progge
Deaf Dealer
Ouvertüre
Thema dieses Threads ist klassische Musik. Also dieses Ding mit Geigen, Dirigenten und so. Aber nicht unbedingt der dissonante Deathspell-Omega-like-Abfuck-Kram, für den @HantSchwartz ja bereits den Thread Neue Musik ins Leben rief, sondern primär die heile Welt der Klassik prä-Moderne, als Stücke noch aus acht, nicht zwölf Tönen bestanden, die Wahl der genutzten Intervalle noch nicht per Dartscheibe entschieden wurde und man das Klavier noch mit den Händen, nicht dem Hintern bediente – ha, so viel billige Polemik muss sein, sonst liest doch keiner. Also der Ausdruck „traditionell“ im Titel meint schlicht alles von der Spätromantik rückwärts.
Erster Akt: Klassik-Kollaborationen im Metal
Es gab und gibt in den 2000ern eine Trenderscheinung im Metal, dass Bands mein(t)en, sie müssten „mal ne Klassik-Platte machen“. Ein paar Große und Kleine der Szene bildeten sich plötzlich ein, dass der Sprung von ihrem Standardsound zur Klassik ja so groß nicht sei, und diverse mal mehr, mal weniger gelungene Kollaborationen aus der Sparte Band xy feat. Orchester so-und-so waren die Folge.
Am scheißigsten Ende dessen, was es in dem Bereich gibt, lungern m.E. Satyricon mit ihrer Opera-Scheibe, für die sie sich einen 55-Köpfe-Chor ausgeliehen haben, der zur reinen Staffage verkommt. Von vereinzelten Ausnahmen („Die By My Hand“) abgesehen erhält er keinen eigenen Text, weshalb er nahezu die ganze Zeit nur als Verlängerung der Instrumente fungiert, in der Regel mit Themen auf dem Vokal A. Das langweilt nach einer Weile und nutzt die Ressourcen einer derartigen Zusammenarbeit nicht ansatzweise aus. Hier hätte man, überspitzt gesagt, auch einfach ein Keyboard nehmen können.
Dann wurden die eigentlichen Songs nicht bzw. nur minimal umarrangiert, der Chor ist also immer ein zusätzliches Element zu eigentlich fertigen Kompositionen, und das merkt man im Großteil der Fälle leider. Nur selten, etwa in den Messiaen-artigen Clustern in "Now, Diabolical", emanzipieren die Stimmen sich als ernstzunehmende Zutat. Viel zu häufig kommt es ansonsten vor, dass der jeweilige Grundton eines Akkords mitgesungen wird, etwa in "Nocturnal Flame" oder "Den Siste". Spätestens beim Klassiker "Mother North" ist das einfach nur nervig und addiert nicht nur nichts Nennenswertes hinzu, sondern trivialisiert das Stück sogar.
Nicht zuletzt besteht die Setlist zu großen Teilen aus den undynamischen, geradlinigen und unmajestätischen Kompositionen der Alben ab "Now, Diabolical", die sich gerade durch ihre Kompaktheit und ihr Rock-Feeling auszeichnen, in die die Klanglandschaft eines Chors nur mit viel Aufwand integrierbar ist – der hier aber nicht stattgefunden hat.
Viel besser ist der Spagat Dimmu Borgir mit ihrer Klassik-DVD gelungen. Deren Bombast-Sound mit seinen reichhaltigen Arrangements wird durch das Orchester um weitere passende Details ergänzt und man hat wirklich an vielen Stellen das Gefühl, dass hier zusammenkommt, was zusammengehört, auch wenn das nichts daran ändert, dass Dimmu Borgir seit tausend Jahren hundsmiserable Musik schreiben. Für die ersten Rhapsody-Scheiben und generell viel in diesem Träller-Bereich/Sinfonic Metal/Italo/na-ihr-wisst-schon gilt dasselbe: Die Musik ist nicht meins, aber der Zugang über Paganini und Mozart hat eine gewisse Schlüssigkeit.
Zweiter Akt: Die reine Klassik
Regelmäßig ist klassische Musik reicher an Elementen als Metal. Es gibt mehr Instrumente, also potenziell mehr Stimmen; es gibt keinen Schlagzeugbeat, der stur durchgeht, daher allerlei Gelegenheiten, Akkorde und ihre Wechsel zu verschleppen und zu beschleunigen; es gibt durch die Vielzahl der Stimmen, die man addieren und kürzen kann, sowie durch die Möglichkeiten der einzelnen Instrumente selbst ein hohes dynamisches Spektrum, dass alle Facetten, die zwischen ganz laut und ganz leise liegen, abdeckt; durch die Klangfarben der unterschiedlichen Instrumente vom heiseren Blech einer Posaune bis zur zärtlichen Schlangenbeschwörung der Harfe entsteht potenziell eine viele Sounds und Frequenzen abdeckende Landschaft.
Außer Musikwissenschaftlern wird aber sicher niemand zum Klassik-Fan, indem er/sie diesen Reichtum analysiert. Nein, Klassik kann auch auf einer ganz instinktiven, archaischen, emotionalen Ebene wirken, auf der häufig auch Metal wirkt. So bin ich auch zur Klassik gekommen, das ganze theoretisierende Geschwafel drumherum ist i.d.R. nur die post-facto-Rationalisierung des Begeisterungsgefühls. Meine Eltern sind Berufsmusiker an allem, was man mit Fingern und Füßen gleichzeitig spielt und meine Begegnungen mit klassischer Musik daher auch viel älter als die mit Metal. Einige Jährchen habe ich Celli und Flöten aufs Ärgste bearbeitet, ehe meine familiäre Umwelt seufzend einsah, dass ich allemal als E-Bassist tauge. Mit dem offiziellen Nimbus der Banausigkeit von allen Ketten der musikalischen Früherziehung entfesselt stürzte ich mich dann im Alter von 15 Jahren in den Metal, aber die Klassik hat mich doch auch stets begleitet und jetzt mit 16 (höhöhö) soll dieser Thread nun den Versuch abbilden, eine mögliche Schnittmenge zwischen Klassiker*innen und Metaller*innen im Bereich der Klassik zu finden.
Finale
Also, wer der Meinung ist, dass irgendeine Komposition aus der Klassik aus irgendeinem Grund ins DeafForever-Forum passt, kann sie hier vorstellen. Es kann doch unter Metalheads nicht nur Banausen geben.
Thema dieses Threads ist klassische Musik. Also dieses Ding mit Geigen, Dirigenten und so. Aber nicht unbedingt der dissonante Deathspell-Omega-like-Abfuck-Kram, für den @HantSchwartz ja bereits den Thread Neue Musik ins Leben rief, sondern primär die heile Welt der Klassik prä-Moderne, als Stücke noch aus acht, nicht zwölf Tönen bestanden, die Wahl der genutzten Intervalle noch nicht per Dartscheibe entschieden wurde und man das Klavier noch mit den Händen, nicht dem Hintern bediente – ha, so viel billige Polemik muss sein, sonst liest doch keiner. Also der Ausdruck „traditionell“ im Titel meint schlicht alles von der Spätromantik rückwärts.
Erster Akt: Klassik-Kollaborationen im Metal
Es gab und gibt in den 2000ern eine Trenderscheinung im Metal, dass Bands mein(t)en, sie müssten „mal ne Klassik-Platte machen“. Ein paar Große und Kleine der Szene bildeten sich plötzlich ein, dass der Sprung von ihrem Standardsound zur Klassik ja so groß nicht sei, und diverse mal mehr, mal weniger gelungene Kollaborationen aus der Sparte Band xy feat. Orchester so-und-so waren die Folge.
Am scheißigsten Ende dessen, was es in dem Bereich gibt, lungern m.E. Satyricon mit ihrer Opera-Scheibe, für die sie sich einen 55-Köpfe-Chor ausgeliehen haben, der zur reinen Staffage verkommt. Von vereinzelten Ausnahmen („Die By My Hand“) abgesehen erhält er keinen eigenen Text, weshalb er nahezu die ganze Zeit nur als Verlängerung der Instrumente fungiert, in der Regel mit Themen auf dem Vokal A. Das langweilt nach einer Weile und nutzt die Ressourcen einer derartigen Zusammenarbeit nicht ansatzweise aus. Hier hätte man, überspitzt gesagt, auch einfach ein Keyboard nehmen können.
Dann wurden die eigentlichen Songs nicht bzw. nur minimal umarrangiert, der Chor ist also immer ein zusätzliches Element zu eigentlich fertigen Kompositionen, und das merkt man im Großteil der Fälle leider. Nur selten, etwa in den Messiaen-artigen Clustern in "Now, Diabolical", emanzipieren die Stimmen sich als ernstzunehmende Zutat. Viel zu häufig kommt es ansonsten vor, dass der jeweilige Grundton eines Akkords mitgesungen wird, etwa in "Nocturnal Flame" oder "Den Siste". Spätestens beim Klassiker "Mother North" ist das einfach nur nervig und addiert nicht nur nichts Nennenswertes hinzu, sondern trivialisiert das Stück sogar.
Nicht zuletzt besteht die Setlist zu großen Teilen aus den undynamischen, geradlinigen und unmajestätischen Kompositionen der Alben ab "Now, Diabolical", die sich gerade durch ihre Kompaktheit und ihr Rock-Feeling auszeichnen, in die die Klanglandschaft eines Chors nur mit viel Aufwand integrierbar ist – der hier aber nicht stattgefunden hat.
Viel besser ist der Spagat Dimmu Borgir mit ihrer Klassik-DVD gelungen. Deren Bombast-Sound mit seinen reichhaltigen Arrangements wird durch das Orchester um weitere passende Details ergänzt und man hat wirklich an vielen Stellen das Gefühl, dass hier zusammenkommt, was zusammengehört, auch wenn das nichts daran ändert, dass Dimmu Borgir seit tausend Jahren hundsmiserable Musik schreiben. Für die ersten Rhapsody-Scheiben und generell viel in diesem Träller-Bereich/Sinfonic Metal/Italo/na-ihr-wisst-schon gilt dasselbe: Die Musik ist nicht meins, aber der Zugang über Paganini und Mozart hat eine gewisse Schlüssigkeit.
Zweiter Akt: Die reine Klassik
Regelmäßig ist klassische Musik reicher an Elementen als Metal. Es gibt mehr Instrumente, also potenziell mehr Stimmen; es gibt keinen Schlagzeugbeat, der stur durchgeht, daher allerlei Gelegenheiten, Akkorde und ihre Wechsel zu verschleppen und zu beschleunigen; es gibt durch die Vielzahl der Stimmen, die man addieren und kürzen kann, sowie durch die Möglichkeiten der einzelnen Instrumente selbst ein hohes dynamisches Spektrum, dass alle Facetten, die zwischen ganz laut und ganz leise liegen, abdeckt; durch die Klangfarben der unterschiedlichen Instrumente vom heiseren Blech einer Posaune bis zur zärtlichen Schlangenbeschwörung der Harfe entsteht potenziell eine viele Sounds und Frequenzen abdeckende Landschaft.
Außer Musikwissenschaftlern wird aber sicher niemand zum Klassik-Fan, indem er/sie diesen Reichtum analysiert. Nein, Klassik kann auch auf einer ganz instinktiven, archaischen, emotionalen Ebene wirken, auf der häufig auch Metal wirkt. So bin ich auch zur Klassik gekommen, das ganze theoretisierende Geschwafel drumherum ist i.d.R. nur die post-facto-Rationalisierung des Begeisterungsgefühls. Meine Eltern sind Berufsmusiker an allem, was man mit Fingern und Füßen gleichzeitig spielt und meine Begegnungen mit klassischer Musik daher auch viel älter als die mit Metal. Einige Jährchen habe ich Celli und Flöten aufs Ärgste bearbeitet, ehe meine familiäre Umwelt seufzend einsah, dass ich allemal als E-Bassist tauge. Mit dem offiziellen Nimbus der Banausigkeit von allen Ketten der musikalischen Früherziehung entfesselt stürzte ich mich dann im Alter von 15 Jahren in den Metal, aber die Klassik hat mich doch auch stets begleitet und jetzt mit 16 (höhöhö) soll dieser Thread nun den Versuch abbilden, eine mögliche Schnittmenge zwischen Klassiker*innen und Metaller*innen im Bereich der Klassik zu finden.
Finale
Also, wer der Meinung ist, dass irgendeine Komposition aus der Klassik aus irgendeinem Grund ins DeafForever-Forum passt, kann sie hier vorstellen. Es kann doch unter Metalheads nicht nur Banausen geben.