Zweiter Teil (darf nicht mehr als 15.000 Zeichen pro Beitrag einstellen):
Es soll viele Kämpfe zwischen Ihnen und dem Sänger von Deep Purple, Ian Gillan, gegeben haben. Wie muss man sich das vorstellen?
Ach, es war ständig was los. Aber ein Vorfall ist mir besonders im Gedächtnis geblieben. Das war Backstage in Cleveland. Mein Roadie besorgte mir wie üblich vor dem Auftritt mein Essen. An diesem Abend waren es Spaghetti - aber obendrauf war massig viel Ketchup. Und ich fragte ihn: "Was soll das?" Und er antwortete, dass Ian sich den Scherz erlaubt hatte. Also ging ich mit dem Teller Spaghetti in Ians Garderobe und drückte ihn in sein Gesicht. Der Raum war in Windeseile leer, alle erwarteten, dass es nun zu einer handfesten Auseinandersetzung kommen würde. Aber Ian schaute mich nur an und sagte: "Du bist mein Held. Ich werde dir keine runterhauen." Und fertig war er damit. Das war eine bewundernswerte Reaktion. Er hätte den Kampf gegen mich locker gewonnen, weil er größer ist als ich.
Wie haben Sie überhaupt so lange im Rock 'n' Roll überlebt?
Ich habe zwar eine Schwäche für deutsches Bier und Whiskey - aber Drogen habe ich nie genommen. Ich hatte zu viel Angst davor. Ich war auch so schon ziemlich exzentrisch, das hätte es nur noch verschlimmert. Also wurde ich zum Trinker. Mein Whiskey ist mir heilig. Ich mag es nicht, auf die Bühne zu gehen, ohne ein bisschen angesäuselt zu sein. Ich bin von Natur aus introvertiert, ich werde zu nervös, wenn ich keinen Drink hatte. Wenn ich in der Öffentlichkeit die Gitarre in die Hand nehme, habe ich immer etwas intus. Es gab allerdings eine Woche in meinem Leben, wo ich nur Milch getrunken habe.
Wann war das?
Mitte der Sechziger in Hamburg. Ich brauchte Geld und arbeitete in einer Reinigung. Und die Leute dort rieten mir, viel Milch zu trinken. Und ich fragte: "Warum?" Und sie antworteten: "Weil du sonst innerhalb von sechs Monaten stirbst, wenn du ständig mit den Kohlendioxidchloriden hier in Berührung kommst." Also soff ich literweise Milch. Zum Glück bekam ich nach knapp zwei Wochen den rettenden Anruf von Polydor, die einen Session-Gitarristen suchten.
Haben Sie schon mal Noten vergessen auf der Bühne?
Ja, als ich mal in San Francisco Marihuana ausprobierte. Alle Leute schwärmten, wie wundervoll das Zeug sei. Also gönnte ich mir ein paar Züge, ging auf die Bühne und spielte die ganze Zeit dieselbe eine Note. Ian Paice rief mir irgendwann zu: "Kommt da noch was anderes als diese eine Note?" Es war peinlich. Ich hab das Zeug nie wieder angerührt. Mir passiert das allerdings auch so manchmal, wenn ich mich nicht konzentriere. Mit Blackmore's Night und Rainbow habe ich momentan zwei Bands, und wir haben so viel Material. Aber wenn ich mich verspiele, gehe ich zum Verstärker, trete dagegen und tue so, als wäre es seine Schuld.
Wann wussten Sie, dass Sie professioneller Gitarrist und Rockstar werden wollten?
Mit dem Begriff Rockstar kann ich nichts anfangen - der ist für mich abgedroschen und lächerlich. Ich bin ja nicht Rod Stewart oder die Rolling Stones. Ich bin einfach nur ein Musiker, der gerne spielt. Ich muss elf Jahre alt gewesen sein, als ein Freund mir in der Schule seine Gitarre zeigte. Ich war total angefixt. Ich bettelte meinen Vater an, mir auch eine zu besorgen. Das dauerte, denn Gitarren waren teuer.
Aber dann hat es doch noch geklappt.
Ja. Als mein Vater sie mir überreichte, sagte er: "Wenn du nicht lernst, sie richtig zu spielen, zieh' ich sie dir über den Schädel." Also nahm ich Unterricht. Das begeisterte mich mehr als die richtige Schule, die ich oft schwänzte und schon mit fünfzehn verließ. Das Einzige, was ich an der Schule toll fand, war Speerwerfen. Ich war mit fünfzehn der beste Speerwerfer in London. Ich war physisch eher schmal, man braucht dafür aber auch keine Muskeln, nur die richtige Technik. Das ist ein bisschen so wie mit dem Gitarrespielen.
Auf einer Skala von eins bis zehn - welche Note würden Sie sich heute als Gitarrist geben?
Eine Sieben.
Das ist recht bescheiden.
Ich kenne so viele Gitarristen, die besser sind als ich. Aber die meisten haben keinen großen Namen. Albert Lee zum Beispiel. Oder Steve Lukather. Die Big Player in der Gitarristenliga sind nie so gut wie die, die eher im Hintergrund arbeiten. Also gebe ich mir eine Sieben - wenn ich einen guten Tag habe.
Als Mitglied von Deep Purple wurden Sie vor zwei Jahren in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Zur Zeremonie sind Sie allerdings nicht erschienen. Warum?
Weil ich die ganze Sache grotesk finde. Es sollte kein Komitee geben, das entscheidet, wer etwas Besonderes im Rock 'n' Roll geleistet hat. So etwas gibt es in der klassischen Musik, wo der beste Pianist oder der beste Cellist auserkoren wird. Aber Rock 'n' Roll bedeutet Freiheit, Energie und Spannung. Es geht nicht darum, von einer sogenannten Rock and Roll Hall of Fame akzeptiert zu werden. Oder heißt das im Umkehrschluss, dass die, die nicht drin sind, schlecht sind? Ich weiß zumindest ganz sicher, dass nicht alle, die aufgenommen wurden, sehr gut sind. Ich beschwere mich nicht, dass ich aufgenommen wurde, aber ich hätte niemals an der Zeremonie teilgenommen. Es ist zu unwichtig.
Ist das Ihre oft erwähnte exzentrische Seite?
Vielleicht. Aber die hängt auch von meiner Stimmung ab. Ich bin gern allein. Ich brauche Abgeschiedenheit und etwas Stille. Das ist heutzutage schwer zu finden. Wenn ich in ein Hotelzimmer komme, frage ich als erstes: "Wie ruhig ist es hier?" Ich stelle mich in die Mitte des Raumes und prüfe, wie viel Lärm von außen hereindringt. Allein das finden viele Leute schon sonderbar.
Hat Ihr Ruf auch mit den zwei Dutzend Besetzungswechseln bei Ihrer Band Rainbow zu tun?
Ganz sicher sogar. Dabei ist es so einfach, mit mir zu arbeiten. Zumindest für Leute, die ihren Job richtig machen.
Ich las, dass Sie an Ufos glauben.
Natürlich. Ich finde es eher seltsam, wenn man nicht daran glaubt. Ich habe schon zweimal ein unidentifiziertes Flugobjekt gesehen. Das erste Mal war ich vierzehn, das war in England. Das zweite Mal passierte es in Amerika - das ist etwa 25 Jahre her.
Und das war keine Täuschung?
Ich habe als Radiomechaniker am Londoner Flughafen gearbeitet. Das war mein erster Job. Ich weiß, was ein Flugzeug kann. Und ich kann es auch von einem Asteroiden unterscheiden. Was ich im Himmel sah, wäre auch nach heutigen technischen Standards unmöglich. Aber Ufos gesehen zu haben ist für viele Menschen, wie an Geister zu glauben. Ich glaube zu 110 Prozent an Geister, ich habe mit ihnen gesprochen. Aber wenn man davon erzählt, denken die Leute, dass man zu viel getrunken hat. Das ist ihre Art von Selbstschutz, weil sie Angst vor Geistern haben. Aber ich habe keine Angst vor Geistern, denn sie tragen keine Waffen.
Woher kommt eigentlich Ihre Vorliebe für mittelalterliche Kleidung?
Schwer zu sagen. Ich war schon in Hamburg in einer Band, die sich Die drei Musketiere nannte und auch so aussah. Ich trug damals Klamotten wie in der Renaissance. Ich fühle mich darin einfach wohl. Leute fragen mich deshalb immer, ob ich gerne im Mittelalter gelebt hätte. Zur Hölle, nein! Ich liebe mittelalterliche Musik, aber die Pest will ich nicht haben. Und eine Wohnung ohne Zentralheizung und Klimaanlage wäre auch nichts für mich.
Seit über 25 Jahren sind Sie mit Ihrer Frau Candice Night liiert, sie steht auch mit Ihnen auf der Bühne. Als Sie sie kennenlernten, war sie ein Model. Hat sie Ihnen nicht mal ein anständiges Sakko rausgelegt?
Nein. Candice ist selbst Musikerin und hat ein gutes Gehör. Wir haben uns also eher über Musik ausgetauscht und nie über Mode. Ich ziehe eh immer dasselbe an, besonders wenn ich in meinen eigenen vier Wänden bin. Da beschwert sich mein Umfeld dann schon mal über den Geruch.
Es ist dennoch erstaunlich, dass auch Ihre Frisur die Jahre überdauert hat.
Ich bin nun mal ein Hippie im Herzen, auch wenn ich es zu Hippie-Zeiten nie war. Ich bin oldschool. Ich lebe immer noch irgendwie in den Sechzigern.
Haben Sie mal eine Ihrer Platten auf Spotify angehört?
Nein. Zum einen höre ich mir meine Platten nur an, während ich dabei bin, sie aufzunehmen. Zum anderen bin kein großer Fan von Gitarrenmusik - da würde ich lieber einem Renaissance-Chor oder einem Cellisten lauschen. Und was soll Spotify überhaupt sein? Ich gehe ja gerne mal auf YouTube, um mir mittelalterliches Zeug anzusehen. Oder ich google nach Henry VIII. oder Richard III. Dennoch habe ich den festen Glauben, dass Computer und das Internet irgendwann den Untergang der Gesellschaft bedeuten. Zu viele Menschen sind abhängig von dieser Droge. Und es leistet dem Überwachungsstaat Vorschub.
Haben Sie ein Mobiltelefon?
Nein. Ich hatte ja, bevor die Dinger erfunden wurden, auch keins. Ich kenne es also gar nicht anders. Ich bin in einem Alter, wo ich glücklich bin mit dem, was ich habe. Und das meiste davon ist zwanzig oder dreißig Jahre alt.
Sprechen Sie von Ihrer Wohnungseinrichtung?
Auch. Ich modernisiere nichts. Ich lebe ein wenig gestrig.
Und was sagen Ihre Kinder dazu?
Die finden ihren Vater toll. "Du bist der Beste!", sagen sie. Und wenn ich dann entgegne, dass ich es nicht bin, widersprechen sie energisch.
Also sind Sie doch eher eine zehn - und keine sieben ...
Für meine Kinder schon. Sie sind ja erst sechs und sieben Jahre alt. Mal gucken, ob sie in fünf Jahren nicht zu jemand Besserem aufschauen.
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Ritchie Blackmore ...
... heißt eigentlich Richard Hugh Blackmore und wurde am 14. April 1945 in Weston-super-Mare in North Somerset geboren. Als Teenager lernte er klassische Gitarre. Über seinen ersten Job als Radiomechaniker in London kam er in Kontakt mit der aufblühenden Rock-Szene und wurde ein gefragter Studio- und Tourgitarrist, u.a. für Heinz und den Schockrocker Screaming Lord Sutch.
... gründete 1968 zusammen mit dem Organisten John Lord und dem Drummer Ian Paice die Band Deep Purple. Das Debütalbum "Shades of Deep Purple" mit dem Hit "Hush" und das im gleichen Jahr erschienene "The Book of Talesyn" brachten eine nie erlebte Härte und Erregung in die Rockmusik, die sich schnell zum Phänomen und einem eigenen Genre namens Hardrock auswuchs.
... nahm mit Deep Purple unter anderem die stilbildenen Alben "Deep Purple in Rock", "Machine Head" und "Made in Japan" auf und war Co-Autor von Klassikern wie "Smoke On The Water", "Black Night" und "Child In Time". Bis zu Blackmores entgültigem Ausstieg im Jahr 1993 verkauften Deep Purple an die 100 Millionen Platten. 2016 wurde die Band in die "Rock and Roll Hall of Fame" aufgenommen. Der Rolling Stone listet Blackmore auf Rang 50 der 100 besten Gitarristen aller Zeiten.
... startete 1975 das Projekt Rainbow, das er mehrmals wieder auflöste, u.a. um zwischenzeitlich zu Deep Purple zurückzukehren oder mit seiner Frau Candice in der Renaissance-Rockband Blackmore's Night zu spielen. Seit 2016 ist er mit komplett neuer Besetzung als Ritchie Blackmore's Rainbow unterwegs. Am 18. April gastiert er mit seiner Band im Berliner Velodrom, es ist das einzige Konzert in Deutschland. Mit "Memories in Rock II" ist dazu gerade ein CD/DVD-Set mit Live-Aufnahmen erschienen.