"Weiterentwicklung" (im Metal). Oder: die Illusion vom besseren Leben

...einen Lifestyle, eine Lebenseinstellung...

Ich frage mich, was dieser Lifestyle oder Lebenseinstellung sein soll, die von Heavy Metal bestimmt ist?

Etwa so:
Skate Punk = Skateboard fahren
Surf Rock = Wellenreiten
Biker Rock = Moped fahren
Black Metal = Katzen opfern
(Heavy) Metal = ?

Ich denke, die meisten Metalfans stehen mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen, gründen Familien, machen Karriere, bauen Häuser, ziehen Kinder groß, malochen, studieren, zahlen Kredite ab, gründen Unternehmen, sorgen vor für die Rente, schließen Versicherungen ab, machen Urlaub, kümmern sich um pflegebedürftige Eltern oder Angehörige etc., da reduziert sich der "Metal-Lifestyle" in Metal hören (meistens über Kopfhörer, um Familie und Nachbarn nicht zu stören), Metalshirts tragen und zu Konzerten und Festivals gehen und klar, sich hier im DF-Forum auszutauschen.

Also, was ist diese ominöse Lebenseinstellung? Etwa, dass man sich frei, (ewig) jung und (pseudo-)rebellisch fühlt? Ick wees nich...
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich denke nicht, dass das die Intention dieses Threads ist. Mich würde aber schon interessieren, was Metal im Kern für Dich ausmacht (ohne dass ich darauf angewiesen wäre, dass es mir einer erklären müsste ;))

Darauf möchte ich nun antworten, wenn auch direkt ungefragt:

Für mich macht die Faszination am Metal aus, dass es sich um eine über Jahrzehnte gewachsene Szene handelt, die einem Stammbaum gleich auf gemeinsamen Wurzeln fußt und die sich in weiten Teilen zu eben dieser gemeinsamen Tradition bekennt, die meinetwegen bei Black Sabbath beginnt und sich von dort an breit aufgefächert hat, ohne jemals völlig mit ihren Wurzeln zu brechen. Das Faszinosum ist für mich ungebrochen, da ich seit jeher ein Faible für Dinge habe, die sich quasi geschichtswissenschaftlich verfolgen und einordnen lassen. Genauso wie mich Stories fesseln, die eine eigene Welt erschaffen und sich bemühen, diese lückenlos zu hinterfüttern (Star Trek, Mittelerde etc...), fasziniert mich diese umfassende Metalwelt, die in manchen Punkten eben nicht wie viele andere Musikgenres funktioniert, sondern die dieses "eigene Welt"-Denken auf eine völlig andere Ebene gebracht hat. Sicher ist da viel Eskapismus dabei, keine Frage, aber das ist bei Tolkien und Roddenberry ja auch so. Es gibt im Metal wie kaum in einem anderen Musikkosmus Genealogien, Ikonographien, Religionen, Philosophien; es gibt vom Drachentöter bis zum Spaceman, vom Satanisten bis zum Christen, vom Sozi bis zum Nazi, vom Veganer bis zu Ted Nugent die ganze Bandbreite, doch oft in einem eigenweltlichen Kontext, der meist ganz erklärtermaßen von der realen Welt komplett entrückt ist. Das ist, vom Gefallen für die Musik an sich abgesehen, der Knackpunkt, der für mich Metal zu so viel mehr macht als zu bloßer Musik.

Und was "Metal im Kern" ist? Das ist für mich letztlich das Bekenntnis des Musikers, des Fans, der Band, des Journalisten, sich als Teil dieser Tradition zu sehen und sich als Teil dieses Faszinosums zu sehen. Und zwar unabhängig davon, ob sein Ansatz progressiv oder konservativ ist. Entscheidend ist, dass für ihn der Heavy Metal eine Rolle spielt und er aus seinen Traditionen seine Inspiration zieht. Tut er das, dann ist er für mich relativ unabhängig von der Formensprache, die er wählt, ein Teil der Metalszene; was dazu führt, dass ich auch Avantgarde, oder auch handwerklich gesehen genrefremde Projekte als Teil des Faszinosums Metal sehe (wie etwa die Ambient- oder Folk-Alben diverser Schwarzheimer).
 
Ich frage mich, was dieser Lifestyle oder Lebenseinstellung sein soll, die von Heavy Metal bestimmt ist?

Das brauchst du dich nicht zu fragen ;) Wenn du meinen Post genau liest, wirst du feststellen, dass ich lediglich sage, dass sich im Metal bei Priest und spätestens ab der NWOBHM oft die Behauptung oder Annahme findet, es gäbe eine solche Lebenseinstellung (Holocaust fallen mir zB als erstes ein). Wenn viele Leute das denken, gibt es die "Lebenseinstellung" auch bald - nur dass sie eben aus dem besteht was Fan X und Musiker Y denken dass sie beinhaltet. Also wie ein Gefäß, dass dann alle, die daran glauben, mit ihrem persönlichen Zeux füllen können - beim Teenager kann es Rebellion gegen Autoritäten sein, für den Misanthropen Opposition zur Gesellschaft, für den Familienvater Hobby, Nostalgie, Zeit mit alten Freunden, für den einen Musiker Broterwerb abseits eines sehr unspektakulären Arbeitsmarktes, für den anderen Exzess, Alk und Drogen ... die Diskussion zeigt es schon: Spiritualität, Zusammengehörigkeitsgefühl, Eskapismus - alles kann man da einfüllen. Vorausgesetzt, man glaubt daran, dass es außer den Tönen vom Band noch irgendwas am Metal gibt. Dass das der Fall ist erzählen uns ziemlich viele Bands :)

Als passender Schlusspunkt erscheint mir folgendes von Roxxcalibur und @Neudi entstaubtes NWOBHM-Kleinod:


(Edit: ehrlich gesagt ist die Roxxcalibur-Version besser)
 
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Mir geht es so, dass ich von Dingen schnell gelangweilt bin, wenn sie sich wiederholen. Deswegen war ich auch bei Musik immer eher an Entwicklung interessiert als daran, möglichst viel von dem zu haben, was mir gefällt. Meine Sammlung (wenn man sie überhaupt so bezeichnen mag, denn ich sammle eben gar nicht im klassischen Sinne) ist also eher weitgefächert, während ich kaum einen Künstler komplett habe. Auch hab ich die 90er nicht als negativ empfunden, obwohl meine musikalische Sozialisierung noch in den 80ern begonnen hat. Aber in den 90ern ist eben viel passiert und genau das fand ich super.

Trotzdem fällt mir aber auf, dass sich mit zunehmendem Alter was verändert. Auf intellektueller Ebene finde ich neue Sachen immer noch genau so interessant wie früher. Aber es wird immer seltener, dass mich diese Neuerungen auch emotional erreichen. Dieses tiefe Gefühl der Begeisterung, dass ich als Jugendlicher oft hatte, wenn ich Musik kennengelernt haben, stellt sich immer seltener und auch weniger intensiv ein. Man ist eben nur einmal jung. Deswegen bedeutet mir neue Musik auch nicht mehr so viel.

Andererseits gehe ich den Retro-Trend aber kaum mit. Für mich hat Musik eine starke Zeitgeist-Komponente. Die Musiker aus vergangenen Jahrzehnten haben einen gesellschaftlichen Zeitgeist in ihre Musik einfließen lassen, den es einfach nicht mehr gibt und den man aus meiner Sicht auch kaum reproduzieren kann. Deswegen entdecke ich zwar schon immer wieder Musik von damals, die mich begeistert. Aber nur in absoluten Ausnahmefällen aktuelle Musik, die so klingen will wie früher. Das spricht mich normalerweise alles überhaupt nicht an.

Das gehört jetzt vielleicht nur bedingt zum Thema, aber das waren meine ersten Gedanken dazu ;-)
 
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Ich denke nicht, dass das die Intention dieses Threads ist. Mich würde aber schon interessieren, was Metal im Kern für Dich ausmacht (ohne dass ich darauf angewiesen wäre, dass es mir einer erklären müsste ;))

Was Metal im Kern für mich ausmacht? Für mich ist Metal die pure musikalische Energie. Ein chaotisches grauenvollschönes Konzentrat, dass in seinem Facettenreichtum von majestätischer, erhabener Schönheit, über stumpfe und prollige Ausgelassenheit, bis hin zur rohen zerstörerischen und zermalmenden Dunkelheit, alles unter einem eigenen Klang in sich vereint. Eine Musik, die mich immer wieder für Freiheit und das Gute rebellieren lässt. Musik die einen spüren lässt, das man lebt und alles erreichen kann, was man will. Die mich immer wieder dazu bringt, aufzustehen und alles zu geben. Musik die mich inspiriert und antreibt.

Das bis heute prägenste Erlebnis dazu, habe ich von Heaven and Hell auf dem Wacken 09. Ronnie James Dio war einfach übermenschlich großartig. Diese Stimme hat mich an diesem Abend irgendwo in eine andere Dimension geholt.

Weder/noch. War schließlich selbst oft genug dort, um zu wissen von was ich spreche.

Du magst da gewesen sein. aber passen die Adjektive inhaltslos, idetitätslos, oder größenwahnsinnig trotzdem nicht.
 
Mir geht es so, dass ich von Dingen schnell gelangweilt sind, wenn sie sich wiederholen. Deswegen war ich auch bei Musik immer eher an Entwicklung interessiert als daran, möglichst viel von dem zu haben, was mir gefällt. Meine Sammlung (wenn man sie überhaupt so bezeichnen mag, denn ich sammle eben gar nicht im klassischen Sinne) ist also eher weitgefächert, während ich kaum einen Künstler komplett habe. Auch hab ich die 90er nicht als negativ empfunden, obwohl meine musikalische Sozialisierung noch in den 80ern begonnen hat. Aber in den 90ern ist eben viel passiert und genau das fand ich super.

Trotzdem fällt mir aber auf, dass sich mit zunehmendem Alter was verändert. Auf intellektueller Ebene finde ich neue Sachen immer noch genau so interessant wie früher. Aber es wird immer seltener, dass mich diese Neuerungen auch emotional erreichen. Dieses tiefe Gefühl der Begeisterung, dass ich als Jugendlicher oft hatte, wenn ich Musik kennengelernt haben, stellt sich immer seltener und auch weniger intensiv ein. Man ist eben nur einmal jung. Deswegen bedeutet mir neue Musik auch nicht mehr so viel.

Andererseits gehe ich den Retro-Trend aber kaum mit. Für mich hat Musik eine starke Zeitgeist-Komponente. Die Musiker aus vergangenen Jahrzehnten haben einen gesellschaftlichen Zeitgeist in ihre Musik einfließen lassen, den es einfach nicht mehr gibt und den man aus meiner Sicht auch kaum reproduzieren kann. Deswegen entdecke ich zwar schon immer wieder Musik von damals, die mich begeistert. Aber nur in absoluten Ausnahmefällen aktuelle Musik, die so klingen will wie früher. Das spricht mich normalerweise alles überhaupt nicht an.

Das gehört jetzt vielleicht nur bedingt zum Thema, aber das waren meine ersten Gedanken dazu ;-)

Ist bei mir quasi exakt genauso. V.a. mit der orange markierten Sache hatte ich vor einigen Jahren so meine Probleme. Also das zu "akzeptieren", dass mich trotz Begeisterung für Musik kaum noch was Neues wirklich packt. Waren es, pfff, so Anfang der 00er Jahre noch recht viele Neuanschaffungen pro Jahr, geht das seit bestimmt 10 Jahren stetig zurück und dass ich bspw. letztes Jahr ganze 10 Neuerscheinungen nicht nur toll fand, sondern auch haben wollte, ist regelrecht enorm gewesen.
 
Ist bei mir quasi exakt genauso. V.a. mit der orange markierten Sache hatte ich vor einigen Jahren so meine Probleme. Also das zu "akzeptieren", dass mich trotz Begeisterung für Musik kaum noch was Neues wirklich packt. Waren es, pfff, so Anfang der 00er Jahre noch recht viele Neuanschaffungen pro Jahr, geht das seit bestimmt 10 Jahren stetig zurück und dass ich bspw. letztes Jahr ganze 10 Neuerscheinungen nicht nur toll fand, sondern auch haben wollte, ist regelrecht enorm gewesen.

In der Pubertät sind die emotionalen Schwankungen ja auch viel extremer. Wenn da die richtige Musik zum inneren Weltuntergang läuft, haut das ganz anders rein als bei einem abgerühten alten Sack. ;)
 
In der Pubertät sind die emotionalen Schwankungen ja auch viel extremer. Wenn da die richtige Musik zum inneren Weltuntergang läuft, haut das ganz anders rein als bei einem abgerühten alten Sack. ;)

Hehe, das stimmt. Wenn ich so zurückdenke, was mich damals bspw. im Black Metal Mitte der 90er total bewegt hat, so muss ich heute schon darüber schmunzeln. Die Musik finde ich auch heute noch genial, aber das, was abseits davon im Kopf passierte und was ich da "reinfabuliert" habe bzw. wie ich mich dadurch mit irgendwelchem philosophisch-metaphysischem-Okkultkrams meinte beschäftigen zu müssen (*lach*), das ist schon irgendwie weg ;) Aber missen möchte ich das im Leben nicht - das ist Teil meiner Jugend und somit Teil von mir. Schlimm wäre es nur, finde ich, wenn ich mich davon distanzieren bzw mich im Nachhinein dafür blöd finden würde. Aber damals hat Musik mich irgendwie einfach mehr auch abseits des Hörens bewegt/beschäftigt. Das ist heutzutage anders. Natürlich lösen bestimmte Alben/Bands/Songs etwas in mir aus, pushen mich, holen mich aus der Realität etc., aber es ist einfach anders als damals (was völlig i.O.) ist. Kurzgesagt: heutzutage ist es "nur" Musik hören und toll finden, früher war es sowas pathetisches wie Musik bzw Fan-sein "leben": Soll natürlich jeder für sich entscheiden, was er zum glücklich sein braucht - für mich reicht das so und passt ;)

Was ich an wie auch immer gearteten Retro-Wellen (sei es im Metal, im Synthwave oder oder oder,,,) dieser Tage toll finde, ist eher die Optik. Ich finds halt klasse, wenn Artwork, Logos etc den Spirit von damals gekonnt einfangen und so nostalgische Gefühle/Gedanken auslösen. Die Musik selbst ist mir da zu bestimmt mehr als 90% völlig egal, v.a. im Metal (im erwähnten Synthwave Genre ist da schon mehr für mich drin).
 
Die These, dass Metal eine religiöse Komponente hat, würde ich grundsätzlich bejahen. Es ist mMn sogar eines der zentralen Themen und ein wesentliches Kriterium (für mich zumindest), ob es sich um "Metal" handelt oder nicht. Zusammen mit dem Sound (Instrumentierung, Lautstärke etc.) ist die textlche und konzeptionelle Verarbeitung religiöser und spiritueller Themen der wesentliche Unterschied zu den meisten populären Musikstilen. Fehlt diese Komponente, ist es für mich kein "Metal". Okkulte, christliche, neureligiöse, heidnische oder satanische Inhalte gehören essentiell zum Metal und sind in anderen Musikgenres (HArdcore, Punk, Techno. Pop, Hip Hop etc.) kaum zu finden.
Auch wenn ich dem Rest, den du geschrieben hattest, überwiegend zustimmen würde, muss ich mich hier auch nochmal einhaken - Lobi hat ja schon aufgezeigt, dass das Religiöse nicht ausschließlich oder hauptsächlich im Metal zu finden ist - und ich möchte jetzt noch dem anderen Teil deiner Aussage widersprechen, dass Religion essenziell für Metal ist.
Natürlich finden sich religiöse Themen sehr häufig im Metal, aber gerade in den 80ern gab es auch viele Bands (ich würde sagen, klar die Mehrheit), die sich eher weltlichen (aktuellen wie historischen) Themen auf der einen oder purem Eskapismus auf der anderen Seite gewidmet haben (oft beides, siehe Iron Maiden). Ich habe sogar eher das Gefühl, dass erst in jüngster Vergangenheit wirklich viele Bands im Metal religiöse Inhalte vermitteln. In den 80ern war das doch meist eher die Ausnahme oder eben nicht so ernst gemeint.
Oder fasst du den Religionsbegriff hier einfach viel weiter und es reicht die lyrische Auseinandersetzung mit existenziellen Themen?

Miburns Eröffnungsbeitrag, bzw. die darin beschriebenen Gedanken, finde ich zwar interessant, sehe es aber dennoch anders und in dem Verlangen nach "Retro" eher ein allgemeines Phänomen, dass sich durch alle möglichen Bereiche (wie hier schon erwähnt wurde) zieht und eben vor allem nostalgische, wohlige Gefühle auslösen kann und soll.
Ich finde auch nicht, dass traditionelle Metalbands jetzt grundsätzlich mehr in die Tiefe gehen, als innovativere, die etwas Neues ausprobieren und Grenzen ausloten oder sprengen wollen. Natürlich verkommt bei manchen Bands das Neuartige zum reinen Selbstzweck, aber unter den Retrobands gibt es genauso "leere Hüllen", die einfach nur versuchen etwas von früher zu reproduzieren, ohne dabei aber die Qualität der Vorbilder zu erreichen und einen wirklich eigenen Stil zu entwickeln, was für mich häufig sehr wichtig ist, um wirklich begeistert zu sein.
In beiden Bereichen gibt es auch heute noch tolle Bands, die den Metal bereichern, aber ich würde das dann weder an das "Besinnen auf alte Werte", noch am "Mut zur Andersartigkeit" allein festmachen.
 
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Oder fasst du den Religionsbegriff hier einfach viel weiter und es reicht die lyrische Auseinandersetzung mit existenziellen Themen?

Nein, ich meine mit Religion die künstlerische Auseinandersetzung mit Transzendenz, aber nicht unbedingt auf einer intellektuellen, philosophischen Ebene, sondern sinnlich (Trance, Ekstase, Meditation etc.), und evtl. sogar auch spirituell erfahrbar durch Riten, die denen bekannter Religionen nicht unähnlich sind. Die Themen sind bekannt und auch der Ritus orientiert sich an einer Jahrtausende alten Kulturgeschichte.

Ich stimme Dir zu, dass es immer, aber ganz besonders in den 80ern, eine Schwemme an "areligiösen", hedonistischen Metalbands gab: Hair Metal, Sleaze Metal, Glam Metal, bei denen die Frisur und der akkurat gezogene Lidstrich wichtiger waren, als die Musik oder gar Inhalte. Sex, Drogen, Macht. Schön, solche "Exzesse" sollen auch schon in der Katholischen Kirche vorgekommen sein. Für mich kein Widerspruch an meiner These, die ich relativierend einschränkte, dass dies "für mich" gelte.
 
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Hehe, das stimmt. Wenn ich so zurückdenke, was mich damals bspw. im Black Metal Mitte der 90er total bewegt hat, so muss ich heute schon darüber schmunzeln. Die Musik finde ich auch heute noch genial, aber das, was abseits davon im Kopf passierte und was ich da "reinfabuliert" habe bzw. wie ich mich dadurch mit irgendwelchem philosophisch-metaphysischem-Okkultkrams meinte beschäftigen zu müssen (*lach*), das ist schon irgendwie weg ;) Aber missen möchte ich das im Leben nicht - das ist Teil meiner Jugend und somit Teil von mir. Schlimm wäre es nur, finde ich, wenn ich mich davon distanzieren bzw mich im Nachhinein dafür blöd finden würde. Aber damals hat Musik mich irgendwie einfach mehr auch abseits des Hörens bewegt/beschäftigt. Das ist heutzutage anders. Natürlich lösen bestimmte Alben/Bands/Songs etwas in mir aus, pushen mich, holen mich aus der Realität etc., aber es ist einfach anders als damals (was völlig i.O.) ist. Kurzgesagt: heutzutage ist es "nur" Musik hören und toll finden, früher war es sowas pathetisches wie Musik bzw Fan-sein "leben": Soll natürlich jeder für sich entscheiden, was er zum glücklich sein braucht - für mich reicht das so und passt ;)

Was ich an wie auch immer gearteten Retro-Wellen (sei es im Metal, im Synthwave oder oder oder,,,) dieser Tage toll finde, ist eher die Optik. Ich finds halt klasse, wenn Artwork, Logos etc den Spirit von damals gekonnt einfangen und so nostalgische Gefühle/Gedanken auslösen. Die Musik selbst ist mir da zu bestimmt mehr als 90% völlig egal, v.a. im Metal (im erwähnten Synthwave Genre ist da schon mehr für mich drin).
Also, dass du jetzt auf Logos, u.ä. vergangener Zeiten stehst, das hätte ich nie von dir erwartet!
 
Nein, ich meine mit Religion die künstlerische Auseinandersetzung mit Transzendenz, aber nicht unbedingt auf einer intellektuellen, philosophischen Ebene, sondern sinnlich (Trance, Ekstase, Meditation etc.), und evtl. sogar auch spirituell erfahrbar durch Riten, die denen bekannter Religionen nicht unähnlich sind. Die Themen sind bekannt und auch der Ritus orientiert sich an einer Jahrtausende alten Kulturgeschichte.

Ich stimmer Dir zu, dass es immer, aber ganz besonders in der 80ern, eine Schwemme an "areligiösen", hedonistischen Metalbands gab: Hair Metal, Sleaze Metal, Glam Metal, bei denen die Frisur und der akkurat gezogene Lidstrich wichtiger waren, als die Musik oder gar Inhalte. Sex, Drogen, Macht. Schön, solche "Exzesse" sollen auch schon in der Katholischen Kirche vorgekommen sein. Für mich kein Widerspruch an meiner These, die ich relativierend einschränkte, dass dies "für mich" gelte.

Auch wenn du es so fasst, kann die Erfahrung von Transzendenz nicht auf den Metal beschränkt bleiben: dieselben Erfahrungen können Menschen (vielleicht nicht du, oder ich, aber andere) auch beim Wandern, im Fussballstadion oder beim Pokémon Go-Spielen machen.

Dass du Spiritualität als Gegenteil von Hedonismus auffasst finde ich sehr befremdlich (und sehr protestantisch ;) ). Wer will schon sagen ob der Blackmetaller, der in einer Höhle kniend kabbalistische Formeln murmelt, näher an einer transzendenten Erfahrung ist als Niki Sixx, der mit einer Überdosis Heroin in seiner eigenen Kotze liegt?
 
Nein, ich meine mit Religion die künstlerische Auseinandersetzung mit Transzendenz, aber nicht unbedingt auf einer intellektuellen, philosophischen Ebene, sondern sinnlich (Trance, Ekstase, Meditation etc.), und evtl. sogar auch spirituell erfahrbar durch Riten, die denen bekannter Religionen nicht unähnlich sind. Die Themen sind bekannt und auch der Ritus orientiert sich an einer Jahrtausende alten Kulturgeschichte.

Ich stimmer Dir zu, dass es immer, aber ganz besonders in der 80ern, eine Schwemme an "areligiösen", hedonistischen Metalbands gab: Hair Metal, Sleaze Metal, Glam Metal, bei denen die Frisur und der akkurat gezogene Lidstrich wichtiger waren, als die Musik oder gar Inhalte. Sex, Drogen, Macht. Schön, solche "Exzesse" sollen auch schon in der Katholischen Kirche vorgekommen sein. Für mich kein Widerspruch an meiner These, die ich relativierend einschränkte, dass dies "für mich" gelte.
Die Liste der areligiösen Metalbands der 80er kannst du getrost um Heavy, Speed, Thrash, Progressive, Epic und Death Metal erweitern...;) (auch wenn man da sicher nicht immer sagen kann, dass die transportierten Inhalte unwichtig waren, aber sie waren eben meist nicht religiöser Natur)
Ich würde sogar sagen, in den 80ern war das einzige Metal-Subgenre mit einer nennenswerten Anzahl an Bands mit (ausschließlich oder überwiegend) religiösen Themen der Doom Metal. In allen anderen Subgenres waren das seltene Ausnahmen.
Aber gut, wenn es nur für deine eigene Definition für Metal wichtig ist, soll dies kein Gegenargument sein, sondern nur eine allgemeine Feststellung.
 
Interessantes Thema.

Zunächst möchte ich betonen, dass Metal für mich nicht wie eine Religion ist. Metal steht ja häufig eher für Religionskritik, das wäre mir persönlich dann zu heuchlerisch. Ich sehe Metal eher als einen Kult, vielleicht ein Dogma.

Es ist aber mMn auch eine Art von Mode. Martialische Insignien, Logos, Bandshirts, Kutten, Personenkult. Patches für € 300,- Was für uns Ältere der etwas andere Lifestyle ist, ist für manche Jüngere ein stylisches sehen und gesehen werden. Man erkauft sich bei Ebay ein kleines Stück Authentizität, wo es für mich (uns @tobi flintstone) damals Teil einer Art von Ehrenkodex war, die altgedienten Metalheads zu respektieren und mir (uns) ihre Akzeptanz zu erarbeiten.
Übrigens ist dies als Feststellung zu verstehen, einen guten Teil dieser Mode mache ich ja nunmal auch mit. Man braucht halt nur nicht zu glauben, dass man als Metalhead heute noch besonders viel Individualismus ausstrahlt.

Und das bringt mich zur Frage nach dem Erfolg des Retro-Stils. Vieles davon hat sicher mit Nostalgie zu tun. Sich wieder wie früher fühlen, als Maiden Mitte 20 waren und Alben voller Energie, Schweiß und jugendlichem Adrenalin rausgerotzt haben. Heute machen das neue Bands (so etwas geht halt bis auf wenige Ausnahmen nur, wenn man jung und etwas unbedarft/unbekümmert ist), aber die alten Fans fühlen den gleichen Enthusiasmus und sich selbst daheim. Da ist es dann auch nicht wichtig, dass man Vieles davon schonmal gehört hat, oft auch besser.
Der Nachwuchs glaubt naturgemäß, dass früher alles besser war und spürt in dieser neuen Welle eine Aufbruchstimmung, wie sie in verstärkter Form auch in den glorreichen Achtzigern zu fühlen war. Das schürt dann wiederum das Gefühl, ein Teil von etwas Besonderem zu sein und in zwanzig Jahren der nächsten Generation zu erzählen, wie toll die 2010er waren (was sie übrigens auch für mich sind).

Der Eingangspost von @MIBURN kam bei mir so an, dass mit Weiterentwicklung immer auch eine Kommerzialisierung einher geht - ich hoffe ich habe das jetzt nicht falsch wiedergegeben!
Dem kann ich nicht zustimmen, denn durchaus erfolgreiche Bands haben ihren Stiefel nicht immer weiter gespielt, sondern haben bewusst quer geschlagen. Sie sind dabei ja auch nicht immer softer geworden. Testament mit Low, Demonic und The Gathering fallen mir spontan als Beispiel ein, nachdem das softere The Ritual nicht den Erfolg des Black Album wiederholen konnte.
Die Neunziger waren für den klassischen Metal halt auch schwierig und verwirrend, die Fans brachen weg, andere Trends wurden geboren. Wenn man von der Musik leben muss, passt sich der eine oder andere eben an, wieder andere halt nicht.
Aber ohne Weiterentwicklung gäbe es ganze Subgenres nicht - wie @Lobi schon schrieb-, und Maiden hätten genau so wenig AMOLAD veröffentlicht wie Carcass Heartwork. Das wäre manchen sicher recht, anderen weniger.

Am Ende des Tages sind Metal und harter Rock einfach konstante und verlässliche Größen, die im klassischen Bereich heute wieder eine Menge zu sagen haben und obendrein zahlreiche - je nach Geschmack- dem Hörer mehr oder weniger tolle Subgenres anbieten. Und das ist ein Kult, dem ich gerne noch den Rest meines Lebens folge.
 
In der Pubertät sind die emotionalen Schwankungen ja auch viel extremer. Wenn da die richtige Musik zum inneren Weltuntergang läuft, haut das ganz anders rein als bei einem abgerühten alten Sack. ;)
Also da fällt mir ja nix mehr ein dazu. Außer ungefragt zu antworten!:D

Was sollet, wir sind innem Forum, da darf jeder. Ich kann auch nur von meinem Beispiel ausgehen, finde allerdings den Post von @Hugin sehr treffend.

Also, ich bin - leider, leider - nicht von Anfang an metallisch sozialisiert. Ich habe also die Entwicklung des Metal teilweise nur in der Retrospektive im Angebot.

Ich kam zum ersten mal so '83/'84 in Berührung mit der metallischen Kunst, ein Klassenkamerad hörte SODOM, SCORPIONS und die ganzen Geschichten, die unser verehrter Götzigötz immer mal wieder so treffend als "Hartwurst" bezeichnet - ach ja, ACCEPT war auch noch dabei. Soweit ich mich erinnern kann, verlangte ich von ihm nie ein Mixtape. Danach verflog das alles wieder, ich interessierte mich zu diesem Zeitpunkt nicht sonderlich für Musik.

Das sollte sich dramatisch ändern, als ich volljährig wurde - weit entfernt vom Metallischen, aber immerhin eine musikbeeinflusste Szene. In dieser ersten Szene blieb ich dann auch ziemlich aktiv und habe die Zeit genossen. Mein damaliger popmusikalischer Horizont - also airplaytaugliche Mucke - hörte ungefähr mit Madonnas "La Isla Bonita" auf zu existieren. Dieses ist auch heute noch mein Referenzwerk aus diesem Bereich.

Es dauerte nicht lange, und mir wurde diese Szene zu langweilig, weil zu oberflächlich, und ich wandte mich einer anderen Szene zu, die noch weniger mit Metal zu tun hatte, aber im Endeffekt sehr arrogant ist. Auch dort war ich - wenn auch nur als Konsument - sehr aktiv. Es folgte eine Zeit, in der ich in keiner musikbasierten Szene aktiv gewesen bin, weil mich keine Szene wirklich angesprochen habe.

Im Jahre 2005 sollte sich dieses grundlegend ändern. Ich blieb beim Livemitschnitt des "Rock am Ring" hängen - MOTÖRHEAD spielten, und der schon ziemlich gealterte @the_pit blieb an den Harmonien, an der Lautstärke, an der Melodie und den Texten hängen. Ich war infiziert, ich war fasziniert! Das war die Art von Musik, nach der ich über 30 Jahre meines Lebens gesucht habe. Ich bin ihr bis heute treu, an diesem Zustand wird sich auch nichts ändern. SLIPKNOT und auch METALLICA gaben mir den letzten Rest. man konnte aggressiv sein, ohne irgendetwas oder irgendwem Schaden zuzufügen. Das hatte ich in den vorhergehenden Szenen so nicht erlebt. Die Musik transportierte für mich die ganze Palette menschlicher Gefühle, Hass, Trauer, Freude, Ironie, Lebenslust, Verärgerung.

Dieses soll als Vorrede genügen.

Die Faszination, die Metal auf mich - und ich kann hier wirklich nur für mich sprechen! - ausübt, ist eigentlich ein systemimmanenter Rückgriff auf immer wieder die gleiche Struktur: man nehme ein bis zwei Gitarren, einen Bass, ein Schlagzeug, einen Sänger, lasse sie als Einheit ihre Mucke entwickeln und spielen. Dieses funktioniert seit nunmehr über 40 bis 50 Jahren, alle Metalbands gehen auf diese Besetzungsstruktur zurück, mal wird ein Instrument nicht besetzt, dafür kommt ein anderes - auch mal ein exotisches wie z. B. das Keyboard - hinzu, mal fällt der Drummer weg, mal sucht man vergeblich nach der zweiten Gitarre, die auf einmal wiederum in anderen Bands der Sänger in der Hand hält (o Wunder; nicht selten isses auch der Bass), Aus meiner Zeit vor meiner metallischen Laufbahn kommt meine Vorliebe für Instrumentalstücke - das wird durch manche Bands erreicht, in der der Sänger obsolet wird.

Dem Metaller wird es auch leicht gemacht, in dem er durch die Band A auf die Band B oder Band C aufmerksam gemacht wird, die dieselbe Musik spielt, aber in einer Abwandlung, die man so vorher noch nicht gehört hat. Wenn man Lust hat, kann man selbst aktiv werden, so man die Fähigkeit besitzt, ein Instrument zu beherrschen oder aber auch nur seine Stimmbänder.

Aber alles geht auf die ursprüngliche Besetzungsstruktur zurück, die so wandelbar ist, das sich im Laufe der letzten Jahrzehnte aus den Bereichen Heavy-, Power-, Thrash-, Death- und Black Metal eine Unzahl verschiedenster teilweise völlig konträrer Untersparten entwickelt hat, von dem eher opernhaft-theatralischen Metal Marke NIGHTWISH über Metal Marke SLAYER bis zum eher reduzierten Metal Marke BEEHOOVER oder SUNN O))). Alles lässt sich unter diesem Gesichtspunnkt mit allem in Beziehung bringen.

Manche Stile liegen flach, dann kommen sie wieder hoch, manches ist ein Rohrkrepierer, manches erreicht mit Entstehen ungeahnte Höhen.

Das ist, was den Metal so interessant macht, auch die Festivals verschiedenster Art, vom Underground bis zu Wacken, es hat alles seine Berechtigung, kein Metalhead hört exakt das gleiche wie sein Nachbar; die Metalszene befruchtet sich auch durch ihre Fans selbst, weil unterschiedliche "Dienstalter" aufeinandertreffen und es sich so trefflich wie auch friedlich über die verschiedenen Geschmäcker streiten lässt.

Ich fühle mich wie im Osterspaziergang des J. W. Vonvon: "Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein."
 
Auch wenn du es so fasst, kann die Erfahrung von Transzendenz nicht auf den Metal beschränkt bleiben: dieselben Erfahrungen können Menschen (vielleicht nicht du, oder ich, aber andere) auch beim Wandern, im Fussballstadion oder beim Pokémon Go-Spielen machen

Das habe ich niemals behauptet (das wäre an Vermessenheit auch kaum zu toppen!) und stimme Dir in diesem Punkt 100% zu. Ich habe Metal mit anderen ausschließlich zeitgenössischen und populären Musikstilen verglichen und nicht mit tranzendentalen Erfahrungen anderer Art.
 
Also vielleicht interpretiere ich das Ausgangsposting ja falsch aber ging es nicht eher um die religiöse Verehrung "unsere Musik" als um religiöse Inhalte selbiger?

Bzw. gleiche Verhaltensmuster im Bezug auf Festhalten bewährter Traditionen?
 
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