[Top of the Progs - 100 Meisterwerke] - Ragexx' Liste

ab67616d0000b2738176975e647fcb4de883d8b3

071. Scar Symmetry - Pitch Black Progress (SWE, 2006)
Es gibt Bands, von denen haut mich letztlich nur ein einziges Album wirklich so richtig vom Hocker. Im Falle Scar Symmetry ist es deren Zweitling, über dessen Nennung hier ich mir lange so meine Gedanken gemacht habe. Ist das eigentlich Prog? Letztlich ist meine gedanklich-interne Entscheidung "Pro-Prog" gefallen. Auch "PBP" habe ich in meinem "Aufgelegt"-Faden schon mal vorgestellt - und seither ist das Album nochmals nachhaltig gewachsen. Jeder Titel ist ein Volltreffer. Trotz eher kompakten Spielzeiten (mit einer Ausnahme) wird hier hohe, breaklastige Kunst zelebriert. Verschachtelte Songaufbauten und irrwitzige Soli paaren sich mit fast schon mainstreamigen Melodien und Gesangslinien. Der seinerzeit noch von Christian Alvestam allein (!) absolvierte Wechselgesang zwischen Grunz und Clean ist ähnlich gearteten Kapellen schlicht eine Komplettlänge voraus. Gern mag man das auch als "Melodic Death Metal" klassifizieren, was aber nicht ganz funktioniert: speziell der grandiose Opener "The Illusionist" lässt sich eher als Alternative-Prog-Track bezeichnen. Anders als beispielsweise Opeth in ihrer mittleren Phase setzen Scar Symmetry ansonsten überwiegend nicht auf 70's Vibes, sondern integrieren gekonnt eher den 90er Prog-Metal in ihre Kompositionen, von daher wären die beiden letzten Disillusion-Alben schon ein eher passender Vergleich, auch, wenn diese den hier eingeschlagenen Weg noch eine ganze Ecke weiter gehen. "PBP" verfügt neben dem bereits benannten Illusionisten außerdem über das absolut abgefahrene Epos "The Kaleidoscopic God", das gleichermaßen an den optimalen Soundtrack für einen Ork-Film, wie auch einen härtere Ayreon-Track erinnert. Demzufolge verlinke ich auch diese beiden Songs:
"The Illusionist" - "The Kaleidoscopic God" - https://www.youtube.com/watch?v=r5zu5buTeM4

ab67616d0000b27303a1ea54a2510037939fb1dd

070. Eloy - Ocean (D, 1977)
"Poseidon's Creation" ist einer der für mich größten, jemals erschaffenen (Kraut-)-Prog-Rock-Titel. Hätte Lars Ulrich dieses Stück mal gehört, möglicherweise wäre sein Drumming ein wenig flexibler (sorry, manchmal muss ich einfach stänkern....). Viereinhalb Minuten Spannungsaufbau in diesem Titel, in Nuancen immer eine kleine Steigerung mehr, dazu dieses überaus agile Drumming, die Keys, die sich mehr und mehr steigern (von backgroundartiger Untermalung hin zu Orgelsounds) - ich könnte mich in diese Viereinhalb Minuten reinlegen, das ist einfach phantastisch. Im weitere Fortgang passt sich der Titel seiner Handlung an, strahlt gleichermaßen etwas Futuristisches, wie auch etwas Maritimes aus. Dazu dann der Break ab Minute 7'40...und dieses Quasi-Ausfaden am Stück, fast der umgekehrte Aufbau des Intros nach hinten heraus mit anderen Mitteln - möglicherweise merkt man: ich finde das einfach geil. Mit "Incarnation of Logos" und "Decay of Logos" folgen 2 weitere, äußerst sphärische Titel, die im Prinzip einer sein dürften. Womöglich könnte das LP-Format der Grund gewesen sein, es zu teilen. Das Grundkonzept des Openers wird fortgeführt, ich finde es regelrecht spektakulär, mit welchen zahlreichen Kleinigkeiten die Band (seinerzeit war es noch eine "richtige" Band) es einfach schafft, diese Titel selbst nach gefühlt 300 Durchläufen noch immer derart spannend zu halten. "Atlantis' Agnony at June 5th, 8498, 13 p.m. Gregorian Earthtime" beschließt mit seinen fünfzehneinhalb Minuten ein Progrockalbum, das auf mich wie ein Brückenschlag zwischen 70er und 80er (Neo-)Prog wirkt. Wer das Album klanglich optimiert genießen will, der ist mit der remasterten Version (2019) bestens bedient, wer aber den wahren Charme des Werks entdecken möchte, der lege das Original-Vinyl auf.
"Poseidon's Creation" - https://www.youtube.com/watch?v=PXw9AnIvzoE&list=OLAK5uy_n5fuDeY5z46Nhd4ORZ2N3Yo0FQUbxiYCo

cover_3317131852016_r.jpg

069. IQ - The Seventh House (GB, 2000)
Nach der sehr ambitionierten "Subterranea" stellte sich die Frage, wie die Band hieran anknüpfen würde - oder könnte, oder auch gar nur wollte. Aus meiner Sicht hat man mit dem siebten Haus genau den richtigen Weg gewählt: allein die über 12 Minuten des Openers führen kaum musikalisch zurück in die unterirdische Parallelwelt, sondern trumpfen mit Old-School-IQ-Sound ebenso auf wie mit dezent härteren Elementen, die man in dieser Form von der Band noch nicht gehört hatte. Orfords markante Keyboards, Jowitts großartige Bassläufe in Verbindung mit Paul Cooks versiertem Drumming und Holmes unnachahmliches Gitarrenspiel, gekrönt von Peter Nicholls Gesang zaubern hier direkt einen Eröffnungstrack aus dem Hut, der die scheinbar gegensätzlichen Stimmungen zwischen Schwarz und Weiß perfekt zu vereinen weiß und sie an den jeweils richtigen Stellen perfekt platziert - eben auf diese ureigene Art und Weise, die die Band speziell in ihren Anfangstagen ausgezeichnet hat und die heute, vielleicht seit "Frequency", nicht mehr ganz so überirdisch praktiziert wird. "Erosion" - Gottverdammt, allein für dieses Solo nach gut Dreieinhalb Minuten sollte man Holmes ein Denkmal setzen, dazu dieses Widerhakendrumming, diese verzerrten Keys...ein düsterer, beklemmender Song, der zum Ende regelrecht explodiert. Der Titelsong fast schon 80er IQ pur, ohne auch nur im Ansatz wie ein Aufguss zu klingen. 15 Minuten Wohlfühlprog in Reinkultur mit einer Spur wohldosierter Härte. "Zero Hour" ist eine tolle, IQ-typische Ballade, "Shooting Angels" begründete den Start in die eher groovigeren Gefilde der Band und integriert zusätzlich ein Saxophon, das sich nicht aufdringlich, sondern überaus songdienlich integriert. Trotzdem bleibt dieser Titel ein klein wenig hinter dem bisherigen Songmaterial zurück, wofür der Rausschmeißer "Guiding Light" letztlich aber mehr als entschädigt: nicht ohne Grund gerne und oft live gespielt ist dies sicher einer der tollsten (und härtesten!) Songs, die je unter dem Namen "IQ" das Licht der Welt erblickt haben. Ein rundum gelungenes Album mit einer Laufzeit von fast einer Stunde, die wie im Flug vergeht. Manch Einer wird womöglich dem Nachfolger "Dark Matter" den Vorzug einräumen, für mich ist "The Seventh House" schlicht eines "meiner" großen 3 IQ-Alben, das den Spirit der frühen Tage perfekt mit der moderneren und latent härteren Ausrichtung der Band in Einklang bringt.
"The Seventh House" - https://www.youtube.com/watch?v=xZ7YyZowgzk
 
Zuletzt bearbeitet:
ab67616d0000b27303a1ea54a2510037939fb1dd

070. Eloy - Ocean (D, 1977)
"Poseidon's Creation" ist einer der für mich größten, jemals erschaffenen (Kraut-)-Prog-Rock-Titel. Hätte Lars Ulrich dieses Stück mal gehört, möglicherweise wäre sein Drumming ein wenig flexibler (sorry, manchmal muss ich einfach stänkern....). Viereinhalb Minuten Spannungsaufbau in diesem Titel, in Nuancen immer eine kleine Steigerung mehr, dazu dieses überaus agile Drumming, die Keys, die sich mehr und mehr steigern (von backgroundartiger Untermalung hin zu Orgelsounds) - ich könnte mich in diese Viereinhalb Minuten reinlegen, das ist einfach phantastisch. Im weitere Fortgang passt sich der Titel seiner Handlung an, strahlt gleichermaßen etwas Futuristisches, wie auch etwas Maritimes aus. Dazu dann der Break ab Minute 7'40...und dieses Quasi-Ausfaden am Stück, fast der umgekehrte Aufbau des Intros nach hinten heraus mit anderen Mitteln - möglicherweise merkt man: ich finde das einfach geil. Mit "Incarnation of Logos" und "Decay of Logos" folgen 2 weitere, äußerst sphärische Titel, die im Prinzip einer sein dürften. Womöglich könnte das LP-Format der Grund gewesen sein, es zu teilen. Das Grundkonzept des Openers wird fortgeführt, ich finde es regelrecht spektakulär, mit welchen zahlreichen Kleinigkeiten die Band (seinerzeit war es noch eine "richtige" Band) es einfach schafft, diese Titel selbst nach gefühlt 300 Durchläufen noch immer derart spannend zu halten. "Atlantis' Agnony at June 5th, 8498, 13 p.m. Gregorian Earthtime" beschließt mit seinen fünfzehneinhalb Minuten ein Progrockalbum, das auf mich wie ein Brückenschlag zwischen 70er und 80er (Neo-)Prog wirkt. Wer das Album klanglich optimiert genießen will, der ist mit der remasterten Version (2019) bestens bedient, wer aber den wahren Charme des Werks entdecken möchte, der lege das Original-Vinyl auf.
"Poseidon's Creation" -
Ich mag das Drumming von Lars auf den 80er Metallica ja sehr gerne, aber das Schlagzeugspiel bei frühen ELOY ist echt der Wahnsinn! Vielleicht noch etwas besser finde ich es sogar auf "Inside" und "Floating", die ja auch insgesamt noch rockiger ausgefallen sind. Das Bassspiel auf "Ocean" (sowie auch dem direkten Vorgänger und Nachfolger) liebe ich übrigens auch ohne Ende! Wenn man von dem teils zum fremdschämen verleitenden Englisch absieht, ist das wirklich ein großartiges Album!
Die anderen beiden Bands kenne ich nur vom Namen her.
 
Zuletzt bearbeitet:
71. Hmm, ich kenne ein paar Alben der Band, aber immer nur oberflächlich. Habe ich als recht typischen Melodic-Death-Metal in Erinnerung. Da fand ich die artverwandten Mercenary sehr viel spannender.
70. Ich werde mir das mal anhören, auch wenn Eloy bei mir bislang nie wirklich gezündet hat.
69. Ganz tolles Album. Bei IQ ist die Auswahl auch wirklich schwer, da die Alben mit Peter Nicholls einfach alle super sind.
 
Ich mag das Drumming von Lars auf den 80er Metallica ja sehr gerne, aber das Schlagzeugspiel bei frühen ELOY ist echt der Wahnsinn! Noch besser finde ich es sogar auf "Inside" und "Floating", die ja auch insgesamt noch rockiger ausgefallen sind. Das Bassspiel auf "Ocean" (sowie auch dem direkten Vorgänger und Nachfolger) liebe ich übrigens auch ohne Ende! Wenn man von dem teils zum fremdschämen verleitenden Englisch absieht, ist das wirklich ein großartiges Album!
Die anderen beiden Bands kenne ich nur vom Namen her.

Haha, ich wusste, dass Jemand auf diese Äußerung anspringen würde. Das war echt nicht im Ansatz böse gemeint und bezog sich auch nicht auf die 80er-Werke von Metallica, sondern ist aktuell speziell auf "72 Seasons" gemünzt, wo ich es streckenweise schon fast als gnadenlos uninspiriert wahrnehme, fast schon Rammsteinig.

Sowohl "Inside" und "Floating" wären durchaus noch im Lostopf für meine Top 100 gewesen, womöglich auch angemessener als "The Tide returns forever", beide Alben bieten hervorragende Musik. Es freut mich übrigens auch, dass die herausragende Instrumentalarbeit der 70er Eloy auch noch von anderen Menschen als Solche wahrgenommen wird - und ich kann auch jeden verstehen, der aufgrund des Gesangs nichts mit der Band anfangen kann.
 
71: Starkes Album, sollte ich viel häufiger auflegen.
70: Eloy und ich finden leider in diesem Leben nicht mehr zueinander.
69: Toll, logisch.
 
71. Hmm, ich kenne ein paar Alben der Band, aber immer nur oberflächlich. Habe ich als recht typischen Melodic-Death-Metal in Erinnerung. Da fand ich die artverwandten Mercenary sehr viel spannender.

Mercenary wiederum sagen mir jetzt so gar nichts. Tatsächlich haben mich spätere Scar-Symmetry-Werke und auch das Debut nie auf die Art getriggert, wie es eben genau "PBP" vermag. Da Du ein großer Fan der Melodie bist wirst Du hier aber spätestens nach 2, 3 Durchläufen zumindest durchaus Hörenswertes entdecken, zumal gerade der Cleangesang einfach absolute Weltklasse ist und primär in den fein gestrickten Refrains verwendet wird. Der Ausstieg von Christian Alvestam nach dem Nachfolgealbum wurde, so weit ich mich recht erinnere, nicht umsonst durch gleich 3 (!) Sänger kompensiert. Trotz Disillusion (die ich um Längen besser finde, deren Eindrücke für mich aber einfach noch zu neu sind) und Obsidious wird sich kein weiteres Album ähnlicher Bauart in meiner Listung finden, denn "PBP" ist im Grunde genommen eine Referenz für sich.
 
Mercenary wiederum sagen mir jetzt so gar nichts. Tatsächlich haben mich spätere Scar-Symmetry-Werke und auch das Debut nie auf die Art getriggert, wie es eben genau "PBP" vermag. Da Du ein großer Fan der Melodie bist wirst Du hier aber spätestens nach 2, 3 Durchläufen zumindest durchaus Hörenswertes entdecken, zumal gerade der Cleangesang einfach absolute Weltklasse ist und primär in den fein gestrickten Refrains verwendet wird. Der Ausstieg von Christian Alvestam nach dem Nachfolgealbum wurde, so weit ich mich recht erinnere, nicht umsonst durch gleich 3 (!) Sänger kompensiert. Trotz Disillusion (die ich um Längen besser finde, deren Eindrücke für mich aber einfach noch zu neu sind) und Obsidious wird sich kein weiteres Album ähnlicher Bauart in meiner Listung finden, denn "PBP" ist im Grunde genommen eine Referenz für sich.
Von Mercenary kannst du mal "11 Dreams" oder "The Hours That Remain" antesten, die sind schon deutlich die besten Werke. Wenn du bei Metal-Archives bei Mercenary auf "similar artists" gehst, steht da Scar Symmetry mit einem Score von 71 (was auch immer das bedeuten mag) einsam an der Spitze. Der Vergleich ist also nicht so verkehrt. :)
Es kann auch sein, dass ich genau dieses Album von Scar Symmetry nie gehört habe, die Nachfolger dafür so ziemlich alle, also wird das Album natürlich mal getestet.
 
Mercenary wiederum sagen mir jetzt so gar nichts. Tatsächlich haben mich spätere Scar-Symmetry-Werke und auch das Debut nie auf die Art getriggert, wie es eben genau "PBP" vermag. Da Du ein großer Fan der Melodie bist wirst Du hier aber spätestens nach 2, 3 Durchläufen zumindest durchaus Hörenswertes entdecken, zumal gerade der Cleangesang einfach absolute Weltklasse ist und primär in den fein gestrickten Refrains verwendet wird. Der Ausstieg von Christian Alvestam nach dem Nachfolgealbum wurde, so weit ich mich recht erinnere, nicht umsonst durch gleich 3 (!) Sänger kompensiert. Trotz Disillusion (die ich um Längen besser finde, deren Eindrücke für mich aber einfach noch zu neu sind) und Obsidious wird sich kein weiteres Album ähnlicher Bauart in meiner Listung finden, denn "PBP" ist im Grunde genommen eine Referenz für sich.
Verstehe ich das richtig, dass du Disillusion eigentlich besser als Scar Symmetry findest, aber erstere nicht mit in die Liste genommen hast? Mir unverständlich, zumal Disillusion ja schon Jahre vorher aktiv und auch immer deutlich innovativer und komplexer (auch schon auf ihrem Debüt) waren!
Hab mir die beiden verlinkten Scar Symmetry Songs jetzt mal angehört und das ist für mich auch eher typischer Melodic Death der damaligen Zeit. Den ersten Song finde ich fast schon furchtbar. Das ist genau die Art von Cleangesang, die ich hasse (nicht die Stimme oder das Können, sondern die Gesangslinien, die für mich einfach nur seicht klingen und keinerlei starke Emotionen erzeugen, außer vielleicht etwas gegen Ende, wo es rauher wird). Der andere, längere Song gefällt mir besser, aber ich muss da Vauxdvihl zustimmen, dass Mercenary in dem Bereich spannender waren (und ja ebenfalls bereits viele Jahre vorher dran).
Deren 2004er Drittwerk "11 Dreams" hat mich damals total umgehauen, auch wenn mir selbst das heute zu glatt erscheint. Aber es war irgendwie vielseitiger und unvorhersehbarer als Scar Symmetry (jetzt fällt mir auch ein, dass ich in die Band damals schon reingehört hatte, aber mir war das da auch schon viel zu glattgebügelt). Letztere waren damals in meinen Augen eher Trendreiter/Trittbrettfahrer als Trendsetter oder Innovatoren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ach ja, in die IQ hab ich dann auch noch reingehört, ist schon gute Musik, aber irgendwie hat mich abseits von Marillion lustigerweise keine Neo-Prog-Band jemals gepackt (dies hier auch wieder nicht). Das hat für mich meist auch soetwas zu schmeichelhaft Seichtes, da fehlen mir oft die Ecken und Kanten. Beim Prog bin ich einfach total 70er(und Spät-60er)- und ansonsten hauptsächlich Progressive-Metal-Fan.
 
Verstehe ich das richtig, dass du Disillusion eigentlich besser als Scar Symmetry findest, aber erstere nicht mit in die Liste genommen hast? Mir unverständlich, zumal Disillusion ja schon Jahre vorher aktiv und auch immer deutlich innovativer und komplexer (auch schon auf ihrem Debüt) waren!
Hab mir die beiden verlinkten Scar Symmetry Songs jetzt mal angehört und das ist für mich auch eher typischer Melodic Death der damaligen Zeit. Den ersten Song finde ich fast schon furchtbar. Das ist genau die Art von Cleangesang, die ich hasse (nicht die Stimme oder das Können, sondern die Gesangslinien, die für mich einfach nur seicht klingen und keinerlei starke Emotionen erzeugen, außer vielleicht etwas gegen Ende, wo es rauher wird). Der andere, längere Song gefällt mir besser, aber ich muss da Vauxdvihl zustimmen, dass Mercenary in dem Bereich spannender waren (und ja ebenfalls bereits viele Jahre vorher dran).
Deren 2004er Drittwerk "11 Dreams" hat mich damals total umgehauen, auch wenn mir selbst das heute zu glatt erscheint. Aber es war irgendwie vielseitiger und unvorhersehbarer als Scar Symmetry (jetzt fällt mir auch ein, dass ich in die Band damals schon reingehört hatte, aber mir war das da auch schon viel zu glattgebügelt). Letztere waren damals in meinen Augen eher Trendreiter/Trittbrettfahrer als Trendsetter oder Innovatoren.
Mir fällt gerade noch eine Band ein, an die mich Scar Symmetry ein wenig erinnern: Omnium Gatherum, die waren ebenfalls einige Jahre vorher dran, hatten nur nicht so "poppige" Refrains (hab nur die erste EP und das erste Album, mochte ich beides immer sehr, war auch die neueste Melodic-Death-Band, die ich noch gut fand. Alles, was danach in dem Bereich kam, ist mir von den Melodien und Produktionen her zu glattgebügelt).
 
Verstehe ich das richtig, dass du Disillusion eigentlich besser als Scar Symmetry findest, aber erstere nicht mit in die Liste genommen hast? Mir unverständlich, zumal Disillusion ja schon Jahre vorher aktiv und auch immer deutlich innovativer und komplexer (auch schon auf ihrem Debüt) waren!

Tatsächlich würde ich vom Innovations- bzw. Ecken- und Kanten-Faktor Disillusion klar vor Scar Symmetry einsortieren. Nun kenne ich Disillusion erst seit dem vergangenen Jahr und wirklich in Ruhe und Frieden gehört habe ich bislang nur "Ayam" (das auch entsprechend in meiner letztjähren Top-Alben-Platzierung gelistet ist) und den Vorgänger, "The Liberation". Bei beiden höre ich durchaus Parallelen zu Scar Symmetry, auch, wenn das in Summe bei Disillusion wesentlich kantiger und ausgefeilter wirkt und mir vielfach auch Opeth zur mittleren Phase in den Sinn kommen. "PBP" hat den "Vorteil", dass es einfach ein Album ist, das mich über lange Jahre begleitet hat und somit einfach mit gewachsen ist, wohingegen Disillusion für mich noch Rookies sind, bei denen ich zwar überzeugt bin, dass ich sie auch in einigen Jahren noch gern und oft hören werde, aber für den Status einer Top 100 reicht es dann aus heutiger Sicht einfach nicht. Hätte ich die Band von Anfang an verfolgt, so hätte das Ein- oder Andere Album ganz sicher seinen Platz in meiner Listung gefunden. Das ist eher so ein emotionales Ding, denn ich kann unmöglich ausschließlich in einer fachlichen Richtung urteilen, zumal mir dafür schlicht das Know-How fehlt. Das Herz spielt da eine große Rolle.

Wenn ich z.B. die mir bis zu diesem Battle unbekannten Sun Caged anhöre, dann wäre die Situation ähnlich wie bei Disillusion: das Album ist so großartig, dass es eigentlich in die Listung gehören würde, es ist einfach "nur" zu spät auf meinem Radar erschienen und für mich gehört eine emotionale Bindung dazu, ebenso wie Dinge, die ich nach Durchlauf 300 immer noch spannend, "neu", oder zumindest sehr ansprechend finde. Und das funktioniert bei mir bei einem kaum einem Jahr alten Album einfach kaum oder eben nur in absoluten Ausnahmefällen.

Hab mir die beiden verlinkten Scar Symmetry Songs jetzt mal angehört und das ist für mich auch eher typischer Melodic Death der damaligen Zeit.

Death Metal - ob nun "melodic" oder nicht - hat mich so gut wie nie angefixt. Womöglich höre ich "PBP" daher auch einfach mit anderen Ohren, als wenn ich da "vom Fach" oder gar in der Fanecke wäre. Was mich reizt ist eben der Mix aus Melodie und, ja, gerne "cheesigen" Melodien, denen ich mich noch nie verschließen konnte oder wollte, so fern es nicht peinlich oder zu offensichtlich kitschtriefend wird - was dann auch wieder eine persönliche Definitionsfrage ist. Für mich passt dieser von Dir als "seicht" empfundene Gesang perfekt, weil er dafür sorgt, dass das Ganze für mich hörbar und spannend bleibt, gerade in Verbindung mit den - wohlgemerkt für diese Musikrichtung - eher "polierten" Melodien.

Ach ja, in die IQ hab ich dann auch noch reingehört, ist schon gute Musik, aber irgendwie hat mich abseits von Marillion lustigerweise keine Neo-Prog-Band jemals gepackt (dies hier auch wieder nicht). Das hat für mich meist auch soetwas zu schmeichelhaft Seichtes, da fehlen mir oft die Ecken und Kanten. Beim Prog bin ich einfach total 70er(und Spät-60er)- und ansonsten hauptsächlich Progressive-Metal-Fan.

Gerade diese Ecken und Kanten müssen in meiner Welt gar nicht zwingend da sein. Mir geht es vielfach auch um eine Atmosphäre, eine Art Grundstimmung, in die ich mich fallen lassen kann. IQ mögen "unkantig" wirken, aber die Größe ihrer Werke entfaltet sich in meiner Welt vielfach durch die Dichte, die in einzelne Songs oder eben sogar über eine komplette Albumlänge entfaltet werden. Für mich entwickeln bestimmte IQ-Songs (Paradebeispiel: eben das erwähnte "Erosion", aber auch "The Road of Bones") eine derartige Dichte, in diesen Fällen gar eine Form von "positiver Beklemmung", die einfach gefangen nimmt (Fenster auf, Nieselregen, schwülwarme Luft, Zimmer dunkel, Kopfhörer "Road of Bones" - um Längen geiler als jeder Horrorfilm). Ist einfach eine Form der Wahrnehmung. Wenn ich versuchen würde, es unter dieser Prämisse mit Deinen Ohren zu hören (wobei ich an "hauptsächlich Progressive-Metal-Fan" denke), dann hätte ich möglicherweise auch keinen Zugang zum Neo-Prog - obgleich ich dann möglicherweise auch Eloy in Zweifel ziehen würde, denn die ziehen ihre Kreise mitunter auch sehr "unkantig", dafür aber eben mit viel Finesse - und sind nicht wirklich weit vom "Neo-Prog" entfernt, der sich letztlich meiner Wahrnehumg nach primär aus einem Mix Early-Genesis/Early Pink Floyd speist - zumindest 2 Bands, die wohl kaum eine Neop-Prog-Band leugnen dürfte, wenn es um den Begriff "Einfluss" geht.

Gleichwohl: jeder hört anders, setzt andere Maßstäbe und ist auf die ein- oder andere Art auf der Suche, das macht die Sache letztlich aus - und deshalb finde ich es auch spannend, immer wieder mal Einwürfe und Anmerkungen in die ein- oder andere Richtung zu lesen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist leider so gar nicht meine Runde, 3x "mäh":
71: War unbekannt: in meinen Ohren ist das 08/15-Melodeath, der mir so gar nicht reinläuft, auch nicht der angepriesene Illusionist.
70: Bekannt, aber so gar nicht meine Baustelle.
69: Band bekannt, Gesang nicht meins, schade.
 
Die IQ ist klasse, die ELOY göttlich. Was Bornemanns Frank damals* in Hannover an Talent, Skills und Kreativität um sich geschart hat, zählt für mich easily zu den besten Formationen der 70er. Und das trotz - oder vielleicht sogar gerade(?) - aufgrund seiner Aussprache. Es gibt nur wenige Bands, von denen ich mittels ihrer Musik so weit, weit weg getragen werde. Sagenhafter Stoff, Kameraden.

(*in den 70ern und der ersten Hälfte der 80er waren Eloy imo am stärksten)
 
ab67616d0000b2738176975e647fcb4de883d8b3

071. Scar Symmetry - Pitch Black Progress (SWE, 2006)
Es gibt Bands, von denen haut mich letztlich nur ein einziges Album wirklich so richtig vom Hocker. Im Falle Scar Symmetry ist es deren Zweitling, über dessen Nennung hier ich mir lange so meine Gedanken gemacht habe. Ist das eigentlich Prog? Letztlich ist meine gedanklich-interne Entscheidung "Pro-Prog" gefallen. Auch "PBP" habe ich in meinem "Aufgelegt"-Faden schon mal vorgestellt - und seither ist das Album nochmals nachhaltig gewachsen. Jeder Titel ist ein Volltreffer. Trotz eher kompakten Spielzeiten (mit einer Ausnahme) wird hier hohe, breaklastige Kunst zelebriert. Verschachtelte Songaufbauten und irrwitzige Soli paaren sich mit fast schon mainstreamigen Melodien und Gesangslinien. Der seinerzeit noch von Christian Alvestam allein (!) absolvierte Wechselgesang zwischen Grunz und Clean ist ähnlich gearteten Kapellen schlicht eine Komplettlänge voraus. Gern mag man das auch als "Melodic Death Metal" klassifizieren, was aber nicht ganz funktioniert: speziell der grandiose Opener "The Illusionist" lässt sich eher als Alternative-Prog-Track bezeichnen. Anders als beispielsweise Opeth in ihrer mittleren Phase setzen Scar Symmetry ansonsten überwiegend nicht auf 70's Vibes, sondern integrieren gekonnt eher den 90er Prog-Metal in ihre Kompositionen, von daher wären die beiden letzten Disillusion-Alben schon ein eher passender Vergleich, auch, wenn diese den hier eingeschlagenen Weg noch eine ganze Ecke weiter gehen. "PBP" verfügt neben dem bereits benannten Illusionisten außerdem über das absolut abgefahrene Epos "The Kaleidoscopic God", das gleichermaßen an den optimalen Soundtrack für einen Ork-Film, wie auch einen härtere Ayreon-Track erinnert. Demzufolge verlinke ich auch diese beiden Songs:
"The Illusionist" - "The Kaleidoscopic God" - https://www.youtube.com/watch?v=r5zu5buTeM4

ab67616d0000b27303a1ea54a2510037939fb1dd

070. Eloy - Ocean (D, 1977)
"Poseidon's Creation" ist einer der für mich größten, jemals erschaffenen (Kraut-)-Prog-Rock-Titel. Hätte Lars Ulrich dieses Stück mal gehört, möglicherweise wäre sein Drumming ein wenig flexibler (sorry, manchmal muss ich einfach stänkern....). Viereinhalb Minuten Spannungsaufbau in diesem Titel, in Nuancen immer eine kleine Steigerung mehr, dazu dieses überaus agile Drumming, die Keys, die sich mehr und mehr steigern (von backgroundartiger Untermalung hin zu Orgelsounds) - ich könnte mich in diese Viereinhalb Minuten reinlegen, das ist einfach phantastisch. Im weitere Fortgang passt sich der Titel seiner Handlung an, strahlt gleichermaßen etwas Futuristisches, wie auch etwas Maritimes aus. Dazu dann der Break ab Minute 7'40...und dieses Quasi-Ausfaden am Stück, fast der umgekehrte Aufbau des Intros nach hinten heraus mit anderen Mitteln - möglicherweise merkt man: ich finde das einfach geil. Mit "Incarnation of Logos" und "Decay of Logos" folgen 2 weitere, äußerst sphärische Titel, die im Prinzip einer sein dürften. Womöglich könnte das LP-Format der Grund gewesen sein, es zu teilen. Das Grundkonzept des Openers wird fortgeführt, ich finde es regelrecht spektakulär, mit welchen zahlreichen Kleinigkeiten die Band (seinerzeit war es noch eine "richtige" Band) es einfach schafft, diese Titel selbst nach gefühlt 300 Durchläufen noch immer derart spannend zu halten. "Atlantis' Agnony at June 5th, 8498, 13 p.m. Gregorian Earthtime" beschließt mit seinen fünfzehneinhalb Minuten ein Progrockalbum, das auf mich wie ein Brückenschlag zwischen 70er und 80er (Neo-)Prog wirkt. Wer das Album klanglich optimiert genießen will, der ist mit der remasterten Version (2019) bestens bedient, wer aber den wahren Charme des Werks entdecken möchte, der lege das Original-Vinyl auf.
"Poseidon's Creation" - https://www.youtube.com/watch?v=PXw9AnIvzoE&list=OLAK5uy_n5fuDeY5z46Nhd4ORZ2N3Yo0FQUbxiYCo

cover_3317131852016_r.jpg

069. IQ - The Seventh House (GB, 2000)
Nach der sehr ambitionierten "Subterranea" stellte sich die Frage, wie die Band hieran anknüpfen würde - oder könnte, oder auch gar nur wollte. Aus meiner Sicht hat man mit dem siebten Haus genau den richtigen Weg gewählt: allein die über 12 Minuten des Openers führen kaum musikalisch zurück in die unterirdische Parallelwelt, sondern trumpfen mit Old-School-IQ-Sound ebenso auf wie mit dezent härteren Elementen, die man in dieser Form von der Band noch nicht gehört hatte. Orfords markante Keyboards, Jowitts großartige Bassläufe in Verbindung mit Paul Cooks versiertem Drumming und Holmes unnachahmliches Gitarrenspiel, gekrönt von Peter Nicholls Gesang zaubern hier direkt einen Eröffnungstrack aus dem Hut, der die scheinbar gegensätzlichen Stimmungen zwischen Schwarz und Weiß perfekt zu vereinen weiß und sie an den jeweils richtigen Stellen perfekt platziert - eben auf diese ureigene Art und Weise, die die Band speziell in ihren Anfangstagen ausgezeichnet hat und die heute, vielleicht seit "Frequency", nicht mehr ganz so überirdisch praktiziert wird. "Erosion" - Gottverdammt, allein für dieses Solo nach gut Dreieinhalb Minuten sollte man Holmes ein Denkmal setzen, dazu dieses Widerhakendrumming, diese verzerrten Keys...ein düsterer, beklemmender Song, der zum Ende regelrecht explodiert. Der Titelsong fast schon 80er IQ pur, ohne auch nur im Ansatz wie ein Aufguss zu klingen. 15 Minuten Wohlfühlprog in Reinkultur mit einer Spur wohldosierter Härte. "Zero Hour" ist eine tolle, IQ-typische Ballade, "Shooting Angels" begründete den Start in die eher groovigeren Gefilde der Band und integriert zusätzlich ein Saxophon, das sich nicht aufdringlich, sondern überaus songdienlich integriert. Trotzdem bleibt dieser Titel ein klein wenig hinter dem bisherigen Songmaterial zurück, wofür der Rausschmeißer "Guiding Light" letztlich aber mehr als entschädigt: nicht ohne Grund gerne und oft live gespielt ist dies sicher einer der tollsten (und härtesten!) Songs, die je unter dem Namen "IQ" das Licht der Welt erblickt haben. Ein rundum gelungenes Album mit einer Laufzeit von fast einer Stunde, die wie im Flug vergeht. Manch Einer wird womöglich dem Nachfolger "Dark Matter" den Vorzug einräumen, für mich ist "The Seventh House" schlicht eines "meiner" großen 3 IQ-Alben, das den Spirit der frühen Tage perfekt mit der moderneren und latent härteren Ausrichtung der Band in Einklang bringt.
"The Seventh House" - https://www.youtube.com/watch?v=xZ7YyZowgzk


Mit diesem Triple hätte ich nicht so wirklich gerechnet.
Scar Symmetry's PBP finde ich genial, besonders deine verlinkten Songs. Muss ich gleich mal wieder hören.
Ganz große Überraschung.

Eloy's Ocean ne tolle Scheibe, wobei ich nicht immer mit Bornemanns Stimme klar komme. Manchmal geil, ein anderes Mal nervend. Klingt komisch, is aber imO so.

Zu meiner Schande muss ich gestehen diese IQ Platte nicht zu kennen. Wird aber geändert.

Meine Anhörliste wird länger und länger....
 
Tatsächlich würde ich vom Innovations- bzw. Ecken- und Kanten-Faktor Disillusion klar vor Scar Symmetry einsortieren. Nun kenne ich Disillusion erst seit dem vergangenen Jahr und wirklich in Ruhe und Frieden gehört habe ich bislang nur "Ayam" (das auch entsprechend in meiner letztjähren Top-Alben-Platzierung gelistet ist) und den Vorgänger, "The Liberation". Bei beiden höre ich durchaus Parallelen zu Scar Symmetry, auch, wenn das in Summe bei Disillusion wesentlich kantiger und ausgefeilter wirkt und mir vielfach auch Opeth zur mittleren Phase in den Sinn kommen. "PBP" hat den "Vorteil", dass es einfach ein Album ist, das mich über lange Jahre begleitet hat und somit einfach mit gewachsen ist, wohingegen Disillusion für mich noch Rookies sind, bei denen ich zwar überzeugt bin, dass ich sie auch in einigen Jahren noch gern und oft hören werde, aber für den Status einer Top 100 reicht es dann aus heutiger Sicht einfach nicht. Hätte ich die Band von Anfang an verfolgt, so hätte das Ein- oder Andere Album ganz sicher seinen Platz in meiner Listung gefunden. Das ist eher so ein emotionales Ding, denn ich kann unmöglich ausschließlich in einer fachlichen Richtung urteilen, zumal mir dafür schlicht das Know-How fehlt. Das Herz spielt da eine große Rolle.

Wenn ich z.B. die mir bis zu diesem Battle unbekannten Sun Caged anhöre, dann wäre die Situation ähnlich wie bei Disillusion: das Album ist so großartig, dass es eigentlich in die Listung gehören würde, es ist einfach "nur" zu spät auf meinem Radar erschienen und für mich gehört eine emotionale Bindung dazu, ebenso wie Dinge, die ich nach Durchlauf 300 immer noch spannend, "neu", oder zumindest sehr ansprechend finde. Und das funktioniert bei mir bei einem kaum einem Jahr alten Album einfach kaum oder eben nur in absoluten Ausnahmefällen.
Danke für die ausführliche Antwort!
Ja, ich kann dich da schon verstehen, wenn du Disillusion erst seit so verhältnismäßig kurzer Zeit kennst. Da haben andere Alben, mit denen man schon viel verbindet, bzw. die man sehr oft gehört hat, natürlich Vorrang.

Death Metal - ob nun "melodic" oder nicht - hat mich so gut wie nie angefixt. Womöglich höre ich "PBP" daher auch einfach mit anderen Ohren, als wenn ich da "vom Fach" oder gar in der Fanecke wäre. Was mich reizt ist eben der Mix aus Melodie und, ja, gerne "cheesigen" Melodien, denen ich mich noch nie verschließen konnte oder wollte, so fern es nicht peinlich oder zu offensichtlich kitschtriefend wird - was dann auch wieder eine persönliche Definitionsfrage ist. Für mich passt dieser von Dir als "seicht" empfundene Gesang perfekt, weil er dafür sorgt, dass das Ganze für mich hörbar und spannend bleibt, gerade in Verbindung mit den - wohlgemerkt für diese Musikrichtung - eher "polierten" Melodien.
Okay, das erklärt einiges - ich glaube, wenn du vorher schon jahrelang diverse Melodic-Death-Bands verfolgt hättest, wären dir Scar Symmetry gar nicht so besonders vorgekommen. In meinen Augen haben die damals echt nur was gemacht, das schon etliche vor ihnen so ähnlich gemacht hatten - vielleicht noch etwas massentauglicher von den Melodien her (was bei mir eher Minus- als Pluspunkt ist).
Gerade diese Ecken und Kanten müssen in meiner Welt gar nicht zwingend da sein. Mir geht es vielfach auch um eine Atmosphäre, eine Art Grundstimmung, in die ich mich fallen lassen kann. IQ mögen "unkantig" wirken, aber die Größe ihrer Werke entfaltet sich in meiner Welt vielfach durch die Dichte, die in einzelne Songs oder eben sogar über eine komplette Albumlänge entfaltet werden. Für mich entwickeln bestimmte IQ-Songs (Paradebeispiel: eben das erwähnte "Erosion", aber auch "The Road of Bones") eine derartige Dichte, in diesen Fällen gar eine Form von "positiver Beklemmung", die einfach gefangen nimmt (Fenster auf, Nieselregen, schwülwarme Luft, Zimmer dunkel, Kopfhörer "Road of Bones" - um Längen geiler als jeder Horrorfilm). Ist einfach eine Form der Wahrnehmung. Wenn ich versuchen würde, es unter dieser Prämisse mit Deinen Ohren zu hören (wobei ich an "hauptsächlich Progressive-Metal-Fan" denke), dann hätte ich möglicherweise auch keinen Zugang zum Neo-Prog - obgleich ich dann möglicherweise auch Eloy in Zweifel ziehen würde, denn die ziehen ihre Kreise mitunter auch sehr "unkantig", dafür aber eben mit viel Finesse - und sind nicht wirklich weit vom "Neo-Prog" entfernt, der sich letztlich meiner Wahrnehumg nach primär aus einem Mix Early-Genesis/Early Pink Floyd speist - zumindest 2 Bands, die wohl kaum eine Neop-Prog-Band leugnen dürfte, wenn es um den Begriff "Einfluss" geht.

Gleichwohl: jeder hört anders, setzt andere Maßstäbe und ist auf die ein- oder andere Art auf der Suche, das macht die Sache letztlich aus - und deshalb finde ich es auch spannend, immer wieder mal Einwürfe und Anmerkungen in die ein- oder andere Richtung zu lesen.
Ich fand beim Hören des verlinkten IQ Albums halt nicht nur, dass da irgendwie Ecken und Kanten, sondern auch extreme Steigerungen oder Höhepunkte in den Songs fehlen, die es im 70er Prog (gerade auch bei frühen Genesis) zuhauf gab. Irgendwie kommen mir die Kompositionen der 70er Bands auch meist abwechslungsreicher/überraschender und lebendiger vor als die der meisten Neo-Prog-Bands. Aber das ist vielleicht auch immer eine Sache der Hörgewohnheiten und so richtig in der Tiefe beschäftigt habe ich mich mit Neo Prog eigentlich nie, weil der bei mir einfach nicht so sehr einen Nerv trifft, wie das bei früherem Prog oder Progressive Metal ist.
Selbst meine Marillion CDs und LPs höre ich gar nicht allzu oft (bis auf wenige Ausnahmen vielleicht, aber die meisten Alben aus der ersten Prog-Welle habe ich deutlich öfter gehört).
Aber wie du schon selbst angedeutet hast, ist halt alles immer eine Sache der eigenen Sozialisation und musikalischen Präferenzen.
 
psychotic-waltz.jpg

068. Psychotic Waltz - The God-shaped Void (US, 2020)
Ich erinnere mich gern an ein Kuchen-Meeting mit @Vauxdvihl und @CimmerianKodex im Vorfeld eines gemeinsamen IQ-Konzert-Besuchs anno 2020: @Vauxdvihl war das Album bereits bekannt, Herr Kodex und ich kannten keinen Ton und waren demzufolge natürlich überaus neugierig. Alles, was wir aber @Vauxdvihl entlocken konnten, war sinngemäß die Aussage, das Album sei in Anbetracht heutiger Maßstäbe sehr gut, das Niveau der Klassiker dürfe man indes nicht erwarten. Das würde ich aus heutiger Sicht so unterschreiben, denn "The God-shaped-Void" ist natürlich kein "Everflow..." oder "Social Grace", aber es ist ein Ausrufezeichen: ein Ausrufezeichen dafür, dass die Band lebt, ein Ausrufezeichen dafür, dass die Band nach wie vor großartige Songs zu schreiben vermag - und ein in sich homogenes, tolles Album daraus gemacht hat. Auf mich wirkt TGSV wie eine Art Rückschau auf das Gesamtschaffen, Einflüsse aller Schaffensphasen finden ihren Weg in die Kompositionen: "Stranded", "While the Spiders spin", "Sisters of the Dawn", sie verquicken Elemente aus der Frühphase der Band mit den eher kompakteren Parts der Alben "Mosquito" und "Bleeding". Jeder Titel auf dem Album (man darf "All the Bad Men" vielleicht als kleinen Ausreißer bezeichnen), angefangen beim Gänsehaut-Opener "Devils and Angels", kommt auf den Punkt, spart im Detail nicht mit Finessen und trägt schlicht dazu bei, "TGSV" problemlos in die Top 3 der PW-Discographie einsortieren zu können. Das Album erzeugt eine völlig eigene Stimmung und lässt (zumindest mich) bis zum Rausschmeißer "In the Silence" schlicht nicht los, es hat eine immense Langzeitwirkung. Für den Gesamtgenuss der Link zum gesamten Album:
MC04MTg5LmpwZWc.jpeg

067. Arena - Immortal? (GB, 2000)
Am Ende haben es nur 2 Arena-Alben in meine Top 100 geschafft. Das liegt mitnichten an der mangelnden Qualität der weiteren Veröffentlichungen, eher an der schier unmöglichen Aufgabe, eine Top 100 aus einer solchen Masse an hervorragenden Veröffentlichungen zahlreicher Bands zu erschaffen. Tatsächlich ist "Immortal?" dem vorausgegangenen Besucher nahezu ebenbürtig: was Mick Pointer, & Co. aufs Parkett zaubern ist schlicht und ergreifend packend, und obwohl es sich hier nicht um ein ausgewiesenes Konzeptalbum handelt, schlängelt sich der berühmte rote Faden, der die Titel wie von Geisterhand zu verbinden scheint, vom großartigen Opener "Chosen" (eine regelrecht düstere Hymne) bis hin zum fragilen Rausschmeißer "Friday's Dream" derart gekonnt, dass ein Verbinden der Titel mittels kleiner Zwischenparts auch locker einen langen Song aus "Immortal?" hätte machen können. Kernstück ist das schier unglaubliche "Moviedrome", knapp 20 Minuten (Neo-)Prog der Extraklasse, eine Achterbahnfahrt, instrumental wie auch emotional für den Hörer. Allen Titeln zu Eigen ist eine fast schon düster-morbide Grundstimmung, die erst mit dem letzten Song in eine eher melancholisch-hoffnungsvolle Richtung wechselt. Abgerundet wird das Gesamtkunstwerk "Immortal?" durch ein großartiges Hugh-Syme-Artwork, das den musikalischen Inhalt perfekt einfängt und mich schon bei Erscheinen des Albums irgendwie an den David-Fincher-Film "7" hat denken lassen. Obgleich "Immortal?" (wie auch sein Vorgänger) das Siegel "Neo-Prog" natürlich kaum verleugnen kann, gelingt es hier vortrefflich, die eher düsteren Aspekte des 70's Prog aufzugreifen und in ein eher modern anmutendes Soundgewand zu kleiden, was speziell beim Doppel "Butterfly Man"/"Ghost in the Firewall" in Erscheinung tritt. Eigentlich wäre es auch hier sinnvoll, das Album in Gänze zu verlinken, belassen wir es vorerst aber mal bei 2 Songs:
"Chosen" - https://www.youtube.com/watch?v=YJqJ1KgOoZw
"Moviedrome" - https://www.youtube.com/watch?v=uYm0eSx9Rvg

51d+Y1jMGVL._AC_UL600_SR600,600_.jpg

066. Kansas - s/t (US, 1974)
Das Phantastische an Debut-Alben ist der Umstand, dass zumeist noch ohne jegliche Eingriffe von Außen vorgegangen werden kann: keine Vorgaben in Richtung "Hitsingle", keine musikalische Marschrichtung, die seitens eines Managements oder einer Plattenfirma vorgegeben werden könnte. Dies sorgt für eine immense Frische, die zahlreichen Debut-Alben innewohnt und möglicherweise auch der Grund dafür ist, dass letztlich viele Nachfolger ab einem gewissen Punkt enttäuschend oder uninspiriert wahrgenommen werden könnten. Dieses Problem haben Kerry Livgren & Co. prinzipiell zu keiner Zeit, selbst vermeintlich "kommerziellere" Werke wie "Point of Know Return" oder "Leftoverture" folgen unbeirrt den Soundpfaden und Visionen ihres Chefdenkers und seiner Mitstreiter. "Kansas" ist die Rohfassung des Kansas-Sounds, ein ungeschliffener Rohdiamant, dessen Reiz exakt in dieser Beschaffenheit liegt: "Can I tell you" als Opener ist im Prinzip einfach ein simpel anmutender Rock-Song, der herrlich unbefangen rüber kommt, "Bringing it back" setzt diese Bauweise fort, "Lonely Wind" erinnert musikalisch wie textlich an die Herkunft der Band, "Belexes" aber strahlt trotz seiner kaum viereinhalb Minuten bereits Prog-Flair aus, ehe gleich 4 Klassiker das Album auf die Zielgerade geleiten und die geballte Kraft dieser Band auf den Punkt bringen. Bis heute ist "Journey from Mariabronn" unantastbar, ein Monument eines Songs, was gleichermaßen auch auf die "Death of Mother Nature Suite" zutrifft. Das Faszinierende an Kansas im Gesamten als auch an diesem Album im Besonderen ist meiner Wahrnehmung nach, dass es viele Bands gibt, die später partiell Einflüsse der Amerikaner verarbeitet haben, sich aber nie in Gänze an eine Kopie des ureigenen Bandsounds gewagt haben, der leider in den 80ern speziell mit Alben wie "Drastic Measures" eher AOR-Experimenten geopfert wurde.
"Journey from Mariabronn" - https://www.youtube.com/watch?v=QLECH2T2b5k&list=PLx3yLVvQp0FGXrmD7YYgtuh28-vJA6Twx&index=5
"Death of Mother Nature Suite" - https://www.youtube.com/watch?v=rBhzbBVugts&list=PLx3yLVvQp0FGXrmD7YYgtuh28-vJA6Twx&index=7
 
68: Exakt so, wie du es beschreibst. Rang 3 in der ewigen PS-Tabelle, an manchen Tagen zu teilen mit "Bleeding".
67: Beste Arena für mich knapp vor dem Besucher. Interessant, wie ähnlich wir beide das Album offenbar wahrnehmen!
66: In der Tat starkes Debüt, aber die wirklich großen Kansas-Werke sollten erst noch folgen, wahrscheinlich auch in deiner Liste...
 
Zurück
Oben Unten