Losgehen soll es mit:
Bathory - Nordland "I" & "II"
Viel ist geschrieben worden über Bathory und Mastermind Quorthon – Größe der ersten Welle des Black Metal, Erfinder des „Viking Metal“-Genres, notorischer Schiefsinger, Erpelpellenverursacher…man könnte dem Schaffen des Schweden kaum etwas hinzufügen.
Und dennoch möchte ich etwas zu Bathorys finalem Opus schreiben, das gern übersehen und vielleicht auch gern einmal totgeschwiegen wird. Die Rede ist vom Doppel-Album „Nordland“, aufgeteilt in die pragmatisch betitelten „I“ und „II“, deren Verwendung desselben Covers (nur in gespiegelter Variante) ebenso Schlimmes andeutete wie die unkreative Namensgebung.
Doch es kam anders. Um eines Vorweg zu nehmen: Quorthon war hier sicherlich nicht auf dem Höhepunkt seines Schaffens (das war wohl 1991, mit einem Aufblitzen an Genialität fünf Jahre später). Und auch wenn sein Output um die Jahrtausendwende qualitativ nicht an Großtaten wie „Hammerheart“ heranreichen mag, so reißt mich die überbordende Kreativität einfach mit, die den Mann hier heimgesucht haben muss. Die Ideen mussten einfach raus. Qualitativ wird hier ein gewisses Niveau auch nirgendwo unterschritten, sodass ich eigentlich gar nicht so richtig meckern kann.
Jedenfalls war „Nordland“ damals als Teenager tatsächlich mein Einstieg in das Schaffen von Bathory. Auch mit Pagan- und Black-Metal hatte ich zu dem Zeitpunkt noch nichts am Hut, und so fesselte mich dieser spannende Mix aus rauem Dreschen und atmosphärischen Soundscapes durchaus während einiger schlafloser Stunden mit Kopfhörern unter der Bettdecke.
Nordland „I“
Nach langer Zeit warf ich also die beiden Scheiben mal wieder in den Player.
Das einleitende „Prelude“ gemahnt mich heute an Dungeon Synth, Keyboards stimmen auf die folgenden Stunden ein. Die charakteristischen „Aah-aah-aah“-Chöre werfen hier schon ihre Schatten voraus und es muss einfach gesagt werden: Quorthon hätte sich mindestens die Hälfte der Chöre auf dieser ersten Scheibe getrost klemmen können – es hätte dem Material gut getan.
Der Titeltrack erstreckt sich über knapp zehn Minuten Spielzeit und galoppiert getragen, aber recht unscheinbar nach vorn. Das Riff dürften heutzutage eine Million Bands recycelt haben. In „Vinterblot“ wähnt man sich kurrzeitig in einem Tim-Burton-Musical – diese Variabilität steht dem Meister gut zu gesicht. Ganz anders als der gequälte Gesang auf „Dragon’s Breath“, unterlegt von einem absoluten Billo-Riff. Ein paar der erwähnten Chöre retten das Dilemma auch nicht mehr (sorgen nur für noch mehr Stirnrunzeln). Doch, glücklicherweise, ist dieser Song der größte Tiefpunkt des Werkes und der einzige Griff ins Klo.
Neben atmosphärisch dichten Meisterleistungen wie „Foreverdark Woods“ (damals mein Favorit) und dem wunderschönen „Ring of Gold“ mit seinen Natur-Samples holen Bathory auch noch mal den Knüppel aus dem Sack und dreschen in „Broken Swords“ furios drauflos.
Die größte Schwäche von „Nordland I“ liegt darin, zwischen zwei Ufern zu schwimmen, doch keines so Recht zu erreichen. An vielen Stellen gibt es getragene, atmosphärische und Naturgeräusch-unterlegte Soundscapes und Passagen, die fantastisch ins Ohr gehen…und dennoch sich nicht ganz frei entfalten können. So richtig schlüssige Songs, geschweige denn Hits, sind wirklich rar gesät, sodass viele Songs irgendwie…verlaufen.
Ausgenommen sind die am Ende der Scheibe stehenden „Great Hall Awaits a Fallen Brother“ und besonders „Mother Earth Father Thunder“, denen man tatsächlich attestieren kann, irgendwo Hits zu sein.
Natürlich braucht eine Band wie Bathory keine Hits. Aber man freut sich ja doch über schlüssige Songs.
Apropros:
Nordland „II“
Fanfaren leiten das letzte Stück von Quorthons Schaffen ein. Und das ist noch mal ein richtiger Brecher. „Blooded Shore“ trumpft direkt mit starken Melodien und Riffs auf und bietet einen tollen Einstieg. Piraten-Synthies gibt es bei „Sea Wolf“ zu hören; die nerven irgendwann dezent, unterm Strich bleibt aber ein überraschend stimmiger und kompakter Song.
Während „I“ also bewusst alles etwas langsamer und vertrackter anging, kommt „II“ kompositorisch mehr aus dem Quark und rüttelt nach einer Stunde Schwelgen an nordischen Fjorden doch noch einmal richtig wach. Absolutes Highlight ist hier „Death and Resurrection of a Northern Son“, der zum Karriereende noch einmal so viel von dem vereint, das man bei Bathory so liebt: Rabiate Doublebass und düstermetallisches Riffing, beschwörender und eindringlicher Gesang (wie immer charmant neben der Spur), ausufernde Epik und nachdenkliche, ruhigere Momente, die immer eine bestimmte Erhabenheit ausstrahlen.
Ähnlich wie „Dragon’s Breath“ hätte man sich das an Accept und Metallica erinnernde „Flash oft he Silverhammer“ sparen können (was für ein gruseliger Gitarrensound), doch mit dem schweren 12-Minüter „The Wheel of the Sun“ setzt man zum Ende dieser knapp zwei Stunden noch einmal ein Denkmal, bevor man mit dem bekannten „The Winds of Mayhem“ wieder in eine Welt voller Asphalt und Hochhäuser entlassen wird.
Fazit
Ich mag Nordland, beide Scheiben. Und auch wenn andere Alben in ihrer Qualität drüberstehen mögen: das hier ist ein tolles Hörerlebnis. Klar, Bathory in Perfektion ist das nicht. Dennoch versinkt man in den Texten, Melodien und Geschichten, lässt sich von der Raserei packen. Und auch im Schaffenskontext der Band ist das sicherlich eine 7.5/10 wert.