caminantenocturno
Deaf Dealer
Ich glaube, dass du mit deinen Einschätzungen grundsätzlich richtig liegst.
Nur einen Aspekt möchte ich noch ergänzen: Aufgrund der aktuellen Niedrigzinsphase gibt es unter den Kreditinstituten kaum noch einen Wettbewerb um das Einsammeln von Kundengeldern. Im Gegenteil: Viele Häuser weisen eine so passivlastige Bilanzstruktur (= Überhang von - meist nur sehr kurzfristigen - Spareinlagen) auf, dass zusätzliche Einlagen als geradezu lästig angesehen werden. Zumal diese Gelder aufgrund fehlender Anlagemöglichkeiten mit Minuszinsen bei der EZB geparkt werden müssen.
Trotzdem trauen sich die wenigsten Institute, ihre Kundeneinlagen negativ zu verzinsen, da man (zurecht) den Aufschrei der Sparer fürchtet. So verharren die Zinsen für Kundeneinlagen bei knapp über null Prozent. Demgegenüber stehen historisch niedrige Kreditzinsen, was im Ergebnis einen stark gesunkenen Zinsüberschuss (= wesentlicher Ertragsbringer für Nicht-Investment-Banken) bedeutet. Die Anhebung von Kontoführungsgebühren etc. kann dies aus Bankensicht nur teilweise kompensieren.
Um das in dein Beispiel von einem Leitzins von 3 % zu übertragen: In so einer Situation wäre der Kampf um Kundeneinlagen ungleich größer, so dass die Kreditinstitute hier stärker gezwungen sind, mit einigermaßen attraktiven Konditionen zu punkten. Zudem würde die tendenziell höhere Marge im Kreditgeschäft einen größeren Spielraum für höhere Sparzinsen bieten.
Zusammengefasst: Bei einem sehr niedrigen Leitzins dürften klassische Sparanlagen (in Relation zur Inflationsrate) tendenziell weniger attraktiv sein, als bei einem höheren Leitzins (so ab etwa 2 %).
Die Frage, ob die gemessene Inflationsrate (anhand eines recht willkürlich zusammengestellten und gewichteten Warenkorbs) die eigene Lebenswirklichkeit einigermaßen realistisch abbildet, ist bei diesen ganzen Überlegungen natürlich auch noch zu berücksichtigen.
Ein wesentlicher Punkt der EZB-Politik war es ja, Liquidität in den Bankensektor zu pumpen (Quantitative Easing). Durch das Aufkaufen von festverzinslichen Wertpapieren ("Bonds") verringern sich die Möglichkeiten für Banken, das Geld der Kunden gewinnbringend anzulegen. - Daher müssen sie es theoretisch als Kredite an den Markt, vor allem kleinere Unternehmen, aber auch Privatpersonen (vor allem Immobilienkredite) weitergeben, was eigentlich auch das Kerngeschäft vieler Banken darstellt.
Angefangen hat die EZB mit Staatsanleihen, dann Covered Bonds (Pfandbriefe), dann Unternehmensanleihen (Credit); viel bleibt da nicht mehr ...
Wie man Inflation definiert ist natürlich immer so eine Sache; allen kann man es nicht recht machen, die meisten haben aber sowieso keine Lust, sich damit auseinanderzusetzen.
Kontogebühren zahle ich jedenfalls nicht; auf die übliche, schablonenhafte Beratung kann ich ohne weiteres verzichten ...