwürfe des Antisemitismus ausgesetzt sieht - das macht es schon schwierig, Waters nicht als Antisemiten zu begreifen, völlig losgelöst von der für die Beurteilung irrelevanten Dimension, wie er sich selbst hier kategoriseren würde. Ein - nur so als Beispiel - Finkelstein würde sich auch nie selbst als Antisemit deklarieren.

Übrigens ebenfalls etwas unschön: Israels Regierungsform/politisches System explizit als Regime zu bezeichnen - das mag fachterminologisch noch korrekt sein, aber in der Umgangssprache werden damit eben primär antidemokratische Systeme bezeichnet (Franco-Regime, Vichy-Regime etc.), was Israel im Gegensatz zu vielen anderen Staaten in dieser Region eben glücklicherweise doch nicht ist.
 
@WitheringHeights : Ich stimme dir in allen Belangen zu. Allerdings glaube ich, dass Waters glaubt, dass er Regimekritik übt. Die Wirkung bzw Interpretation seiner Aktivität steht auf einem anderen Blatt.

Ja, das mag schon sein. Nur - wo ist da der Unterschied zu z.B. Xavier Naidoo? Der sich ja selbst auch eher als freiheitsliebender Christ geriert, der gegen Unterdrückung kämpft, dabei antisemitische Klischees aneinanderreiht und von seinen Anhängern und Freunden wahlweise als "er hat doch recht", "ist nur israelkritisch", "Hexenjagd" oder "meint er nicht so" verteidigt wird.
Meiner Meinung nach sollte man die Äußerungen erwachsener Leute halt schon so nehmen, wie sie sie äußern - im Zweifel lass' ich gerne gelten, dass sowas schonmal undurchdacht sein mag, oder angesteckt ist von einem falsch verstandenen Geist der Freiheit und Emanzipation. Nur irgendwann sollte man sich halt schon selbst hinterfragen, besonders dann, wenn man schon anfängt, sich als Botschafter von Organisationen darzustellen und eine scharfe politische Position vertritt (hier im Grunde: "Kauft nicht beim Juden", wenn auch halbherzig umformuliert).

Ansonsten hat @subcomandante alles vorweggenommen was ich sagen könnte oder wollte - bloß in weit treffenderen und prägnanteren Worten :)
 
Frage an euch Experten: Seit wann ist Waters in Sachen Israel aktiv und seit wann gibts die Antisemitismus-Vorwürfe? Begann dies bereits vor der erneuten Regierung Netanjahu (also vor 2009)?
 
Frage an euch Experten: Seit wann ist Waters in Sachen Israel aktiv und seit wann gibts die Antisemitismus-Vorwürfe? Begann dies bereits vor der erneuten Regierung Netanjahu (also vor 2009)?

Ich bin nun wirklich kein Roger Waters-Experte. ;)
Öffentlich aktiv scheint er seit Mitte der '00er zu sein, aber ehergesagt: kA, und wofür sollte das auch erheblich sein?
 
@WitheringHeights Allerdings glaube ich, dass Waters glaubt, dass er Regimekritik übt. Die Wirkung bzw Interpretation seiner Aktivität steht auf einem anderen Blatt.
Eben, die Beurteilung obliegt zum Glück immer noch den Aussenstehenden. Jemand der @Bongripper , ein, seit dem Mittelalter benutztes Symbol zur Schmähung der jüdischen Kultur verwendet und darüber hinaus bei dieser unsäglichen BDS-Organisation mitmischt wird völlig zurecht mit diesem Stempel versehen. Wo sind die ganzen Aktionsgruppen die sich genauso vehement gegen Saudi-Arabien, Iran, Irak/Türkei (Ewige Unterdrückung der Kurden) und all die anderen Arschlöcher wenden? Das dies nicht geschieht und man sich nur auf einen "Schurkenstaat" stürzt ist Arbeiten mit Doppelstandards und damit antisemitisch.
https://de.wikipedia.org/wiki/Boycott,_Divestment_and_Sanctions#Antisemitismus
Das die aktuelle israelische Regierung aus beschissenen Hardlinern besteht die m.M.n. auch wenig für den Frieden machen ist klar. Die Gegenseite aber wählt sich eine Terrororganisation zur Regierung in deren Gründungscharta die Vernichtung Israels gefordert wird. Wie bitte soll man mit einem Kontrahenten umgehen dessen Hauptziel die eigene Vernichtung ist?
Und ja, @wrm , ich denke ich weiß ein bisschen Bescheid über das Thema. Sowohl vom Inhalt her als auch der Art und Weise wie man damit umgeht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Meiner Ansicht nach wird hier ausschließlich die Regime-Kritik deutlich - und das ist etwas grundlegend anderes als Antisemitismus.

+1.

Kritik an einem temporären (remember "All Empires Fall" :)) Regime hat nichts, aber auch überhaupt nichts mit grundsätzlichem Hass auf eine ethnische Gruppe gemeinsam. Ich bin allerdings zu wenig in der Materie um zu wissen, in welche der beiden Kerben RW genau schlägt. Den Texten seines neuen Albums kann ich jedenfalls keine antisemitschen Tendenzen entnehmen. Falls welche enthalten sein sollten, bitte mal posten.
 
Eben, die Beurteilung obliegt zum Glück immer noch den Aussenstehenden. Jemand der @Bongripper , ein, seit dem Mittelalter benutztes Symbol zur Schmähung der jüdischen Kultur verwendet und darüber hinaus bei dieser unsäglichen BDS-Organisation mitmischt wird völlig zurecht mit diesem Stempel versehen. Wo sind die ganzen Aktionsgruppen die sich genauso vehement gegen Saudi-Arabien, Iran, Irak/Türkei (Ewige Unterdrückung der Kurden) und all die anderen Arschlöcher wenden? Das dies nicht geschieht und man sich nur auf einen "Schurkenstaat" stürzt ist Arbeiten mit Doppelstandards und damit antisemitisch.
https://de.wikipedia.org/wiki/Boycott,_Divestment_and_Sanctions#Antisemitismus
Das die aktuelle israelische Regierung aus beschissenen Hardlinern besteht die m.M.n. auch wenig für den Frieden macht ist klar. Die Gegenseite aber wählt sich eine Terrororganisation zur Regierung in der Gründungscharta die Vernichtung Israels gefordert wird. Wie bitte soll man mit einem Kontrahenten umgehen dessen Hauptziel die eigene Vernichtung ist?
Und ja, @wrm , ich denke ich weiß ein bisschen Bescheid über das Thema. Sowohl vom Inhalt her als auch der Art und Weise wie man damit umgeht.

Die Nummer mit BDS, und was exakt sich hinter BDS verbirgt, war mir nicht so wirklich bewusst - und sieht in der Tat nach mehr als nur Kritik an der derzeitigen Regierung Israels aus. Da stimme ich dir, subcommandante und Withering Heights zu.
Ich werde da mal noch ne Weile weiterrecherchieren und lesen.
 
Einige kluge Beiträge hier, danke @subcomandante und @WitheringHeights.

Der BDS ist ja inzwischen - unabhängig von Roger Waters - zumindest in Berlin leider ein nicht mehr zu ignorierendes Dauerthema im Konzertbetrieb geworden (Festivalabsagen von Oranssi Pazuzu und anderen nach Boykottaufruf durch BDS / Konzertabsage der BDS-Unterstützerin Kate Tempest wegen Drohungen von BDS-Gegnern / zuletzt die BDS-Proteste gegen Nick Cave bei seinem Berlinkonzert).

Liebes DF, bleibt da mal bitte am Ball und macht es gerne bei Gelegenheit in geeigneter Weise zum Thema im Heft. Immerhin ist das ein politisches Thema, das sich inzwischen ganz konkret auf Bands und Konzerte und auf uns als Musikliebhaber auswirkt.
 
Ich bin nun wirklich kein Roger Waters-Experte. ;)
Öffentlich aktiv scheint er seit Mitte der '00er zu sein, aber ehergesagt: kA, und wofür sollte das auch erheblich sein?


Weil man dann weiss, ab wann man sein musikalisches Output beruhigt ignorieren kann.

Ich bin selbst hin und her gerissen. Ich persönlich kann Künstler und Kunst nicht einfach so trennen und höre deswegen auch die meisten Black Metal Bands nicht mehr, ebensowenig wie Ted Nugent oder Dave Mustaine.

Ich selbst bin der Meinung, dass reine Kritik an der Politik Israels alleine keinen Antisemitismus darstellt. Aber mit dem fliegenden Schwein mit dem Davidsstern hat Waters die Grenzen der berechtigten Kritik Israels deutlich überschritten. Das war mindestens Geschmacklos und plump.

Wenn Waters nachweislich in den 70ern auch so gedacht hat, hätte ich beim Hören der von ihm beeinflussten Stücke von Pink Floyd schon einen bitteren Beigeschmack. Ich würde schon gerne wissen, ob ich nur seine aktuelle Soloscheibe in den Müll kloppen muss, oder bereits Final Cut oder The Wall entsorgen muss.

Bei Pink Floyd gefallen mir eh die Sachen am besten, die eher die Handschrift von Gilmour tragen.
 
Weil man dann weiss, ab wann man sein musikalisches Output beruhigt ignorieren kann.

Ich bin selbst hin und her gerissen. Ich persönlich kann Künstler und Kunst nicht einfach so trennen und höre deswegen auch die meisten Black Metal Bands nicht mehr, ebensowenig wie Ted Nugent oder Dave Mustaine.

Ich selbst bin der Meinung, dass reine Kritik an der Politik Israels alleine keinen Antisemitismus darstellt. Aber mit dem fliegenden Schwein mit dem Davidsstern hat Waters die Grenzen der berechtigten Kritik Israels deutlich überschritten. Das war mindestens Geschmacklos und plump.

Wenn Waters nachweislich in den 70ern auch so gedacht hat, hätte ich beim Hören der von ihm beeinflussten Stücke von Pink Floyd schon einen bitteren Beigeschmack. Ich würde schon gerne wissen, ob ich nur seine aktuelle Soloscheibe in den Müll kloppen muss, oder bereits Final Cut oder The Wall entsorgen muss.

Bei Pink Floyd gefallen mir eh die Sachen am besten, die eher die Handschrift von Gilmour tragen.

Hm, ach. Keine Ahnung; mir geht das so ähnlich. Ich kann mir z.B. Burzum kaum noch anhören, weil ich mir die Fresse vom Vikernes halt dabei nicht wegvorstellen kann. Nur, wo will man da die Grenze ziehen? Ich glaube, dass man oft genug einfach nicht wissen sollte, wer hinter der Musik steckt (ich werd' eh immer unsozialer, haha). Ab welcher politischen Positionierung hört man auf, trennen zu können ? Ab welcher charakterlichen Schwäche? Würde ich nach Sympathie gehen, dürfte die Sisters Of Mercy wohl nicht mehr hören :D
Diese Diskussion ist derzeit ja auch anderweitig im Gange, Stichwort #MeToo und das künstlerische Schaffen z.B. eines Kevin Spacey.
Solange die Musik unberührt ist von zumindest vordergründiger "Propaganda", tue ich mich da ein bisschen leichter als wenn z.B. ein Dave Mustaine seine weirden Abtreibungs-Rache-Schicksals-9/11-Ramblings vertont o_O
Aber letztlich ist das ja auch einfach immer 'n persönliches Ding, wie weit da die Toleranz (oder Ignoranz) so geht...
Oft genug ist's wohl so: mit der Musik ist's wie mit der Wurst, man will nicht genau wissen wie's (bzw. von wem's) gemacht wird... ;)
 
In meinen Augen ist Waters ganz sicher kein Antisemit, sondern einfach jemand, der sich kritisch mit politischen Lagen in anderen Ländern auseinandersetzt, und das tut er auch nicht erst seit gestern.

Er hat früher unter anderem schon genauso gegen Bush Sen. gewettert wie nun gegen Trump, und auch in Sachen Israel geht es ihm sicherlich nicht um "die Juden" als Volk sondern um eine Regimekritik.

Mir ist es absolut unverständlich, wieso da nun plötzlich so ein Medienrummel veranstaltet wird, denn kritisch und eher gegen den Strom schwimmend war der Mann doch eigentlich schon immer.

ARD und WDR distanzieren sich also plötzlich von ihm und wollen seine Konzerte nun nicht mehr senden oder Sponsoring dafür betreiben?

Ganz offensichtlich haben die Verantwortlichen sich vor ihrer Sponsoring-Zusage überhaupt nicht mit dem Mann beschäftigt sondern für ihre Sender nur das große Zugpferd namens Pink Floyd gesehen, mit welchem Waters nach wie vor natürlich direkt verbunden wird.

Die Sachen, die man heute an ihm kritisiert, hat er auf gewisse Art und Weise aber auch schon vor 30 bis 40 Jahren als Mitglied von Pink Floyd vertreten, doch komischerweise war das im Rahmen von Pink Floyd immer alles innovativ und kreativ und wurde als Kunst betrachtet.
 
Vielleicht ganz interessant: Ein längeres, aktuelles Interview zu genau dem Thema in Haaretz:

https://www.haaretz.com/news/1.668705
Ich halte Waters in keinster Weise für antisemitisch, und seine Beweggründe zumindest für nachvollziehbar. Geschichten wie das Schwein mit dem Davidsstern drauf sind natürlich megapanne, und mit BDS hat er sich eventuell die falschen Partner gesucht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielleicht ganz interessant: Ein längeres, aktuelles Interview zu genau dem Thema in Haaretz:

https://www.haaretz.com/news/1.668705
Ich halte Waters in keinster Weise für antisemitisch, und seine Beweggründe zumindest für nachvollziehbar. Geschichten wie das Schwein mit dem Davidsstern drauf sind natürlich megapanne, und mit BDS hat er sich eventuell die falschen Partner gesucht.

Da finde ich mich am ehesten wieder. Ich habe einige Probleme mit seiner Israelkritik und halte BDS für den komplett falschen Partner. Aber ein Antisemit ist er ziemlich sicher nicht.
 
Prinzipiell sehe ich dieses Thema im Sinne der juristischen Unschuldsvermutung: RW ist ein Antisemiten, durch öffentliches Aufzeigen einer antisemitschen Gesinnung, also wenn er sich antisemitisch äußert oder verhält. All seine Äußerungen und Handlungen können separat oder im Kontext auf antisemitische Inhalte überprüft werden. Ist keine davon klar antisemitsch, ist ihm auch keine antisemitsche Gesinnung zu unterstellen. Was er denkt, aber nicht äußert oder tut geht keinen etwas an.

Oder muss er neuerdings belegen, kein Antisemit zu sein?

Und um das noch kurz anzumerken: wäre er Antisemit, würde ich das aufs Äußerste missbilligen. Habe diesbezüglich aber bisher noch keine Belege diebezüglich wahrgenommen.
 
Ich bin selbst ein großer Kritiker der expansiven israelischen Siedlungspolitik und der Menschenrechtsverletzungen durch Israel an den Palästinensern.

Aber andererseits erkenne ich auch das Recht Israels an, sich zu verteidigen und weiss, dass zum Nahostkonflikt zwei Seiten gehören, sich also auch die Hamas oder die Fatach-Bewegung nicht mit Ruhm bekleckert hat in der Vergangenheit.

Ein Davidsstern auf einem fliegenden Schwein !!! ist aber geschmacklos und zumindest für mich eine nur schwer tolerierbare Grenzüberschreitung. Für mich ist das Antisemitismus.

Dass der WDR aber vorher kaum Anstoss daran genommen hat vor der Petition, obwohl Waters zumindest israelkritische Einstellung vorher schon bekannt war, zeigt, was für inkompetente Schwachmaten beim WDR sitzen. Erst groß rumposaunen und auf den ehemaligen Pink Floyd Mastermind als Zugpferd setzen, ergo die Klassikrockkuh und deren durstige Kälber melken und dann dem Schwanz einziehen, als sich Gegenwind bemerkbar macht.

Mal gucken, ob jetzt noch Another Brick In The Wall auf WDR im Radio laufen wird...
 
Sensibles, sehr, sehr schwieriges Thema.

Für Interessierte, die sich mal jenseits der üblichen Floskeln ernsthaft mit der Materie befassen wollen, hier mal das Standardwerk zum Antisemitismus: http://www.chbeck.de/benz-antisemitismus/product/12758

Edit: Günstiger als (vollständige) BPB-Auflage: http://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/35797/was-ist-antisemitismus (1€, müsste sogar portofrei sein)

Auch lesenswert, natürlich kürzer: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/187424/antisemitismus (PDF inside)
 
Heute zufällig jemand beim MEISTER in der Arena zu Hamburg am Start? Freu mich wie ein Schneekönig und zähl hier buchstäblich schon die Minuten runter...
 
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