22. Saga - Worlds apart (Can, 1981)
In den 80ern wandten sich zahlreiche Progbands eher dem Pop zu - oder vielleicht dem AOR, wie man das auch auslegen mag. Prominenteste Beispiele sind ganz sicher Genesis' Selbstbetitelte und Yes' "90125". Die ideale Gratwanderung in diesem Bereich aber kam aus Kanada - und dieses Mal nicht von Rush. Saga's "Worlds apart" war einerseits der endgültige Durchbruch auf breiter Basis, waren doch mit "Wind him up" und "On the Loose" die prägenden, eingängigen Songs am Start - doch da gab es noch mehr: die hervorragende Produktion von Rupert Hine und die Intention, alles, wirklich alles aus den Möglichkeiten der Musiker herauszuholen (nachzulesen im Übrigen im sehr guten eclipsed-Special über dieses Album). Was "Worlds apart" aber tatsächlich groß macht sind die wirklich noch offensichtlich progressiven Songs, die sicher mit zum Besten zählen, was diese Band je veröffentlicht hat: "Framed" (was für eine Abfahrt! Die ultimative Kreuzung aus AOR und Prog, allein das Drumming von Steve Negus verdient hier einen Bonuspunkt, von Crichtions Gitarre ganz zu schweigen - und hier hört man in jedem von Michael gesungenen Ton die Leidenschaft für diesen Song und seine persönliche Weiterentwicklung) und natürlich der Abschluss mit dem knapp über 7minütigen "No Stranger". Saga hoben mit diesem Album den Prog (wieder) in die Arenen und auf ein neues Niveau, denn weder die beiden angesprochenen Alben der Konkurrenz, noch sonst ein 70er Dino konnte den Kanadiern hier das Wasser reichen. Abgerundet durch das erneut primär durch das Drumming getragene "Amnesia", die tolle Ballade "No Regrets" (mit Jim Gilmour am Gesang) und das recht außergewöhnliche "The Interview" entsteht in Summe ein Album, das richtungsweisend werden würde: genug Prog, um noch hier aufzutauchen, gemischt mit einer überaus modernen Produktion und einer AOR-Variante, die sich massiv von der Gleichförmigkeit anderer Helden dieser Zeit abhob. Als bekennder Fan dieser Band, die mich seit unzähligen Jahren begleitet, war die Auswahl schwierig, wenn es um die Alben 1 - 4 geht - und doch bleibt die Erkenntnis, das "Worlds Apart" (zurecht!) ein echter Meilenstein in der Discographie dieser Kapelle ist. Auf "Worlds apart" folgte "In Transit" und der Höhenflug der Band - und so gut wie zu ihren Anfangstagen wurden sie dann nie mehr. Eine wechselhafte Discographie wurde mit "Sagacity" (vorerst) abgeschlossen, live ist die Band nach wie vor eine Macht.
"No Stranger" -
https://www.youtube.com/watch?v=3mhNM4XqTN4
"Framed" -
https://www.youtube.com/watch?v=pgcWiYQrymM
21. Marillion - Script for a Jester's Tear (GB, 1983)
Konträr zur in der vorherigen Rezi angesprochenen stilistischen Wandlung vieler Prog-Dinos baute sich im Underground eine Szene auf, die genau die entgegengesetzte Richtung einschlug: back to the 70's! So orientierten sich Bands wie IQ, Pendragon oder Casino ganz offen an den Prog-Sounds der 70er: der Neo-Prog war geboren! Mein erster Berührungspunkt mit der Band war (wie bei sicherlich Vielen) "Kayleigh", das ich ohne weitere Kenntnis und nur vom Hören her Phil Collins zuordnete - und ja, schon damals war die Heavy-Rotation im Radio in der Lage, Songs totzududeln. Somit waren Marillion einfach uninteressant für mich, ein One-Hit-Wonder, über deren Vorgeschichte ich nichts wußte. Erst 1989 kam die Wende: die Übernachtung bei einem Kumpel, der eine regelrechte Rush- und Marillion-Besessenheit pflegte. Zu fortgeschrittener Stunde wurde zu einem 0,33er Bier und einer heimlichen Zigarrette "Script for a Jester's Tear" aufgelegt - Vinyl! Schon damals war mein Kumpel der festen Überzeugung, "diese Musik" (damals nannte das irgendwie kein jüngerer Mensch "Prog") müsse man "knistern" hören - und nach wenigen Knisterern im Halbdunkel erklangen diese magischen Klänge des Titelsongs. Der Neoprog hat eine Menge toller Musik hervorgebracht, aber eben jener Titelsong ist das Maß aller Dinge - und das dazugehörige Album "mein" Fish-Album. "He knows, you know", "Forgotten Sons" - Klassiker des Genres, die man kaum mehr Jemandem vorstellen muss, der auch nur ein wenig mit Marillion vertraut ist und mal über den "Misplaced-Childhood"-Tellerrand geschaut hat. "Script for a Jester's Tear" nimmt Dich unmittelbar mit in eine Welt, in der Musik auf einer anderen Ebene stattfindet, hier spielt Härte eine untergeordnete Rolle, es sind Geschichten, jede für sich in unnachahmlicher Form erzählt von Fish und untermalt von den wunderbaren Gitarrensounds eines Steve Rothery. Ich habe sowohl dieses Album, als auch "Fugazi" regelrecht eingesogen und noch heute finde ich keinen Ton, der auf einem der beiden Werke in irgendeiner Form überflüssig wäre. Ernsthaft: "Misplaced Childhood" war eine Enttäuschung für mich - nicht wirklich schlecht und natürlich über die schöne, bittersüße Geschichte, von Fish erneut perfekt in Szene gesetzt schon "gut", aber längst war ich über "Grendel" gestolpert...hey, ernsthaft, Leute....Ich höre heute selten Marillion und bin kein großer Anhänger von "H", ich schätze den künstlerischen Ansatz und die permanente Entwicklung, die diese Band nimmt, letztlich aber sind die ersten beiden Alben für mich (eigentlich) alles, was ich wirklich gern von Marillion hören möchte - zuzüglich des erwähnten "Grendel" selbstverständlich. Vielleicht, ja, nur vielleicht, erinnert sich Herr Pointer ja daran, dass er dieses Kleinod auf der allerersten ARENA-Tour auf die Bretter gebracht hat. Wiederholung im kommenden Jahr gern erbeten.
Anspieltipps: nicht ernsthaft notwendig, oder?
20. Genesis - Foxtrot (GB, 1972)
Das 3. Album in diesem Package, das eigentlich einem Jeden (auch abseits progressiver Klänge) ein Begriff sein sollte. "Foxtrot" transportiert den 70er Prog-Vibe auf eine wunderbare Art und Weise und ähnlich wie auch beim zuvor ausgeführten Platz 21 ist hier bereits der Opener Magie pur. "Watcher of the Skies" ist kurioserweise dem "Script..."-Eröffner ähnlich und beide Songs zeigen, wie man mit den Hörer mitnehmen kann auf eine Reise, die man unmittelbar nach deren Ende direkt wieder antreten möchte. Es folgt das wunderbar melancholische und kompakte "Time Table", ehe es mit "Get 'em out on Friday" den nächsten Longtrack gibt. Natürlich gipfelt das Werk in dem 12-Pünkter "Supper's Ready" - in meiner Welt ganz, ganz klar der Longrack der (mir bekannten) 70er Songs dieser Längenkategorie. "Foxtrot" per se war mein erstes Eintauchen in die Welt des "klassischen" 70er Prog und lässt Yes weit, weit hinter sich, was allein schon am famosen Gesang von Peter Gabriel liegt. Genesis haben mit diesem Album ihre Extreme ausgelotet und es gibt kein schlechtes Album mit Gabriel an den Vocals - so einfach ist das.
Anspieltipps: s. auch Vorplatzierung....