Nach so viel Gegenwind um mein Empfinden der letzten Scheibe habe Ich mich nochmal in die kritische 90er und aktuelle Phase fallen lassen, sprich ab dem Album Independent. Dieses, ja, Projekt, hat mich sehr bewegt und tatsächlich einige Überraschungen bzw. persönliche Twists in mir ausgelöst.
Randnotizen
Erstens: Ich bin großer Fan dieser Band.
Zweitens: Ich finde, W. Arnett ist ein unauffälliger, aber dermaßen geiler Riffer und Solist, der in jeder noch so festgefahrenen Lage einen steckengebliebenen Song aus dem "Mist" zu retten vermag.
Drittens: Viertens.
Viertens
Independent
Hätte man mich vor 5-10 Jahren gefragt, hätte Ich gesagt: "Jaaaa... komm... mach mal schön Ignorance rein und wir fahren stressfrei zum Festival.". Die Jahre gingen so dahin, man hat weitere 1436 Thrash-Bands kennengelernt, die ewigen Klassiker waren im Hinterkopf, diese aber auch sehr prädestiniert. Man verharrt auf dem, was man gut findet, die anderen Meinungen sind eine Plage, die es zu verteidigen gilt. Heutzutage, weißt du, Boom, Twist, Ich sehe das Album als ein verdammtes Meisterwerk an. Die Jungs haben es geschafft (neben knackigen und verweilenden Songs) ein Thrash-Album der 90er (wo so viel ziemlich abgekackt ist) zwei Thrash-Longtracks (und was für welche) reinzupacken und dabei auf einer relativ guten 40min-Marke zu bleiben. Kein Song der Scheibe ist ein Filler, alles gut, alles passt, alles hat diesen SR-Spielwitz in sich, alles, wenn auch selten im Hochtempo. Auch der Sound, was für ein präziser, sauberer, authentischer Sound. Wenn man sich den Produzenten genauer anliest, kann einem klar werden, warum die Qualität der Songs nicht einfach mal mit einem "In den 90ern war Thrash tot" abgespeist werden kann. Ich habe mir gerade ein Glas besten italienischen eingegossen und könnte noch Seiten füllen, in jedem Fall braucht sich Independent zu keiner Tageszeit vor dem amerikanischen Weg (und schon gar nicht vor der ganzen 90er Thrash-Gemeinde) zu verstecken, so viel steht fest.
Ich bin begeistert und spreche nebenbei eine absolute Empfehlung an die Leute, die eine 90er-Thrash-Scheibe wiederentdecken möchten.
Heal
Das Album ist gar nicht mal sooo schlecht. Arnett gibt immer die Soli, das passt, und wie das passt, es sind wie gewohnt super schöne Soli. Phil ist mit seiner Stimme vollends da, immer, habe ihn selten anders erlebt (ist seine Redestimme nicht exakt genau wie seine Singstimme? Egal...).
Die Songs: SR sind zum ersten mal eingeknickt. Ja, der Opener macht Eindruck, hat aber diesen könnte-eine-andere-Band-sein-Beigeschmack, leider. Und dann immer und immer und immer wieder Arnett. Der Mann verdient einen Preis oder sowas. Was wäre SR ohne diesen Gitarristen?
Break Through ist eine großartige, typische SR-Nummer, die Spaß macht, das Schlagzeug war bei SR ja nie ein großes Thema. Es folgen Nummern wie Low (irgendwie Grunge, und dann doch wieder Arnett, der den Song leicht umbiegt und aufpoliert), Don't (gute SR-Nummer, etwas für zwischendurch), Ask Ed ist irgendwie gut, aber Ich habe ganze Zeit das Gefühlt, die Nummer nicht wie von SR gedacht greifen zu können. Nach dem passenden Cover und bescheidenen See Through My Eyes (wo mal wieder WA den Song rettet) geht's Richtung Endspurt. Und da gibt es doch ein kleines Highlight. I Don't Care könnte (FAST) auf dem American Way stehen. Der Rausschmeißer macht mich in seiner ganzen Präsenz nicht an. Heal hat aber def. ein tolles Cover.
Awakening
Ich musste erstmal eine Weile überlegen, wie Ich diesen Text starte. Das ganz große Problem dieses Albums ist für mich der moderne Thrash-Sound, dabei klingt mir die Snare zu auffälig und nicht wirklich SR-like. Arnett reicht auch NICHT mehr aus. Ich liebe Thrash, aber das Riff ist schon sehr entscheidend, egal in welcher Jahreszeit wir uns befinden. Bei allem Respekt, aber die aufgenommenen Riffs waren schon alle seeeeehr lange mal da, die Songs leben hier tatsächlich eher von Gesangsmelodien, wenn man mich fragt. Vocals Top, Phil ist immer da, wenn man ihn braucht. Salvation ist ein Ohrwurm, muss Ich zugeben. Ein gutes, beständiges Lied, auch weil es sofort zum mitsingen animiert, ja, fast zwingt.
Manifest Reality fängt an wie ein Thrash-Song anfangen muss, danach alles nach Muster. Refrain wie erwartet, Solo Killer wie immer. Ein fast-SR-Killer-Song. Killing Machine hat diesen gezogenen Refrain, gefällt mir bei SR weniger. Der Song an sich ist auf den ersten Blick gewöhnlich, dann aber plötzlich eins der Highlights der Scheibe.
Die Songs zum Ende hin (einer eh schon kurzen Platte) wirken auf mich bis auf die coolen Soli weniger interessant. Insgesamt wirkt es auf mich so, dass dieses Album nicht fertig produziert ist, als müsste man nochmal ins Studio und etwas nachfeilen. Nach so vielen Jahren Stille hätte Ich mir als Fan einfach etwas runderes und besser klingendes gewünscht. Ein Paar Songs finde Ich eigentlich ziemlich gut.