@ Hugin, spannend, ich kann da leider nicht mehr mitreden, da ich vor einem Vierteljahrhundert aus Oberschwaben weggezogen bin und auch kaum mehr Kontakt habe. Aber eine Sache hat mich schon immer interessiert: Warum eigentlich im Gegensatz zu den Ruhrpottkapellen alle Schwabenbands wie Stormwitch, Gravestone, Tyrant, Tyran´Pace, Sinner (ich weiß zwei davon heute bei Primal Fear) oder auch die Ulmer Stranger nie groß rausgekommen sind. Irgendwie hat es da an so nem Magazin wie bei den Ruhrgebietsbands gefehlt...oder?
Ich denke, dass es da zwei sehr gewichtige Gründe gibt, denn per se waren die Bands weder weniger originell noch schlechter als ihre Ruhrpott- und Hamburg-Pendants zur selben Zeit:
1.
Die Bands waren mehr oder minder alle bei GAMA Records, was zu einigem vertraglichen und finanziellem Elend geführt haben dürfte. Keine ex-Band des Labels, von der ich wüsste, verliert ein gutes Wort über die Herren Garattoni und Marek. Noise und Steamhammer waren da einfach kompetenter, besser vernetzt und haben sich auch mehr für ihre Bands eingesetzt.
2.
Aus meiner Sicht der tatsächlich noch wichtigere Grund: Die "Schaffá-Schaffá-Heisle-bauá"-Mentalität der Schwaben ist halt hier doch weit mehr als nur ein Klischee. Die haben halt alle Mitte-bis-Ende-20 gemerkt, dass man möglicherweise mit der Geschichte nicht wirklich langfristig Geld verdienen und überleben kann und sind deshalb auf Nummer sicher gegangen, haben was "Anständiges" gelernt. Der Dietz ist Anwalt geworden, der Peterhänsel ist hier im Nachbardorf Architekt, soweit ich weiß, ein anderer von Tyrant oder Gravestone ist glaube ich Arzt usw... Im Ruhrpott und in Hamburg gab's offenbar mehr Glücksritter, die alles auf die Karte Musik gesetzt haben und versucht haben, ihren Traum zu leben; während die meisten Schwaben der finanziellen Sicherheit Vorrang gaben. Klar, klingt voll nach konservativem Klischee, aber ich glaube tatsächlich, dass das wirklich einer der Hauptgründe ist. Ich kenne die Mentalität im Ländle, und ich bin ja selber ein gutes Stück weit so; 41 Jahre ohne auch nur einen Gedanken an einen Wohnortwechsel sprechen Bände, oder nicht? Und fast alle Leute, die ich hier kenne sind da auch ähnlich. Hier gibt's einfach sehr wenige Leute, die für eine musikalische Karriere oder sonst irgend etwas "Abseitiges" eine Lehrstelle, ein Studium, eine Beamtung, den elterlichen Hof aufgeben oder gar ein Sparbuch auflösen würden, und auch sehr wenige, die sich ein Leben in Tourbussen und fern der Heimat dauerhaft vorstellen können oder wollen.
Klar gibt's Ausnahmen, und ich will auch gar nicht werten, ob das nun gut oder schlecht ist, dass viele Schwaben tatsächlich dem Schwaben-Klischee entsprechen, aber ich glaube - ganz ehrlich - dass das der Schlüssel zur Antwort auf deine Frage ist. Vielleicht ist es auch nicht nur die Mentalität allein, sondern auch die Umstände, die es den Muckern hier schwerer gemacht haben, auf die Karte "Musik" zu setzen. Es ist ja durchaus bekannt, dass gerade im Ruhrgebiet viele Musiker aus der Arbeiterklasse kamen, und dass gerade im Ruhrgebiet halt auch grad die Industrie ab den Achtzigern stark bergab ging, so dass eben die Arbeitsplatzsituation sicher für viele schwierig war, so dass sie kein großes Risiko eingingen, als sie sich auf die Musik konzentrierten. In Ulm, Biberach, Ravensburg etc... und den zugehörigen Landkreisen hast du halt seit Jahrzehnten mehr oder minder Vollbeschäftigung und es bietet sich fast immer was, mit dem du risikoärmer deine Brötchen verdienen kannst, denn als Profimusiker. Die Arbeiterklasse in dem Sinne gibt's hier kaum bis gar nicht, die meisten Mucker kamen auch schon in den Achtzigern aus eher behütetem und versorgtem bürgerlichen Millieu, das man ggf. sogar in der rebellischen Phase etwas schocken konnte, aber wirklich ausgebrochen sind die Herrschaften aus ihrer Prägung halt doch nicht.