Dann will ich auch mal an einem Review versuchen, während sich hier die schwarze Vinyl-Ausgabe dreht und "Embrace the Lie" aus den Boxen dröhnt. Wie einige vielleicht wissen, stammten die beiden im Eröffnungspost verlinkten Texte ursprünglich von mir. (Mittlerweile sind sie nicht mehr auf dem Sacred Metal-Blog verfügbar, aber ich hoffe, dass in naher Zukunft eine überarbeitete Version erscheinen wird.) THE GATES OF SLUMBER waren für mich zwischen ca. 2009 und 2019 die wahrscheinlich wichtigste (und beste bzw. unterschätzteste) Heavy Metal-Band überhaupt. Gleichzeitig war schon The Wretch für mich damals nach dem epischen Doppelschlag von Conqueror und Hymns of Blood and Thunder eine Enttäuschung, und der Abwärtstrend wurde durch die Stormcrow-EP leider bestätigt. Rückblickend wird aber auch deutlich, dass das Ausmaß der Krise, in der sich die Band damals befand, viel dramatischer war, als man aus den wenigen Facebook-Posts und Tourabsagen herauslesen konnte. Insofern ist allein die Tatsache, dass die Band wieder existiert, Karl noch am Leben ist und es ihm (den Interviews zufolge) gut zu gehen scheint, ein kleines Wunder und für mich ein Grund zur Freude.
Das neue Album macht nämlich von Anfang an unmissverständlich klar, dass THE GATES OF SLUMBER auch heute noch gebraucht werden, und sei es nur als eine der letzten Hüter des Doom Metals in seiner puristischsten, klassischsten Ausprägung. Ich war zugebenermaßen etwas skeptisch: Das Album von Karls Zwischenprojekt WRETCH fand ich damals gut, aber insgesamt eher unspektakulär - es fehlte die Wucht der ersten vier Alben. Gleichzeitig zeichnete sich schon ab, dass mehr 70er-Einflüsse (jenseits von Sabbath) Einzug in Karls Songwriting halten würden. Die zweite Single "Full Moon Fever" schien diesen Eindruck mit ihrer rockigen Grundstimmung zu bestätigen. Von den epischen Elementen der Suffer No Guilt-Phase weit und breit keine Spur. Tatsächlich enthält das Album passend zum schlichten Artwork und der kurzen Spielzeit kein Gramm Sound-"Fett"; hier regieren nur Bass, SG-Gitarre und Schlagzeug. Gleichzeitig zeigt schon der tolle Opener, dass die Zeichen dennoch nicht auf Retrospektive, Nostalgie und Stillstand stehen. "Embrace the Lie" klingt unglaublich heavy, aber im Gegensatz zum Material von 2011 und 2013 viel frischer, energiegeladener und mitreißender. Der Sound bewegt sich auf nahezu perfekte Weise auf der Schwelle zwischen Heavy Metal und klassischem Doom Metal der Saint Vitus-Schule mit seinen Hardrock-Einflüssen. Bei "At Dawn" wiederum blitzen kurz Reminiszenzen an die Epic Metal-Phase und an Songs wie "Bringer of War" und "Iron Hammer" auf - wie eine Dampfwalze rollt der Song in nur vier Minuten, aber mit einem gnadenlosen Punch, alles platt, was sich ihm in den Weg stellt. Die zwei Abschlusstracks bieten dann nochmal die Vollbedienung in Sachen Old School-Doom, und präsentieren doch neue Aspekte des Bandsounds und beschränken sich nicht auf eine Wiederauflage von ...The Awakening. Dafür sind Karls Soli wie schon vor 15 Jahren meist immer ein Highlight im jeweiligen Song und hauchen den sehr reduzierten Kompositionen zusätzliches Leben ein.
Vermisse ich dennoch Jasons versiertes Bassspiel und seine epischen Kompositionen, die den Doom Metal der Band zwischen 2006 und 2009 auf ein ganz anderes Niveau gehoben haben und die in Songs wie "Riders of Doom", "To Kill and Be King" oder "The Doom of Aceldama" ihren Höhepunkt erreicht haben? Ja, das tue ich und das wird sich auch trotz der Stärke des aktuellen (und zukünftigen) Materials nicht ändern. Aber wenn die Band auf dieses Momentun aufbauen kann, weiterhin so starke Songs aufnimmt und bei der nächsten Tour "Riders of Doom" auspackt (Zumindest von Karl angeteasert!), dann bin ich damit rundum glücklich. Karl hat kürzlich in einem Interview gesagt, dass Jason nie die Enttäuschung darüber überwinden konnte, dass die Band es damals nicht geschafft hat, mehr Erfolg mit ihrer Musik zu haben. Ich wünsche es Karl von ganzem Herzen, dass es diesmal klappt - verdient hätten sie es!